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- Susan Jane Gilman
Die Königin der Orchard Street
(127)Aktuelle Rezension von: HerbstroseKurz vor einem wichtigen Gerichtstermin blickt Mrs Lillian Dunkle, einst gefeierte Eiscreme-Königin Amerikas, auf die vergangenen achtzig Jahre ihres Lebens zurück. Sie war sechs und hieß damals noch Malka, als ihre Familie 1913 aus Russland in die USA emigrierte, wo sie zunächst in ärmlichsten Verhältnissen in New Yorks Lower East End in der Orchard Street wohnten. Ihr Leben änderte sich, als sie bei einem Unfall mit dem Pferdewagen des Eisverkäufers Dinello verletzt und für immer behindert wurde. Ihre Familie verstieß das Mädchen, sie war als Arbeitskraft für sie nutzlos geworden. Doch sie hatte Glück im Unglück, die Familie des Eismannes nahm sie bei sich auf, lehrte sie die Kunst der Eisherstellung, lies sie katholisch taufen und gab ihr von nun an den Namen Lillian Maria Dinello. Und wieder war ihr das Schicksal wohlgesonnen, als sie ihren späteren Ehemann Bert Dunkle kennenlernte. Mit viel Erfindungsreichtum, aber auch mit List und Heimtücke, bauen sich Lillian und Bert nach und nach ein Eiscreme-Imperium auf – Lillian Dunkle wird zur „Eiskönigin von Amerika“. Jetzt sind sie ganz oben auf der Erfolgsleiter, doch wieder schlägt das Schicksal zu …
Die US-amerikanischen Schriftstellerin Susan Jane Gilman, die 1964 in New York geboren wurde, besuchte dort die High School und die University, war Schülerin von Frank McCourt und erhielt 1993 in Michigan den Master in Fine Arts in Creative Writing. Sie veröffentlichte drei Sachbücher und schrieb für diverse Zeitungen und Magazine, bevor sie sich an „Die Königin der Orchard Street“ wagte. 2019 veröffentlichte sie ihren zweiten Roman „Donna Has Left the Building“, der bisher noch nicht in Deutsch erhältlich ist. Die Autorin lebt heute in ihrer Heimatstadt New York und in Genf/Schweiz.
Kaum zu glauben, dass dies der Debütroman der Autorin ist, so ausgefeilt und sprachlich anspruchsvoll ist ihr Schreibstil, dabei jedoch sehr unterhaltsam und informativ. Die gute bildhafte Wiedergabe vom Amerika des frühen 20. Jahrhunderts bis in die 80er Jahre sowie die angedeuteten politischen Probleme der neueren Zeit zeugen von ausgezeichneter Recherchearbeit. Mit Lillian schuf Gilman eine Protagonistin, die man lieben und hassen muss – eine taffe, sehr einfühlsame Frau, die jedoch im Geschäftsleben über Leichen gehen kann und immer dominanter wird, je mehr Reichtum sie ansammelt. Sie gibt ein gutes Beispiel, wie man durch harte Arbeit Geld verdienen kann und wie schwer es dann ist, mit dem Reichtum vernünftig umzugehen.
Tragik und Komik liegen in der Geschichte nahe beieinander, die mit einigen gut verständlichen jiddischen und italienischen Begriffen gewürzt ist, welche die Protagonistin hin und wieder benutzt. Unsere Heldin ist keine Schönheit und dazu noch behindert, weiß sich aber in allen Lebenslagen zu behaupten. Im fortgeschrittenen Alter genehmigt sie sich gerne vor Verhandlungen oder Fernsehauftritten einen Schluck, oder zwei oder drei, was nicht immer folgenlos bleibt. Da Lillian ihre Lebensgeschichte rückwirkend selbst erzählt und bisweilen den Leser direkt anspricht, hat man oft das Gefühl, sie persönlich zu kennen, bei ihr zu sitzen und ihr zuzuhören.
Fazit: Ein Buch das gut unterhält und das vor Witz und Zynismus förmlich sprüht – in dem aber auch viel Lebensweisheit versteckt ist. Sehr lesenswert!
- Jenny Erpenbeck
Gehen, ging, gegangen
(121)Aktuelle Rezension von: KnigaljubDa macht sich eine knapp 50jährige weiße Schriftstellerin auf, Geflüchtete zu interviewen. Sie lernt, was es heißt, der deutschen Bürokratie auf Gedeih und Verderb ausgesetzt zu sein: Keine Arbeitserlaubnis bekommt man (oder wenn dann nur sehr schwer) beispielsweise und bei Fingerabdrücken in Italien oder anderswo aufgrund des Schengen-Abkommens nicht einmal einen fairen Asylprozess. Ach Mensch, ich bin doch Schriftstellerin, und diese Ungeheuerlichkeiten gehören niedergeschrieben, denkt sie sich. Aber einfach so die Geschichten von Geflüchteten erzählen? Nein, da muss noch literarischer Gehalt hinter: Ich mache einen alten weißen Mann, einen frisch emeritierten Professor der Altphilologie, zum Protagonisten, dann habe ich einen guten Grund für möglichst viele intertextuelle Anspielungen und eine Chance, Abi-Lektüre zu werden…
Zugegeben: Ich weiß natürlich nicht, was die Beweggründe dafür waren, Gehen, ging, gegangen so zu schreiben, wie es geschrieben wurde, aber was ich weiß, ist, dass ich anfangs noch neugierig war, wohin die Reise mit solch einem Protagonisten wohl geht, und dass ich es ganz gut gemacht fand, Richard, den hochgebildeten, angesehenen, wohlverdienenden Egozentriker entlarvt zu sehen. Richard kennt gefühlt die gesamte europäische Literatur in sämtlichen Epochen, zitiert aus Faust und denkt in Brechtschen Versen, aber welche Länder mit welchen Hauptstädten zu Afrika gehören – das weiß er nicht. Und dieser Richard geht nun, verwitwet und seit Kurzem emeritiert, aus einer Art Forschungsinteresse heraus zu einer Flüchtlingsunterkunft und befragt die dort wohnenden Menschen.
Woher kommst du? Warum bist du hier? Warum hast du ein Handy?
Und die Geflüchteten erzählen, denn Erpenbeck lässt nicht nur den alten weißen Egozentriker, nennen wir ihn Akono (dazu später mehr), einen ganz selbstverständlichen Anspruch auf die Geschichten der Geflüchteten erheben, sondern lässt den einen Interviewten mehrfach äußern, dass er den Menschen hier seine Geschichte schulde. Und damit sind wir auch schon bei einem wesentlichen Kritikpunkt an dem Buch: Es reproduziert White Supremacy in einem derart hohen Maß und auf teilweise so subtile Weise, dass ich es irgendwann immer unerträglicher fand, es zu lesen. (Hier: der Schwarze schuldet dem Weißen seine Geschichte). Warum ¾ dieses Buches dem Wurstbrot-und-Tagesschau-Alltag Richards gewidmet sind, mag ja gute Gründe haben, genervt hat es irgendwann dennoch ganz schön. Aber schlimmer ist, wie die Teile, die den Geschichten der Geflüchteten gewidmet sind, erzählt werden. Drei Beispiele:
1. Raschid erzählt:
Wir versuchten wegzukommen. Meine Brüder, meine Neffen, meine Onkel, die Nachbarn. Alle rannten und schrien. Überall lagen Leute herum, alles war voller Blut. Einer meiner jüngeren Brüder hatte sich zuerst in einem Mangobaum am Rand des Platzes versteckt. (S. 112)
--> Raschid erinnert sich also daran, dass es nicht irgendein Baum, sondern ein MANGObaum war, unter dem sich sein Bruder versteckt, nennt aber diesen Bruder nicht beim Namen. Ist das eine realistische Figurenrede oder doch eher eine implizite Exotisierung?
2. Richard erhält ein „Geschenk“ (S. 257) von Raschid, nämlich einen weiteren Teil von dessen Geschichte:
Ich wusste nicht, dass sie das Viertel, in dem meine Firma war, auch schon blockweise abgesperrt hatten. Wir kamen nicht mehr durch. Die Soldaten brachten mich, meine Kinder und auch drei schwarze Angestellte von mir in ihr Lager. (S. 237f.)
