Bücher mit dem Tag "sowjetunion / russland"

Hier findest du alle Bücher, die LovelyBooks-Leser*innen mit dem Tag "sowjetunion / russland" gekennzeichnet haben.

10 Bücher

  1. Cover des Buches Kolyma (ISBN: 9783641111472)
    Tom Rob Smith

    Kolyma

     (283)
    Aktuelle Rezension von: nord_zeilen

    Bereits ab der ersten Szene des Buches, baut der Autor Spannung auf. Diese Spannung wird immer wieder durch kleine Verfolgungsjagden oder anderen Zwischenereignissen gesteigert. Die Atmosphäre ist detailreich beschrieben, sodass mir das Buch an manchen Stellen sogar zu brutal war. Ab und zu musste ich es weglegen, um die Geschehnisse im Buch zu verarbeiten. Grundlegende Geschichtskenntnisse sind in diesem Fall sinnvoll, um den Geschichtsstrang zu verstehen.

    Der Hauptcharakter Leo Demidow ist mir zu Anfang sehr sympathisch, allerdings ändert sich das im Laufe des Buches. Leo setzt sein Leben auf`s Spiel, um seine Tochter zu retten, die ihn hasst und seine Liebe nicht erwidert. Dieses Verhalten erscheint mir naiv und ich kann seine Handlungen nicht immer nachvollziehen.

    Obwohl das Buch immer wieder in Zeitabschnitte gegliedert ist, gehen mir manche Geschehnisse zu schnell. Dabei geht es nicht um fehlendes Verständnis, sondern darum, dass die Ereignisse in der Realität nicht so schnell ablaufen können.

    Insgesamt kann das Buch den Leser durch die durchgehende Spannung sowie den lebhaften und detailreichen Schreibstil fesseln, weshalb ich das Buch mit vier Sternen bewerte.

  2. Cover des Buches Die Toten vom Djatlow-Pass (ISBN: 9783442716043)
    Alexej Rakitin

    Die Toten vom Djatlow-Pass

     (17)
    Aktuelle Rezension von: Angelsammy

    Neun junge, sowjetische Menschen fanden in der Nacht vom 1. auf den 02.02.1959 am nordöstlichen Hang des Cholat Sjachl (Toter Berg 1097 m) den gewaltsamen Tod. 

    Dieser Berg ist im nördlichen Ural zwischen der Republik Komi und der Oblast Swerdlowsk. 

    Sie wollten nur eine harmlose Bergwanderung unternehmen. Wirklich? 

    Die Toten wurden barfuß gefunden, halb nackt, einige hatten gebrochene Rippen und zertrümmerte Schädel. 

    Das Mysterium gilt bis heute als ungelöst. Diverse Theorien kursieren aber, die jede für sich schlüssig klingt. 

    Alexej Rakitin soll Zugang zu Akten des KGB gehabt haben. Drei der Wanderer sollen mit dem KGB liiert gewesen sein, in besonderer Mission unterwegs, eben als Wanderer getarnt. 

    Aber jene Mission ist dann aus gewissen Gründen absolut schief gelaufen ....

    Das Buch ist sachlich geschrieben, vermeidet Reißerisches und enthält auch Bilder. 

    Es ist sehr spannend und auch unheimlich, was der Autor hier präsentiert. Durchaus plausibel klingend, aber natürlich ist nicht klar, ob das der Weisheit letzter Schluss ist. 

    Infraschall, eine Lawine und Indigene werden ebenso verantwortlich gemacht. Jede für sich ist ebenso hypothetisch möglich. Wahrscheinlich wird man nie die Wahrheit erfahren. 

    Yetis und Außerirdische kann man wohl getrost ausschließen. Oder? Superbes Buch. 

  3. Cover des Buches Blasse Helden (ISBN: 9783328109389)
    Norris von Schirach

    Blasse Helden

     (52)
    Aktuelle Rezension von: dunkelbuch

    Anton macht sich Anfang der 90er auf nach Russland, genauer Moskau. Er ist auf der Suche nach Leichtigkeit, einem Leben ohne Zwänge. In seiner Zeit in Moskau lernt er die russische Mentalität und auch sich selbst kennen. 

