Bücher mit dem Tag "zeruya shalev"
6 Bücher
- Zeruya Shalev
Liebesleben
(260)Aktuelle Rezension von: KlugscheisserIch habe das Buch vor etwa 20 Jahren das erste Mal gelesen. 2022 habe ich es erneut aus dem Regal gezogen. Auch diesmal konnte ich mich der Faszination nicht entziehen. Ich liebe die Sprache von Zeruya Shalev. Und sie hat mir mit ihren Büchern ein großartiges Geschenk gemacht: Sie hat die direkte Rede, fast vollständig eliminiert ! Alles Gesprochene zwischen zwei Personen wird in indirekter Rede geschrieben und das tut unglaublich gut, es ist wie ein dahinfließender Fluß nicht enden wollender Sätze. Manche Sätze füllen eine halbe Seite aus. Herrlich ! Ich liebe das !
Bis ich ihr Buch das erste Mal in Händen hielt, wußte ich nicht, daß man so schreiben kann. Aber ohne es zu wissen, hatte ich es mir immer gewünscht. Es ist auch unglaublich fair den Lesern gegenüber. Denn was sich andere Autoren oft leisten, indem sie seitenweise Dialoge runterrotzen und für jeden Satz geht eine Zeile drauf, das grenzt oft schon an Frechheit. Den Drucker freut's, denn er spart sich viel Druckerschwärze. Dem Verlag ist es egal, ob er halbleere Seiten verkauft, Hauptsache das Buch verkauft sich.
Die Geschichte ist schnell erzählt: Junges Mädchen verfällt altem Sack ! Das hat die Faszination einer Schüssel Schlachtabfälle. Man kann einfach nicht wegsehen. Selbst als Vegetarier. Man liest weiter und weiter bis zum Ende. Und die ganze Zeit denkt man sich, Mädchen, wann wachst Du endlich auf, das ist nichts weiter als ein alter ekelhafter Kerl, ein Egomane, ein eitler lächerlicher Geck, der sich nur dann jung fühlt, wenn er eine junge Frau beschmutzend benutzt.
Die Frage ist natürlich, ob man sich als Mann, der ich bin, überhaupt ein Urteil erlauben kann, wenn es um die Gefühle einer Frau geht. Doch ich vermute, daß die Hauptdarstellerin, ad eins, ein Vaterproblem hat und, ad zwei, ein Minderwertigkeitsproblem, denn sonst würde sie sich doch nicht so derart unter Wert hergeben, diesesVerhältnis ist ja eine einzige Erniedrigung.
Klar, daß es Marcel Reich-Ranicki gefallen hat. Wie auch nicht, das ist ja schon fast faustisch. Junges Mädchen verfällt altem Mann. Zur Hälfte hatte man den legendären Literaturkritiker ja schon für sich gewonnen, wenn es ein paar erotische Szenen im Buch gab. Die andere Hälfte bestand dann aus Stilkritik.
Dieser Arie, der ein Freund ihres Vaters ist, gehört zu den Typen, die sich komplett auf ihre sexuelle Energie fokussieren und dieser Laserstrahl scheint dann bei bestimmten Frauen, das Gehirn außer Gefecht zu setzen, wenn er sie trifft. Aber, wie geschrieben, da sollte dann vielleicht besser eine Frau erklären, was da stattfindet.
Ach ja, bevor ich es vergesse, ich glaube es war auch das Gefühl, dem Leben nicht gewachsen zu sein, daß Ja'ara sich so bedingungs- und kritiklos diesem Verfallensein hingeben ließ. Also die reine Passivität, anstatt aktiv zu versuchen, ihr Leben in den Griff zu bekommen.Sich der Hoffnungslosigkiet hinzugeben nach dem Motto Komme da, was wolle. So scheint mir die sexuelle Hörigkeit das Höchstmaß an Passivität zu sein. Ja, darum geht es in diesem Buch, als Roman kann man es nicht bezeichnen, um sexuelle Hörigkeit.
Noch etwas läßt vermutlich auch denjenigen weiterlesen, der das Buch vielleicht bereits zur Seite legen will: Ziemlich am Anfang des Buches erfährt der Leser, daß Ja'aras Mutter mit Arie vor Ja'aras Geburt ein Verhältnis hatte und bis man erfährt, daß Arie durch einen Unfall zeugungsunfähig war, mutmaßte ich, ob Arie vielleihct sogar Ja'aras leiblicher Vater war und er dies sogar wußte und sich auf diese Art an Ja'aras Mutter rächen wollte, da sie ihn damals nicht heiraten wollte. Und auch nachdem ich erfuhr, daß Arie damal zeugungsunfähig gewesen sein soll, blieb in mir ein kleiner Restzweifel: Vielleicht hatte er das mit der Zeugungsunfähigkeit erfunden und er war doch Ja'aras leiblicher Vater. Wie verwerflich !