--> Raschid charakterisiert seine drei Angestellten also einzig dadurch, dass sie (wie er) „schwarz“ sind. Warum erwähnt er das? Ist das eine realistische Figurenrede oder doch eher eine ziemlich weiße Perspektive, die da durchschimmert?
3. Ein Fest bei Richard.
Als es zu dämmern beginnt, und Richard die Spirituslaternen anzündet, ruft Raschid: Wie in Afrika! Er nimmt eine Laterne und schwenkt sie begeistert. (S. 342)
--> Ja, Raschid sagt „wie in Afrika“. Ist es realistisch, dass er – wie Richard – den ganzen Kontinent über einen Kamm schert?
An dieser Textstelle wird auch deutlich, wie die Geflüchteten, wenn nicht gerade das Opfernarrativ gefüttert wird, gewissen Stereotypen entsprechen (hier: kindlich-fröhlicher Afrikaner). Es scheint, hier wurde versucht, einen gewissen komödiantischen Aspekt einfließen zu lassen. Den Höhepunkt dessen bildet eine Szene im Auto:
Während die drei Nigerianer sich lachend und schubsend hinten hineinzwängen, sitzt Rufu, der Mond von Wismar, schon ernst und still vorn auf seinem Platz neben Richard. […]. Abdusalam beginnt zu singen, und Richard erzählt, dass es über solche Fuhren, wie es diese gerade ist, auch ein deutsches Lied gibt, und beginnt seinerseits: Hab mein Wagen vollgeladen, voll mit Afrikanern! Er weiß natürlich, dass in der Urfassung nicht von Afrikanern die Rede ist, sondern von alten, beziehungsweise jungen Weibern – aber was die Silbenzahl angeht, sind die Afrikaner perfekt. An einer roten Ampel blickt Richard, der noch aus voller Kehle singt, während die Männer hinten klatschen und johlen, und sogar Rufu im Rhythmus mit dem Kopf nickt, zufällig in ein Nachbarauto hinein, darin sitzt eine junge Familie: Vater, Mutter, zwei Kinder – alle die Köpfe zu Richards Auto gedreht, stumm und fassungslos angesichts so vieler ausgelassener Mohren und eines offensichtlich verrücktgewordenen Weißen. Als er mit einem Hüh, Schimmel! Bei Grün wieder anfährt, hört Richard noch, wie hinter der in ihrem Staunen festgefrorenen Familie ein Hupkonzert einsetzt. (S. 198)
--> Stereotyp singende, fröhliche Afrikaner, hier von der Erzählinstanz als M*** bezeichnet, rufen eine dermaßen große „Fassungslosigkeit“ bei einer jungen Familie (vermutlich weiß, denn Hautfarben werden im Buch nur in den unterschiedlichsten Nuancen bei den Schwarzen Geflüchteten beschrieben) hervor, dass sie stehenbleiben und ein Hupkonzert verursachen (übrigens in Berlin, als ob man da nie Schwarze sähe) – spätestens hier hatte Erpenbeck mich verloren. Schön ein bisschen rassistischen Slapstick-Humor einbauen, damit dem weißen Leser die Beschäftigung mit diesem Buch nicht allzu sehr auf den Magen schlägt, oder was war die Intention hinter dieser Szene?
Aber nicht nur fremde Menschen lässt Erpenbeck staunen, auch Richard selbst ist ganz verwundert, dass ein Weihnachtsbild mit einem Schwarzen Geflüchteten „genauso friedlich wie all die Fotos reinrassig deutscher Weihnachtsfeste“ (S. 242) aussehe. Ja, „reinrassig deutsch“ steht da – was auch immer das sein soll, die „reine deutsche Rasse“. Klar, Richard als Protagonist denkt so, aber so unsympathisch und ignorant er auch gezeichnet sein mag, dass er wirklich eine Nationalität (deutsch) als „Rasse“ definiert, finde ich unglaubwürdig. (Übrigens ebenso wie die Tatsache, dass er für einen Arzt dolmetscht (vgl. S. 288) – auf Englisch, denn das ist offensichtlich die Sprache, in der er sich mit den Geflüchteten verständigt. Kann der Arzt wirklich kein Englisch?)
Bleiben wir bei Akono aka Richard: Dieser kann sich nämlich nicht nur die Hauptstädte der afrikanischen Länder nicht merken, sondern kommt auch mit diesen ganzen afrikanischen Eigennamen durcheinander. Also benennt er kurzerhand manche der Geflüchteten um. Immerhin benennt er sie nicht nach sich selbst, sondern nach griechischen Göttern, dennoch benennt hier ein Weißer Schwarze um, was unangenehm an den Umgang mit Sklaven erinnert. Gerade, weil Richard am Ende doch zum White Savior in diesem Buch mutiert, stößt es besonders bitter auf, dass er die Verwendung dieser "Spitznamen" bis zum Schluss durchzieht.
Apropos Schluss: Konsequenterweise ist der natürlich nochmal ganz Richard gewidmet. Konsequenterweise kommt heraus, dass er schon immer ein ignorantes, egozentrisches Arschloch war, auch in Bezug auf seine Frau. Bereits im gesamten Roman hatte sich gezeigt, dass Richard Frauen objektiviert – die Deutschlehrerin der Geflüchteten beispielsweise ist ihm nicht mal einen Namen wert. Stattdessen überlegt er (alter Sack) sich, wie es wäre, etwas mit ihr (junge Frau) zu haben.
Zu dem unsympathischen Protagonisten gesellen sich andere Figuren, die ebenfalls reichlich überzeichnet wirken: der Hölderlinleser Andreas zum Beispiel oder Monika und Jörg, die „ein Restaurant mit vierzig verschiedenen Sorten Büffelmozzarella“ (S. 242) in Italien besuchten, sich aber an dem Anblick von „Afrikanerinnen […] am Straßenrand“ (S. 243) in der Toskana störten und Richard warnen: „Da musst du aufpassen, die schleppen oft Krankheiten ein, Hepatitis, Typhus und Aids. Hab ich zumindest gehört.“ (ebd.)
Auch mitten aus dem Leben gegriffen ist der Tacitus rezitierende Anwalt:
Sie kennen doch sicher den schönen Abschnitt in Tacitus‘ „Germania“ über die Gastfreundschaft unserer Vorfahren? Ja, sagt Richard und nickt. Wenn ich Ihnen die Passage kurz noch einmal in Erinnerung rufen darf? Sie dürfen. Der Anwalt steht auf, geht zu seinem Bücherregal, die Rockschöße wehen im unerklärlichen Bürowind, zieht den Tacitus aus dem Regal und schlägt das kleine Buch an einer Stelle, an der ein Zettel eingelegt ist, auf. […] Und nun beginnt der Anwalt zu rezitieren: Es gilt bei den Germanen als Sünde, einem Menschen sein Haus zu verschließen, wer es auch sei; … (S. 309)
Mit besonders viel Weisheit kann auch Anne, die Fotografin, um sich werfen. Bei Richard ist eingebrochen und Schmuck gestohlen worden, „der Klavierspieler“, dem Richard seit einiger Zeit das Klavierspielen beigebracht hat, steht direkt im Verdacht, denn er habe ja gewusst, dass Richard nicht Zuhause sei. Anne weiß Rat:
Du musst einfach herauszufinden versuchen, ob es dein Klavierspieler war. […] Du denkst also, dass er es war. Du verurteilst ihn, ohne dass er eine Chance hatte, sich zu äußern. Das ist nicht schön. […] Frag ihn, ob er es war. […] Wenn er es wirklich gewesen sein sollte, der dir den Ring geklaut hat, dann schrei ihn an! Sag ihm, dass du, verdammt nochmal, den Ring zurückhaben willst! Mach ihm eine Szene! […] Weil du ihn ernst nehmen musst. Wenn du seinen Verrat entschuldigst, bist und bleibst du der großkotzige Europäer. (S. 316f.)