    Arthur Isarins Roman ist ein Blick in eine Gesellschaft, die losgelöst vom staatlichen System ihre eigenen Gesetze entwickelt hat und in der alles möglich scheint. Aus heutiger Sicht mit fast 20 Jahren Putin-Herrschaft, ist das Land nicht wiederzuerkennen, verheißungsvoll waren die Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, die ersten Schritte im Kapitalismus, die jedoch die Versprechungen nicht halten konnten.

    „Blasse Helden“ fängt den Rausch ein, in dem sich diejenigen befanden, die sich schnell umgestellt und mit den neuen Begebenheiten arrangiert hatten. Anton lebt in einer Blase aus Macht und Spaß-Gesellschaft; er hat keine Verpflichtungen und schafft es, sich lässig zwischen den Russen zu bewegen. Die notwendigen Konventionen hat er schnell übernommen, die Moral über Bord geworfen und sich so gemütlich in seinem Dasein eingerichtet. Man bekommt einen Blick in die Geschäftssitten, die klar auf Gewinnmaximierung und Ignoranz etwaiger Gesetzte ausgerichtet sind. Wen man kennt, ist entscheidender, als was man kann.

  4. Cover des Buches Russisches Roulette (ISBN: 9783406732294)
    Horst Teltschik

    Russisches Roulette

     (2)
    Aktuelle Rezension von: Wedma

    Bei diesem Werk hält sich meine Begeisterung eher in Grenzen. Der Autor bliebt im Erzählrahmen der „Qualitätsmedien“: Russland, der Feind, der sonst keine anderen Sorgen hat, als den Westen zu provozieren usw. Dazu zählt u.a. auch die von 1-Stern Rezensenten erwähnte Geschichte, die Teltschik der russischen Seite ankreidet. Dies wird hier paarmal aufgeführt, ohne weiteren Erkenntniswert und auch ohne Beweise/ Belege. Wie die gut informierten Quellen berichten: Propaganda funktioniert nach dem Prinzip „Steter Tropfen höhlt den Stein“, i.e. je öfter etwas wiederholt wird, unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Aussage, wird diese mit der Zeit in der öffentlichen Wahrnehmung für solche gehalten. Da gibt es noch andere Stories dieser Art, die man schon aus Leitmedien kennt. Diejenigen also, die ihre Meinung über Russland aus Leitmedien erfahren, und deren Weltbild von dieser Ideologie geformt ist, wird sich in diesem Buch wohlfühlen.

     Außer dass Telschik Feindbild Russland in den Köpfen der Leser zu verfestigen sucht, gibt er sich doch redlich Mühe, die heutige gefährliche Lage objektiv zu beschreiben, in dem er sowohl die Position des Westens von der „Wir sind die Guten“ Warte her darlegt und, was schon fast überraschend vor o.g. Hintergrund wirkt, die Interessen Russlands recht adäquat wiedergibt.

      Als außenpolitischer Berater Kohls und Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz ist Teltschik Teil des Systems. Aber! Er kennt die grundlegenden Interessen Russlands, plädiert dafür, dass diese ernstgenommen werden, und ruft zur Entspannungspolitik auf.

     Selbst unter Reagans Regierung, schreibt er, die in der öffentlichen Wahrnehmung als reaktionär eingepflegt wurde, was nach Angaben des Autors eine Verleumdung ist, hätte es immer gute, annehmbare Angebote für Russland gegeben. Heute ist es nicht mehr der Fall. Heute wird einfach vorausgesetzt und für selbstverständlich genommen, dass Russland nachgibt. Das ist eine sehr gefährliche Entwicklung, schreibt Teltschik, man spiele so russisches Roulette, und wenn man Pech hat, kann das Spiel ernste Konsequenzen haben, v.a. für Deutschland.

     Er analysiert u.a. die westlichen Beziehungen zu Russland seit dem Ende des 2. Weltkrieges, nennt Fehler, die beide Seiten gemacht haben, sagt, was Russland oder der Westen, aus seiner Sicht, hätten besser machen können. 

     Teltschik nennt auch ganz klar den alten Alptraum der westlichen Plutokraten: Eine geschlossene wirtschaftspolitische Zone von Portugal bis Wladiwostok als Grund für ihre Bemühungen, alles Mögliche und Unmögliche zu tun, um diese Pläne zu verhindern. Er erklärt auch warum. Nicht von der Hand zu weisen.

