Bücher mit dem Tag "super-gau"
13 Bücher
- Marc Elsberg
BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
(1.516)Aktuelle Rezension von: Nackt_und_GluecklichNein, das Buch ist okay, aber wenn man es kennt und dann das Hörbuch hört, rauscht ununterbrochen die Dusche:
Wie ich darauf komme? Ein Schriftstellerkollege (Bestsellerautor) hat in seinem Roman über einen gravierenden Stromausfall seine Leutchen ständig duschen lassen. Wenn sie nicht duschen konnten, haben sie ständig daran gedacht, dass sie nicht duschen können und haben sich gewünscht, endlich wieder duschen zu dürfen. Erst haben sie es furchtbar vermisst! Stromausfall, kein Wasser, wir können nicht duschen. O my fucking God! Das ist der Untergang der Zivilisation. Also das Nicht-Duschen-Können, nicht der Stromausfall. Hätte man Notduschen gehabt, wäre der fehlende Strom halb so wild gewesen, so kommt es einem vor.
Als sich später die Helden, nach Tagen, durch halb Europa gekämpft haben, im Dunklen und im Kalten, marodierenden Banden ausweichend, und endlich ein Gebäude mit Notstrom und fließendem Wasser erreichen – da hat sie ihren großen Auftritt. Die Dusche als Messias. Halleluja! Er erwähnt die Duschen und die fehlenden Duschen rund vier Dutzend Mal. In Worten, es wird dreiundvierzigmal die Dusche erwähnt. Kein Witz. In The Stand von Stephen King mit doppelt so vielen Seiten wird halb so oft geduscht und nur ein einziges Mal aus einem banalen Grund.
- Michael Tietz
Rattentanz
(167)Aktuelle Rezension von: Read-and-CreateEs werden unter Anderem Gier, Angst und Übergriffe thematisiert. Aber auch Zusammenhalt - von bekannten und unbekannten.
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Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Unterschieden von Stadt und Land durchaus so eintreten könnten. Ich hoffe allerdings, dass wir nie in solch eine Situation kommen. - Gudrun Pausewang
Die Wolke
(934)Aktuelle Rezension von: HoldenGerade haben wir in Deutschland die letzten AKWs abgeschaltet, zuletzt "unser" AKW im emsländischen Lingen, da beabsichtigt Ministerpräsident Söder, das AKW Isar 2 auf eigene Faust weiter zu betreiben (sich davor anzuketten?)....Im AKW Grafenrheinfeld in Unterfranken ereignet sich ein Atomunglück, herbeigeführt durch menschliches Versagen. Im 100 km entfernten Schlitz springen alle Warnlampen an, ABC-Alarm wird ausgelöst, und alles eilt und hastet, um dem drohenden verseuchten Regen zu entkommen, Rücksicht wird nicht genommen, jeder ist sich selbst der nächste. Janna-Berta überlebt als einzige ihrer Familie, die sich im Bereich der Sperrzone 3 befunden hat, und kann es gleichwohl nicht erwarten, zurück in ihren Heimatort zu reisen. Ihren kleinen Bruder hat sie nicht retten können, sie mußte mit ansehen, wie er von einem rücksichtslosen Autofahrer überrollt wurde. Am stärksten ist das Buch, wenn ein Bezug zur Politik und den Politikern der alten Bundesrepublik hergestellt wird, zu ihren hohlen Phrasen und ihren Beschwichtigungsversuchen, während gleichermaßen um sie herum alles zerfällt. Die Beschreibung der Postapokalypse ist auch stimmig, zu heutigen Zeiten fühlt man sich trotz aller Entsetzlichkeit doch leider an die Zombieserie "The Walking dead" erinnert.
