Bücher mit dem Tag "literaturgeschichte"
224 Bücher
- Haruki Murakami
Kafka am Strand
(1.087)Aktuelle Rezension von: RoyalAlbertDer Roman von Haruki Marukami beschreibt in mehreren aufeinander zulaufenden Erzählsträngen die vom Schicksal des Lebens geprägten Protagonisten in Anlehnung an die Ödipus Tragödie. Faszinierend ist, wie die Hauptfiguren zueinander in Beziehung stehen, wie sie ihre Schicksale angehen und nach und nach die einzelnen Handlungsstränge miteinander verbunden werden. Keiner versteht es wie Haruki Marukami, Tragik, Skurriles und Witz so miteinander zu verbinden. Sprachlich ist der Stil des Autors etwas ganz Besonderes. Die einzelnen Erzählebenen wechseln zwischen Traum und Wirklichkeit und ließen mich an einen meiner Lieblingsromane von Carlos Ruiz Zafon Das Spiel des Engels erinnern. Ein großartiges Buch ist „Kafka am Strand“. Etwas fordernd ist das offene Ende, aber darin kann auch der Reiz liegen.
- Johann Wolfgang von Goethe
Die Leiden des jungen Werther
(1.626)Aktuelle Rezension von: BM2TE22aDies ist die Geschichte der unglücklichen Liebe eines jungen Künstlers zu einer Frau, die schon einem anderen versprochen ist. Der Werther war wohl der erste europäische Bestseller der deutschen Literatur.
Dieser Brief-Roman war eine Sensation. Mit ihm wurde der 25-jährige Johann Wolfgang Goethe endgültig zum Star der Literaturszene. Eine ganze Generation, die individuelles Glück jenseits gesellschaftlicher Beschränkungen suchte, fand sich im Schicksal des unglücklichen Werther wieder der am Ende zum Selbstmörder wird, weil seine schwärmerische Liebe in dieser prosaischen Welt unerfüllt bleiben muss.
- Lara Prescott
Alles, was wir sind
(108)Aktuelle Rezension von: Louise_Sountoulidis„Dr. Schiwago“ gehört zur Weltliteratur des 20. Jahrhunderts und seine Veröffentlichung stand wegen seines staatsfeindlichen Inhalts auf sehr wackeligen Beinen.
In Russland verboten, wurde es schließlich in Italien erstveröffentlicht. Boris Pasternack erhielt dieses Werk den Nobelpreis, welchen er gezwungener Maßen ablehnen musste.
In „Alles, was wir sind“ reist der Leser*in mit Autorin Lara Prescott zurück in die Jahre des Kalten Krieges und liest über die große Liebe von Olga Iwinskaja für ihren Geliebten Boris und die gnadenlose Hetzjagd auf ein Buch, dass für Viele zu gefährlich ist, um es der Welt zu präsentieren.
Intro:
Ich habe dieses Buch noch in seinem alten Kleid entdeckt. Im April vorigen Jahres hat es allerdings ein neues Gewand bekommen. Frischer, moderner und zeitgemäßer, um es ansprechender für die Leserschaft zu machen. Doch wenn ich beide Cover miteinander vergleiche, dann gefällt mir die Front meines Exemplars viel besser, denn es ist ein Sinnbild des größten Elements des Gesamtinhalts. Die große Liebe Olga Iwinskajas zu Boris Pasternack, dem Autor von „Dr. Schiwago“.
Lara Prescott entführt uns hier in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts und lässt uns hinter den eisernen Vorhang blicken. Wir erleben den wirtschaftlichen Aufschwung und die Demokratie des Westens und die sozialistischen Diktaturstrukturen des Stalinismus. Der kalte Krieg hat die Supermächte im festen Griff und Literatur wird zu einem gefährlichen Instrument.
Inmitten dieser turbulenten Zeit der Nachkriegsjahre lernen sich Olga und Boris bei einer seiner Lesungen kennen und verlieben sich ineinander. Doch diese Liebe wird für Olga zur großen Gefahr, denn Boris schreibt an einem Buch, dessen Inhalt die russische Regierung keinesfalls unter das Volk gebracht sehen möchte und einiges dafür tut, dies unter allen Umständen zu verhindern.
Später wird Boris sagen, dass Olga ihn zu „Dr. Schiwago“ inspiriert hat und der Roman ohne sie nie veröffentlicht worden wäre.
Zur Handlung:
Der russischen Regierung ist zu Ohren gekommen, dass Boris Pasternack in seinem aktuellen Roman staatsfeindliche Äußerungen publizieren würde. Um die Vollendung von „Dr. Schiwago“ zu verhindern, nehmen sie seine Geliebte Olga, für die er große Gefühle hegt, in Gefangenschaft und verhören sie viele Nächte lang. Doch die Liebe der jungen Frau zu ihrem Geliebten ist unüberwindbar. Schließlich wird sie in ein Gulag deportiert und diesen auch viele, viele Jahre nicht mehr verlassen…
Irina ist mit ihrer Mutter nach Amerika ausgewandert. Dort findet sie eine Stelle als Stenotypistin im Schreibpool des CIA. Diese erkennen ihr Talent und bilden sie mit Hilfe der Agentin Sally zur Spionin aus, denn der Westen will unbedingt an „Dr. Schiwago“ kommen, um den russischen Widerstand zu brechen und das Volk gegen seine Regierung aufzubringen…
Die Figuren:
Die handelnden Personen sind aus meiner Sicht unterschiedlich lebendig gezeichnet und verfügen dementsprechend über verschiedene charakterliche Tiefen.
Den beiden Liebenden hat die Autorin die meiste Ausarbeitszeit zugemessen. Sie sind durchaus lebhaft beschrieben, doch agieren nicht immer so, dass es für mich verständlich wäre.
Olgas Herz gehört voll und ganz ihrem Geliebten Boris, und das auf bedingungslose und aufopfernde, ja, fast schon pathologische Art und Weise. Für ihn verliert sie alles, was sie besitzt. Sie wird gefoltert, in ein Arbeitslager deportiert, muss Kälte ertragen und Hunger leiden, und selbst ihre Kinder kommen nicht an die anbetenden Emotionen für Boris heran. Auch wenn ich solche Gefühle und diese Standhaftigkeit ausgesprochen bewundernswert finde, so kam ich nicht umhin, mich zu fragen: Warum ist das so? Was sieht sie in ihm? Ist das wirklich Liebe oder grenzt das an Hörigkeit?
Zumal Boris hingegen auf mich eher den Eindruck eines Eigenbrötlers und Egoisten macht. Sowohl seine Frau als auch die Geliebte haben sich seinen Schreibphasen unterzuordnen und niemals eine gleichwertige oder gar höhere Wertstellung als das Schreiben für ihn. Auch wenn er Olga stets als seine Muse bezeichnet und behauptet, ohne sie zu keinem geschriebenen Wort fähig zu sein, hätte er niemals das gleiche riskiert, was sie für ihn geopfert hat. Und das hat mich traurig werden und Mitleid für Olga empfinden lassen. Sie hätte für ihre großen Gefühle so viel mehr verdient, als sie letztlich von ihm zurückbekommen hat. Doch war er wirklich dieser Egomane, wie er sich mir hier gezeigt hat?