     Seltsamerweise wurde Breschnew in Teltschiks Darstellung als Aggressor dargestellt. Wer Breschnew Biographie von Susanne Schattenberg gelesen hat, konnte von ihm den Eindruck eines überzeugten Pazifisten gewinnen, der, nach all den Schrecken des 2.ten Weltkrieges alles in seiner Macht Stehende tat, um die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen zu verbessern und eine Politik der Entspannung einzuleiten.

     

    Breschnew tat in den siebziger Jahren des 20 Jh. das, wofür auch Teltschik plädiert. Es ist hilfreich, schreibt er, dass man einander besser und persönlich kennt, dann kann man gute Lösungen finden, denn Entfremdung und Dämonisierung sind nur dann möglich, wenn der Gegner wenig bekannt und möglichst entmenschlicht ist.


    Teltschik bringt die mittlerweile als historisch bezeichnete Rede Putins von der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 recht ausführlich, gerade deshalb, weil dort die russische Position und die russische Sicht der Dinge, die heute immer noch gelten, klar dargelegt wurde. Besser, man kennt den Inhalt, bevor man darüber urteilt. Die Reaktion der Leitmedien darauf fehlt hier auch nicht, wobei für mich nur schwer nachvollziehbar ist, wie man diese Rede so gründlich missverstehen, so von hinten durch die Brust ins Auge interpretieren konnte. Die Vermutung liegt nahe, dass man sie gar nicht richtig verstehen wollte. Das passte nicht zum transatlantischen Kurs. Wenn man Inhalte solcher Werke kennt wie „Lügen die Medien?“ v. J. Wernicke, „Macher hinter den Kulissen“ v. H. Ploppa, „Wer regiert das Geld“ und „Angst der Eliten“ v. P. Schreyer, „Fassadendemokratie und Tiefer Staat“ und „Der Tiefe Staat schlägt zu“ Hg. U. Mies, „Armageddon im Orient“ und andere Werke von M. Lüders, „Die grosse Heuchelei v. J. Todenhöfer“ uva., dann weiß man, warum die Reaktion der „Qualitätsmedien“ so ausgefallen war und die Inhalte so an die Leser weitergegeben wurden. Lesen Sie auch das Buch von Th. Röper „W. Putin. Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“ sowie „Putin Interviews“ mit Oliver Stone. Damit ist Ihre Lesezeit sehr gut investiert.

     Den Ukraine-Konflikt interpretiert Teltschik auch so, wie die Leitmedien es den Lesern verkauft haben. Da klingt er wie ein überzeugter Transatlantiker. Keine Rede von Unsummen an US Steuergeldern, die in die Destabilisierung des Landes geflossen sind uvm., s. z.B. „Wir sind immer die Guten“ von M. Bröckers/ P. Schreyer.

     Auch wenn Teltschik so einige Ursachen und Zusammenhänge erst gar nicht erwähnt und so manche politische Gegebenheit, wie viele vertane Chancen, schlicht als solche nimmt, als wären sie quasi als Fertigprodukt vom Himmel gefallen, wodurch seine Ausführungen stellenweise wage/ schwammig wirkten, wenn es ins Eingemachte ging, so versucht er doch, für die Probleme, die da sind, einige Vorschläge zu ihrer Lösung zu unterbreiten. Er empfiehlt, andere Haltung einzunehmen „…die russischen Interessen ernst zu nehmen und Kompromisse einzugehen“. Die Hauptbotschaft, die man auch am Ende seines Buches liest, lautet: „Wir sollten zusammenarbeiten, die bereits errichteten Brücken weiter pflegen, neue Brücken bauen. Es gibt viele Möglichkeiten… Fangen wir wieder an.“

     

    Fazit: Vom Grundgedanken und der Hauptbotschaft her: gut. Die Stärke dieses Werkes liegt darin, dass hier oft unterschiedliche Sichtweisen präsentiert wurden, die des Westens und die Russlands. Alle Punkte des Inhaltverzeichnisses sind gut aufgeschlossen. So manches ist aber zu politisch korrekt, v.a. ggü. dem Westen. Kritisches ggü. Washington, wie die Alleingänge bei den Entscheidungen im Kampf gegen Terror, ist zwar auch da, aber äußerst milde, sehr politisch korrekt zum Ausdruck gebracht.