Als nächstes habe ich dann das Buch Mann und Frau von Zeruya Shalev gelesen und das werde ich auch noch separat ausführlich rezensieren, doch soviel kann ich schon sagen, da ist wesentlich mehr Substanz drin und wesentlich mehr, was einen beziehugsmäßig interessieren kann. Doch ihren Schreibstil, und das finde ich gut, hat sie beibehalten.
Inzwischen habe ich mir auch all ihre anderen Bücher zugelegt, aber will diese jetzt nicht einfach so, haps haps, weglesen.
Ich habe natürlich auch nachgeschaut, welches ihrer Bücher verfilmt wurde. Es ist tatsächlich dieses hier, Liebesleben. Doch ich weiß beim besten Willen nicht, was sich die Filmemacher dabei gedacht haben, den alten widerlichen Sack durch einen charmanten, zuvorkommenden Frauenversteher, einen leicht ergrauten Schönling Ende vierzig zu ersetzen, einen den man noch gut auf dem Laufsteg als Model einsetzen könnte. Unerträglich ! Nach zwei Minuten habe ich ausgeschaltet.
Ich gebe dennoch 5 Sterne, allein schon wegen Stil und Sprache.
Ein durchaus empfehlenswertes Buch.
- Zeruya Shalev
Mann und Frau
(107)Aktuelle Rezension von: AngiBinzDie Beziehungsromane von Zeruya Shalev sind wohl auch deshalb so brillant, weil sie so düster und wahr sind. "Mann und Frau" ist nichts für Leute, denen der Sinn nach guten Gefühlen und Happy Ends steht. Dafür durchaus was für an tieferen psychologischen Auseinandersetzungen und sehr realistischen Geschichten interessierten Leser. - Hila Blum
Der Besuch
(46)Aktuelle Rezension von: Tilman_SchneiderNili und Nataniel sind verheiratet, haben Kinder und sie haben eine lange, bewegte Geschichte und sie haben viel Schönes, aber auch viele Geheimnisse. Nili hat eine Tochter mit in die Ehe gebracht und gemeinsam haben sie noch eine Tochter bekommen. Begonnen hat ihre Liebe romantisch und ein wunderbarer Ausflug nach Paris hat sie noch enger werden lassen und auch am nächsten Tag war die Liebe und das Gefühl noch da. Aber genau in Paris sind sie einem Herren begegnet der seltsam prägend für den Verlauf der Geschichte sein soll. Viele Jahre begleiten wir die Familie und in einem außergewöhnlich heißen Sommer in Jerusalem ändert sich viel mehr als man sich wünschen könnte und für Nili und Nataniel heißt es, Farbe bekennen.
Hila Blums Debut Roman ist eine Tour de Force einer Familie und ihre Sprache, ihre Metaphern, ihre detaillierten Beschreibungen sind ein absoluter Lesegenuss. - Zeruya Shalev
Schmerz
(48)Aktuelle Rezension von: CatastrophiaZeruya Shalevs Spezialität ist es, das unangenehme Gefühlsleben ihrer Protagonist*innen auszuloten - und die Leser*innen damit zu konfrontieren. "Schmerz" ist ihr fünfter Roman. Er kreist um die verschiedenen Auswirkungen physischen und psychischen Schmerzes auf das Alltagsleben die Flucht davor und den Widerstand dagegen.
Die mittelglücklich verheiratete Schulleiterin Iris, Mutter zweier Kinder, wurde vor 10 Jahren bei einem Terroranschlag schwer verletzt. Als die Schmerzen wiederkommen, begibt sie sich zu einem Schmerzspezialisten. Dabei trifft sie auf ihre Jugendliebe Eitan, der sie damals heiraten wollte, sie stattdessen aber überraschend verlassen hat. Die Begegnung erschüttert sie, denn nicht nur, dass die Trennung sie emotional lange belastet hat - noch immer fühlt sie sich zu ihm hingezogen.