- Jens Mühling
Mein russisches Abenteuer (DuMont Reiseabenteuer)
(35)Aktuelle Rezension von: Kristall86Klappentext:
„Weit hinter Moskau liegt das echte, das »russische« Russland
Fast ein Jahr lang reist Jens Mühling durch Russland und porträtiert aus ganz persönlicher Perspektive eine Gesellschaft, deren Lebensgewohnheiten, Widersprüche, Absurditäten und Reize hierzulande nach wie vor wenigen vertraut sind. Auf seiner Reise erlebt er unglaubliche Begegnungen: Eine Einsiedlerin in der Taiga, die erst als Erwachsene erfahren hat, dass es jenseits der Wälder eine Welt gibt. Ein Mathematiker, der tausend Jahre der russischen Geschichte für erfunden hält. Ein Priester, der in der atomar verseuchten Sperrzone von Tschernobyl predigt. Ihre Lebensgeschichten fügen sich zu einem faszinierenden Porträt der russischen Seele.“
Das Buch von Jens Mühling ist ein echter Bestseller mir über 25.000 verkauften Exemplaren und hier mit dieser Neuauflage dürfen wir Leser wieder abtauchen. Ich war und bin ein großer Fan russischer Literatur, russischer Reportagen (gerade von Gerd Ruge), egal ob mit politischen Hintergrund oder einfach nur der Natur wegen - Russland ist ein höchst interessantes Land. Mühling geht in diesem Buch auf äußerst viele Themen ein, die Einem nunmal beschäftigen. Die Geschichte mit der Einsiedlerin kenne ich schon sehr lange und ihre Geschichte verfolge ich seit Jahren. Mühling nimmt das alles hier nochmal auf und beschreibt das sehr gefühlvoll und spannend. Ja, auch das ist Russland. Aber das ist nur eine von ganz vielen Geschichten hier. Jens Mühling will dem Leser auf ganz ruhige und auch sachliche Weise die Vielfältigkeit Russlands näher bringen. Bei mir hat er es geschafft. Sein Buch liest sich spannend, amüsant, geheimnisvoll und auch irgendwie aufklärend. Ich vergebe hier sehr gern 5 von 5 Sterne und dazu eine Leseempfehlung!
- Frank Jöricke
Mein liebestoller Onkel, mein kleinkrimineller Vetter und der Rest der Baggage
(61)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-NutzerDie Lebensgeschichte des Frank Jöricke am Beispiel seiner Familie und deren Mitglieder. Der Vater, der das Familienhaus mit Asbest gedämmt hat, was eine mittelschwere Ehekrise auslöst. Der Onkel, der in einem fort seine Frau betrügt, woraufhin diese sich in ihre Gebete flüchtet. Der Vetter, der nach Osteuropa reist um dort ein paar Frauen für die Prostitution zu begeistern, wobei er aber nicht mit den Frauen gerechnet hat. Alles zeitgeschichtlich eingeordnet vom Ende des Krieges bis zum Internetzeitalter.
Von Frank Jöricke hatte ich vor der Lektüre dieses Buchs zugegebenermaßen noch nie etwas gehört. Mittlerweile ist er mir jedoch ein Begriff, er und seine manchmal kuriose, manchmal stinknormale Familie, deren Geschichte er in diesem äußerst humorvollen Buch dem Leser, also in diesem Fall mir, ein Stück näher bringt. Dabei verknüpft er die Familiengeschichte geschickt mit der Geschichte Deutschlands und macht so auf die wechselseitigen Wirkungen von zum Beispiel der 68er Bewegung oder des Internetbooms auf seine Geschichte und die seiner Verwandten aufmerksam.
Der humorvolle Blickwinkel auf selbst tragische Ereignisse macht dem Leser den Erzähler von der ersten Seite an sympathisch und nach einer Weile fühlt man sich in dessen Leben so zuhause, als hätte man nie etwas anderes gekannt. So ziehen die Kapitel vorbei, ohne dass man sich vom Inhalt des Buchs in irgendeiner Weise beschwert fühlt oder von der Fülle der Ereignisse erschlagen wird. Das ideale Buch also für die dunkle Jahreszeit in der draußen alles grau und regnerisch ist, Frank Jöricke in meinem Kopfkino jedoch ein Leuchtfeuer veranstaltet.