     Ein weiterer Nachteil: Es gibt keine Quellenangaben. Alles bewegt sich auf dem Hören-Sagen-Niveau.

     Wenn man die Meinung des langgedienten Transatlantikers erfahren möchte, kann hier zugreifen. So manche haltlose Behauptung aber, wie die, die vom 1 Sterne Rezensenten erwähnt wurde, und so manches andere dieser Art, muss man dabei wohl in Kauf nehmen, wohl wissend, dass es sich hier um bloße Behauptung handelt, die dem Leser als Tatsache verkauft wird.

     Max. 3 Sterne kann ich hier vergeben.

  5. Cover des Buches KRIM (ISBN: 9783743976740)
    Katharina Füllenbach

    KRIM

     (31)
    Aktuelle Rezension von: Adlerhorst
    Über die Krim wird in unseren Medien in einem mehr oder weniger immer gleichen Grundton berichtet und wenige westliche Europäer trauen sich in diesen Tagen, die Halbinsel zu besuchen. Umso lesenswerter also der Reisebericht von Katharina Füllenbach, die
    sich im November letzten Jahres aufgemacht hat, um die aktuellen dortigen Lebensverhältnisse in Augenschein zu nehmen. Sie blendet die politischen Verhältnisse nicht aus, aber sie richtet den Blick auch auf die kulturellen Höhepunkte der Region und bringt eine Reihe historischer Zusammenhänge in Erinnerung, die man durch die jüngsten politischen Turbulenzen aus dem Auge verloren hat. Ingesamt eine spannende und informative Lektüre und eine interessante Lektion über die Differenz von Eigen- und Fremdwahrnehmung.
  6. Cover des Buches Hundeherz (ISBN: 9783423123433)
    Michail Bulgakow

    Hundeherz

     (27)
    Aktuelle Rezension von: Wedma

    „Hundeherz“ von M. Bulgakow habe ich (wieder mal) sehr gern gelesen, an mehreren Stellen auflachen müssen, daher empfehle ich das Werk gern auch weiter.

    Es ist eine Novelle von knapp 130 Seiten (dtv Ausgabe 3.te Auflage von 2000), hier springt das Bild stets auf eine andere Ausgabe des Titels, geschrieben Jan.- März 1925 in Moskau. Im KT liest man dazu: „Eine bitterböse Parabel auf die Zustände im Rußland der zwanziger Jahre…“ Ja, das stimmt. Wie meisterhaft Bulgakow diese geschildert hat! Da stehen/agieren die Figuren einem lebendig vor Augen: Professor Preobrashenski samt seines Assistenten Dr. Bormental, die Frauen in seinem Haushalt, seine Patienten, die Vertreter des sowjetischen Hauskomitees und natürlich Bello, später Bellow.

    Was ist passiert? Der Professor hat den Hund von der Straße geholt, ihn gut gefüttert, gut behandelt und insg. aufgepäppelt. Eines Tages aber kam der Hund auf den OP-Tisch. Ihm wurden die Hypophyse und Geschlechtsdrüsen eines vor Kurzem gestorbenen jungen Mannes aus dem Volke eingesetzt. Infolge dessen wurde der Straßenköter nach und nach zum Menschen, und machte seinem „Erschaffer“ samt allen Bewohnern des Hauses die Hölle heiß.

    Es ist nicht nur die Kritik der Zustände, die sehr treffend wie gekonnt dargestellt worden ist. „Hundeherz“ trägt auch deutlich prophetische Züge. Die alte Garde, wie der Prof. und sein Assistent, mussten den Vertretern der neuen Gesellschaft weichen. Die neue Ordnung wurde von Bellows und Schwonders (Vorsitzender des Hauskomittees) bestellt. Die absolut geniale Szene beim Abendessen, in der Prof. und sein Assistent über die Lage und die Zukunft des Landes diskutieren, da erklärt der Prof. u.a. seine Sicht der Dinge, was Zerrüttung ist, die das Land befallen hatte, und wie man diese effektiv beheben könnte. Herrlich! Und wie wahr.

