Bücher mit dem Tag "kaukasus"
61 Bücher
- Nino Haratischwili
Das achte Leben (Für Brilka)
(243)Aktuelle Rezension von: dunis-lesefutterIch habe es geschafft-1280 Seiten hat das georgische Jahrhundert-Epos, die Familiensaga, rund um die Familie Jaschi, auf dem Buchrücken.
100 Jahre begleiten wir 8 Frauen, beginnend und endend mit einer Anastasia. Erzählt wird die Geschichte der Familie von Niza, die ihrer Nichte Brilka helfen möchte, den Teufelskreis von Staub, Gräber und toten Träumen zu durchbrechen.
Relativ schnell habe ich gemerkt: In diesem Buch ist niemand wirklich gut, aber auch niemand ausschließlich böse. Den Frauen wird immer ziemlich übel mit gespielt. Sie sind auf der Suche Frieden und Liebe, greifen aber ständig daneben, manchmal durch eigene Schuld doch meist, weil Macht und Männer sie bestimmen und ausnutzen.
Viele Wege trennen sich, finden manchmal wieder zueinander, sind aber nie mit Glück gepflastert. Das „rote“ Jahrhundert hat Georgien im Griff und die Familie Jaschi steht im Zentrum der politischen Machenschaften. Besonders unangenehm fand ich Kostja, einen herrischen Patriarchen, der seine eigene Inkompetenz und sein Liebesleid mit passiver und aktiver Gewalt übertönt. Er macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt, notfalls mit erbarmungslosem Egoismus. Am sympathischsten war mir Kitty, deren Wege nach England führen. Hier wird sie erfolgreich, aber nicht glücklich. Der rote Faden des Romans ist die Rezeptur einer heißen Schokolade, köstlich, verführerisch verleitet, sie jeden von ihr zu probieren. Doch sie bringt vermeintlich Unglück, also wird das Rezept von einigen wenigen streng gehütet. Eine Prise magischer Realismus ist also auch Bestandteil der Geschichte. Dabei ist dieser so geschickt eingearbeitet, dass er wie selbstverständlich wirkt.
Die Autorin schreibt in einer melodischen Sprache, mit viel Liebe zum Detail. Geschichtliche Ereignisse werden ausreichend, aber nicht zu ausgiebig geschildert. Außerdem arbeitet Nino Haratischwili viel mit Aufzählungen oder lässt ihr „Personal“ Monologe führen, die Gedanken in Worte fassen und manchmal auch abschweifen. Das war mir ein ums andere Mal zu viel. Vielleicht war es für die Autorin wichtig jeder Person ein Schicksal und eine umfassende Motivation zu geben, diese das aber umschweifend und wiederholend erzählen zu lassen, hätte es meiner Meinung nach nicht gebraucht. Mir hätten ein paar 100 Seiten weniger auch gereicht. Trotzdem ist es ein wirklich sehr gelungener und empfehlenswerter Roman über ein Land, über das wir vermutlich nur sehr wenig wissen. Die Familie Jaschi mit all ihren Gespenstern ist mir auch nach 1200 Seiten, nicht ans Herz gewachsen. Zu oft liegt Böse und Gut in den Personen nah bei einander. Mein Inneres schmerzt nach dieser Lektüre von so viel Unglück. Mitgefühl habe ich für die Protagonisten auf jeden Fall. D b er Schluss bringt Optimismus wie einen Sonnenstrahl in die Familie. So bleibt am Ende doch Hoffnung. Eine große, Leseempfehlung für alle, die so imposante Familiengeschichte lieben.
- Jonathan Littell
Die Wohlgesinnten
(160)Aktuelle Rezension von: GucciniEinfach ekelhaft das Buch. Dann lieber Frankls „ ... trotzdem Ja zum Leben sagen“.Jedes weitere Wort ist hier Verschwendung.
- Olga Grjasnowa
Die juristische Unschärfe einer Ehe
(36)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-NutzerDa ich sehr gerne russische Autoren lese, traf ich auf Grjasnowa und ihren Erstling, Der Russe ist einer, der Birken liebt, und war angenehm überrascht. Leider ist dieses Buch nicht so gut geschrieben- die Verflechtung der drei Charaktere ist sicher von der Idee her gut, aber dennoch fällt der Einstieg in das Buch schwer, zieht sich aus meiner Sicht die Handlung mit Orten, Städten, so daß ich mich echt durchquälen musste in der Hoffnung auf ein starkes Ende- auch dieses blieb leider aus. Es hat mich nicht gepackt und daher würde ich es auch nicht empfehlen. - Kurban Said
Ali und Nino
(31)Aktuelle Rezension von: MogulHierbei handelt es such um eine dramatische Liebesgeschichte zwischen einer Georgierin und einem Moslem im von den Russen besetzten Baku während der Zeit des ersten Weltkriegs. Nino ist etwas jünger als Ali, christlich und sehr westlich erzogen. Sie ist sich als junge Frau ihrer selbst und ihrer Möglichkeiten als Bürgertochter der oberen Klasse bewusst. Die Stadtschönheit ist unsterblich in Ali verliebt, der ebenfalls einer oberen Klasse entstammt, die aber auf eine lange eng mit dem Islam verbundene Familiengeschichte beruht. Der Junge lebt als Mohamedaner der Oberschicht in Baku, muss aber das russische Gymnasium besuchen, dass ihm mit all seinen westlichen Gepflogenheiten immer wieder unangenehm ist. Zwei Kulturen treffen bei diesem Liebespaar aufeinander, die ihre Beziehung nicht verunmöglichen, aber zwischendurch sehr kompliziert machen. Die Stadt Baku ist selbst ein Schmelztiegel von unterschiedlichen Kulturen auf dem Kaukasus. Und der Krieg in der Ferne kommt immer näher. Das junge Paar versucht das Beste aus dieser schwierigen Situation zu machen.
Das Buch greift eine historisch sehr wechselhafte Zeit auf dem Kaukasus auf, in der der Zusammenbruch des Zaren- und des Osmanischen Reichs fällt, das grosse Geldmachen mit dem in der Region reichlich vorhandenen Erdöl beginnt und deswegen westliche Mächte wie England, Frankreich etc. damit beginnen, die Gebiete zumindest wirtschaftlich zu kontrollieren. Und mitten drin sind die Bewohner mit ihren unterschiedlichen, althergebrachten Kulturen. Dieses Spannungsfeld prägt den Kaukasus bis heute auf positive wie leider auch negative Weise. Der Clash der Kulturen spiegelt sich auch in der herzzerreißenden Liebesgeschichte von Ali und Nino wieder.