Weißte Bescheid? Schrei die Leute an, nur dadurch zeigst du ihnen, dass du dich nicht über sie stellst. Was sind das für Figuren in dem Roman? Wo leben die alle? Warum sind die so dermaßen überzeichnet, dass man keinerlei Identifikationspotential geboten, aber permanent Kotzreiz bekommt?
Insgesamt habe ich das Gefühl, dass Erpenbeck irgendwie schon gute Absichten hatte, aber gut gemeint ist eben nicht automatisch gut gemacht. Neben der oben ausführlich skizzierten (für mich sehr fragwürdigen) Figurenzeichnung war es insbesondere der insgesamt belehrende Ton, der mir missfiel: Nicht nur wurde dem Leser beispielsweise mindestens drei Mal erklärt, was es mit dem Schengen-Abkommen auf sich hat, nicht nur wurde permanent wiederholt, dass die Geflüchteten doch nur arbeiten wollen und nicht können, sondern auch die Einschübe von Elementen klassischer Schullektüre und die rechtlichen Grundlagen von Asylprozessen kamen mir des Öfteren künstlich eingebaut vor.
Mag ja sein, dass Erpenbeck mit der Wahl ihres Protagonisten und dem Raum, den er im Roman im Vergleich zu den Geflüchteten einnimmt, gerade darüber zum Nachdenken anregen wollte, wer eigentlich Geschichte(n) schreibt, wer stets im Fokus steht und wer nicht – für mich ging das vollkommen nach hinten los. Weder schafft sie es, dass man sich mit dem Protagonisten (oder irgendeiner anderen Figur) identifiziert (und dadurch zum Nachdenken angeregt wird), noch erhalten die Schicksale der Geflüchteten genügend Raum, im Gegenteil bleiben die Geflüchteten gesichts- und teilweise namenlose exotisierte „Randphänomene“ in dieser gefühlt schnell niedergeschriebenen und mit möglichst viel Wissen zusammengeworfenen, aber fragwürdige Narrative bedienenden Geschichte. Dass nicht auf Selbstreflexion, sondern Systemkritik, auf der man sich dann ausruhen kann, abgezielt wurde, zeigt auch die provokante Anspielung, die einen fragwürdigen Vergleich zu Judendeportationen zieht:
Jetzt entsteigen den vorderen Mannschaftswagen Polizisten in voller Montur: Kampfanzüge, Helme mit heruntergeklapptem Visier, Knüppel, Pistole. [...] Richard fragt sich, ob tatsächlich 40 schwerbewaffnete Männer notwendig sind, um 12 afrikanische Flüchtlinge aus so einem Heim zu tragen, ganz zu schweigen von den übrigen rund 150 Polizisten, die in den anderen Wagen auf ihr Startsignal warten. Morgen, das weiß er jetzt schon, wird in der Zeitung stehen, wieviel der Einsatz gekostet hat, und die Kosten werden vom Volk der Buchhalter den Objekten des Abtransports als Schuld zugeschrieben werden, wie das auch in anderen Zeiten, wenn Deutschland irgendwen hat abtransportieren lassen, üblich gewesen ist. (S. 258f.)
Was mir am Ende der Lektüre nur bleibt, ist folgende Frage: Warum genau wird/wurde dieses Buch so gefeiert?
- Timur Vermes
Die Hungrigen und die Satten
(93)Aktuelle Rezension von: RadikaleResignationFlüchtlingskrise- Socialmedia-junges Starlett
Alles dabei, was man für eine unterhaltsame Geschichte braucht. Timur Vermes haut hier richtig um sich: Flüchtende auf der Flucht, begleitet von Medienstars und Medienmachern, Ziel: das rettende Land.
Ein naives Starlett, das sich "verliebt", ein knallharter Geschäftsmann, der Kohle sehen will und mittendrin ein kleines Mädchen (emotional soll es ja auch sein). Er treibt die sowieso irrsinnige Situation komplett auf die Spitze, bis alle vor den Toren stehen und die aber nicht aufgehen. Voll-Katastrophe.
Ich fand das Buch um Längen besser als "Er ist wieder da", die Satire ist natürlich durch das Überspitzen gegeben und natürlich bewegt er sich auf dünnem Eis, wenn man die derzeitige tatsächliche weltpolitische Lage ansieht. Aber (meine Meinung): Gute Satire muss sich auf dünnem Eis bewegen, sonst ist es eine Doku oder ein seichter Groschenroman:-)
- Britta Bolt
Das Büro der einsamen Toten
(69)Aktuelle Rezension von: Daphne1962Britta Bolt nennt sich das Autorenduo, zusammengesetzt aus Britta Böhler und Rodney Bolt. Eine interessante Mischung, denn Britta Böhler ist als Anwältin tätig gewesen und zog 1991 in die Niederlande, wo sie mit strafrechtlichen Mandaten bekannt wurde. Auch befasst sie sich intensiv mit der Anti-Terror Gesetzgebung. Rodney Bolt lebt ebenfalls in den Niederlanden und ist Autor und Reisejournalist. In Amsterdam spielt dann auch dieser neuartige Kriminalfall.
Neuartig ist auch die NASD, eine Art Behörde, die sich um Todesfälle kümmert, wo keine Angehörigen zu finden sind. Von ihnen wird Recherche betrieben, wie der Verstorbene lebte, wer ihn kannte oder sonst wie Umgang hatte. Schließlich sollte jeder Verstorbene würdig bestattet werden. Auch gibt es das Amt für Katastrophenschutz und Bestattungen nicht. Aber damit haben die Autoren eine interessante und fiktive Handlung entworfen.
Zur Handlung:
In der Prinsengracht mitten in Amsterdam wurde die Leiche eines Mannes gefunden. Für die Polizei scheint es ein Unfall gewesen zu sein. Pieter Posthumus, der im Büro der einsamen Toten arbeitet sieht das allerdings etwas skeptischer. Er beginnt Nachforschungen anzustellen. Eine gute Hilfe hat er durch seine Nichte Merel gefunden, die als Journalistin arbeitet und gerade in der Emigrantenszene recherchiert. Der Ertrunkene war ein marokkanischer Emigrant. Der Staatsschutz beobachtet derzeit eine Gruppe militanter Muslime, die sie versuchen dingfest zu machen. Auch der Marokkaner hatte Zugang zu diesen Männern. Aber warum musste er sterben? Ein sehr rätselhafter Fall.
Mir hat das Buch recht gut gefallen. Allerdings musste man es sehr konzentriert lesen. Die vielen holländischen Namen und Straßenbezeichnungen waren nicht immrer einfach zu merken. Dennoch ein guter und intelligenter Krimi.
- Christian Torkler
Der Platz an der Sonne
(68)Aktuelle Rezension von: Walli_GabsDer 1978 geborene Josua wächst vaterlos in einem Entwicklungsland auf. Seine gottesfürchtige Mutter schafft es mit verschiedenen Gelegenheitsjobs gerade so, ihre drei Kinder zu ernähren, aber eine Wohnung mit fließendem Wasser oder eine höhere Schulbildung kann sie ihnen nicht ermöglichen. Nach seiner Schulzeit arbeitet sich Josua vom Straßenverkäufer zum Parkplatzwächter hoch und fährt irgendwann sogar Taxi. Manchmal erscheint ihm das Glück zum Greifen nah, doch das Schicksal schlägt immer wieder zu und in einer hoch korrupten Diktatur und Mangelwirtschaft ist es nahezu unmöglich, etwas auf die Beine zu stellen. Dabei will Josua doch nur raus aus Elend, Schmutz und Hoffnungslosigkeit. Aber kann ihm das in seiner Heimat überhaupt gelingen – oder ist der einzige Ausweg die Migration ins gelobte Land auf der anderen Seite des Mittelmeers?