Während mich die emotionale Diskrepanz der beiden Liebenden fast in den Wahnsinn trieb, blieben mir Irina, Sally und die Frauen des Schreibpools in den USA etwas zu flach. Der Sinn hinter ihren Aufgaben ist klar und nachvollziehbar, doch ihre wahren Charaktere, ihre Gedanken und Emotionen erreichten mich nicht so wirklich, weshalb sie eher farblos und blass wirkten und nicht eindrücklich genug waren, um nach Beendigung des Buches längere Zeit im Gedächtnis zu bleiben.
Der Schreibstil:
Lara Prescotts Schreibstil gefiel mir grundsätzlich gut. Ihre Sprache ist intelligent und innerhalb der Kapitel war sie für mich schön fließend und gut verständlich zu Papier gebracht worden. Allerdings tat ich mich mit den wechselnden Perspektiven etwas schwer. Die Übergänge sind nicht ganz so rund geworden und ich habe mich wiederholt zu Beginn des jeweiligen Szenenwechsels erst zurechtfinden müssen, um den Handlungsfaden der jeweils gezeichneten Figur wieder aufnehmen zu können.
Der Leser*in folgt hier nämlich zwei Hauptsträngen, kleineren Nebensträngen und mehreren Personen. Inmitten des kalten Krieges begleitet man auf der einen Seite hauptsächlich Olga und Boris im Osten und Irina und Sally im Westen. Und genau hier, zwischen den Frauen des CIA hatte ich etwas Schwierigkeiten. Erst im Verlauf des aktuellen Kapitels fand ich heraus, wen ich da gerade begleitete. Denn es gab nicht nur Irina und Sally, sondern auch die gesamte Gruppe der Frauen des Schreibpools, die nichts von Irinas und Sallys Auftrag wissen durften und doch hinter so viele Geheimnisse blicken konnten. Dadurch geriet mein Lesefluss leider immer wieder etwas ins Stocken.
Dies und die Diskrepanz bei der Figurenausarbeitung hielten mich aber dennoch nicht davon ab, der schweren, düsteren und doch so voller Hoffnung steckenden Handlung zu folgen. Die geschichtlichen Hintergründe sind nämlich von der Autorin nicht nur bemerkenswert gut und umfassend recherchiert, sondern auch spannend gezeichnet worden.
Kriege sind äußerst dunkle Kapitel der Menschheit und der kalte Krieg war da nicht viel besser. Die Schilderungen des Gulag sind äußerst bedrückend und zeigen, an was für einem entsetzlich menschenverachtenden Ort Olga um ihr Überleben kämpfen musste.
Die Atmosphäre des gesamten Buches ist zeitgemäß düster, dramatisch und traurig, aber auch so voller Aufschwung, Zuversicht und großer Liebe.
Außerdem hat es mich doch brennend interessiert, ob es etwas geben würde, dass Olga dazu bringen könnte, ihre intensive Bindung zu Boris in Frage zu stellen oder bis zum Ende treu zu ihrer großen Liebe stehen würde.
Fazit:
„Alles, was wir sind“ ist ein Roman, der Spionage- und Thriller-, aber auch Gesellschafts- und Liebesroman-Anteile in sich vereint. Er hat unerwartet viel in mir bewegt und ich bleibe letztendlich doch ziemlich aufgewühlt und emotional mitgenommen zurück.
Ich kann jedem Leseinteressenten*in empfehlen:
Wenn man um die Mankos weiß und sie annehmen kann, dann findet man eine aufopferungsvolle große Liebe, verbunden mit einem wundervollen Stück Zeitgeschichte, dass einem nach so vielen Jahren nach Veröffentlichung von Pasternacks „Dr. Schiwago“ ins Gedächtnis zu rufen vermag, was für eine große Macht Worte haben können und dass es dafür manchmal die unbändige Liebe eines Menschen braucht, um für immer auf Papier gebannt zu werden.
Meine Bewertung: 3,5 von 5
- Agnès Poirier
An den Ufern der Seine
(75)Aktuelle Rezension von: porte-bonheurIch hatte mir das Buch über die Feiertage zum zweiten Mal vorgenommen und war ich schon beim ersten Mal sehr angetan von der Lektüre, so hat sie mich jetzt noch einmal begeistert.
Agnès Poirier hat eine hervorragende, sehr detailreiche Arbeit geleistet, mit der sie die für viele, nicht nur literarische, Entwicklungen prägenden 10 Pariser Jahre 1940 bis 1950 in Reihe und Zusammenhänge bringt und das in angenehmen Erzählton. So folgt man einer Dekade, die natürlich in den Bibliotheken der entsprechenden Studiengänge meterlange Regale füllt, gespannt und teils auch atemlos, allein schon ob der gewaltigen Gedankenwelt, die in diesen Jahren entstanden, aufgebaut und schriftlich niedergelegt wurde und die noch soviele Jahre später entscheidenden Einfluß auf alles Nachfolgende hatte.
Jetzt muss ich freilich erklären, dass ich Romanistik studiert habe und mich über dieses Buch auch deshalb freuen konnte, weil es mir in angenehmen Erzählton das zum Teil doch sehr mühsam erworbene Detailwissen aus der Studienzeit noch einmal zusammengefasst hat. Ja, ein bißchen Vorwissen um diese Zeit ist bei der Lektüre sicher hilfreich und macht sie entspannter. Und freilich gibt es auch Kritik, vor allem die, dass es eben keine profunde wissenschaftliche Abhandlung des Existenzialismus ist, auch gar nicht sein kann. Auch fehlte mir an vielen Stellen die detailliertere Einbettung in die Geschehnisse rund um all die Kulturschaffenden. Das "normale" Paris dieser Zeit bleibt doch oft zu sehr außen vor, aber, du meine Güte, das Buch hat auch so schon 450 Seiten!
Die Lektüre des Buches hat mir gefallen, mir eine wirklich gute und erkenntnisreiche Lesezeit bereitet, mich am Ende aber auch betrübt zurückgelassen: wo sind denn die heutigen Schriftsteller, die sich in dieser Häufung für eine andere - bessere? - Welt einsetzen und schreibend lohnenswerte Utopien gestalten oder gesellschaftliche Probleme angehen und entsprechend authentisch mit ihrem Verhalten auch überzeugen?
- Dietrich Schwanitz
Bildung
(313)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-NutzerMir ist bekannt, dass Dietrich Schwanitz nicht wenige Kritiker hatte. Ich gehöre nicht dazu. Ich bin eine Bewunderin von ihm. Und dieses Buch gehört für mich zu den Büchern, die ich immer wieder in die Hand nehme. Im Wunsch, etwas faktisch nachzuschlagen oder einfach nur im Wunsch, mich köstlich und niveauvoll zu amüsieren.
Nur in einem möchte ich widersprechen: Dietrich Schwanitz spricht diejenigen unter uns an, die sich mit kulturellem Wissen bereichern wollen, wenn man sie nur ließe. Ich sage: Jeder ist Herr seiner selbst. Und eigenständig ist jeder von uns in der Lage, sich Wissen anzueignen.