Das sehr feinfühlig und äusserst reich recherchierte Buch erlaubte mir ein Abtauchen in ein für mich fremdes Land und fremde Kulturen. Anfangs hat mich der westliche Blickwinkel etwas gestört, dann habe ich mich aber damit abgefunden. Vielleicht liegt es auch daran, dass das Buch bereits 1937 erschienen ist, und darum der damaligen Zeit entsprechend verfasst wurde, obwohl der Autor Kurban Said sehr bemüht gewesen zu sein scheint, den Reichtum der Kulturen so anschaulich wie möglich zu schildern ohne parteiisch zu werden. Aber wer ist dieser Kurban Said? Und jetzt wird es richtig interessant: Kurban Said ist ein Pseudonym für zwei bis drei mögliche Autor*innen. Im Westen geht man laut Wikipedia von einer anderen Autorschaft als im Kaukasus aus. Jedenfalls wurde im Text sehr viel Insiderwissen eingepflanzt, welches ein oder eine Aussenstehende so kaum in Erfahrung bringen konnte. Die Autorenschaft wird jedenfalls nie ganz geklärt werden, die Rechte liegen aber bei einer österreichischen Familie.
Fazit: Ein sehr spezielles Buch, dass es sich lohnt zu lesen.
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- Alissa Ganijewa
Eine Liebe im Kaukasus
(18)Aktuelle Rezension von: Mary2Patja stammt aus Dagestan, ist 25 Jahre alt und noch immer unverheiratet. Nach einem beruflichen Aufenthalt in Moskau kehrt sie in ihre dörfliche, traditionelle Heimat zurück. Dort wartet zur Freude der Familie ein Verehrer auf sie, den sie nun kaum mehr loswerden kann.
Auch der junge Anwalt Marat aus demselben Ort sieht sich mit der Erwartung der Eltern konfrontiert, möglichst bald zu heiraten. Die Feier ist schon organisiert, es fehlt aber noch die Braut. Marats Mutter präsentiert fortwährend mögliche Kandidatinnen, der Sohn muss nur noch auswählen.
In Alissa Ganijewas Roman treffen die beiden Protagonisten aufeinander und verlieben sich – entgegen der Familienvorstellungen.
Sprachlich mit großartiger Erzählkunst entsteht ein Gesellschaftsbild des ländlichen Dagestans. Da prallen Aberglaube und islamische Strömungen aufeinander, es treffen sich Aufklärung und archaische Traditionen. Skurrile Gestalten durchziehen die Handlung und bestimmen den Fortgang der Geschichte. Insgesamt wird der fremde Kaukasus ein wenig erhellt, ein Gefühl des Unverständnis bleibt jedoch auch am Ende bestehen.
Hilfreich ist ein Glossar, das die verwendeten arabischen und awarischen Ausdrücke erklärt.
Außerdem hat die Übersetzerin Christiane Körner mehrere Seiten „Hinweise für uneingeweihte Leser“ angefügt. Erst mit diesen Hinweisen erschließt sich die Bedeutung bestimmter Elemente, wie „der Wein“, „das Meer“, „der Punkt“. Wenn man diese Hinweise erst zum Schluss liest, entgeht dem Leser während der Lektüre eine ganze Menge. Auch kann die wahre Qualität des Romans erst mit diesen erweiterten Kenntnissen erfasst werden.
Fazit: „Eine Liebe im Kaukasus“ ist zu Recht ein hochgelobter Roman, erfordert aber spezielle Kenntnisse und ist anspruchsvoll.
Wer das Buch gewinnbringend lesen möchte, ist gut beraten, die „Hinweise“ vorab zu studieren.
Ich kann nur eine bedingte Leseempfehlung aussprechen und bewerte mit vier Sternen.
- Navid Kermani
Entlang den Gräben
(10)Aktuelle Rezension von: 101844Allein von der Aufmachung, kommt "Entlang den Gräben" sehr wertig und ansprechend daher. Die Landkarte mit verzeichneter Route stimmt schon vor dem Lesebeginn auf die Reise ein und heizt die Neugierde an. Strukturell ist das Buch in Tagen unterteilt. So bekommen die Lesenden einen Eindruck über die Dauer der Aufenthalte.
Obwohl eine Reportage vorliegt, schafft es der Autor mittels der Ich-Erzählperspektive und seiner ganz eigenen Note, die sich aus forscher Direktheit, Humor und Empathie auszeichnet, eine angenehme und dichte Atmosphäre zu kreieren. Gleich zu Beginn lernen die Lesenden den Autor als einen intelligenten, aufgeschlossenen und mutigen Mann kennen. So setzt er sich zum Beispiel zum Kaffee und Kuchen in eine AFD-Versammlung. Solche Momente gibt es mehrere und sie lassen einen beim Lesen die Luft anhalten. Trotz klar formulierter Kritik bleibt Navid Kermani respektvoll, wertschätzend und verständnisvoll. In diesem Verhalten manifestiert sich der Begriff "Toleranz" in seiner authentischsten Bedeutung und ringt den Lesenden unweigerlich Anerkennung ab.
Gemeinsam mit dem Autor, stellt man beim Lesen fast, wie fern doch der so nahe Osten eigentlich ist. In unzähligen Gesprächen mit den verschiedensten Personen, erschließen sich auf intensive Weise ganz neue Perspektiven auf die Vergangenheit, Gegenwart und etwaige Zukunft Europas. Gerade die persönlichen Schicksale und Erfahrungsberichte regen zum Nach- und Mitdenken an.
Der Schreibstil ist so unmittelbar und ehrlich, dass zu keiner Zeit das Gefühl aufkommt, man wäre nicht eine*r der Mitreisenden. Vor allem tabuisierte Themen, kommen schonungslos zur Sprache.
Die ausgiebigen politischen Sequenzen werden immer wieder durch persönliche Anekdoten, Eindrücke und Beobachtungen entzerrt. Vor allem letztere sind bemerkenswert. Der Autor hat einen Blick für Details und entwirft wortgewandt beeindruckende Landschaftsbilder.
Vor allem die ersten Stationen der Reise stellen den Lesenden bekannte Schrecken aus der Vergangenheit noch einmal sehr deutlich vor Augen. Allein von Köln bis Litauen hätte der Buchtitel auch "Entlang den Gräbern" lauten können. Man verdrängt den Umfang der Gräueltaten der vergangenen Jahrzehnte bis hinein in die Gegenwart. Und dennoch vermag Navid Kermani es, die Stimmung nicht ins Bodenlose kippen zu lassen. Respektvoll verweilt er an den richtigen Stellen und treibt die Reise dann gekonnt schwungvoll wieder in höhere Stimmungslagen. Kein einfacher Spagat, der ihm hier gelungen ist. Besonders interessant, sind auch die Gespräche mit prominenten Persönlichkeiten, die ich an dieser Stelle nicht vorweg nehmen möchte.
Insgesamt löste "Entlang den Gräben" in mir die ganze Palette an Emotionen aus. Von sprachloser Betroffenheit bis hin zu spontanem Auflachen. Ein Lesegenuss der besonderen Art.