Soweit, so bekannt, mag der ein oder andere jetzt denken – aber Stopp! Christian Torkler beschreibt in „Der Platz an der Sonne“ nicht die Geschichte eines afrikanischen Flüchtlings, der von Europa träumt. Im Gegenteil: Jousa Brenner wächst in Berlin auf, der Hauptstadt der Neuen Preußischen Republik, die nach drei Weltkriegen immer noch halb in Schutt und Asche liegt, obwohl die reichen afrikanischen Demokratien Entwicklungshilfe leisten und nairobische Partnergemeinden neue Kirchendächer spendieren. Sehnsuchtsziel von Josua und seinen Kumpels ist dann auch Matema im reichen Tanganyika: „Wenn wieder einer weg war, hieß es, der ist in den Süden …“. Doch in seinem leicht schnodderigen Tonfall, der sich durch das gesamte Buch zieht, schildert er auch gleich den Haken an der Sache: Die reichen schwarzen Bongos wollen keine Armutsflüchtlinge. Aber was hat ein perspektivloses Weißbrot wie er schon zu verlieren?
Torkler betreibt den Perspektivwechsel in „Der Platz an der Sonne“ in einer so detaillierten Konsequenz, dass er mir richtig an die Nieren gegangen ist. Gedanklich nachzuvollziehen, warum ein afrikanischer Flüchtling nach Deutschland kommt, ist das eine – vom Elend im Entwicklungsland Preußen und der Sehnsucht nach Afrika zu lesen, aber etwas völlig anderes. Es braucht kaum noch Fantasie, um sich dieses im Roman sechsgeteilte Deutschland, in dem so einiges schiefgelaufen ist, vorzustellen: den Dreck, die nach drei Kriegen kaum wiederaufgebaute Infrastruktur, Kriegsruinen, schimmelige Wohnungen, scharfe Grenzen und ein komplett korruptes System. Torkler führt seinen Lesern gnadenlos vor Augen, was für ein großer Zufall es ist, in welche Verhältnisse man geboren wird und dass es gar nicht so viele historische Fehlentscheidungen braucht, um ein Land im Chaos versinken zu lassen. Dass die vage Hoffnung auf eine bessere Zukunft reichen kann, um alles hinter sich zu lassen, wird äußerst nachvollziehbar illustriert. Genau wie das Fluchtthema: Hier soll es in umgekehrter Richtung übers Mittelmeer gehen – doch schon der Weg zur Küste ist eine grausame Odyssee, die ihre Opfer fordert.
„Der Platz an der Sonne“ hat mich stellenweise kalt erwischt und ziemlich deprimiert. Torkler schildert schonungslos, wie das Leben in einem gänzlich anderen Deutschland aussehen könnte. Keine Feelgood-Lektüre, sondern ein harter Perspektivwechsel, der sich absolut lohnt. Man kann seine Komfortzone auch lesend verlassen – und weil Torkler einen auf jeder einzelnen Seite dazu zwingt, bereichert dieses Buch mindestens so sehr, wie es verstört. - Jan Weiler
Kühn hat Ärger
(103)Aktuelle Rezension von: FarbenfreundinTolle Schreibe, wirklich gut und detailliert und mit feinem Gespür. Die Gewalt ist demnach auch sehr im Detail beschrieben, was mir dann doch lange noch nachhing. Sorry, aber nichts für schwache Nerven. Ansonsten schätze ich die Bücher von Jan Weiler sehr und die gesellschaftskritische Haltung hat mir sehr gut gefallen.
- Luca Di Fulvio
Der Junge, der Träume schenkte
(1.138)Aktuelle Rezension von: LesewesenCeta stammt aus dem Süden Italiens, wo sie in ärmlichen Verhältnissen aufwächst. Als 13-Jährige wird sie brutal vergewaltigt und verlässt nur kurz darauf mit ihrem Sohn Natale ihre Heimat. Nachdem sie auf dem Schiff mehrmals vom Kapitän missbraucht wird, landet sie in New York und umgehend in einem Bordell. Doch sie versucht, ihrem Sohn so viel wie möglich an Liebe zu schenken und hofft auf eine bessere Zukunft für ihn. Der Alltag in der Lower East Side Anfang des 20. Jhd. war bestimmt von Gewalt, Armut und Prostitution. Doch Ceta schlägt sich tapfer.
Natale, der bei der Ankunft von den Hafenbehörden den Namen Christmas, bekommen hat, wächst in ärmlichen Verhältnissen auf, die Straße wird sein Zuhause. Er gründet als Kind die Gang Diamond Dogs, mit der er später zur Berühmtheit werden soll. Mit seinen erfundenen Geschichten und seinem heiteren Wesen erobert er die Herzen der Bewohner.
Ruth, die Tochter eines reichen, jüdischen Industriellen, wird von Bill, einem Hausangestellten brutal zusammengeschlagen und vergewaltigt. Christmas wird sie schwer verletzt finden, ihr damit das Leben retten und sich in sie verlieben.
Nach der brutalen Tat Bills, der natürlich gleich noch eine folgen wird, verzweigt sich die Handlung in drei Perspektiven.
Hauptsächlich folgen wir der Entwicklung Christmas’. Er ist ein nettes, schlaues Kerlchen mit viel Charme und Einfallsreichtum. Schnell erobert er die Herzen seiner Mitmenschen. Seinem Weg zu folgen, der nicht immer frei von Kleinkriminalität war, hat mir Spaß gemacht. Ihn habe ich sofort ins Herz geschlossen.Im zweiten Handlungsstrang folgen wir Ruth, die an den Folgen der Vergewaltigung und Verstümmlung viele Jahre leidet. Ihr dadurch entstandenes Trauma wird sie aus der Bahn werfen. Dass es sich allerdings bei der erstbesten Gelegenheit in Luft auflöst, hatte für mich einen faden Beigeschmack.
Und dann hätten wir noch den Oberfiesling Bill, der sich recht bald nach Los Angeles absetzt, aus Angst vor der Strafverfolgung. Ich habe selten erlebt, dass ein Mensch aus dem Nichts heraus so eine dermaßen brutale Tat begeht. Nichts wird in der Geschichte vorbereitet, Di Fulvio setzt einzig auf den Schockmoment. Seine weitere Karriere ist ebenso verstörend wie brutal, dass ich an manchen Stellen von ihm angewidert war. Aber genau diese Szenen wieder und wieder zu zeigen, jede Handlung auszuschlachten, hat mir letztlich das Lesevergnügen komplett verleidet. Bliebe da noch die Strafe, die der Autor für ihn vorgesehen hat. Der Konflikt zwischen Ruth und Bill, die sich natürlich wieder begegnen, wurde als Zufall von außen gelöst. Mehr möchte ich nicht dazu sagen, da ich sonst spoilern müsste. Doch so eine Lösung ist einfallslos und unbefriedigend.
Das sind die Zutaten für diesen 800 Seiten starken historischen Roman, der sich zwar leicht lesen lässt, aber nicht immer leicht zu verkraften ist. Nach nicht mal 100 Seiten hätte ich das Buch liebend gern abgebrochen, wenn ich nicht jemandem versprochen hätte, es zu lesen. Was mich durchhalten ließ, war die Neugier, wie der Autor wohl am Ende dem Bösewicht seine gerechte Strafe zukommen lässt.
Dass das Leben damals kein Zuckerschlecken war, ist klar, doch dass Di Fulvio sich dermaßen darauf konzentriert, jeden Gewaltakt so explizit grausam darzustellen, war mir einfach to much. Quasi jede Frau wird Opfer von Übergriffen und Vergewaltigungen, die detailliert beschrieben wurden. Bis auf Bill sind alle Bösewichte eigentlich nette Typen, dass sie hin und wieder jemanden auf offener Straße erschießen, Schutzgeld erpressen oder jemanden brutal zusammenschlagen, ist ja nicht so schlimm.
Damit geraten die Figuren zu Stereotypen, die wenig Neues zu bieten haben. Man bekommt den Eindruck, jede weibliche Auswanderin wird zu einer Prostituierten, die sich in einen Kleinganoven verliebt. Armer Junge verliebt sich in reiches Mädchen, sie werden getrennt, finden sich aber wieder, Happyend. Die Handlung war also von Anfang an vorhersehbar, was mich aber weniger gestört hat. Sein Erzählstil ist genretypisch leicht zu lesen, wird mit vielen blumigen Details ausgeschmückt und kontrastiert mit den Gewaltszenen, die es in der Form nicht gebraucht hätte.