Welch ein Jammer, dass Dietrich Schwanitz nicht mehr lebt. Man stelle sich vor, es gäbe HIER eine Leserunde mit ihm ...
- Lina Barold
Studium Emotionale
(51)Aktuelle Rezension von: Karina_LenhartMir haben die Zwigespräche von Sira gefallen, ihre Unsicherheit, ihre Neugier, der Mut das alte (langjährige Beziehung und Sicherheit) hinter sich zu lassen, und sich fallen zu lassen. Der Prof wäre mir zu anstrengend, zu schweigsam, aber vielleicht ist genau das, was neugierig macht! Teil zwei ist gekauft, vielleicht wird ja da einiges aufgeklärt Danke dass ich dieses Geschenk lesen durfte - Florian Illies
1913
(283)Aktuelle Rezension von: dunis-lesefutterAuch diesen Monat hab ich das März Buch von meinen #12booksin12month geschafft! Es hat etwas gedauert, da man es nur in Etappen richtig genießen kann.
1913 ist ein Geschichtsbuch, das wie ein Kaleidoskop viele Aspekte eines Jahres zu einem intensiven Bild zusammensetzt. Florian Illies lässt uns Menschen des damaligen Zeitgeschehens begegnen, und zwar weltweit, wenn auch der Fokus auf Deutschland, Österreich und der Schweiz liegt. Es geht dem Autoren dabei mehr um die Personen, also um die Ereignisse, wobei natürlich beides nie ganz voneinander zu trennen ist.
Es sind nicht nur politische Figuren der damaligen Zeit, die kommen sogar verhältnismäßig selten vor. Der Schwerpunkt liegt auf bildende Künstler, ob aus der Literatur, Musik oder Malerei. In vielen kleinen Häppchen sind wir hautnah am Alltag der Künstler und merken, wer mit wem wie verbandelt ist, Freundschaften und Freundschaften gepflegt hat und wer vielleicht gesundheitlich verfiel oder dem Wahnsinn nah war. Die Aufbruchstimmung und Kreativität, mit der viele Menschen in diesem letzten Jahr vor der Katastrophe zugange waren täuscht nicht über ein morbides, Gefühl hinweg mit dem man der Zukunft entgegen sieht. Ahnt man schon, dass bald das süße Leben vorbei ist? Oder habe ich den Eindruck als Leserin nur, weil ich weiß was im nächsten Jahr passiert? Florian IIlies hat das ganz wunderbar transportiert.
Einige Beispiele: Wir lesen viel über die sozialen Unzulänglichkeiten von Kafka, die Feindschaft zwischen Freud und Jung, die Obsession eines zu Oskar Kokoschkas für seine Alma. Wir erfahren, wann Louis Armstrong das erste Mal zur Trompete griff, dass Picasso auch reiten kann und dass Else Lasker-Schüler eine ganz spezielle Person war. Das meiste basiert auf einer immensen Recherchearbeit. Der Autor hat Fakten, die aus Briefwechseln und Biografien abgeleitet wurden zu einer gut lesbaren Jahreschronik zusammen gefasst. Manche Sachen werden auf Basis von Informationen gemutmaßt. Niemals hatte ich den Eindruck, dass ich Spekulationen ausgeliefert bin, die das Buch interessanter machen sollten. Adolf Hitler und Josef Stalin sind vielleicht wirklich mal aneinander vorbei spaziert, möglich wäre es…
Nicht zu vergessen die Mona Lisa, die in jedem Monat eine kleinere Rolle hat, bis am Ende des Jahres 1913 ihr Auftritt in einem großen Finale endet. Besonders gerne habe ich die Absätze über S. Fischer gelesen. Für mich als Bookie gab es ganz viel interessantes Hintergrundwissen zu diesem renommierten Verlag.
Das Buch ist in kleinerer Absätze geteilt. Selten gehen Sie über drei Seiten, andere wiederum sind nur einen Satz lang. Die Figuren tauchen nicht einmalig auf, sondern haben in vielen Monaten ihren Platz
Ein wenig muss man sich beim Lesen schon konzentrieren, ich war sehr oft abgelenkt, weil ich das jeweilige Bild des Künstlers anschauen wollte oder selber noch mal ein paar Hintergründe recherchiert habe. Das macht das Lesen natürlich etwas, aufwändiger aber auch intensiver. Das Buch ist super dazu geeignet in Etappen gelesen zu werden. Immer mal wieder ein paar Abschnitte zu genießen, macht es zu einem besonderen Erlebnis. Mir hat es auf jeden Fall sehr viele neue Erkenntnisse gebracht oder schon Gewusstes vertieft. Eine klare Leseempfehlung für alle Kunst- und Geschichtsinteressierten.
- Fjodor Michailowitsch Dostojewski
Die Brüder Karamasow
(209)Aktuelle Rezension von: Lesung_vor_achtDer obligatorisch beste Roman aller Zeiten (Sigi Freud) gleicht einem elefantösen Mammutbrocken. Das rund 1242 Seiten lange Familienepos schildert auf theologischer und psychologischer Ebene den Niedergang einer Familie als exemplarisches Beispiel für das alte Russland. Rein inhaltlich handelt es sich zweifelsohne um ein Meisterwerk. Gewohnt scharfsinnig analysiert Dostojewskij die verschiedenen Milieus und weitet seinen Roman zu einer gewaltigen Gegenwartsstudie aus. Dass es sich trotzdem um ein zeitloses Werk handelt, zeugt von seinen philosophischen Kompetenzen.
Wie gern würde ich fünf Sterne vergeben! Aber angesichts der Schwächen des Romans kann ich mir das nicht leisten.
So scharfsinnig Dostojewskij sich mit Theologie und Psychologie auseinandersetzt, so klobig geraten seine Dialoge. Die Handlung des Buchs wäre schnell erzählt, aber aufgrund der haarsträubend überlangen Reden und unnötig detaillierten Monologe (die schon eher an ein Theaterstück erinnern) ähnelt das Buch eher einer Karikatur seiner selbst. Dostojewskij scheint es gänzlich unmöglich zu sein, präzise und genau zu formulieren - er schweift ab, entschuldigt sich durch den Mund seiner Figuren und setzt im nächsten Atemzug zum nächsten Monolog an. Er überlässt nichts der Fantasie. Ähnlich wie Umberto Ecos Werke legt sich auch dieses Buch bereits selbst aus, sodass man sich als Leser nur noch bequem für eine Sichtweise zu entscheiden hat (im Fall der Gerichtsverhandlung für einen der Erzrivalen Kirillowitsch oder Fetjukowitsch). Philosophisch vertreten sind dabei Idealismus (Aljoscha), Zynismus (Iwan), rationaler Materialismus (Kolja Krassotkin), Hedonismus (Fjodor Pawlowitsch), usw. Der angebliche Mörder Mitja steht für das alte Russland und Smerdjakow tritt als ideologisches Opfer Iwans auf. Iwan erkennt in sich selbst den Teufel.
Das Buch ist ein Meisterwerk. Aber eben ein Meisterwerk mit dramaturgischen Schwächen.