- Kai Meyer
Die Alchimistin
(393)Aktuelle Rezension von: n8eulchenDie Geschichte spielt Ende des 19. Jahrhunderts. Aura Institoris, Tochter eines Alchimisten, wächst in einem düsteren Schloss am Meer auf. Auf dem Weg nach Zürich, wo sie ein Mädcheninternat besuchen soll, verliebt sie sich in den Mörder ihres verhassten Vaters und gerät mit ihm in einen Krieg zwischen Templern und Unsterblichen, der über Jahrhunderte voller Hass brodelt.
Meine Meinung:
- düstere Atmosphäre
- durchweg fesselnd und spannend
- teils grausame Szenen
- detailreiche Landschafts- und Charakterbeschreibungen
- gerade die detaillierten Beschreibungen in Verbindung mit dem leicht und schnell zu lesenden Schreibstil gefiel mir sehr.
- leider blieben die Charaktere bezüglich ihrer Gedanken und Emotionen etwas farblos
- die eigentliche Geschichte beginnt erst ab ca der Hälfte und ab da nahm leider auch die Spannung etwas ab, da das vorangegangene Rätseln von Antworten abgelöst wurde.
Top oder Flop?
- für mich persönlich eher Top
Empfehlung?
- Für Freunde von Genremix, historischen Romanen (Templer), Krimis/Thriller mit Fantasy/Mysterytouch - Peter Heather
Die letzte Blüte Roms
(12)Aktuelle Rezension von: MotzbeckLange habe ich gezögert, mir dieses Buch zuzulegen, doch nun hat die Wissenschaftliche Buchgesellschaft eine kostengünstigere Paperback-Ausgabe herausgegeben. Und vorweg: ja, die Anschaffung und Lektüre hat sich gelohnt.
Peter Heathers Studie "Die letzte Blüte Roms. Das Zeitalter Justinians" stellt im Schwerpunkt die Regierungsjahre (525-565 n.Chr.) dar, eine Zeit, in der es kurze Zeit so aussah, als könne das alte römische Reich wiederaufleben. Gut ein halbes Jahrhundert nach dem Untergang des Weströmischen Reiches eroberte das Byzantinische (Oströmische) Reich in den Vandalenkriegen die reichen nordafrikanischen Provinzen zurück, um danach dem Gotenreich in Italien den Garaus zu machen, einem langwierigen, verlustreichen, aber letztendlich von Erfolg gekröntem Unterfangen. So gesehen kann man tatsächlich von der letzten Blüte Roms sprechen. Aber was war der Preis dafür? Und war es ein Programm, dem Justinian folgte? Das sind die beiden Leitfragen, denen Heather in seiner Studie nachgeht. Die Antworten sind ambivalent. Was die Frage nach dem Programm betrifft, so beantwortet sie Heather mit einem klaren Nein. Jusinian war weniger ein Gestalter als ein Getriebener, wie so viele seiner Vorgänger und auch Nachfolger musste er ständig seine Daseinsberechtigung als Kaiser nachweisen und sich gegen potentielle Mitbewerber durchsetzen. Dazu brauchte es Erfolge, um so mehr, als dass das Regime beim Nika-Aufstand am Rande des Abgrundes stand. Verluste/ausbleibende Erfolge in den Auseinandersetzungen mit den Persern an der Ostgrenze, religiöse Spannungen wegen des Konzils von Calchedon, in dem es um die Frage der göttlichen und menschlichen Natur Jesus ging, die aus heutiger Sicht kaum nachvollziehbar sind, entluden sich in diesem Aufstand der Zirkusparteien, der buchstäblich in letzter Sekunde niedergeschlagen wurde. Und damit beginnt das bis heute bekannte uralte Spiel: Um von innenpolitischen Problemen abzulenken, wird ein Krieg inszeniert. Und da traf es sich eben gut, dass die Perser sich auf einen längeren Waffenstillstand einließen und dass Nachfolgestreitigkeiten im Vandalenreich den Byzantinern Anlass zum Einschreiten gab. Und da das mit eher unklarem Auftrag gestartete Herr gleich nach der Landung in Nordafrika große Erfolge erzielte, beschloss der verantwortliche Feldherr Belisar, gleich das Königreich der Vandalen zu zerschlagen und dem römischen Reich wieder einzugliedern. Damit war der nächste Schritt fast vorprogrammiert, der über Sizilien nach Italien, wobei auch hier die Auseinandersetzungen um die Nachfolge Theoderichs den Vorwand für das Einschreiten der Byzantiner abgaben.Selbstredend verschafften diese militärischen Erfolge Justinian den Rückhalt in seinem Reich, den er brauchte, auch um die nach wie vor schwelenden relgiösen streitereien zu beenden.
Was die Frage nach dem Preis betrifft: es war ein verdammt hoher. Unzählig ist die Zahl der durch die Kriege Getöteten oder Versklavten, was allein schon den wichtigsten Aspekt darstellt. Rein ökonomisch betrachtet vielen die Reichtümer vor allem Nordafrikas an Byzanz, nur müssen die zuvor aufgewendeten Kosten für die militärischen Aktionen dagegen gerechnet werden. Und nicht nur das, Byzanz war nicht (mehr) in der Lage, seine militärische Präsenz an allen Fronten stark zu halten. Von Norden drangen imer wieder fremde Völker zu Raubzügen ins Reich ein, aber in seinen Auswirkungen weitaus schlimmer, die Perser nutzen das Fehlen der im Westen eingesetzten Truppen, um das den Osten des Byzantinischen Reiches zu bedrängen, ein Unterfangen, der zum Untergang der damaligen Weltstadt Antiochia führte. Die Provinzen konnten zwar letztendlich von Byzanz gehalten werden, aber nur, um unter den Nachfolgern Justinians gut hundert Jahre später endgültig verloren zu gehen. Makabrerweise war dies eine Folge des Jahrhunderte langen Dauerkrieges zwische den Römern und den Persern, der letztlich beide Mächte so sehr auszehrte, dass sie den durch den Aufstieg des Islam befeuerten Arabern nichts mehr entgegenzusetzten hatten. Das alles ist nicht Justinians Schuld, wie Heather mehrfach betont. Aber muss man sich nicht auch fragen, ob die Eroberungskriege im Westen nicht doch langfristige Auswirkungen hatten, in dem Sinn, dass die damaligen Verluste eben doch zu einer Schwächung nicht nur des Militärs führte. Aber damit geraten wir in den Bereich der Spekulation.
Kleines Bonmot am Rande, Heather zieht in seiner 2018 erstmals in Großbritannien veröffentlichten Sudie des Öfteren Paralellen zu heute, mein Lieblingszitat ist auf S. 93, wo über den Vorgänger und Onkel Jusitnians heißt: Justin konnte auf ein paar außergewöhnliche erfolgreiche Monate zurückblicken (was mehr ist, als zum Beispiel Donald Trump je von sich wird behaupten können). Dem ist nichts hinzuzufügen.
- Bertolt Brecht
Der kaukasische Kreidekreis
(110)Aktuelle Rezension von: sommerlese"*Bertholt Brecht*" schrieb 1944 sein Theaterstück "*Der kaukasische Kreidekreis*".