Was mir manchmal gefehlt hat, war ein tieferer Einstieg in die Geschehnisse. Das Buch arbeitet eine so umfassende Zeitspanne ab und dann noch für eine ganze Familie, dass vieles nur überflogen wird, selbst Meilensteine sich im Hintergrundrauschen der stetig fortschreitenden Geschichte verlieren. Dabei finden einzelne Szenen im Buch fast überhaupt nicht statt, ist Dialog Mangelware, und das beim humoristischen Talent des Autors, der aus diesen Szenen sicher etwas hätte zaubern können, anstatt nur über sie hinweg zu fliegen, was mich als Leser ein klein wenig enttäuscht hat.
Ein lustiger Familienroman, der einen grauen Novemberabend aufzuhellen weiß, über die Lektüre hinaus aber nur marginal im Gedächtnis bleibt.
- Andreas Gröhl
Fukushimnobyl
(4)Aktuelle Rezension von: Kerstin_LimmerBibliographie: erschienen in der Monogramm Verlagsgesellschaft 2014, umfasst 487 Seiten
Klappentext: Kurz nach ihrer Einstellung im Kernkraftwerk Unterweser entdeckt die junge Ingenieurin Verena Meier auf ihrem Arbeitsplatz-Computer eine Textdatei, die auf einen Fehler im Sicherheitssystem des Kernreaktors hinweist. Ihre Nachforschungen ergeben, dass diese Datei von ihrem spurlos verschwundenen Vorgänger stammt, der die zu einem GAU führenden Bedienungsschritte veröffentlichen wollte. Bei der Suche nach seiner Anleitung begibt sich Verena Meier in tödliche Gefahr …
Inhaltsangabe:
Verena Meier sucht dringend einen Job und fragt nicht lange, als ihr der Job im Kernkraftwerk Unterweser angeboten wird. Schließlich ist sie die, die die kleine Familie ernährt. Nicht lange lässt ihre Vergangenheit in Form von Udo Lenker auf sich warten. Er möchte sein „Verenchen“ wieder zurück.
Als gewissenhafte Mitarbeiterin versucht sie, die Arbeit ihres Vorgängers fortzuführen. Dabei wird sie mit einer Datei konfrontiert, die auf eine mögliche Katastrophe hindeutet. An die falschen Leute im Kernkraftwerk gewandt, wird der neue Job schnell zur tödlichen Falle.
Verarbeitung des Themas und sprachliche Gestaltung:
Andreas Gröhl setzt sich mit dem Thema Sicherheit in Kernkraftwerken auseinander. Mit fundiertem Hintergrundwissen versucht er den Leser in die Welt der Kernkraft einzuführen, zeigt die Risiken auf, die jedes dieser Stromproduzenten mit sich bringt.
Ein heikles Thema, denkt man an die uns bekannten Katastrophen. Doch die waren bislang immer anderswo, nicht in Deutschland.
Bei der Verarbeitung der Thematik gelingt es Gröhl nicht, den Leser in eine aktive Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Inhalt zu führen. Vielmehr ist der Rezipient damit beschäftigt, ständig auf der Hut zu sein, nicht den Faden der Akteure zu verlieren. Zu viele Personen, die mal wichtig, mal nur Nebenakteur sind, huschen durchs Gesamtbild. Meist unwesentliche Szenen werden künstlich in die Länge gezogen. Dem Leser erscheint es, als müsse die avisierte Seitenzahl unter allen Umständen gehalten werden. Die Haupthandlung wird von zu vielen Nebenhandlungen zerrissen, die es schwer machen, dem eigentlichen Thema zu folgen. Anfänglich kommt man zur Frage, was hat Verenas verflossenes Verhältnis mit Udo Lenker mit dem Titel zu tun. Da nutzt auch die durchaus solide sprachliche Gestaltung wenig. Am Ende überschlagen sich die Handlungen dermaßen, dass man geneigt ist, immer wieder nachzuschauen, was denn im Vorfeld passiert ist. Der Aufbau des Spannungsbogens gelingt zwar dem Autor stellenweise recht gut, jedoch ist die Lösung eher überhastet und undurchschaubar.
Die Covergestaltung trifft die Thematik gut und zieht den Leser an.