- Hans Fallada
Jeder stirbt für sich allein
(312)Aktuelle Rezension von: Sonja_Schmitz1Durch Zufall bin ich auf Fallada und dieses Buch gestoßen.
Es ist eine sehr gut erzählte, tragische Geschichte über den Krieg, Hitler, den Widerstand und die Menschen.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen und ich werde mit Sicherheit weitere Fallada Bücher lesen. - Jasper Fforde
Der Fall Jane Eyre
(561)Aktuelle Rezension von: dasbuchzuhauseDer literarische Supergau ist eingetreten und Jane Eyre wurde aus dem Originalmanuskript von Charlotte Brontë entführt. Was kann nun getan werden, um zu verhindern, dass das komplette Buch für immer ohne seine Hauptfigur ist? Ein sehr kniffliger Fall für die Literaturagentin Thursday Next. Wird sie es schaffen und Jane Eyre retten?
das Debüt von Jasper Fforde ist einfach grandios bekloppt, spleenig und einfach liebenswert. Um es kurz zu machen: entweder liebt man diese Buchreihe oder man lässt es. Ich gehöre zu denjenigen, die es heiß und innig lieben. Jasper Fforde hat sich eine Parallelwelt zu der unsrigen ausgedacht. Es ist auf den ersten Blick ziemlich ähnlich, doch unterscheiden sich die Welten auch voneinander.
Literatur hat einen ziemlich hohen Stellenwert und es gibt im Polizeiapparat mehrere Abteilungen, die sich mit diesen Verbrechen beschäftigen. Auch die Bevölkerung nimmt die Sache ziemlich ernst und streitet erbittert darüber, wer denn jetzt die Stücke Shakespeares geschrieben hat. Es gibt Zeitreisende und eine Spezialeinheit, die ChronoGarde, die sich mit Problemen und Verbrechen in diesem Bereich beschäftigt.
Alles in allem ziemlich verrückt und auf den ersten Blick denkt man, dass Jasper Fforde schwer einen an der Waffel hat. Auf den zweiten Blick merkt man, dass er einfach ein Mensch mit einer wunderbar überschäumenden Fantasie ist, der sich tolle Geschichten und komplette Parallelwelten ausdenkt. Es gibt viele Dialoge und so ist die Erzählung sehr dynamisch. „Der Fall Jane Eyre“ hat alles, was eine gute Geschichte braucht. Es ist ein spannendes Buch, eine verrückte und verzwickte Geschichte um ein mysteriöses Verbrechen, durchgeknallte Charaktere, es gibt eine Liebesgeschichte, einen mehr als bösen Bösewicht und witzige Details, was will man mehr?
Gleichzeitig ist es auch ein Spiegel für uns, wir beschäftigen uns mit unserem Klein-Klein, mit Nebenkriegsschauplätzen und gehen nicht die großen Fragen an. Dies ist in unserer Welt so und auch in der Parallelwelt, in der „Der Fall Jane Eyre“ spielt. Wir zanken uns um Worte, um Details und vergessen dabei das große Ganze. Fforde gelingt es, eine aufregende, völlig durchgeknallte Geschichte zu erzählen und am Ende des ersten Bandes möchte man – so man es denn mag – sofort die Fortsetzung lesen, aber die steht „In einem anderen Buch“, so heißt sie nämlich, die Fortsetzung.
- John Williams
Stoner
(440)Aktuelle Rezension von: TefelzIrgendwie skeptisch ob des Klappentextes, habe ich mehrere Versuche gebraucht um den Roman zu beginnen. John Williams ein bereits toter Autor, der 1965 diesen Roman geschrieben hatte und der irgendwie in Vergessenheit geriet. Gut, dass es 2006 neu aufgelegt wurde.
Geschichte: 1891 wurde William Stoner im tiefsten Missouri auf einer kleinen Farm geboren. Schon früh musste er zu Hause anpacken und die karge Erde würde er normal bis zu seinem Lebensende bearbeiten. Dieser Weg schien vorgezeichnet, doch als seine Eltern ihn 1910 zum neugegründeten Landwirtschaftskolleg der University of Colombia schicken, um sich in Bezug auf Landwirtschaft weiter zu entwickeln und 4 Jahre studieren, damit er später mithelfen kann, den Boden ertragsfähiger zu machen, entdeckt er seine Liebe zur Literatur und merkt, dass er vielleicht lieber dieses Fach studieren sollte.....
Schreibstil und Personen: Die Sprache um 1965 war schon viel reicher als die heutige und an solchen Büchern merkt man, dass unser literarisches Niveau im Rückzug begriffen ist. Stoner ist keine heldenhafter Persönlichkeit und ein sehr schwacher Mensch. Doch ist dies die Geschichte Stoners, der keine Highlights in dieser Gesellschaft setzen kann und es dauernd von allen Seiten abbekommt. Stoner ist ein Mensch mit Prinzipien, mit viel Gefühl und der sehr oft Mitleid hervorruft, obwohl er oft selbst schuld ist. Er will es wirklich jedem Recht machen und wird von der Gesellschaft bestraft. Seine Geschichte ist traurig, menschlich und doch sehr bewegend. Das Cover ist deutlich und genau: Eine Gestalt, die Undeutlich erscheint, die man sieht und die ohne einen Eindruck zu hinterlassen wieder verschwindet.
Meinung: Ich habe gelitten und war wütend, wollte ihm immer wieder sagen, was für ein Versager er ist und doch musste ich immer weiterlesen, da ich sein Schicksal einfach immer weiter verfolgen will. Ich freue mich, als es aufblüht und endlich sein Leben genießt, doch ist endlich von Dauer ? Es rührt mich sehr und ich habe viel Verständnis aber so ein Leben hätte ich nie führen können.
Fazit: 5 Sterne , für eine mich sehr bewegende Geschichte , die keine große Action bietet, sondern die stillen Töne und die Gefühlswelt eines durchschnittlichen Lehrers , dem fast alles misslingt, aber er immer er selbst bleibt. Es war irgendwie sehr traurig !
- Mechthild Gläser
Die Buchspringer
(649)Aktuelle Rezension von: Tigerlilly94"Die Buchspringer" von Mechthild Gläser ist einfach bezaubernd und hat alles, was eine tolle Jugendfantasy-Geschichte braucht. Fantasie, Abenteuer und einen Hauch Liebe. Besonders finde ich die Sprünge in bekannte Geschichten, die diesen auf ganz neue Art wieder Leben einhauchen. Ich habe das Buch durchgesuchtet und liebe es sehr!
- Michel Houellebecq
Unterwerfung
(296)Aktuelle Rezension von: schlumpitschi_liebt_buecherIn Frankreich werden die extremistischen Parteien immer stärker, als im Jahr 2022 die Muslimische Partei gewinnt kommt das Gleichgewicht im Land zum Schwanken.
Der Professor François hat mit dieser Veränderung zum kämpfen.
Das Buch hat mich leider überhaupt nicht überzeugen können.
Mir war der Protagonist und Erzähler total unsympathisch und ich habe ihn und seine Gedanken überhaupt nicht nachvollziehen können, außerdem hat mich die Handlung auch überhaupt nicht überzeugt.