    Da gibt es noch mehr Dinge, so bildhaft und treffend zum Ausdruck gebracht, über die es unmöglich ist, nicht zu lachen, obschon es sich um eher schwarzen Humor handelt. Satire vom Feinsten.

    Umschlagbild erscheint bei dieser Ausgabe auch sehr passend: Es ist „Roter Fleck II“ von Wassili Kandinsky.

    Fazit: Ein geniales, sehr lesenswertes Werk, das nicht nur Tiefgang und prophetische Züge zeigt, sondern auch die Atmosphäre der damaligen Zeit, wie das Leben damals in Moskau so war, wunderbar zur Geltung bringt. Prima Unterhaltung. 5 Sterne, absolut klarer Fall.

     

     

  7. Cover des Buches Limonow (ISBN: 9783751801133)
    Emmanuel Carrère

    Limonow

     (8)
    Aktuelle Rezension von: haberland86
    Emmanuel Carrère versucht sich in „Limonow“ daran die Biografie des russischen Schriftstellers Eduard Wenjaminowitsch Sawenko, genannt Limonow, mit Romanelementen zu verknüpfen; was ihm - unter Missachtung sämtlicher Genre-Grenzen - hervorragend gelingt.

    Dabei spielt ihm Eduard Limonows außergewöhnlicher Lebensweg, der vor ungewöhnlichen Ereignissen und unglaublichen Wendungen nur so strotz (und von dem ich zuvor noch nie etwas gehört hatte), sicherlich in die Hände. Selten habe ich eine Biografie gelesen, die dermaßen prädestiniert ist, zwischen zwei Buchdeckeln erzählt zu werden. Darüber hinaus ist Carrère ein meisterhafter Erzähler, der es schafft über Limonows Werdegang seinen eigenen Lebensweg zu reflektieren und mit den politischen Ereignissen der Zeit in Zusammenhang zu bringen. Ein Kunststück, das aus „Limonow“ nicht nur eine Doppelbiografie, sondern auch ein politisches Buch macht, das einige Geschehnisse des (politischen) Weltgeschehens aus einer ganz anderen Perspektive heraus erzählt.

    Auch die Selbstverständlichkeit mit welcher Carrère über all das schreibt, ist mir so noch nicht begegnet. Zwar musste man kein Russland-Experte sein, um bereits 2011 vorherzusehen, dass Putin für eine dritte Amtszeit kandidieren wird, doch vor Augen geführt zu bekommen, dass es sich dabei um einen lange vorbereiteten Plan handelte und zu erfahren in welchem Maße das russische Volk (trotzdem – oder gerade deswegen?) hinter ihm zu stehen scheint,  fand ich schon bemerkenswert.

    Am spannendsten jedoch fand ich die frühen Jahre Limonows, die im ersten Drittel des Buches geschildert werden und die einer Achterbahn der Gefühle gleichen. Wie er sich in seiner ukrainischen Heimat Charkiw als Fabrikarbeiter durchschlägt, während er gleichzeitig vom Ruhm träumt. Wie er nach Russland übersiedelt und dort Kontakte zum literarischen Untergrund knüpft, ehe es ihn in die USA verschlägt, wo er auf der Straße landet und sich von ganz unten zu einem der bedeutendsten russischen Schriftsteller der Gegenwart hocharbeitet. All das macht einen beim Lesen atemlos, betroffen und gleichzeitig froh. Zeigt es doch, dass es im Leben vor allem darauf ankommt, den Mut und den Glauben an sich selbst nicht zu verlieren. Selbst wenn die eigene Biografie keinem konventionellen Lebenslauf entspricht.

    Sehr interessant fand ich zudem die russische Sicht auf geschichtliche Ereignisse, die mir zu mehr Verständnis gegenüber einem Land verhalfen, das zwar in den Medien sehr präsent, einem aber dennoch total fremd ist. Vor allem überdachte ich meine eigenen (Vor)Urteile und fragte mich, ob man manche Dinge nicht zwangsläufig anders sehen muss, wenn man in einer anderen Gesellschaft aufwächst. Insbesondere, wenn die dortigen Medien andere Schwerpunkte setzen.