Persönliche Meinung:
Der Titel lud mich ein, das Buch zu lesen. Dennoch habe ich ungewöhnlich lange gebraucht, mich durch die Wirren des Romans zu arbeiten. Weniger ist eben doch manchmal mehr. Empfehlen würde ich den Roman nicht, weil mir das Chaos zu groß ist. Toller Titel, tolles Thema, mittelmäßig verarbeitet.
- Karen Duve
Warum die Sache schiefgeht
(14)Aktuelle Rezension von: HoldenKaren Duve schreibt sich dir ganze Wut von der Seele, wie wir von engstirnigen und machtbesessenen MÄNNERN in die globale Krise getrieben wurden, von den gleichen Typen, die seit 5000 Jahren das Sagen haben und wegen denen es jetzt 2 vor 12 auf der Weltuntergangsuhr ist. Sie nennt die Probleme beim Namen (gefühllose, dressierte Entscheidungsträger, die beratungsreistent sind und selbst jetzt vor dem abzusehenden Untergang nicht bereit sind, zu tun, was jetzt unbedingt getan werden muß. Allen Entscheidungsträgern landauf landab sei das Buch vor die Stirn getackert, aber Frau Duve sieht die Rettung ja auch nur in einer Revolution, selbst die Vereinten Nationen scheinen eine Nummer zu klein für das Anliegen zu sein. Das Buch zur rechten Zeit. - Gudrun Pausewang
Die letzten Kinder von Schewenborn
(367)Aktuelle Rezension von: rose7474Diesen Jugendroman las ich bereits in der Schule. Auch damals konnte er mich gleich fesseln, berühren und nachdenklich machen. Nun las ich ihn zum 3. Mal nach langer Zeit. Ein sehr wichtiges Buch was nachhallt und leider immer noch so aktuell ist. Daher eine absolute Leseempfehlung von mir für Jugendliche und auch Erwachsene sowie wohlverdiente 5 Sterne. Von dieser bereits verstorbenen Autorin werde ich auf jeden Fall noch mehr lesen.
- Thomas Kowa
Reaktor - Der unsichtbare Mörder
(40)Aktuelle Rezension von: buecherwurm1310In diesem Band bekommt es Kommissar Erik Lindberg mit einer sehr verstrahlten Geschichte zu tun. Es gibt einen radioaktiv verseuchten Toten und Lindbergs Chef setzt ihn unter Druck. Doch dabei bleibt es nicht, denn schon bald gibt es im Umfeld von einem Atomkraftwerk und einem angeblichen sicheren Lager für Atommüll mehrere verstrahlte Umweltaktivisten, die sterben. Doch noch ahnt niemand die wahre Bedrohung.
Es ist ein erschreckendes Szenario, dass Thomas Kowa in diesem Thriller beschreibt, erschreckend weil es gar nicht mal unwahrscheinlich ist, denn es gibt überall Reaktoren, die veraltet sind und immer wieder Störungen haben. Solange sie Geld bringen, hat niemand Bedenken, sie zu nutzen. Auch in diesem Fall ist Profit das einzig Wichtige für einen Investor. Es ist eine Geschichte, die sehr spannend ist und einen ziemlich nachdenklich stimmt. Der Schreibstil des Autors ist packend und gut zu lesen.
Lindberg ist ein interessanter und sympathischer Charakter und seien Ermittlungsmethoden sind auch schon mal recht speziell. Sein Chef hat ihn in der Hand und verlangt die Bespitzelung des Staatsanwaltes. Lindberg muss sich um die Zukunft sorgen. Außerdem plagen ihn privater Probleme, denn seine Freundin Paula ist noch nicht wieder fit nachdem sie im Koma gelegen hatte. Da kommt ein spezielles Jobangebot eigentlich wie gerufen.
Auch die Kollegen aus Lindbergs Team sind gut dargestellt; sie haben alle so ihre Eigenheiten, aber ich mochte sie. Dagegen kommen die Gegner etwas klischeehaft daher.
Die Spannung ist die ganze Zeit über hoch, steigert sich aber am Ende zu einem fulminanten Showdown.
Mir hat dieser spannende Thriller wieder gut gefallen.