Die Handlung führt zu einer Kolchose von Ziegenbauern im Kaukasus, die der benachbarten Obstbauernkolchose ein fruchtbares Stück Land überlässt. Um sich dafür zu bedanken führen die Obstbauern ein Theaterstück auf.
Ein Kind aus reichem Haus wird von seiner leiblichen Mutter inmitten von Kriegswirren verlassen. Die arme Magd Grusche kümmert sich um das Kind, beschützt es, weil sie es wirklich liebt. Als die Mutter nach Kriegsende zurückkehrt, will sie das Kind zurückhaben, um an sein Erbe zu kommen. Der Streit um das Kind wird im Kreidekreis vom Dorfschreiber und damit Armeleuterichter Azdak entschieden.
Brecht ist ein begnadeter Autor, der seine Leser oder das Theaterpublikum durch seine erzählenden Stücke zum Nachdenken bringen wollte. Er hat eine überaus einnehmende Erzählkunst, die menschliche Fehler aufzeigt, den Eigennutz und die Selbstsucht anprangert und dennoch ein großartiges Stück Literaturgeschichte ist, dem man inhaltlich verfällt.
Die fremd klingenden Eigennamen sind anfangs schwer zu fassen, man gewöhnt sich jedoch schnell daran und wird mit ihnen bekannt. Der einzigartigen Erzählung kann man sich nicht entziehen, sie ist das Herzstück dieses gelungenen Theaterstückes, das Emotionen weckt, aufwühlt und die Tragweite der menschlichen Art erkennen lässt.
Die Charaktere stellen sich als Beispiele der menschlichen Gesellschaft dar, den Zuschauern wird regelrecht der Spiegel vorgehalten.
In der Rahmenhandlung versteckt sich ebenfalls die Geschichte des Richters Azdak.
Brecht bringt in diesem Stück seinen Wunsch zum Ausdruck, humanes Verhalten zur gesellschaftlichen Realität werden zu lassen. Wer wirklich liebt, verzichtet auf eigene Vorteile und gibt der geliebten Person Freiraum und auch Schutz.
Ein Theaterstück, welches durch seine epische Form typisch für Brecht ist und mich immer wieder begeistert. - Simon Montefiore
Katharina die Große und Fürst Potemkin
(16)Aktuelle Rezension von: Andreas_OberenderNach "Stalin. Der Hof des roten Zaren" war dies das zweite Buch von Simon Sebag Montefiore, das ich gelesen habe. Katharina die Große ist ja leider ein beliebter Gegenstand der historischen Trivialliteratur. Diesem Genre ist auch das vorliegende Buch zuzuordnen (Die breite Quellengrundlage ändert daran nichts, denn es kommt nicht auf die Zahl der Quellen an, sondern darauf, was man mit den Quellen anfängt). Die Zarin und ihr langjähriger Liebhaber und Mitregent Fürst Grigori Potjomkin stehen im Mittelpunkt von Montefiores Erstlingswerk, dessen englische Originalausgabe bereits im Jahr 2000 erschienen ist. Das Buch ist ein "typischer" Montefiore: Zu lang und zu detailliert; reißerisch, geschwätzig und boulevardesk. Es besteht zur Hälfte aus wörtlichen Zitaten aus Briefen und sonstigen Dokumenten, die dem Leser eine unmittelbare Nähe zu den Akteuren des Buches suggerieren sollen. Montefiore ist im Grunde kein Erzähler, sondern nur ein Zitate-Arrangeur. Die letzten zwölf, dreizehn Kapitel habe ich nur noch überflogen, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe. Das Buch ist sehr weitschweifig, langatmig und ermüdend. Jedes Kapitel ist mit einem Wust von Informationen aller Art überfrachtet. Schon in der englischen Ausgabe hätte auf manche Kapitel komplett verzichtet werden können.
Eine von Montefiores Hauptschwächen besteht darin, daß er Wichtiges nicht von Unwichtigem, Interessantes nicht von Banalem trennen kann. Die Annahme, alle Informationen, die man im Laufe der Recherchen zusammengetragen hat, seien gleichermaßen wichtig und mitteilenswert, führt unweigerlich dazu, daß ein mühsam zu lesendes Buch entsteht. Die Könnerschaft eines Autors zeigt sich auch darin, wie er aus seinem Material auswählt. Montefiore hat sich von seinem Material völlig überwältigen lassen. Er findet einfach kein Ende und breitet gnadenlos jeden Informationsfetzen, jede noch so obskure Anekdote und Klatschgeschichte vor dem Leser aus. Paradoxerweise bleibt beim Leser wenig hängen, nachdem diese Faktenlawine über ihn hinweggegangen ist. Ähnlich wie das Stalin-Buch wirkt auch dieses Werk über die Zarin Katharina und den Fürsten Potjomkin billig und vulgär, nicht zuletzt deshalb, weil Montefiore seine eigenartige Obsession für alles Schlüpfrige und Obszöne, für schmierige, oftmals nur durch Hörensagen verbürgte Sex-Geschichten einfach nicht zügeln kann. Von einem kritischen, reflektierten Umgang mit Quellen scheint der Mann noch nichts gehört zu haben. Um wieviel besser wäre das Buch, wenn Montefiore auf diese billige Effekthascherei verzichtet hätte! Viele Personen, die im Buch auftauchen, werden nicht porträtiert, sondern lediglich karikiert (z.B. ein österreichischer Botschafter, der angeblich in Damenkleidern vorm Spiegel steht und Opern-Arien trällert). Die Lektüre läßt sich vergleichen mit dem Genuß einer exotischen, übermäßig gewürzten Speise: Anfangs ist sie interessant, aber man wird ihrer umso schneller überdrüssig, je mehr man von ihr ißt. Es ist unverständlich, warum solcher Kitsch ins Deutsche übersetzt wurde.(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im Januar 2012 bei Amazon gepostet)
- Olga Grjasnowa
Der Russe ist einer, der Birken liebt
(185)Aktuelle Rezension von: GiaLuuKlappentext: Mascha ist jung und eigenwillig, sie ist Aserbaidschanerin, Jüdin, und wenn nötig auch Türkin und Französin. Als Immigrantin musste sie in Deutschland früh die Erfahrung der Sprachlosigkeit machen. Nun spricht sie fünf Sprachen fließend. Sie plant gerade ihre Karriere bei der UNO, als ihr Freund Elias schwer erkrankt. Verzweifelt flieht sie nach Israel und wird von ihrer eigenen Vergangenheit eingeholt. Ebenso tragisch wie komisch, mit Sinn für das Wesentliche erzählt Olga Grjasnowa die Geschichte einer Generation, die keine Grenzen kennt, aber auch keine Heimat hat.