Das Buch ist leider keine Empfehlung von mir. - Sam Savage
Firmin - Ein Rattenleben
(483)Aktuelle Rezension von: dunkelbuchFirmin du süße Ratte, mein Herz hast du erobert. Als dreizehntes Kind einer Rattenfamilie geboren, in Boston aufgewachsen, musste er früh lernen sich allein durchzuschlagen, die Mutter eine Trinkerin, füttert ihre Babys mit alkoholgetränkter Milch. Nur die Bücher helfen Fermin groß zu werden, er nagt er kaut und wächst mit ihnen auf. Fermin bleibt in der Buchhandlung als seine Familie sich trennt. Durch Zufall erkennt er eines Tages das er die Bücher lesen kann, und eine neue Welt öffnet sich dem kleinen Rattenkind. Er fängt an in der Buchhandlung jedes Buch zu lesen, welches ihm durch seine Pfoten schlüpft. Er lernt auch den Besitzer des Ladens kennen und möchte ihn gern auf sich aufmerksam machen um sein Freund zu werden. Leider entpuppt sich der Besitzer nicht als Rattenfreund sondern versucht Fermin zu vergiften.
Ich habe Firmin lieb gewonnen.Für alle zu empfehlen deren Fantasie wieder ein wenig Anregung brauchen.
- Truman Capote
Kaltblütig
(326)Aktuelle Rezension von: CharleaWenn man an den Autor Truman Capote denkt, von ihm spricht oder liest, ist man unwillkürlich mit dem Werk "Kaltblütig" konfrontiert. Innerhalb einer Leserunde haben wir uns nun zusammengetan, um diesem Werk ebenfalls zu frönen - doch um ehrlich zu sein ist nach Auslesen des Buches nicht mehr als schale Enttäuschung an den Platz aufkeimender Euphorie getreten, die ich noch auf den ersten Seiten verspürte.
Capote beschreibt in "Kaltblütig" das Verbrechen, dass 1959 in Holcomb, Kansas an einer Familie begangen wird - doch der Autor war so fasziniert von dem Fall, dass er den Tätern und den Opfern vor und nach der Tat eine Stimme gibt.
So weit, so gut.... wenn er bei dem Versuch, die Geschichte aufzurollen, nicht auch sämtlichen Charakteren, die auch nur annähernd zu dem Fall befragt wurden oder auch nur in der Nähe einer der Personen war, eine Stimme zu geben. Im Grunde wirkt das Werk für mich wie eine reine Materialsammlung eines Autors, die nun noch einmal ins Reine gelesen werden muss, bevor sie ins Lektorat geschickt wird. Von den knapp 550 Seiten hätte die Hälfte bestimmt gekürzt werden können - und ich habe kein gutes Gefühl, wenn ich meine eigenen Worte hier so lese. Einem Autor das Werk kürzen?
Da es nicht das erste Buch von Capote für mich ist, werde ich dem Gesamtwerk des Autors noch eine weitere Chance geben, aber wie es schon einige vor mir in der Leserunde gesagt haben - den Hype an gerade diesem Buch habe ich nicht verstanden. Ist es einfach der reale Hintergrund der Geschichte? War Capote zum Zeitpunkt der Entstehung schon berühmt? Ich kann diese Fragen leider nicht beantworten.
- Rainer Schmitz
Was geschah mit Schillers Schädel?
(51)Aktuelle Rezension von: LiedieIn diesem Buch finden sich 1200 Stichwörter von A bis Z und fast 4000 Namen. Hier kann der Leser herrlich schmöckern und fast alles über die Literatur erfahren - ob wichtig oder unwichtig. Muss man wissen, ob Ernest Hemingway zehn oder zwanzig Bleistifte spitzte, bevor er einen neuen Roman begann oder ob Celan Platanenrinde knetete, bevor er sich an die Arbeit begab? Nein - aber so manche Dinge sind doch sehr amüsant und vieles auch sehr interessant. Für mich ein unverzichtbares Buch, in dem ich immer mal wieder gerne lese und schon viele interessante Informationen zu meinen Lieblingsautoren gefunden habe. - Georg Büchner
Dantons Tod
(246)Aktuelle Rezension von: beccarisGeorg Büchners Text kann auch heute noch mit einigem zeitgeschichtlichen Bezug gelesen werden. Die französische Revolution, deren Ursprung auf die massive Staatsverschuldung und die grosse Ungleichheit der Standesgesellschaft Ende des 18. Jahrhunderts zurückzuführen ist, bildet den Hintergrund dieses Dramas. Anhand der Hauptcharaktere Danton und Robespierre schildert Büchner eindrücklich, wohin übersteigerter Idealismus und Fanatismus führen können. Ein paar wenige selbsternannte Vertreter des Volkes – ohne dieses je befragt zu haben – führen die Revolution an, die schnell aus dem Ruder läuft und in einer Schreckensherrschaft und unglaublichem Leid endet. Was die Manipulation der Massen und die daraus entstehende Gruppendynamik bewirken kann, lässt einem erahnen, wie nah Wahnsinn und Tugend sein können. Nicht selten werden dabei Naturereignisse als Argumentationshilfe für demagogische Inhalte missbraucht.
Wenn man die heutige Welt besser verstehen will, sollte man dieses Werk lesen.
- Irene Vallejo
Papyrus
(158)Aktuelle Rezension von: Johannes_FrederkingDas Buch erzählt vor allem - andere als der Untertitel vermuten ließe - die Geschichte des physischen Buches und weniger die Geschichte der Literatur. Die Anfangspassagen über Alexander und das Streben nach s Anhang größten Bibliothek der Welt haben mir sehr gefallen. Das Buch strotzt vor Insights und Anekdoten, z.B. zu Sappho und der Rolle von Frauen in der Literaturgeschichte. Einige der Kapitel fand ich allerdings auch recht langweilig bzw. langwierig, weshalb ich sehr viel länger als gedacht an diesem Buch gelesen habe. Für einen kundigen Leser sind diese Kapitel und Details sicher hochinteressant. Für jemanden mit einer großen Leidenschaft für Literatur (weniger für das Produkt Buch) hat "Papyrus" einfach seine Längen. Das ließe sich v.a. durch eine gezieltere Ansprache der gewünschten Zielgruppe optimieren.
- Stephen King
Danse Macabre
(57)Aktuelle Rezension von: Horatio-BuecherliebeDer Danse Macabre ist ein Walzer mit dem Tod. Das ist eine Tatsache, und wir können es uns nicht leisten, vor dieser Tatsache zurückzuschrecken. Die Horrorgeschichte bietet die Möglichkeit, etwas zu betrachten, was sich hinter Türen abspielt, die wir normalerweise doppelt verschlossen halten, (…). Doch die menschliche Fantasie gibt sich nicht mit verschlossenen Türen zufrieden. Irgendwo gibt es eine Tanzpartnerin, flüstert die Fantasie in die Nacht hinein – eine Tanzpartnerin in einem verrotteten Ballkleid, eine Partnerin mit leeren Augenhöhlen, grünem Schimmel auf den ellbogenlangen Handschuhen, Maden, die im verbliebenen schütteren Haar wuseln. Ein solches Geschöpf in den Armen halten? Wer, fragen Sie mich, würde so verrückt sein? Nun…?