- Thomas Wieczorek
Die Dilettanten
(11)Aktuelle Rezension von: DuffyDieses Buch müsste eine Auflage von 60 Millionen haben. Und dann müsste es jeder lesen. Denn dann wüsste jeder, wie und warum, mit wem und für was Deutschland so geworden ist, wie es sich heute darstellt. Ein Crashkurs in Sachen Dilettantismus, Verknüpfungen von Wirtschaft und Politik, Parteienwillkür, Geld und Macht. Niemand hat den erbarmungswürdigen Zustand dieses Landes hinsichtlich der politischen Kultur auf 300 Seiten besser und klarer schildern können. Dazu noch diese unglaublichen Politikerbiografien und die Zusammenhänge mit ihren Ämtern (nämlich keine), alles belegt und nachweisbar. Fast könnte man an Fiktion denken, manchmal muss man betroffen kurz auflachen, die Fakten jedoch sind allesamt zum Resignieren. Sollte Pflichtlektüre werden und das nicht nur, weil gerade Wahlen ins Haus stehen. Eine der besten und leider auch aufwühlendsten Dokumentation der letzten Zeit! - Liselotte Pottetz
Schwarzer Storch - weißer Schatten
(1)Aktuelle Rezension von: pardenTSCHERNOBYL UND DIE FOLGEN...
Ein Storchenpaar, von bösen Vorahnungen geplagt, zieht aus dem warmen Süden in die Heimat, nach Belarus – in das Land der Wälder, Flüsse, Seen und Sümpfe. 26.04.1986: Super-Gau! Im Atomkraftwerk „W. I. Lenin“ in Tschernobyl. Schlagartig verdunkelt sich die Welt, Mensch und Natur gleichermaßen betreffend.
Ich war anfangs doch etwas verwirrt, was das Storchenpaar mit der Katastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986 zu tun haben könnte. Tatsächlich tauchen die Störche nur zu Beginn des Buches auf und stellen eine Art Sinnbild dar, da Störche in Weißrussland wohl sehr verehrt werden.
Tschernobyl - vor etwa drei Jahren las ich hierzu die sehr beeindruckende Dokumentation der weißrussischen Schriftstellerin Swetlana Alesijewitsch, der 2015 „für ihr vielstimmiges Werk, das dem Leiden und Mut in unserer Zeit ein Denkmal setzt“, der Nobelpreis für Literatur zugesprochen wurde. Es blieb daher nicht aus, dass ich das vorliegende Buch zwangsläufig mit der Schilderung Alesijewitschs vergleichen würde.
Dieses Buch ähnelt dem der Literaturnobelpreisträgerin insofern, als hier die Geschichten verschiedener Menschen in Weißrussland erzählt werden, für die Tschernobyl ein tiefer Einschnitt in ihr bisheriges Leben bedeutete und bis heute bedeutet - sofern sie noch leben. Zwar kommen hier vorwiegend die sog. Liquiditoren zu Wort, also diejenigen, die die Aufgabe hatten, das betroffene Gebiet zu dekontaminieren und zu evakuieren, aber es wird auch deutlich, dass ein ganzes Volk über Jahrzehnte von der Katastrophe gezeichnet ist. Die sog. Todeszone wurde geräumt, aber die Lebensmittel, das Grundwasser, die Luft, die verstrahlten Menschen, die geplünderten und verkauften Habseligkeiten der Evakuierten - all das ist nach wie vor da.
"Die festgestellten Radionuklide dringen in den Organismus nicht nur mit der Luft ein, sondern auch über 'lebende Ketten' - Milch, Obst, Brot, Gemüse, Fleisch, welches verseucht ist."
Im Vergleich zu Swetlana Alesijewitsch, die unkommentiert die Erzählungen der interviewten Menschen abgedruckt hat, nüchtern oft in der Ausdrucksweise, kommt in den Schilderungen dieses Buchs die oft jahrelang aufgestaute Wut, Resignation und Sorge der Betroffenen unverhüllt zum Ausdruck. Dabei fehlen auch polemische Ausdrücke nicht wie 'Tschernobyler Mafia', 'sowjetische Schludrigkeit', 'Betrug der Obrigkeit'. Aber wenn man die Geschichten liest - wer will ihnen diese Wut und Bitterkeit vorhalten?