Auch Cover und Klappentext spiegeln für mich nicht das wieder, was der Leser am Ende bekommt. Es geht nicht um einen etwas fünfjährigen Jungen, wie abgebildet. Der Klappetext bezieht sich mehr auf Cetas Traum von einer besseren Welt in den USA.Mir fällt es schwer zu sagen, wem ich den Roman empfehlen würde. Den typischen Lesern historischer Romane wird er zu brutal sein. Andererseits ist er zu seicht und klischeehaft. Etwas mehr Niveau wie »Die Wanderhure« hatte er aber durchaus. Ich konnte den Zeitgeist der frühen 20er Jahre spüren. Den Siegeszug der neuen Technik wie Kino und Radio waren für mich glaubhaft und interessant dargestellt. Doch von einer authentischen Schilderung der Zeit war die Geschichte weit entfernt, allein wegen der Figuren. Insgesamt wird mir auch nichts Neues erzählt, was nicht schon tausend Mal irgendwo benutzt wurde.
Fazit: 800 Seiten mit einer fesselnden Handlung zu füllen, ist nicht leicht. Zu viele Nebenschauplätze werden eröffnet, die lediglich schmückendes Beiwerk sind. Aufgrund der Brutalitäten wird es viele Leser des Genres abschrecken. In Zukunft werde ich mich guten Filmen wie »Es war einmal in Amerika« oder »Gangs of New York« widmen, die mehr Authentizität haben und nicht ganz so verkitscht sind.
Wie immer, dies ist meine persönliche Meinung. - Ayana Mathis
Zwölf Leben
(74)Aktuelle Rezension von: Frau_M_aus_MDas hier ist ein richtig gutes Buch. Wenn ich könnte, würde ich 6 oder mehr Sterne vergeben.
Es geht um Hatty, eine farbige Frau in den USA Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, und deren elf Kinder und ein Enkelkind. Jedes der Kinder wird in einem Kapitel zu einem bestimmten Zeitpunkt der Geschichte beleuchtet. Die jeweilige Person steht dann im Mittelpunkt und die Umstände werden aus ihrer Sicht und in der Situation, in der sie sich gerade befindet, betrachtet. Daraus ergibt sich mosaikartig die Geschichte der Familie Shepherd im Laufe der Zeit.
Erschütternd beginnt das Buch 1925 mit der Geschichte von den Zwillingen Philadelphia und Jubilee, die im beide im Alter von sieben Monaten an einer Lungenentzündung sterben.
Floyd, der Musiker ist und seine Homosexualität nicht länger verdrängen kann, wird im Jahr 1948 beschrieben.
Six, der sich zum Priester berufen fühlt, lernen wir 1950 kennen.
Ruthie treffen wir im Jahr ihrer Geburt 1951. Sie ist nicht die Tochter von August, Hattys Ehemann.
Ihr Vater ist Lawrence, der Mann, mit dem Hatty aus ihrer unglücklichen und trostlosen Ehe fliehen wollte. August ist kein besonders fürsorglicher Familienvater. Er bringt die Abende in Kneipen zu, hat Affären und gibt Hatty nicht viel Geld für die Familie. Lawrence scheint anders zu sein. Er ist charmant und liebevoll und er verspricht, für Hatty und ihre Kinder zu sorgen. Aber leider ist auch er nicht beständig und außerdem spielsüchtig. Hatty kehrt zu August zurück und findet sich ab.
Die kleine Ella kommt 1954 in den Focus. Sie ist Hattys letztgeborenes Kind. Auf Grund der schwierigen finanziellen Situation und weil Hatty schon 46 Jahre alt ist, nimmt sie das Angebot ihrer Schwester, die kinderlos ist, an und gibt Ella schweren Herzens in deren Obhut.
Alice und Billups sind 1968 beide erwachsen und bis hierher unzertrennlich. Sie verbindet das Geheimnis um Billups sexuellen Missbrauch, der ihm als Kind zugefügt wurde. Alice fühlt sich schuldig. Sie ist ebenso verletzt wie er. Alice glaubt, ihr Leben für Billups leben und stets für ihn sorgen zu müssen. Letzlich ist es aber nur eine Bevormundung, aus der sich Billups befreit. Es gelingt ihm, mit der Vergangenheit abzuschließen. Alice bleibt allein und verzweifelt in einer leeren Ehe mit einem kaltherzigen Mann zurück.
Franklin ist 1969 Soldat in einem Minenlegertrupp in Vietman. Er hat eine Frau, die ihn verlassen hat und ein Kind, das er noch nie gesehen hat. Er ist wohl seinem Vater ziemlich ähnlich. Er hasst sich selbst für das was er der Frau, die er liebt angetan hat und ist gleichzeitig unfähig, sich zu ändern.
Bell ist 1975 schwer krank und stirbt fast an TBC. Sie hatte eine Affäre mit Lawrence, was ihr Hatty nicht verzeihen kann. Sie rettet sie jedoch und lässt sie nicht allein.
1980 treffen wir Cassy, die psychisch krank ist und in eine Klinik eingeliefert wird.
Die Geschichte von Cassys Tochter Sala ist der Schlusspunkt des Buches. Im allerletzten Satz gibt es einen symbolischen Lichtblick, als Hatty ihre traurige Enkelin Sala in den Arm nimmt und sie liebevoll beschützt.
Obwohl der Roman im Laufe des 20. Jahrhunderts in Amerika spielt und die Protagonisten Farbige sind, wird doch erstaunlicherweise klar, dass die Probleme, die sie haben, allgemein menschlich sind und so ähnlich überall auf der Welt zu jeder Zeit vorkommen können. Es wird klar, dass jeder sein Leben selbst gestalten muss. Auch wenn wir dieselbe Mutter haben, können wir sehr verschieden sein. Vielleicht wissen wir auch gar nichts oder nicht viel voneinander. Es gibt immer Leute, die auf uns herabsehen und sich als was Besseres fühlen. Wir alle müssen uns mit Situationen, die wir nicht ändern können, arrangieren. Wir alle haben unerfüllte Sehnsüchte, wir alle werden enttäuscht oder enttäuschen andere...
Die Übersetzung ins Deutsche ist sehr gut gelungen. Man ist sofort gefesselt und mittendrin im Geschehen. - Yann Martel
Life of Pi - Schiffbruch mit Tiger 3D, 1 Blu-ray
(1.030)Aktuelle Rezension von: Luthien_TinuvielSchiffbruch mit Tiger von Yann Martel kannte ich bislang nur aus dem Kino. Insofern hat der Einstieg mich etwas überrascht, letzten Endes war das Werk jedoch sehr interessant und auch philosophisch.
Inhalt: Protagonist Pi Patel erzählt einem kanadischen Autor seine Lebensgeschichted über seine Jugend in Indien, seine Suche nach der spirituellen Erleuchtung und schließlich der größten Herausforderung seiner Jugend: Während einer Überfahrt von Indien nach Kanada sinkt das Schiff, auf dem sich Pi mit seiner Familie befand und er findet sich in einem Rettungsboot auf weiter See wieder.
Meine Meinung:
Ich fand Schiffbruch mit Tiger sehr interessant, auch wenn es eine Weile gebraucht hat, bis mich das Werk fesseln konnte. Wortwörtlich die ersten über 100 Seiten lesen sich wie eine lange Einleitung mit vielen religionsphilosophischen Gedanken. Das findet man interessant oder auch nicht. Aber spätestens ab dem Schiffbruch wird das Werk auch für die breitere Masse interessant und Pis Geschichte fesselt.
Fazit: Für Fans philosophischer Werke, die sich auch an religiösen Gedanken nicht stören, interessantes Werk.
- Martina Sahler
Weiße Nächte, weites Land
(66)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-NutzerHat mir gut gefallen stellenweise doch etwas unglaubwürdig
- Francesca Cavallo
Das Wunder von R.
(107)Aktuelle Rezension von: buecherwuermchen_lauWas ein tolles Buch, traumhaft, märchenhaft,traurig und dann ein tolles Happy End! Was will man mehr in einer tollen Weihnachtsgeschichte.