In diesem Augenblick, unmittelbar nach der Lektüre, muss ich zunächst einmal gestehen, dass mich lange kein Sachbuch mehr so sehr beeindruckt hat, wie Stephen Kings „Danse Macabre“.
Immer wieder war ich in den letzten Jahren bei den Recherchen zu meinen Lektüren der Horrorliteratur auf dieses Buch mit dem auffälligen Namen gestoßen: „Danse Macabre“, oder auf Deutsch der „Totentanz bzw. Makabertanz“. Laut Wikipedia eine im 14. Jahrhundert aufgekommene Darstellung des Einflusses und der Macht des Todes auf beziehungsweise über das Leben der Menschen. Oft in allegorischen Gruppen, in denen die bildliche Darstellung von Tanz und Tod meist gleichzeitig zu finden ist. Stephen Kings „Danse Macabre“ wird als „das Grundlagenwerk über die Geschichte des Horrors in Literatur und Film vom Viktorianischen Zeitalter bis heute“ bezeichnet. Achthundert prall gefüllte, verheißungsvolle Sachbuchseiten vom Meister des Horrors persönlich. Daran konnte ich nicht mehr länger vorbeigehen.
Warum schreibst du kein Buch über das ganze Horror-Phänomen aus deiner Sicht? Bücher, Filme, Radio, Fernsehen, alles.
Hält man diesen Taschenbuchbackstein dann in den Händen, folgt bereits beim Blick auf das Copyright der Originalausgabe die erste Ernüchterung. Das „Danse Macabre“ erschien bereits im Jahr 1981 und ist tatsächlich, bis auf ein paar Ausnahmen, auf die Periode von 1950 bis 1980 beschränkt. Der mir vorliegenden aktuellen deutschen Ausgabe von 2010 sind zwar, neben dem Vorwort zur Originalausgabe, auch noch die Vorworte von 1983 und 2010 beigefügt, das ändert jedoch nichts daran, dass die Neuerern Entwicklungen des Genres keine Berücksichtigung finden. Eine mehr als erhebliche Einschränkung.
Allerdings muss ich zugestehen, dass das aktuelle Vorwort zur Ausgabe von 2010 etwas über dieses Manko hinwegtrösten kann. Es ist eigentlich weniger ein Vorwort als vielmehr ein Essay zur Entwicklung des Genres der letzten 40 Jahre. „Blair Witch Projekt“, „Saw“, „District 9“, „Dawn oft he Dead“, „From Dusk till Dawn“, „Scream“, usw. sind die Werke, denen sich King hier widmet und die er in einen größeren Zusammenhang einordnet. In diesem Vorwort formuliert er auch die zentrale These des „Danse Macabres“, gemäß der eine gute Horrorgeschichte auf symbolischer Ebene funktioniert und auf fiktionale (und gelegentlich übernatürliche) Ereignisse zurückgreift, um uns beim Verstehen unserer eigenen tiefen echten Ängste zu helfen.“ Allein der wirklich gelungene Essay rechtfertigt für mich bereits die Anschaffung des Taschenbuchs.
Im Anschluss lädt Stephen King die Lesenden dann endlich zum Totentanz. Das Buch ist in zehn Kapitel gegliedert, die für den Meister allerdings nur unverbindliche Empfehlungen zu sein scheinen. Das „Danse Macabre“ ist das Sachbuch eines großartigen Erzählers und King geht wirklich in die Vollen. Mit seinem geballten Wissen rund um die Horrorliteratur, den Horrorfilm und die Unterhaltungsindustrie, stürzt er sich geradezu auf die Materie. Weniger an Fakten orientiert, sondern immer auf der Suche nach der guten Geschichte, „erzählt“ er im wahrsten Sinne des Wortes die Geschichte des Horrorgenres, und er erzählt sie packend, mitreißend und äußerst ausführlich. Dabei droht er zwischendurch immer wieder den Faden zu verlieren, so sprunghaft mäandert er durch die Kapitel. Ungeheuer intensiv, geradezu ein Rausch des Erzählens, der es den Lesenden nicht leicht macht, den Überblick zu behalten.
Das Buch beginnt mit einem Blick zurück auf das Kino der 50er Jahre. King erinnert sich an den Tag, an dem er als Kind im Kino saß und der Horrorfilm plötzlich wegen der Nachricht unterbrochen wurde, dass der Sputnik über ihren Köpfen ins All geschossen worden war. Der Wechselbeziehung zwischen Kaltem Krieg und frühen Horrorfilm, ist das erste Kapitel des Buchs gewidmet. Warum sollte man sich schreckliche Sachen ausdenken, wo es doch so viel echten Schrecken auf der Welt gibt?
Im Zentrum des nächsten Kapitels stehen die legendären „Geschichten vom Haken“ und der Niedergang des Horrorfilms im Verlauf der 50er Jahre. Weiter geht es mit drei klassischen Romanen, die von Stephen King als das „Tarot“ des Horrorgenres bezeichneten werden. Mary W. Shelleys „Frankenstein“, Bram Stokers „Dracula“ und Robert L. Stevensons „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ sind für ihn die wichtigsten Werke und Archetypen des Genres.
Im nächsten Kapitel wird es dann plötzlich biografisch. Dazu sei gesagt, dass im Grunde das gesamte „Danse Macabre“ von autobiografischen Betrachtungen und Bezügen komplett durchzogen ist. Aber hier im vierten Kapitel widmet King sich ganz ausführlich seiner Jungend und den Anfängen seiner Autorentätigkeit. Und dann ist da auch noch die immer wieder gestellte Frage, wie aus ihm jemand werden konnte, der solch fürchterliche Dinge schreibt.
Der Horrorfilm hat die Absicht, uns wehzutun, ganz recht, und deshalb lauert er auch dort, im dunkelsten Teil des Waldes. Auf dieser grundlegenden Ebene albert der Horrorfilm nicht herum: Er will Sie.