"...ihnen sagte man später, sie wären überhaupt nicht in der Zone gewesen. Das kann nicht sein, meinen Sie? Da irren Sie. Das behaupten die Beamten. Die Beamten der Staatsmacht bauen vor den Liquidatoren so viele Hindernisse und Barrieren auf, dass es fast unmöglich ist, den Aufenthalt in der Gefahrenzone nachzuweisen, geschweige denn, einen Nachweis der Teilnahme bei der Liquidierung der Katastrophe im AKW zu erhalten."
Tatsächlich wiegt die Verschleierungspolitik der russichen Regierung schwer - Lügen, Leugnen, Verharmlosen, und das jahrelang, hinsichtlich der gesundheitlichen Folgen der Ersthelfer nach dem Super-Gau auch bis heute. Für die Betroffenen ein zusätzlicher Affront. Dazu Planlosigkeit, wilder Aktionismus und unsinnige Befehle mit Androhung strengster Strafen bei Zuwiderhandlung nach der Katastrophe - viele Gelder, wichtige Zeit und zahllose Menschenleben wurden da zusätzlich geopfert.
Doch: auch wenn der Maulkorb und die fehlende moralische, gesetztliche, finanzielle und vor allem medizinische Unterstützung der Liquiditoren nach ihrem Einsatz vielleicht zu einem großen Teil der Eigenheit des russischen Systems zuzuschreiben ist - meine Gedanken schweiften während der Lektüre doch einige Male ab. Wie sieht das eigentlich mit der Informationspolitik Japans aus nach der Reaktor-Katastrophe in Fukushima?
2020 ist Japan Ausrichter der Olympischen Spiele und der japanische Premierminister versichert: 'Die Lage ist unter Kontrolle!' Auch hier wird das wahre Ausmaß der Katastrophe verleugnet und verschwiegen, wie beispielsweise eine Dokumentation des ZDF vom 25.05.2018 nachweist. Und was ist mit den veralteten und störanfälligen AKWs in Belgien? Auch da gilt: alles unter Kontrolle, doch die belgische Regierung hält nun für alle Bürger des Landes Jodtabletten vor. Und ob bei einer etwaigen Evakuierung der Städte Aaachen, Düsseldorf und Köln im Falle eines Falles alles so viel planvoller ablaufen würde? Das bleibt nur zu hoffen...
"Obwohl das AKW völlig abgeschaltet wurde, der letzte Block am 15.12.2000, überwachen Ingenieure mit Technik aus den Siebzigern (keine Computer!) die nicht zerstörten Reaktorblöcke. Techniker üben in notdürftiger Schutzkleidung Kontrollgänge durch den Sarkophag aus - ein Höllenjob. (...) Der Sarkophag, der wie ein gigantischer Sargdeckel über die Reaktorruine gelegt wurde, befindet sich in einem äußerst kritischen Zustand. In der verrosteten Außenhülle klaffen große Löcher, druch die Stahlung entweicht und Regenwasser, welches das Grundwasser verseuchen könnte, eindringt..."
Doch nun genug der gedanklichen Exkurse und zurück zum Buch. Dieses verleiht einigen Betroffen stellvertretend für zigtausende Leidgenossen eine Stimme und oft erstmals eine Möglichkeit, auch ihre aufgestauten Emotionen loszuwerden. Auch wenn die Übersetzung ins Deutsche teilweise recht holprig geraten ist und einige 'Nebenthemen' die eigentliche Thematik etwas verwässern, ist dies in meinen Augen ein wichtiges Buch. Denn das Ereignis 'Tschernobyl' ist nicht allein das Thema eines betroffenen Volkes. Es geht uns alle an. Ob wir nun wollen oder nicht...
© Parden Clever und smart in geheimer Mission Radioaktiv das geht wieder schief Nr. 95
(2)Aktuelle Rezension von: hymoEine Großmacht will ihren Atommüll exportieren und in Spanien an unbekannter Stelle vergraben. Die beiden Agenten sollen dies verhindern!
Kult- 8
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