Das Cover lässt einen schon Rätseln welch eine Geschichte hinter dem tollen Motiv wohl steht.
Es hat so etwas magisch schönes an sich.
Der Inhalt in kurzen Worten damit nicht zu viel verraten wird.
Traurig fängt es an,man zieht in einen neuen Ort, R., kennt keinen,2 Mütter und 3 Kinder allein und aller anfang ist schwer.
Doch was magisches passiert da,ein Brief vom Weihnachtsman taucht auf,Wichtel....ein Geheimniss.
Doch woher kommen all die Geschenke?? Gestohlen??? Missverständniss????
Was Kinder nicht alles verrichten können, der einsame Weihnachtsabend endet viel überraschender als gedacht.
Was eine tolle märchenhafte Geschichte. Traumhaft geschrieben. Man verfällt gedanklich direkt nach R.!
Schreibstyl ist kindgerecht geschrieben, zum selbst lesen und vorlesen!
- Dirk Reinhardt
Train Kids
(43)Aktuelle Rezension von: romyulrichEs werden die Gefahren von vier Kindern/Jugendlichen geschildert, die illegal auf Zügen durch Mexiko fahren, um in den USA ihr Glück oder ihre Eltern zu suchen. Sie leiden Hunger und Hitze, sie müssen sich an den Dächern der Züge festbinden, um im Schlaf nicht abzustürzen. Sie springen unter Lebensgefahr während der Fahrt auf und ab, weil sie sich verstecken müssen vor korrupten Polizisten und vor üblen mordenden Banden. Das Buch kann man nicht mehr aus der Hand legen. Ich litt Seite um Seite mit den Kindern. Sie kommen aus den ärmlichsten Verhältnissen die wir uns hier in Europa nicht vorstellen können. Es sind Kinder, die erwachsen werden müssen, um die gefahren dieser "Reise" zu erkennen. Viele schaffen es nicht. Man erfährt, dass es für die Kinder gar keinen anderen Weg gibt nach USA zu kommen, obwohl sie dort beileibe nicht willkommen sind.
Dirk Reinhardt war lange auf diesen Bahnhöfen und erfuhr von den Kindern selbst ihr Schicksal. Es ist ein Jugendbuch, jedoch nach meiner Meinung nicht für Leser unter 12/14 Jahren geeignet.
- Jeanine Cummins
American Dirt
(76)Aktuelle Rezension von: Charlea"American Dirt" wurde mir mehr oder weniger aufgezwungen - meine Freundin hatte es zuvor gelesen, oder sagen wir lieber "verschlungen". Thematisch war ich eigentlich nicht offen für ein derart hartes, real existierendes Thema, wollte ich doch gerade zum Jahresende eher in einer Wolke aus Gothic novels, Liebesschnulze oder Fantasybuch schwelgen. Aus irgendeinem Grund habe ich es dann doch angefangen und einfach nicht mehr zur Seite legen können.
Vorab - ja, es stimmt. Dieses Buch behandelt eine Thematik die kein Geheimnis ist, Menschenleben fordert und politisch vor allem in den Vereinigten Staaten zu kontroversen Diskussionen geführt hat. Aber ich möchte gleich vorweg sagen, dass es vor allem die sprachliche Raffinesse der Autorin ist, die unfassbar gut mit Worten umgeht und mir einzelne Sätze ins Gedächtnis eingebrannt hat, die dieses Buch für mich zu einem Jahreshighlight haben werden lassen.
Doch worum geht es
Lydia und ihr Sohn Luca stehen im Mittelpunkt der Handlung. Sie überleben als einzige ihrer großen Familie einen Anschlag eines Drogenkartells und versuchen daher aus Acapulco (südwestliche Küste Mexikos) nach el norte (Vereinigte Staaten von Amerika) zu fliehen. Die Angst, dass das Kartell auch noch ihren Sohn umbringen könnte, lässt die junge Buchhändlerin über ihre Grenzen hinaus wachsen, sie Dinge tun, von denen sie nicht ahnte, dass sie dazu in der Lage sein könnte.
Fazit
Ich habe beim Lesen in der Sprache der Autorin geschwelgt und an vielen Stellen so gelitten, dass meine Augen auch jetzt noch völlig verquollen sind. Ihre Art, die Gedanken der Protagonistin, aber auch ihres achtjährigen Sohnes zu beschreiben, hat mich tief beeindruckt.
Eins der vielen Zitate, das ich hier exemplarisch erwähnen möchte, beschreibt Luca, wie er die Realität zulässt, dass sein Vater gestorben ist. Er sagt:" Mein papi ist gestorben," [...] Er hat diese Worte nicht laut ausgesprochen, es nicht zugeben wollen. Es ist das erste Mal, und er spürt, wie die Worte seine Brust verlassen als wäre etwas Fauliges in ihm aufgebrochen. Dort, wo er diese Worte aufbewahrt hatte, ist jetzt eine zerklüftete Wunde." (S. 240).
Es ist so ein Buch, von dem ich in Jahren noch schwärmen werde, dass mich die Sicht auf meine kleine Welt, aber auch für das große Thema Migration schärfen lassen hat. Die Autorin hat es in ihrem Nachwort so ausgedrückt - sie wollte, dass über Menschen, nicht über Zahlen oder politische Ambitionen gesprochen werden sollte. Und genau das hat Jeanine Cummins mit American Dirt geschafft. Vielleicht müssen manche Bücher beim Lesen wehtun.
- Donia Bijan
Als die Tage nach Zimt schmeckten
(91)Aktuelle Rezension von: RosenvikDas Cover mit seinen warmen, sonnigen Farben passt sehr gut zum orientalischen Inhalt. Ich habe das Buch aber wegen seines Titels zur Hand genommen.
Es ist ein Familienroman, der im Iran spielt: Der Cafebesitzer ZOD wartet täglich auf Briefe von seiner Tochter Noor, die in den USA lebt. Nach 30 Jahren kommt sie in ihre Heimat zurück und muss sich mit den Traditionen, ihrer Familie, der Unterdrückung der Frau und dem Sinn für ihr weiteres Leben auseinandersetzen.
Die Autorin schafft es geschickt, die Stimmung im Iran, die Düfte des Essens und die Kultur dem Leser nahe zu bringen, so dass sich dieser dort als Teil der Familie fühlt.
Die Personen sind so sympatisch und tiefgründig charakterisiert und dennoch ist das Ende überraschend.
Es ist auf jeden Fall ein Buch, dass Urlaubsgefühle vermittelt, jedoch keine leichte Lektüre für den Stand, sondern ein bewegendes, emotionales und tiefgründiges Werk! - Mohsin Hamid
Exit West
(27)Aktuelle Rezension von: OrishaEine unbekannte Stadt, in einem unbekannten Land. Ein junger Mann, Saeed, lernt eine junge Frau, Nadia, kennen. Zunächst noch vorsichtig, kommen sich beide nach und nach näher. Doch ihr Umfeld wird zunehmend gefährlicher. Tote, Bomben, Zerstörungen prägen ihren Alltag. Als Saeed einen Angehörigen verliert, beschließt er mit Nadia zu fliehen.
Mohsin Hamids "Exit West" ist ein Buch unserer Zeit. Wir begleiten ein junges Paar auf ihrer Flucht nach Europa. Zunächst nach London, dann in die USA. Wir lernen die Sichtweise der Flüchtenden kennen, sehen ihre Perspektive, ihre Lebenswelt und ihre Erlebnisse. Und das macht das Buch stark. Auch weil wir Saeed und Nadia als eigenständige Personen kennenlernen dürfen, die nicht nur als Paar agieren, sondern eben als Individuen.
Doch das Buch ist auch ein Buch über die Liebe, über die flüchtigen ersten Begegnungen, die Zweifel, die aufkeimende Intimität und wie sich selbige in dieser Extremsituation verändert. Das Ganze ist gepaart mit einem Gefühl für Sprache, die Hamid gekonnt einzusetzen weiß und das macht dieses Buch zu einem Lesevergnügen.