Nach weiteren Kapiteln über die Zeit der Horrorhörspiele im Radio, den modernen amerikanischen Horrorfilm und den Horrorfilm als „Junk-Food“, wendet sich King schließlich dem Schwerpunkt des „Danse Macabres“ zu, dem Kapitel über die Literatur des Horrors. In diesem bei weitem umfangreichsten Kapitel, betrachtet und bespricht er ganz ausführlich die Romane, die für ihn nicht weniger als alles Gute im Horror-Genre repräsentieren. Bücher und Geschichten, die in seinen Augen „die oberste Pflicht der Literatur erfüllen – uns die Wahrheit über uns selbst zu sagen, indem sie uns Lügen über Menschen erzählen, die nie existiert haben“:
Da sind „Ghost Story“ von Peter Straub (1979), als „wahrscheinlich der beste übernatürliche Roman“ und im Anschluss daran die Bücher über die Orte des Bösen. Der wunderbare Roman „The Haunting of Hill House“ von Shirley Jackson (dt. „Spuk in Hill House“ – 1959), der auch mir ausgesprochen gut gefällt und auf diesem Blog bereits ausführlich vorgestellt wurde. Daneben, und ebenfalls ein Spukhausroman, Anne River Simmons „The House Next Door“ (1978). Weiter geht es über „Roasemary’s Baby“ von Ira Levins (1967) als Spiegel urbaner Paranoia der Stadtbewohner, hin zu Jack Finneys kleinstädtischer Paranoia-Geschichte „The Bodysnatchers“ (1955). Danach das „Something Wicked This Way Comes“ von Ray Bradbury (1962), das sich nach Kings Ansicht jeder fein säuberlichen Kategorisierung der Analyse entzieht. Auch das wesentlich bekanntere „The Shrinking Man“ (dt. „Die unglaubliche Geschichte des Mr. C“ – 1956), wie King anmerkt ein Fantasyroman, der fälschlicherweise als Science-Fiction eingeordnet worden sei, wird ganz ausführlich besprochen. Weitere Klassiker wie Ramsey Campels „The Doll Who Ate His Mother (1976) und James Herberts „The Fog“ (1978) schließen das riesige Kapitel ab.
All diese Werke sind allerdings bei weitem nicht die einzigen, die im „Danse Macabre“ beleuchtet werden. Im Anhang sind weit über 170 Filme und Bücher aufgezählt, auf die sich King im Verlaufe seiner umfangreichen Ausführungen bezieht. Und tatsächlich droht der 800-Seiten starke Band unter der Wucht dieser ausufernden Menge filmischer und literarischer Bezüge geradezu zu platzen.
Wie ich bereits anführte, ist das „Danse Macabre“ ein erzähltes Sachbuch. Es wurde ganz bewusst ohne jeden akademischen Anspruch verfasst und stellt Stephen Kings völlig eigene, sehr persönliche Sicht der Dinge dar. Genau das macht seinen besonderen Reiz aus. Vollkommen frei von jeglicher Belastung empirischer Evidenz, sprudeln die aufsehenerregenden Thesen zum Horrorgenre nur so aus ihm heraus. Immer scharfsinnig, pointiert und, wie es sich für einen meisterhaften Erzähler gehört, begleitet von äußerst unterhaltsamen Geschichten und autobiografischen Anekdoten. Ein unerschöpfliches Füllhorn, ganz sicher keine literaturwissenschaftliche Arbeit. Sehr originell und gewöhnungsbedürftig.
Dieses Buch ist lediglich ein Spaziergang durch alle Welten von Fantasy und Horror, die mich entzückt und entsetzt haben. Es hat kaum einen Plan oder eine Ordnung, und wenn Sie ab und zu an einen Jagdhund mit nicht besonders gut ausgeprägter Nase denken müssen, der hin und her springt und jedem interessanten Geruch folgt, den er wahrnimmt, dann soll es mir recht sein. Aber es ist keine Jagd, es ist ein Tanz. Und manchmal machen sie die Lichter in diesem Ballsaal aus. Aber wir werden dennoch tanzen, Sie und ich. Auch im Dunkeln. Ganz besonders im Dunkeln. Darf ich bitten?
Stephen Kings „Danse Macabre“ ist nicht einfach nur ein Grundlagenwerk über die Geschichte des Horrors, es ist ein rauschhafter Tanz mit dem Morbiden. Dieses aus allen Nähten platzende Buch gewährt uns einen eindrucksvollen Blick tief in die Gedankenwelt des Meisters. Für die ganz großen Fans des Autors ein atemberaubendes Erlebnis, ja geradezu eine Pflichtlektüre. Für alle anderen ist das Buch nahezu unlesbar.
- Erich Kästner
Fabian oder Der Gang vor die Hunde
(68)Aktuelle Rezension von: Tilman_SchneiderJakob Fabian liebt das Leben und er genießt es. Am Tag arbeitet er als Texter für einen Zigaretten Hersteller und nach der Arbeit flaniert er durch das Berlin der Zwanziger Jahre und genießt den Alkohol, Spaß mit Freunden und verbringt tolle Stunden mit Damen in bestimmten Etablissements. Dann lernt er Cornelia kennen und verliebt sich und auch als er seinen Job verliert, will sie zu ihm halten. Doch dann gerät sein Leben aus den Fugen, denn sie verlässt ihn, sein bester Freund begeht Selbstmord und seine gewohnten Bahnen scheinen nichts mehr wert zu sein. Was ist richtig und was falsch? Wer ist ehrlich und wer meint es nicht ernst? Fabian hadert und beginnt das Leben anders zu betrachten und zu leben. Erich Kästners Roman ist seiner Zeit weit voraus und großartiger Entwicklungsroman. Mit Kästners typischem Humor und Tiefe wird die Geschichte erzählt und die Moral und die Realität und die Wahrnehmung spielen ganz wichtige Rollen. Hier liegt jetzt die Version vor, die Kästner wollte, die Kästner zuerst geschrieben hatte eben mit dem Titel Der Gang vor die Hunde.
- H.G. Parry
Die unglaubliche Flucht des Uriah Heep
(82)Aktuelle Rezension von: Jules95Ich bin wirklich sehr überrascht, dass dieses Buch doch so unbekannt ist. Das Buch hat mich von der ersten Seite in seinen Bann gezogen und kaum losgelassen. Der Schreibstil ist sehr einnehmend und die Geschichte spannend. Welcher Büchernerd würde nicht gern Zeit mit seinen Lieblingsfiguren verbringen und mit ihnen Abenteuer erleben.
Die Auflösung des Geheimnises um Charley hat mich letztendlich zwar nicht überrascht aber ich mochte die Beziehung der beiden Brüder zueinander. Ihre Verbindung war sehr realistisch, so wie sie eben zwischen Geschwistern oft ist.
Ich kann dieses Buch allen nur empfehlen.
- Rüdiger Safranski
Romantik
(49)Aktuelle Rezension von: TaHaRomantik: eine deutsche Affäre
Gekürzte Lesung, Audio-CD
Rüdiger Safranski
5 CDs, 5h 30 Spielzeit
Random House Audio
16,95 Euro
Covertext:
Eine deutsche Obsession mit europäischen Folgen
Rüdiger Safranski beschreibt die Epoche der Romantik und ihre Zeitgenossen: Tieck, Novalis, Fichte, Schelling, Schleiermacher und Dorothea Veit, die für die Entfesselung des Genies stehen, für den Aufbruch und die Lust am Experiment. Und er erzählt die Geschichte des Romantischen, die über Heine, Wagner, Nietzsche und Thomas Mann bis in die Gegenwart führt - die Biographie einer Geisteshaltung.Der Leser:
Safranski liest selbst. Er, der Philosoph und Schriftsteller, hat Massen mit seinen Biografien über Schiller, Heidegger und Nietzsche begeistert. In meinem Schrank stehen einige seiner Bücher, ich finde sie nicht nur informativ, sondern genieße diese unterhaltsam formulierten Ideenspaziergänge. Für mich ist er der Meister der verständlichen Philosophie- Erzählungen. Unterhaltsames Vorlesen hingegen ist jetzt nicht unbedingt seine Stärke. Erwähnt werden muss, dass dieses Hörbuch/ die Lesung ohne jegliche Vertonung auskommt. Der Inhalt muss hinter nichts zurückstehen, auch nicht hinter dem Können eines professionellen Sprechers. Safranski moduliert seine Stimme nicht, wie es ein geübter Sprecher tun würde. Man hört die ein oder andere Lautbildstörung. Zuerst dachte ich, dass dieses Konzept sich erfrischend von den gängigen, professionell vorgetragenen und untermalten Hörbüchern abhebt. 5,5 Stunden zuhören gelingt jedoch in der Tat besser, wenn die Sprecherqualität besser ist.