Es folgt eine schmerzhafte Auseinandersetzung der Protagonistin mit ihrem Begehren, ihren Bedürfnissen, ihrer Verantwortung für Familie und Beruf, es dringen Erinnerungen an den Anschlag hervor und daran, wie dieser ihre Familie geprägt hat, wie er die Ehe veränderte und sich auf Iris Verhältnis zu ihren Kindern und nicht zuletzt zu sich selbst auswirkt . Verbissen versucht Iris, mit allem allein fertig zu werden, sich durchzubeißen, nichts nach außen dringen zu lassen.
Iris" individuelle Geschichte ist nicht losgelöst von der Umgebung und gleichzeitig für viele Menschen in Israel alltäglich. Nicht nur der Anschlag änderte und prägte ihr Leben. Ihr Vater starb im Jom-Kippur-Krieg und ihr Sohn wird bald den Militärdienst antreten. Als Schulleiterin bemüht sie sich darum, das interkulturelle und interreligiöse Verständnis unter den Schüler*innen zu stärken, während sie selbst am eigenen Leib erfahren hat, wohin Hass und Fundamentalismus führen können. All dies beeinflusst(e) ihre Lebensentscheidungen und ihre Reaktion auf Veränderungen.
"Schmerz" ist mein zweiter Roman von Shalev. Wie schon bei "Liebesleben" wollte ich die Protagonistin für ihr Handeln verurteilen, hatte Empathie, schwankte zwischen meinen eigenen Moralvorstellungen und der Frage, wie sehr man als Außenstehende*r Einfluss auf einen Kampf nehmen muss, kann, und sollte, den jemand anders vor allem mit sich selbst ausmacht und den man nie ganz nachvollziehen kann. Klug komponiert ist daher, dass Iris bei ihrer Tochter vor genau dem Problem steht, mit dem uns Shalev als Leser*innen konfrontiert. Der Roman entfaltete bei mir eine ähnliche Sogwirkung wie schon "Liebesleben", wirkte auf mich aber sehr viel ernster und tiefgehender.
Eine großartige, von Mirjam Pressler toll übersetzte Sprache verbindet sich mit einer eindrücklichen Gesellschafts- und Charakterstudie, einer spannenden Handlung und komplexen Charakteren. Große Leseempfehlung!
- Zeruya Shalev
Späte Familie
(59)Aktuelle Rezension von: ReadzgiDies ist die Geschichte von Ella, einer Frau, die sich von ihrem Mann trennt. Zeruya Shalev lässt uns tief ins Seelenleben blicken - oftmals abgründig tief. Sie seziert die Gefühle von Ella detailreich mit einer wunderschönen, bildhaften und atemlosen Sprache. Keine einfache Lektüre - eine die emotional unter die Haut geht und Emotionen treffend und schonungslos auf den Punkt bringt. - Bollmann Stefan
Frauen, die schreiben, leben gefährlich
(26)Aktuelle Rezension von: SikalStefan Bollmann hat hier einen wunderbar gestalteten Bildband zusammengestellt. Viele interessante Schriftstellerinnen werden hier vorgestellt, viele waren mir nicht geläufig – und wieder andere aus dem Gedächtnis entschwunden.
Man begegnet hier u.a. Anne Frank, Doris Lessing, Virginia Woolf, Astrid Lindgren. Gereiht sind die Porträts chronologisch nach dem Geburtsjahr und so spannt sich der Bogen von Hildegard von Bingen (1098) bis hin zu Arundhati Roy (1961).
Ich denke, dass das Buch wirklich nur als Einführung und Zusammenfassung gedacht war und diesem Ziel wird es auch durchaus gerecht. Jeweils ein Bild und ein kurzer Text können hier keine großartige Biographie ersetzen, doch als Gedankenstütze (wer wann wie gelebt hat z.B.), als kurzes Nachschlagewerk ist es geeignet.
Der Titel erschließt sich mir nicht so recht, die angesprochene Gefahr ebenso wenig. Dass – besonders in früheren Jahrhunderten – der Weg von Frauen ein schwieriger war, weiß man. Doch hier wäre es wünschenswert gewesen, eine Verbindung zu besagter Gefahr herzustellen. Welche Mehrarbeit, welche Schwierigkeiten mussten sie auf sich nehmen, um in einer Männerwelt bestehen zu können? Darauf findet man leider keine Antwort.
Trotzdem kann ich drei Sterne vergeben, weil ich das Buch gerne gelesen habe und die eine oder andere Schriftstellerin wieder in mein Gedächtnis kam.