Der Schreibstil von Olga Grjasnowa und die Geschichte zu Der Russe ist einer, der Birken liebt empfand ich als sehr bewegend und interessant. Sie setzt sich mit verschiedenen Identitäten auseinander, wo fühlt man sich zugehörig in einem fremden Land. Die Protagonistin muss Verluste verkraften und daraus resultieren tiefe Traumata, über die sie nicht hinwegkommen scheint. Der Roman beinhaltet wichtige Themen aus vergangener und heutiger Zeit. Für mich war die Geschichte sehr interessant und berührend zu lesen, auch wenn ich mir an Menschen Stellen ein bisschen was anderes gewünscht hätte, das Ende fand ich leider nicht so gut, aber dennoch passend zur Protagonistin, ich hatte mir einfach anderes erhofft. Trotzdem ein gutes Buch.
- John Darnton
Neandertal - Tal des Lebens
(38)Aktuelle Rezension von: FaiditDie ehrliche Auseinandersetzung des Autors mit den menschlichen Charakterschwächen und dem Wettbewerb zwischen den Nationen, die als Moral des Romans zwischen den Zeilen durchblitzt, hat mir sehr gut gefallen. Außerdem ist er einer der wenigen US-amerikanischen Romane, der nicht die Arroganz der weltrettenden Nation transportiert, sondern kritisch mit dem Verhalten der Regierenden umgeht.
Da haben in einem bisher unentdeckten, sehr schwer zugänglichen Tal auf dem Dach der Welt einige Exemplare einer menschlichen Spezies überlebt, die ohne Sprache eine weit machtvollere Kommunikationsmöglichkeit entwickelten, welche der heutige, ach so zivilisierte und fortschrittliche Homo sapiens sapiens natürlich unbedingt für sich beanspruchen will – und schon geht es wieder um Militär und Weltmacht! Die eigentlichen Forscher, die zunächst nichts davon ahnen, was mit ihren Forschungsergebnissen tatsächlich am Ende geschehen soll, sind ebenfalls keine Engel. Keiner, selbst die Guten nicht, ist ohne den Makel des Egoismus, der am Ende das Paradies beinahe zerstören und die letzten friedlichen, von einer kindlichen Naivität geprägten Homoniden auslöschen könnte. Oder werden eventuell Überlebende doch derart von dem Kontakt mit dem modernen Menschen geprägt, dass sie ihre Unschuld verlieren?
Es dauerte einige Seiten bis ich einen Bezug zu den Protagonisten aufbauen konnte, da etwas zu wenig Gefühl in dem Roman transportiert wurde. Wie häufig bei von männlichen Autoren geschriebenen Romanen, ist die weibliche Hauptfigur sowohl emotional wie auch physisch besonders blass charakterisiert und erinnert stark an eine Barbiepuppe. Die Neandertaler und ihr Lebensraum konnte ich mir wiederum sehr gut bildlich vorstellen. Dieses Kopfkino funktionierte dann ganz gut, als ich über die ersten, durch fehlende Emotionen sehr langatmigen Kapitel erst einmal hinweggelesen hatte.
Am Ende zeigte sich der Tiefgang in dem Roman!
- Friederike Schmöe
Wernievergibt
(18)Aktuelle Rezension von: tsukitia16~~~Titel: Wernievergibt (Bd 5 der Kea Laverde Reihe)Autorin: Friederike SchmöeGenre: Krimi, leichter ThrillerVerlag: Gmeiner-Verlag GmbHErschienen: 2011Seitenanzahl: 276 + 8 Seiten Werbung~~~Tod im Kaukasus - Die Münchner Ghostwriterin Kea Laverde nimmt einen Auftrag ihrer ehemaligen Agentin Lynn Digas an. Der droht ein Geschäft durch die Lappen zu gehen: eine Reportage über den Tourismus in Georgien nach dem Augustkrieg von 2008. Lynns Reporterin Mira ist zwar nach Tiflis gereist, hat sich aber von dort nicht mehr gemeldet. Kea tritt die Reise an. Sie sucht Kontakt zu Mira, doch dieses ist spurlos verschwunden. Ebenso wie die deutsch-georgische Mezzosopranistin Clara Cleveland, die als gefeierte Künstlerin der Bayerischen Staatsoper ein Konzert in Tiflis platzen lässt...
Friederike Schmöe wurde 1967 in Coburg geboren. Heute lebt sie in Bamberg. Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit ist die habilitierte Germanistin als Dozentin an den Universitäten in Bamberg und Saarbrücken beschäftigt. Mit Katinka Palfy , der kultigen Heldin ihrer ersten Romane, hat sie sich in der Krimiszene längst einen Namen gemacht. "Wernievergibt" ist der fünfte Teil ihrer ebenso erfolgreichen Krimiserie um die Münchner Ghostwriterin Kea Laverde.
Meine Meinung:Diesmal gefiel mir das Cover echt gut. Es gibt auch (wie immer) deutliche Hinweise auf die kommende Geschichte. Denn diesmal liegt Schwerpunkt unter anderem auf dem Thema Musik. Aber auch das Land Georgien, wo wir uns in diesem Teil aufhalten, steht im Vordergrund und wir erfahren viel über die Umgebung, das Leben dort und auch die Politik. Und mir hat das übrigens sehr gut gefallen.
Der Titel ist, wie alle anderen Teilen, charakteristisch zusammengeschrieben. Was mir natürlich wieder gefällt. Aber etwas Besonderes ist der Titel nicht unbedingt.
Der Schreibstil ist locker und leicht. Man kommt gut mit und das Buch lässt sich flüssig lesen. Auch kommt man gut bei allem, was mit Georgien zu tun hat, mit. Denn ich muss zugeben, dass ich mit Georgien gar nichts anfangen kann. Überhaupt nicht. Ich war mir nicht mal sicher, was für eine Sprache dort gesprochen wird. Irgendwie war Georgien nie auf meinem Schirm, obwohl ich mich für andere Kulturen sehr interessiere. Und deshalb hat es mir richtig gut gefallen, mehr über ein mir unbekanntes Land zu lernen. Und Schmöe vermittelt gut das Leben und deren Besonderheiten in Georgien. Sie war schließlich schon selbst dort und das merkt man ganz deutlich.Beim letzten Teil habe ich sehr gemeckert. Mir fehlten dort die Emotionen und die Details. In diesem Teil zeigt sich Schmöe wieder von ihrer besten Seite.Man versteht gut die Zusammenhänge und immer wieder bringt sie die Gefühle der Charaktere gut zum Ausdruck und auch die Umgebung wird detailreich beschrieben. Aber nicht so detailreich, dass es wiederum zu viel werden könnte. Wir erhalten eine Mischung aus witzigen Dialogen, ernsthaften Gesprächen und Einsichten in das Leben anderer und ein Einblick in ein anderes Land. Also: Es hat mir richtig gut gefallen.