Meinung:
Mit „Romantik: eine deutsche Affäre“ hat er sich eine ganzen Epoche samt ihrer Theoretiker, Schriftsteller sowie einzelne Werke vorgenommen. Zusätzlich will er die Romantik als Geisteshaltung von Wagner über Heidegger, Nazi-Deutschland bis in die 1968 Jahre hin aufgreifen. Er skizziert Entstehungshintergründe und eröffnet fast schon anekdotische Einblicke. Mit Hingabe nähert er sich Kleist, Heine, Hölderlin und anderen Vertretern dieser Epoche. Sehr ambitioniert!
Wesentliche Merkmale der Epoche werden gekonnt herausgearbeitet: Überschuss an Phantasie und Ästhetik, das Träumerische. Politische, ästhetische, soziale und philosophische Positionen werden skizziert, Entstehungsgeschichte nachgezeichnet. Gelungen arbeitet er heraus, dass eine Gleichsetzung von Romantik und politisch Reaktionärem zu vermeiden ist. Leider bemüht er dennoch immer wieder Gemeinplätze. Schade ist, das Safranski nicht deutlich macht, was mit den romantischen Impulsen seiner Meinung nach anzufangen ist.
Nun ist es eine gekürzte Fassung und das Buch kenne ich noch nicht, dennoch habe ich den Eindruck, ich höre eine sehr gut, aber ziemlich lückenhafte Literaturgeschichte. Irritiert nehme ich war, dass Romantik als nationales Phänomen kommuniziert wird. Es fehlt mir ein bisschen die globale oder zumindest europäische Perspektive.
Fazit:
Wieder einmal fasziniert Safranskis Belesenheit. Es liegt hier nicht sein bestes Werk vor, aber besser als viele andere ist er immer noch.
- Thea Dorn
deutsch, nicht dumpf
(5)Aktuelle Rezension von: leserattebremenWir müssen uns aktuell vielen Fragen stellen: Wie gehen wir mit den Migrationsbewegungen weltweit um, wie mit dem Erstarken einer neuen rechten Partei, die es sogar in den Bundestag geschafft hat? Wie nehmen wir Menschen mit, die sich abgehängt fühlen und geht es uns nicht eigentlich viel zu gut, um auf Deutschland zu schimpfen? Thea Dorn hat mit „Deutsch, nicht dumpf“ ein sehr vielschichtiges und komplexes Buch über die deutsche Geschichte, das Problem der Deutschen mit dem Patriotismus und die wichtige Unterscheidung von blindem Nationalismus und aufgeklärtem Patriotismus geschrieben.
Wichtig ist bei diesem Buch vor allem der Untertitel: „Ein Leitfaden für aufgeklärte Patrioten“, denn genau das versucht die Autorin- meiner Meinung nach äußerst erfolgreich – zu leisten. Sie arbeitet sich ab am Kultur- und Zivilisationsbegriff, der Debatte der Leitkultur, die politischen und historischen Elemente der deutschen Vergangenheit, den ruhmreichen ebenso wie der dunklen Zeit von Krieg und Vernichtung. Dabei lässt sie die Leser auf sehr klare und übersichtliche Art an ihren Gedanken teilhaben und zeigt Möglichkeiten und Probleme auf, mit denen wir uns unweigerlich auseinandersetzen müssen. Dabei verfällt sie glücklicherweise nicht der Gefahr, einfach auf der AfD rumzuhacken und den Grund für alle Probleme in der gefühlten Benachteiligung bestimmter Personengruppen zu suchen. Zwar macht sie sehr klar, dass sie die AfD und ihr verbundene Bewegungen für eine große Gefahr hält und deren Argumente für schwach und fadenscheinig, doch dies stets differenziert und fundiert. Man kann noch viel lernen aus der Lektüre von „Deutsch, nicht dumpf“ und sollte sich viele Gedanken, wenn schon nicht zu eigen machen, dann doch wenigstens mitnehmen in die täglichen Debatten und in Hinterkopf haben bei der täglichen Zeitungslektüre. Wir laufen Gefahr, den platten Nationalismus und der Abneigung gegen alles Fremde zu verfallen, wenn wir uns nicht einen aufgeklärten, wachen Patriotismus zu Eigen machen, der um seine Gefahren weiß und dennoch positiv daherkommt.
Thea Dorn hat mich mit ihrem Buch „Deutsch, nicht dumpf. Ein Leitfaden für aufgeklärte Patrioten“ mitgenommen auf eine spannende Reise durch deutsche Geschichte, Philosophie und Kultur, zu Problemen und Risiken ebenso wie zu Leistungen, auf die man ohne Zweifel auch heute noch stolz sein kann. Wem die Lektüre zu anstrengend erscheint, dem sei ein Satz der Autorin ans Herz gelegt: „Der Weg von „Fast News“ zu „Fake News“ ist verdammt kurz.“ (S.330). Darum ist es wichtig, sich mit diesem Buch auseinanderzusetzen. - Christian Detoux
Bibliomania
(51)Aktuelle Rezension von: seschatDas 160 Seiten starke Buch von Steven Gilbar ist ein wahres Kleinod für alle Büchernarren bzw. Bücherfreunde. Obschon es bereits 2014 erschienen ist, hat es nichts an Aktualität und Faszination eingebüßt. Im Gegenteil, hier kann der passionierte Leser noch einiges Spannendes wie Wissenswertes rund ums Thema "Buch" erfahren, was nicht nur Statistikfans jubilieren lässt.Inhaltlich wird viel und vor allem Fakten in Listenform geboten. Ob es nun um die Entstehung des ersten Buchs, die ältesten Bibliotheken, das schwerste Buch, schreibende Mediziner, Autorenpseudonyme, Nobelpreisträger, die ISBN oder bekannte Zitate oder Begriffe aus der Literatur- und Verlagswissenschaft geht, der Autor Steven Gilbar hat an wirklich alles gedacht und sich dabei nicht ausschließlich mit der deutschen Literaturszene beschäftigt, sondern auch die internationale Buchkultur berücksichtigt.
Mich hat Gilbars detailreiche sowie sehr gut lesbare Liebeserklärung an das immer noch aktuelle Medium Buch ab der ersten Zeile begeistern können. Allerdings sei auch verraten, dass ich selbst an Bibliomanie und -philie leide :-)
FAZITEin faktenreiches Buch für Büchernarren, das sich schnell und mit Gewinn lesen lässt. PS: Der Untertitel ist Programm.