Fazit: Exit West ist ein Buch über die Liebe, Familie und Flucht und steht symbolisch für all jene, die ihre Heimat verlassen mussten. Daher bekommt es meine klare Leseempfehlung. - Neil Gaiman
American Gods
(106)Aktuelle Rezension von: Henri3tt3In diesem Hörspiel geht es um einen Roadtrip kreuz und quer durch die USA, um alte und neue Götter, um Liebe, Freundschaft und Familie. Die Inszenierung als Hörspiel ist perfekt gelungen. Ich habe die vielen Stunden gebannt gelauscht und dabei im Garten gearbeitet, gestrickt oder Wäsche aufgehängt. Nur bei den letzten Stunden habe ich irgendwie den Faden verloren und die Story nicht mehr verstanden. Wer war jetzt tot und wer nicht bzw. doch nicht tot oder nicht mehr tot?
Insgesamt ist es auch eher eine Männergeschichte, denn obwohl es sehr viele Charaktere gibt, von denen einige sehr wichtig sind, spielen Frauen immer nur mehr oder weniger kleine Nebenrollen. Sie reden auch kaum miteinander. Diese Welt dreht sich nur um die Männer, dementsprechend kreisen auch die Frauen nur um die Männer. Das ist sehr schade, denn hier wurde viel Potential verschenkt. - Yann Sola
Gefährliche Ernte
(54)Aktuelle Rezension von: UlrikesBuecherschrankSommer,Sommerferien, Südfrankreich.Der kleine Küstenort Banyuls-sur-Mer ist übersät mit Touristen.Perez,ein Delikatessenschmuggler und Lebemann staunt nicht schlecht, als seine Tochter Hals über Kopf heiraten möchte.Das bedeutet Stress und Ärger mit mit seiner Exfrau Marielle.Sie ist nämlich gegen die Heirat. Aber es kommt noch schlimmer: In den Weinbergen seines Vaters wird ein Toter gefunden.Das ruft Kommissar Boucher auf den Plan. Damit er nicht Perez' Machenschaften aufdeckt, schnüffelt der wiederum in Boucher's Ermittlungen und bevor Perez sich versieht, steckt er mittendrin in dem Mordfall...
Dieses Buch zu lesen ist fast wie Urlaub:Sonne, über 30 Grad Hitze, Strand,Meer und Weinberge!
Hobbyermittler Perez kam mir etwas zappelig,wuselig vor.Gerade auch mit seiner Statur,er ist nicht gerade der schlankste und größte.
Er stolpert von einer Aktion in die nächste,ist immer in Bewegung.
Mit seinem Kangoo schießt er nur so um die Kurven.
Der Roman hat aber auch einen ernsten Hintergrund:Menschenhandel mit Flüchtlingen. Dann kommt noch die Politik dazu.Ein brodelndes Gemisch...
Fazit: Dies ist der 2.Teil dieser Reihe und mein erstes Buch darüber. Ich bin sehr gut hineingekommen und war schon mittendrin im Geschehen.
Was mir auch gefallen hat, dass immer mal wieder französische Sätze und Wörter eingebaut waren. Das hat diesem Buch das Flair gegeben.
Die Spannung hat erst nach etwa der Hälfte angezogen.Trotzdem war alles stimmig und kurzweilig zu lesen.Ich finde,dieses Buch ist zweigeteilt:Auf der einen Seite eine Familiengeschichte,auf der anderen ist es ein Krimi.Der Autor verbindet es sehr gut zu einem Buch. Es ist abgeschlossen und ohne offenes Ende.
Dieses Buch ist eine schöner Krimi für den Urlaub. Oder er eignet sich perfekt für ein kaltes und regnerischen Wochenende.
- Saša Stanišić
HERKUNFT
(237)Aktuelle Rezension von: Tilman_SchneiderSasa Stanisic ist ein absoluter Glücksfall für die Literatur. Er schreibt einfach groß! Hier in Herkunft nimmt er uns mit in seine Heimat, auf seinen Weg, tief in die Geschichte. Wo ist Heimat und wo ist er zu Hause? Mit viel Gespür, Gefühl, Liebe, auch Bitterkeit und Humor, erzählt er die Geschichte. Manchmal wahr, manchmal wie sie in seinem Kopf abgelaufen ist, aber immer pur. Er hat großartige Metaphern und Sätze die man oft lesen kann/muss/sollte, um den Feinschliff dieses Autors zu genießen. Herkunft, wo ist das...
- Selim Özdogan
Wieso Heimat, ich wohne zur Miete
(43)Aktuelle Rezension von: FilzblumeDas Buch hat insgesamt 30 Kapitel. Jedes ist einzigartig und schon in seinem Text zum Schmunzeln. Geschildert wird das Leben von Krishna Mustafa, der in Istanbul geboren, aber in jungen Jahren mit seiner Mutter nach Freiburg gezogen ist. Er lebt dort in einer WG , die Mutter hat sich sich vom Vater getrennt, der lebt in der Türkei. Krishna Mustafa studiert und seine Freundin Laura macht mit ihm Schluss. Sie behauptet das er keine Identität hat. So macht er sich, bestärkt von „Hase“, ein älterer Freund, der sich sein Geld mit Dealen verdient, aber das Herz auf dem rechten Fleck hat, auf nach Istanbul. 6 Monate wird er dort verbringen. Er tauscht sein WG Zimmer in Deutschland gegen das in der Türkei, dort lernt er die Mitbewohner, Isa und Yunus kennen und Esra, seine Freundin. „Emre hat nur erzählt, dass du die Türkei besser kennenlernen möchtest.“ „Emre ist mein Cousin und wohnt seit gestern in meinem WG-Zimmer in Freiburg, dafür habe ich sein Zimmer hier. Nein, nicht die Türkei, sage ich. Ich möchte mich besser kennenlernen. Meine Wurzeln. Ich bin gekommen, weil ich meine Identität finden möchte.„ Das da die Missverständnisse vorprogrammiert sind ist klar. Das Buch zeigt auf humorvolle Weise auf Türken und Deutsche zugleich, ist politisch unkorrekt, sprachlich witzig, nachdenklich, manchmal philosophisch . Zeigt Vorurteile, die verschiedenen Perspektiven, Gemeinsamkeiten. „In der Türkei glauben wir ja, dass alles in Deutschland seine Ordnung hat. Aber wir wissen nicht, dass diese Ordnung genauso wenig Logik hat wie unser Chaos.“ Mein Lieblingsatz: „Die Wahrheit ist wie Wasser, sagt er. Sie findet immer einen Weg. Die Wahrheit ist, diese Welt ist rund und man muss ein wenig geschmeidig sein, wenn man sich mitdrehen möchte.“(Kapitel 21). Ein humorvolles Buch für jeden der beide Seiten kennenlernen möchte, ohne Vorurteile ist und sich gut unterhalten möchte. - Tanja Langer
Der Himmel ist ein Taschenspieler
(26)Aktuelle Rezension von: Lilith79"Der Himmel ist ein Taschenspieler" wird aus Sicht des 32-jährigen Mahboob (oder Martin, wie sein in Deutschland angenommener "zweiter" Vorname lautet) erzählt. Er floh im Alter von 8 Jahren zusammen mit seiner Mutter aus Afghanistan, der Vater und seine ältere Schwester hätten eigentlich nachkommen sollen, aber stattdessen wurde die Schwester erschossen und vom Vater hörten die beiden nichts mehr... Mahboob hat diese Geschehnisse seiner Kindheit weitgehend verdrängt, er integrierte sich (fast über-) motiviert in Deutschland, studierte Mathematik und steht kurz vor seinem Diplom als er einen Brief von seinem Vater aus Afghanistan erhält, der ihn bittet ihn zu besuchen.