Auch die Idee und die Umsetzung waren brilliant. Viele Bücher spielen in Amerikaner, London oder für uns Deutsche in Deutschland. Selbst Länder wie Italien oder Frankreich werden oft in den Vordergrund gestellt. Daher finde ich die Wahl dieses Landes sehr erfrischend. Auch die Idee mit der deutsch-georgischen Sängerin hat mir gut gefallen. Man wird immer wieder auf die falsche Gefährte geführt und manchmal liegen Kea und Juliane richtig. Also blieb es immer spannend. Auch das Ende hätte ich so nicht wirklich erwartet. Ein paar Dinge schon, aber ein paar eben nicht.
Mir haben auch diesmal die abwechslungsreichen Charaktere gefallen. Jeder bekam eine kleine Story und hier und da kleine Details und Besonderheiten. Oft werden Personen so beschrieben (z.B.) Groß, schlank, blond, blaue Augen, helle Haut. Aber Schmöe bringt immer noch gerne kleine extra Details in die Gesichter mit ein. Zum Beispiel eine Narbe. Auch vergab Schmöe den Personen hier und da ein paar Angewohnheiten. Aber auch hier überhäuft sie den Leser mit nicht all zu vielen Details. Von diesen Charakteren hört man in die nächsten Teil eh nicht mehr besonders viel.Übrigens an alle Fans von Juliane. Sie kommt mit auf die Reise und ist nahezu ein ständiger Begleiter von Kea Laverde. Und für alle die Nero nicht mögen. Nero kommt nicht mit auf die Reise und man hört nur sehr wenig von ihm.~~~(Schulnoten)
Cover: 2Titel: 3Schreibstil: 2Idee: 1Umsetzung: 1Spannung: 2Charaktere: 2Ende: 3~~~
- Alan Philps
Wolkengänger
(16)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-NutzerDiese wahre Geschichte eines russischen Heimkindes ist sehr emotional und tief berührend. Ich konnte nicht aufhören zu lesen. Trotz kaum vorstellbarer Zustände in den Heimen, in denen Wanja lebte und in denen er fast schon dem Tod geweiht war, hat dieser intelligente kleine Junge seinen starken Lebenswillen halten können und ist heute, nach Adoption, ein glücklicher Mann. Ein Buch, bei dem es schwer ist, seine Tränen zurückzuhalten.
- Wladimir Kaminer
Meine kaukasische Schwiegermutter
(32)Aktuelle Rezension von: HoldenNordkaukasus ist nur einmal im Jahr: Kaminer schildert dir russische Provinz im Nordkaukasus, besagte Schwiemu kommt in einigen Geschichten vor, genauso wie wunderbar schrullige Leute im Bad-taste-Land, alle sehr trinkfreudig, sicherlich eine Reise wert! Schön sind auch die hellsichtigen Kommentare zu sowjetischem Sozialismus, Mick Jagger usw. Jogi Bitter ist übrigens ein großer Kaminer-Fan, der gerade diese Passagen sehr schätzt.
- Franz Werfel
Die vierzig Tage des Musa Dagh
(43)Aktuelle Rezension von: Bellis-PerennisInhalt:
Der in Paris lebende Gabriel Bagradian ist 1915 in seinem armenischen Heimatdorf in der Türkei zu Besuch, als gegen alle Armenier ein Deportationsbefehl ergeht. Gabriel führt daraufhin knapp 5000 Menschen auf den Mosesberg. 40 Tage wehren sie sich erfolgreich gegen die türkischen Angriffe, bis sie von alliierten Kriegsschiffen gerettet werden. Bagradian bleibt auf dem Berg zurück, um am Grab seines Sohnes zu sterben.
Meine Meinung:
Der österreichische Schriftsteller Franz Werfel, selbst Jude und mit Alma Mahler, einer glühenden Antisemitin verheiratet, thematisiert in diesem mehr als 1.000 Seiten umfassenden historischen Roman den Völkermord an den Armeniern von 1915. Anlass war ein Besuch einer Teppichfabrik in Damaskus 1929, in der zahlreiche armenische Waisenkinder unterernährt ihr Leben fristeten.
Werfel recherchiert und lässt sich sogar alle verfügbaren Akten kommen.
Als das Buch 1933 erstmals erscheint, ahnt er zwar die Verfolgungen der Juden voraus, will sie aber noch nicht wahrhaben. Nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland 1938 übersiedeln Werfel und seine Frau nach Sanary-sur-Mer in Südfrankreich. Nach dem Vormarsch der Deutschen und der Besetzung von Frankreich flieht das Ehepaar Mahler-Werfel zu Fuß über die Pyrenäen aus dem besetzten Frankreich.
In drei Büchern erzählt er die Geschichte des Gabriel Bagradian, eines in Paris lebenden Armeniers, der bei einem Besuch seiner alten Heimat in die Politik gerät und 40 Tage lang den türkischen Truppen am Musa Dagh trotzt.
- „Das Nahende“
- „Die Kämpfe der Schwachen“
- „Untergang Rettung Untergang“
Werfels poetische, eindringliche und ins Mystische gleitende Sprache lässt die historischen Ereignisse wie in einem Film im Kopf des Lesers ablaufen. Eine echte Verfilmung haben die türkischen Regierungen bislang verhindert.
Bis heute kämpfen die Armenier gegen das Vergessen der Gräueltaten und um Anerkennung des Verbrechens als Völkermord, bei dem auch Deutschland keine gute Figur machte.
Franz Werfel gibt den namenlosen Opfern eine Stimme und hat mit diesem Werk mehr für die Armenier getan, als alle diplomatischen Bemühungen zusammen. Franz Werfel bewahrt mit diesem Werk den staatlich verordneten Völkermord vor dem Vergessen.
Fazit:
Eine Hommage an das armenische Volk, das nach wie vor gegen das Vergessen dieses Genozids kämpft. Gerne gebe ich hier 5 wohlverdiente Sterne.