    Bei allen Unterschieden gelingt es Carrère meisterhaft, dem Leser die Motive der Menschen zu vermitteln und die Welt durch ihre Augen zu sehen ohne dabei schulmeisterlich zu wirken.

    Nun kann man eine Biografie nicht ändern und Limonows Lebenslauf bietet dem Leser gewiss viele spannende Lesestunden, dennoch gibt es in der Mitte des Buches einige Längen. An manchen Stellen hätte Carrère sich vielleicht etwas mehr zurückhalten und einfach erzählen können, wie es weitergeht anstatt Limonows Taten zu bewerten und dadurch den Lesefluss zu unterbrechen. An anderer Stelle hätte ich dafür gerne mehr Hintergrundinformationen erhalten. Etwa wenn es um Ereignisse ging, die keinen allzu großen Einfluss auf das Weltgeschehen hatten oder über die bei uns nicht so ausführlich berichtet wurde. Nicht zuletzt hätte man auf manche Anekdoten getrost verzichten können, auch wenn ich sie ganz aufschlussreich fand.

    Da dies mein erstes Buch von Emmanuel Carrère war, gingen auch die Abschweifungen in Ordnung, in welchen er Informationen zu seiner Herkunft, seinem Werdegang und seinen Träumen lieferte. Aller Wahrscheinlichkeit nach hätte es dem Buch aber gut getan, sich auf Limonows Biografie und die damit verbundenen (und so oft gelobten) Einblicke in die russische Seele zu konzentrieren.

    Ganz sicher machen einige Belanglosigkeiten Limonow aber umso sympathischer, da sie zeigen, dass es selbst in einem so spannenden und bewegten Leben, wie dem seinen, ruhige und unspektakuläre Phasen gibt, in welchen die Alltagstristesse die Oberhand gewinnt.

    Insgesamt war „Limonow“ eines der besten und das mit Abstand interessanteste Buch, das ich in diesem Jahr gelesen habe. Neben der großartigen Sprache sind es vor allem die Einblicke in die russische und französische Kultur, die das Buch so lesenswert machen. Außerdem lieferte es Denkanstöße, um die eigenen Sichtweisen kritisch zu hinterfragen und am Ende vielleicht sogar zu erkennen, dass sich in manchen Punkten eben doch alle einig sind.

    Eine klare Leseempfehlung (nicht nur) für alle, die an Politik, anderen Kulturen und der jüngeren europäischen Geschichte interessiert sind. Mein erstes, aber sicher nicht mein letztes Buch des französischen Autors.

    Die vollständige Rezension findet sich auf meinem Blog.
  8. Cover des Buches Die Alternative (ISBN: 9783442123803)
    Boris Jelzin

    Die Alternative

     (0)
    Noch keine Rezension vorhanden
  9. Cover des Buches RUSSLAND (ISBN: 9783746983844)
    Katharina Füllenbach

    RUSSLAND

     (20)
    Noch keine Rezension vorhanden
  10. Cover des Buches Des Teufels Alternative (ISBN: 9783492302159)
    Frederick Forsyth

    Des Teufels Alternative

     (32)
    Aktuelle Rezension von: Holden

    Mal wieder allergehobenste Thrillerkunst vom Altmeister: Die ganze Welt schliddert in einen Riesenschlamassel hinein, wobei alles damit beginnt, daß 1982 die Saat auf den sowjetischen Getreidefeldern verdorrt und dem Millionenreich eine Hungersnot so schlimm wie unter Stalin droht. Die Falken im Kreml sehen ihr Heil nur im Krieg gegen den Westen, um den Marxismus-Leninismus nicht zu gefährden und sich im Westen zu holen, was man braucht. Währenddessen tötet ein ukrainisches Killerkommando den (vermutlich schwulen) KGB-Chef, und diese Information darf niemals in den Westen gelangen, um nicht zu zeigen, auf welch tönernen Beinen die UdSSR steht. Alles wie immer top recherchiert, man meint den Kreml und das Weiße Haus von ihrem Aufbau her direkt vor sich zu sehen, und spannend ist es bis zur letzte Seite mit der Auflösung in einem Knall.. Die schier endlose Geiselnahme scheint sich so elend lange hinzuziehen, als sei man als Leser quasi live dabei.

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