Mit diesem Besuch startet der Roman, Mahboob reist nach Afghanistan und soll abgesehen von dem Besuch bei seinem Vater beim Wiederaufbau einer zerstörten Schule helfen. Das Buch erzählt in mehreren Abschnitten von Mahboobs Rückkehr nach Afghanistan aber auch in Rückblenden aus seiner Kindheit und aus dem Leben seiner Familie. Es handelt sich dabei nicht um eine lineare Erzählung mit einer klaren Handlung, das Buch springt viel zwischen verschiedenen Themen und Mahboobs Gedanken hin- und her. Es geht um seine Identitätssuche, er fühlt sich in Deutschland zu "afghanisch", in Afghanistan nervt ihn die dortige Mentalität und er fühlt sich zu "deutsch". Das Buch ist bei aller Beschäftigung mit politischen Themen und mit Mahboobs Identitätssuche aber für mich vor allem ein Familienroman, der sich damit beschäftigt, wie eine Familie durch Schicksalsschläge, aber auch durch Missverständnisse und Sturheit zerbrochen ist.
Mahboob ist dabei ein sehr interessanter Charakter, er ist kein typischer "Held", er ist erstmal keiner der anpackt und die Dinge in die Hand nimmt, er ist unsicher, für einen 32-jährigen wirkte er auch mich oftmals sehr unreif, er erwartet viel von anderen, ist aber selber auch gar nicht so stark wie er gerne wäre, sondern von Selbstzweifeln geplagt und seinen Eltern gegenüber ist er oft sehr ungeduldig (manchmal sogar unfair). Er lässt sich oft treiben, versucht Dinge zu verändern, scheitert, ist frustriert, für mich war er ein sehr authentischer Charakter, wenn auch gar nicht mal immer sympathisch.
Das Buch hat mir insgesamt sehr gut gefallen, wenn es auch manchmal etwas sehr sprunghaft daher kommt. Gerne hätte ich auch etwas mehr Hintergrundwissen über die Geschichte Afghanistans gehabt, damit ich die politischen Ereignisse etwas besser einordnen kann, aber dass die mir fehlen, liegt natürlich nicht am Buch, sondern an mir. Etwas merkwürdig fand ich, dass das Buch zu 95% in der Ich-Perspektive erzählt ist, aber zwischendrin immer kleine Abschnitte sind, in denen von Mahboob in der 3. Person gesprochen wird. Das ist zwar wohl ein absichtliches Stilmittel, aber es gab doch immer einen kleinen Bruch.
- Jan Weiler
Maria, ihm schmeckt's nicht!
(1.144)Aktuelle Rezension von: MoniqueHJan Weiler schreibt Geschichten die teils basiert sind auf sein eigenes Leben. Dieses Buch beschreibt den Anfangsjahren in seine Beziehung, später Hochzeit und die ersten Lebensjahre. Wichtig ist dabei das er eine Frau geheiratet hat die eine italienische Vater hat. Vieles in dieses Buch dreht um den Vater. Der ist originell und sich selbst. Jeder muss sich ihm anpassen ob er will oder nicht es passiert einfach. Jan kommt dadurch in viele komisch und unmögliche Situationen und erzählt es so als ob man selbst daneben sitzt.
Lachen vorprogrammiert.
- Ferdinand von Schirach
Verbrechen, 2 Blu-rays
(737)Aktuelle Rezension von: ShenjaliestFerdinand von Schirach berichtet in „Verbrechen“ über wahre Geschichten aus seinem Beruf als Strafverteidiger.
Schirach beleuchtet die Motive der Täter hinter dem Verbrechen und regt zum Nachdenken über Schuld und Gerechtigkeit an. Er schreibt sachlich und verständlich, er bleibt objektiv und doch entwickelt man Mitgefühl für die Täter.
Ganz besonders bewegte mich die Geschichte, in der eine Frau ihren Bruder aus Liebe tötete. - NoViolet Bulawayo
Wir brauchen neue Namen
(21)Aktuelle Rezension von: IrisblattDie 10-jährige Ich-Erzählerin Darling lebt mit ihren Freundinnen und Freunden Bastard, Godknows, Chipo, Stina und Sbho in einer Blechhüttensiedlung irgendwo in Afrika. Ihre ehemaligen Häuser wurden in einer Nacht- und Nebelaktion zerstört. Die Familien mussten fliehen und haben notdürftig neue Hütten errichtet. Ihr Viertel der Blechhütten heißt „Paradise“. Die Schule wurde geschlossen, Hunger ist allgegenwärtig, viele Väter sind zum Arbeiten in benachbarte Staaten gegangen. Die Kinder sind auf sich alleine gestellt, verbringen ihre Tage gemeinsam, machen Ausflüge in die Viertel der Reichen, um dort die reifen, saftigen Guaven von den Bäumen zu klauen; sie wollen ihren Hunger stillen. Darling und ihre Freund*innen posieren für Fotos, wenn Entwicklungshelfer mal wieder Spielzeug und Nahrungsmittel vorbeibringen und denken sich den ganzen Tag Spiele aus. Aus kindlicher Perspektive erzählt, erhalten viele Szenen eine Leichtigkeit, die sie eigentlich nicht haben. Viele unterschiedliche Themen finden Eingang in den Roman: Wahlbetrug, Gewalt an der Zivilbevölkerung, sogenannte „Säuberungsaktionen“, Exorzismus, Aids, Vergewaltigung und Schwangerschaften von gerade mal geschlechtsreifen Mädchen.
Während der erste Teil in Afrika spielt (NoViolet Bulawayo nennt das Land bewusst nicht, da der Roman an vielen Orten in Afrika spielen könnte), verlässt Darling im zweiten Teil ihre Heimat, um bei ihrer Tante in den USA zu leben. Die Kontraste zu ihrem bisherigen Leben könnten nicht größer sein. Auch dort gibt es Mangel - allerdings drückt dieser sich anders aus. In diesem Abschnitt geht es um Identität und Probleme, die Migration mit sich bringt. Der westlichen Welt wird dabei ein Spiegel vorgehalten.
Immer mal wieder verwendet NoViolet Bulawayo Wörter und Sätze aus der Zulu-Sprache. Hier hätte ich mir eine Übersetzung am Ende des Romans sehr gewünscht. Auch wenn die Autorin bewusst offen lässt, wo genau in Afrika ihr Roman spielt, hat mich das irgendwie gewurmt und ich habe mich auf Spurensuche begeben. Wenn Speisen genannt wurden, habe ich nachgesehen, wo diese Gerichte gegessen und auch so bezeichnet werden. Alles spricht für Simbabwe, das Heimatland der Autorin, in der auch die Bantusprache Zulu gesprochen wird.
Die kindliche Sprache, in der der Roman verfasst wurde, ist passend - stellenweise empfand ich sie aber als anstrengend. Insgesamt nehme ich viele starke Bilder aus der Lektüre mit, die keineswegs alle erdrückend sind. Gerade die Zeit, die die Kinder aus Paradise gemeinsam im Spiel verbringen und ihr Umherstreunen hinterlässt bei mir ein Gefühl von Freiheit und Kreativität, die es in einer wohl behüteten, strukturierten Kindheit so nicht mehr gibt. „Wir brauchen neue Namen“ liefert zahlreiche Denkanstöße, gibt Einblicke in das Leben in einem afrikanischen Slum sowie das Leben im us-amerikanischen Exil. Die Protagonist*innen sind glaubwürdig, das Buch vielschichtig; die Erzählung aus kindlicher Sicht macht den Roman trotz aller Probleme leicht lesbar.
- Irmgard Keun
Kind aller Länder
(35)Aktuelle Rezension von: stuff-books-picturesIn dem Roman Kind aller Länder von Irmgard Keun, der während der NS-Zeit spielt, erzählt die zehnjährige Kully von ihrem Leben, dass durch die Flucht des Vaters aus Deutschland zu einer scheinbaren endlosen Reise mit vielen Länderwechsel wird.
Ich habe den Roman mit dem Hintergrund des Kosmopolitismus gelesen. Daher konnte ich ihm den einen oder anderen Gedanken abgewinnen. Alles in allem aber kein Buch, dass ich freiwillig gelesen hätte. Aber auch nicht „so schlimm“ wie viele andere Bücher die ich im Zuge meines Studiums lesen musste. Für mich nicht sein Geld wert.
Randfakten:
🌝🌝🌛/5 - 224 Seiten - HC: 17,99€ - von: Irmgard Keun