- Peter Scholl-Latour
Russland im Zangengriff
(11)Aktuelle Rezension von: Jens65Egal ob im russisch-chinesischen Grenzgebiet, in der Ukraine oder in Moskau selbst - überall wagt er einen Blick jenseits der Mauer, die die westlichen Medien und Politiker aufgebaut haben. Und zeigt so, dass Rußland weit mehr ist, als der Mann an seiner Spitze. Die Ausdehnung der NATO, islamistische Nachbarn und das wiedererstarkende China kratzen nicht nur am Selbstbewußtsein der russischen Nation sondern führen auch für uns Westeuropäer zu oft unverständlichen Reaktionen. Der Wert dieses Buches liegt vor allem darin, sich besser in die Lage eines nicht nach westlichen Maßstäben tickenden Staates hineinversetzen zu können. Hier kommen Meinungen und Ansichten zu Wort, die man in unseren Medien kaum findet. Auch die Unglaubwürdigkeit des Westen, der gerne mit zweierlei Maßstäben misst, wenn es um das Demokratieverständnis anderer Staaten geht, kommt hier deutlich zum Ausdruck. - Tom Reiss
Der Orientalist
(10)Aktuelle Rezension von: BuchgespenstWer war Essad Bey? Und wer war Kurban Said? Tom Reiss begibt sich auf die Spurensuche nach einem geheimnisumwitterten Schriftsteller, dessen Werk fast in Vergessenheit geriet. Vor dieser Biografie war nur „Ali und Nino“ bekannt – ein aserbaischanischer Nationalroman, dessen Autorschaft die Baronin von Ehrenfels beanspruchte und der von Aserbaidschan für sich reklamiert wurde. Hinter allem steht ein Mann, dessen Name bereits das große Mysterium erklärt: Levi Noussimbaum – ein jüdischer Kaukasier. Als Teenager vor den Bolschewisten aus Baku geflohen, durch das osmanische Reich, in dessen letzten Tagen er sich rettungslos in dessen Kultur und Idee verliebte – um schließlich im Deutschland der zwanziger Jahre anzukommen: ein Land dessen Kaiserreich gerade untergegangen war, von der Revolution, Faschisten und einem aufstrebenden Nationalsozialismus gerade seiner dunkelsten Zeit entgegenging. Ein Leben im Hexenkessel und Levi hat sich geschickt, auch kaltblütig und dann wieder einfach dreist behauptet. Er verstand sich nicht als Jude, sondern als Orientale – dabei hing er einem Orient an, den es so nie gegeben hat und den er doch in sich trug und lebte.
Eine spannende Biografie, die immer wieder zu einem ausschweifenden Geschichtsbuch wird, denn nur wenn man die Zusammenhänge kennt, kann man das Leben dieses ungewöhnlichen Mannes einordnen, seine Handlungen nachvollziehen. Ganz nebenbei entdeckt man immer wieder wie es zum Dritten Reich und den Gräueltaten kommen konnte – ein entsetzliches Netz aus sich gegenseitig bedingenden Ereignissen, die so perfide zusammenspielen, dass man erkennen muss wie einfach alles war und doch so ausweglos, dass nichts die Katastrophe aufhalten konnte als der erste Dominostein fiel.
Nicht nur deutsche oder europäische Geschichte spielt hier eine Rolle. Ganz wichtig ist auch die russische – begonnen mit dem Mord an Zar Alexander – und die des osmanischen Reiches, das zu dieser Zeit auseinanderbrach. Levi lebte im Zentrum der Ereignisse: der sagenumwobenden Ölstadt Baku – eine westlich-moderne Metropole und Ziel der Machtträume von Stalin bis Hitler.
Tom Reiss genügt es nicht den Leser eine Biografie mit sehr viel Geschichtswissen und dem Flair eines Abenteuerromans vorzulegen. Seine Spurensuche war so abenteuerlich, dass er den Leser daran teilhaben lässt. Man steigt mit ihm in eiskalte, schimmlige Schlosskammern und kriecht durch staubige Dachböden. Lernt zwielichtige Anwälte und toughe Zeitzeuginnen kennen, die nichts aus den goldenen Tagen der Vorkriegszeit vergessen haben.
Atemberaubend von der ersten bis zur letzten Seite. Dieser unbekannte Levi Noussimbaum hat Stalin gekannt und Gerhart Hauptmann, war Ehemann einer Millionärstochter, ein erfolgreicher Schriftsteller und genialer Überlebenskünstler, dessen Maskerade erst durchschaut wurde als er der weltlichen Gerichtsbarkeit längst entzogen war.
Tom Reiss hat einen genialen Kopf der Vergessenheit entrissen und macht sehr neugierig auf das Werk dieser schillernden Persönlichkeit. Ein einziges Wermustropfen bleibt: Das Buch hat zu wenig Bilder. Es gibt zwar einen Fototeil, doch der kommt erst ganz am Ende. Gerade da viel auf Fotografien verwiesen wird, hätte es die Lektüre bereichert, diese dort abzudrucken, wo sie erwähnt werden.
Eine ganz klare Leseempfehlung!
- Richard Hayer
Visus
(17)Aktuelle Rezension von: simonfunIch hab's nicht kapiert. Um was ging es eigentlich? Die vielen fehlenden Überleitungssätze, beschreibende Einführungen und Vorbereitungsgedanken sind symptomatisch. Die Umgebungsbeschreibungen sind einfach nur schlecht, sodass mein Kopffilm oft zappenduster war. Spannung kam auch irgendwie nie auf und die Kampfnonnen sind das Blödeste seit langem. Auch die Maltechnik, die durchaus viel Recherchearbeit verschlungen hat, wurde dermaßen unbeholfen beschrieben, dass ein Weiterblättern ohne schlechtes Gewissen möglich gewesen wäre. Ich habe es mir trotzdem reingezogen und bin nun genauso schlau wie vorher. Der unbefriedigende Schluss war dann die Negativkrönung. Ich weiß im Nachhinein gar nicht, warum ich mir diese Zeitverschwendung angetan habe. Den einen Stern vergebe ich nur wegen der Schreibarbeit des Autors.
Wie auch immer - ich hab's nicht kapiert! - Anne-Laure Bondoux
Die Zeit der Wunder
(8)Aktuelle Rezension von: vormiDer siebenjährige Koumaïl ist ständig auf der Flucht vor den Schrecken des Kaukasus-Krieges. Sein einziger Lichtblick ist das Versprechen seiner Ziehmutter Gloria, ihn in seine eigentliche Heimat Frankreich zurückzubringen. Der Weg dorthin ist lang und gefährlich. Doch dank seiner nie endenden Hoffnung schafft Koumaïl es – nur Gloria ist plötzlich fort. Und mit ihr das Geheimnis seines Lebens, das er aufspüren muss ...
Inhaltsangabe auf amazon
Ein sehr eindringliches Buch, das leider besonders in der ersten Hälfte zu sehr eine Aufzählung war.
Natürlich erzählt Koumail seine Geschichte aus der Erinnerung, also im Rückblick. Trotzdem ist es zu sehr wie eine Liste, die abgearbeitet werden soll. Deshalb bleiben die Charaktere, Menschen, die Gloria und "Monseur Blaise" auf ihrer Flucht getroffen haben und die ihnen im besten Fall helfen, sehr farblos. Eher eine Aneinanderreihung von Namen.
Dann in der 2. Hälfte macht das Buch sehr nachdenklich, wieviele Wunder, Zufälle und Glück auf einer Flucht notwendig sind.
Und was Menschen tun um diese Flucht zu schaffen oder ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen.
Eigentlich ist dem Leser das ja auch klar. Aber es ist ganz was anderes, wenn man es dann anhand von einem oder mehreren Einzelschicksalen erzählt bekommt.
Sehr eindringlich. - Michael Chabon
Schurken der Landstraße
(15)Aktuelle Rezension von: sursulapitschiFür dieses Buch braucht man viel Geduld.
Erst einmal ist das Setting ungewöhnlich. Hat jemand schon von Chasarien gehört? So hieß eine Kaukasusregion im 10. Jhd., heute ist dort Georgien.
Dort haben sich ein fränkischer Jude und ein afrikanischer Söldner zusammengefunden und schlagen sich gemeinsam durchs Leben. Zelikman und Amram sind kampferprobt und gewitzt und bekommen den Auftrag ein vaterloses Prinzlein zum Onkel zu begleiten. Nur sind diese Zeiten sehr bewegt. Christen, Juden und Muslime sind sich niemals eins und ab und an kommen Nordmänner, die Rus, und machen ganze Dörfer nieder.
Michael Chabon schreibt wunderbar, das steht außer Zweifel. Allerdings reizt er in diesem Werk seine Erzählkunst aus bis zur Grenze des Erträglichen.
„Zelikman schnellte herum und stellte fest, dass er – ein wortloser Tadel seiner tollkühnen Idee, Amram eigenhändig vor einer ganzen Kompanie schwer bewaffneter Kavalleristen retten zu wollen – vom Bankert eines Bergtarpans und eines arabischen Muttertiers gebissen worden war, dessen Blutlinie sich bis zu den Al Khamsa zurückverfolgen ließ, jenen fünf Mutterstuten aus dem Stall des Propheten darselbst.“
In ewig lange, verschachtelte Sätze stopft er so viele Informationen, dass man sich fragt, ist das nun genial oder unverschämt. Das ist geistreich und eloquent, nur leider auf Dauer kein Vergnügen für den Leser.
Eigentlich hätte dieses Buch mich begeistern müssen. Es verbindet exotische Historie mit einem Hauch von tausenundeiner Nacht, ist gekonnt und mit Humor erzählt, nur fordert es den Leser wirklich sehr. Und eigentlich halte ich einiges aus, aber hier komme ich an meine Grenzen.
- Friedhelm Schneidewind
Das magische Tor im Kaukasus
(1)Aktuelle Rezension von: BuchgespenstStatt sich bei den Haddedihn vom Abenteuer mit Kapitän Nemo erholen zu können, wird Kara Ben Nemsi von Mara Durimeh nach Georgien geschickt – und Halef lässt es sich natürlich nicht nehmen seinen Sihdi zu begleiten. Ein geheimnisvoller, reicher Amerikaner hat im Kaukasus ein Tor zur Geisterwelt geöffnet – und deren Schicksal steht jetzt auf dem Spiel, da die Magie aus diesem Riss blutet. Die beiden Freunde sollen den Amerikaner aufhalten. Dabei werden sie von alten Freunden unterstützt und es ist nur eine Frage der Zeit bis Kara Ben Nemsi wieder zu Old Shatterhand werden muss.
Ich kenne die Vorgängerbände und hatte auch bei diesem achten Band befürchtet, dass ich die sprachlichen Schwächen wiederfinde, die die Lektüre der anderen etwas anstrengend gemacht haben. Das Gegenteil habe ich gefunden! Ich bin mitgerissen worden, von der ersten Seite an. Karl Mays Stil wurde exakt getroffen. Die Diskurse sind brillant, „Sachinformationen“ absolut genial eingebaut. Die Sprache trägt den Leser auf Händen. Die Motive aus Karl May sind unaufdringlich, mit Wiedererkennungswert und doch neu eingebaut. Alles ist vorhanden! Der Überfall auf eine „Hazienda“ – in diesem Fall ein kaukasischer Hof –, Anschleichen und „Dummheiten“ von Reisekameraden, die in bester Karl May-Manier den Helden glänzen lassen.
Das Buch erzählt ein eigenständiges Abenteuer, das sich unabhängig lesen lässt, aber ein paar Motive und Elemente aus den vorangegangenen Abenteuern aufnimmt. Diese werden allerdings erklärt soweit sie erklärungsbedürftig sind.
Der Magische Orient wartet immer wieder mit kleinen Überraschungsgästen auf, die mal mehr, mal weniger in das Abenteuer verwickelt sind. So kann man sich hier unter anderem auf Bertha von Suttner und die Pinkerton-Detektive freuen – ohne, dass ich damit schon zu viel verraten hätte.
So hätte Karl May Fantasy geschrieben! Ich ziehe meinen Hut vor Friedhelm Schneidewind und hoffe, dass er noch viele Bücher für den Magischen Orient schreiben wird. Ich vermisse ihn schon jetzt! Alle Schwächen seiner Vorgänger hat er vom Tisch gefegt. Die Charaktere sind lebendig, die Geschichte überzeugend und sprachlich ist das Abenteuer einfach ein Genuss! Originalität, Fantasy und technisches Geschick treffen auf Karl May und seine bunte, aufregende Abenteuerwelt. Eine würdige Hommage!
Für Fantasy- und Karl May-Fans ein absolutes Muss!
- Knut Hamsun
Im Märchenland
(5)Aktuelle Rezension von: Liisa1899 machte sich der spätere Nobelpreisträger für Literatur, Knut Hamsun zusammen mit seiner ersten Frau Bergljot, per Eisenbahn und Pferdekutsche zu einer Reise durch Russland, den Kaukasus und die Türkei auf. Seine Beobachtungen und Eindrücke schrieb er nieder. 1903 erschienenen sie als Buch "Im Märchenland. Erlebtes und Geträumtes aus Kaukasien". "Unter dem Halbmond" dagegen war die Überschrift die Hamsun seinem Bericht über den Aufenthalt in Istanbul gab. Diese beiden Berichte sind im Buch "Reisebilder" zusammengefasst. Besonders der Kaukasus und da speziell Georgien haben Hamsun wohl in ganz besonderer Weise bezaubert und tiefen Eindruck auf ihn gemacht. Der Eindruck war wohl beidseitig gut, denn noch heute finden sich seine Spuren in Georgien und ist sein Name dort hoch angesehen. Sein Bericht selber ist recht interessant aber für meinen Geschmack nicht herausragend. Trotzdem war er zum Zeitpunkt der Veröffentlichung sicher aufsehenerregender als heutzutage, denn damals dürften noch nicht allzu viele die Reise durch den Kaukasus gemacht haben. Selbst heute noch sind ja Länder wie Aserbaidschan oder Georgien eher "exotische" Reiseziele. Dass Hamsun ein Kind seiner Zeit war, findet hier und da seinen Niederschlag auch im Reisebericht vor allem in der Art und Weise, wie er sich über die Einheimischen äußert. Häufig schwingt da doch ein arroganter Ton mit, eben des "kultivierten" Europäers, der es mit einfachen Menschen der Berge zu tun hat. Zugleich findet sich auch eine gewisse Romantik in seinen Beobachtungen und Beurteilungen derselben Personen. Auf uns heutige Leser wirken die Reiseberichte daher etwas "seltsam", doch es gelingt ihnen immer noch, etwas vom Zauber gerade des Kaukasus zu vermitteln. Wer sich für Reiseliteratur interessiert und/oder die bereisten Gegenden, sollte auf die Lektüre nicht verzichten.