Bücher mit dem Tag "galizien"

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26 Bücher

  1. Cover des Buches Nachtzug nach Lissabon (ISBN: 9783442746248)
    Pascal Mercier

    Nachtzug nach Lissabon

     (1.378)
    Aktuelle Rezension von: nymphe--

    Wer träumt nicht mal einfach in einen Zug zu steigen und davon zu fahren? Alles aus seinem Leben hinter sich zu lassen?

    Für Raimund Gregorius ist dies nun kein Tagtraum mehr, als er mitten am Schultag das Gymnasium, in dem er als Lehrer für alte Sprachen arbeitete, verließ und nie wieder kam. Nachdem er einer jungen Portugiesin das Leben rettete, stieß er in einer Buchhandlung auf die Veröffentlichungen eines gewissen Amadeu Padro, dessen Aufzeichnungen und Gedanken Gregorius so sehr faszinierten, dass er den Nachtzug nach Lissabon nahm, um den Spuren des Autors zu folgen. 

    Der Sinn des Romans besteht schon in den Aufzeichnungen Padros, der seine Gedanken zu verschiedenen Stationen seines Lebens zu Papier brachte. Er war ein Feind des Kitsch, glaubte nicht an die Liebe, sondern nur an die Loyalität, welches das Einzige wäre, dass annähernd Bestand hätte. Er war kritisch und aufrichtig zu sich selbst, schonungslos aufrichtig, so dass einem der Roman vorkommt wie ein Essay.

    Versteht mich nicht falsch, Essays sind wunderbar und viele Dinge in Nachtzug nach Lissabon haben mich tatsächlich zum Nachdenken angeregt, aber für jemanden, der auf Spannung steht, ist der Roman nichts.

    Zudem hat Nachtzug nach Lissabon für mich einige Probleme. Das erste ist der wesentlichste: Es ist kaum zu übersehen, dass Amadeu Padro der eigentliche Hauptcharakter des Romans ist. Nur kommt er kein einziges Mal vor und wird nur durch die Erinnerung andere oder seine Aufzeichnungen beschrieben. Eigentlich finde ich das Konzept sehr spannend. Doch verhält es sich hier ein wenig mit John Greens Eine wie Alaska und zwar wird hier mal wieder eine Person idealisiert und das Leiden dieser Person. Das geht mir inzwischen ziemlich auf die Nerven.

    Zunächst sieht niemand gut aus, wenn er leidet. Niemand sagt: "Gott, wie ist die Person tiefgründig!" Niemand wird sich wünschen, an ihrer Stelle zu sein, denn Leiden ist - tut mir leid, wenn ich das mal so drastisch sagen muss - nichts erstrebenswertes! Und es ist auch nicht ästhetisch. Ich weiß nicht, woher diese Illusion kommt. Vielleicht liegt es auch daran, dass es oft heißt Künstler würden ihre größten Werke im Schmerz vollbringen. Also wird Leiden für uns zu etwas, dass uns besonders macht, dass uns gut macht und uns Anerkennung bringt.

    Und das tat es auch bei Amadeu Padro. Sein Buch wurde vielleicht kein Bestseller, aber jeder Mensch, den Gregorius im Laufe des Buches traf, hat Amadeu angehimmelt und vergöttert und das wortwörtlich, obwohl er selbst so einsam war Das halte ich auch für problematisch und höchst unrealistisch. 

    Denn in Wahrheit leiden wir alle allein und wir wünschen uns zwar, dass irgendjemand auf uns blickt und uns dafür bewundert, aber das passiert in den wenigsten Fällen und es sollte auch nicht passieren. Man sollte Leute bewundern, die es geschafft haben, glücklich zu sein und sich selbst reflektieren und vergeben können. 

    Keine Person kann so toll sein und meist liegt die Verehrung einer Person nicht besonders an dieser Person, sondern eher an der, die sie verehrt. Menschen sind so, wie wir sie sehen und welche Personen uns was bedeuten, das liegt an uns.

    Hier kommen wir zum zweiten Problem und zwar Gregorius, der eigentliche Hauptcharakter oder zumindest Erzähler des Buches. Doch hier liegt das Problem, denn er ist weder noch. Man erfährt schon etwas über ihn und kann durch gewisse Handlungen auf sein Inneres schließen, doch im Endeffekt ist er nicht wichtig für die Handlung. Er erzählt Padros Geschichte nicht und wenn er mit Personen aus seinen Leben spricht, dann merkt man kaum, dass er anwesend ist und er spricht so gut wie nie. 

    Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, warum er das alles macht und warum er sein Leben verlässt. Denn seine Ambivalenz habe ich ihm nie ganz abgenommen, so wie sein Fernweh. Seine Handlungen sind mir so melodramatisch beschrieben, als das ich es ernst nehme könnte und für jemanden, der Kitsch hasst, ist der Roman fast zu romantisch. Denn es geht auch alles viel zu einfach. Natürlich hatte Gregorius auch keine Geldprobleme, sodass er wochenlang in verschiedenen Hotels wohnen und quasi von Genf und Lissabon pendeln konnte. Die Sprachbarriere war nie ein Problem. Entweder sprachen alle Französisch oder Gregorius konnte nach einen Kurs Portugiesisch schon ein Gespräch anfangen. Und Padros Texte konnte er natürlich auch einfach wie einen Lateintext übersetzen. 

    Obwohl Gregorius vielleicht kein Paul Varjak ist, gibt es doch eine Sache, die ihn für mich einfach unwichtig und sinnlos erscheinen ist und zwar, dass er nichts am Ende davon mitnimmt. Er verändert sich nicht durch die Gespräche mit den anderen. Das Leben von Padro verändert ihn nicht, außer dass er wahrscheinlich am Ende auch tot krank wird und wahrscheinlich genau so stirbt wie Amadeu Padro. Diese Spannung mit Gregorius "Schwindelanfällen" haben mich nicht gepackt und das offene Ende fand ich auch etwas zu gewollt. 

    Letztendlich führte Gregorius kein anderes Leben nach seinem Aufenthalt in Lissabon. Er kehrt zurück nach Bern und lässt sich dann in eine Klinik einweisen. 

    Ich hätte gern nochmal so einen abschließenden Epilog gehabt, indem erklärt wird, was Gregorius jetzt so macht, nachdem er diese Reise gemacht hat, denn so hatte das Buch am Ende keine Message und nichts, worauf irgendwas hinauslief.

    Und nochmal zum Schluss finde ich es auch sehr merkwürdig, dass das Erlebnis mit der Frau am Anfang, die von Brücke springen wollte und Gregorius diese Telefonnummer auf die Stirn schrieb. Das war nämlich das eigentliche Ereignis, was Gregorius zu seiner Reise bewegt hatte und es kam NIE wieder zur Sprache. Oder wenn nur so am Rande, was ich sehr schade finde. Es wäre cool gewesen, wenn Gregorius sie am Ende vlt nochmal angerufen hätte diese Nummer und vielleicht jemand aus Padros Leben abnahm. Das hätte den Bogen nochmal zurück gespannt. Es hätte auch irgendjemand ran gehen können.

    Erst dachte ich ja auch, Gregorius geht nach Portugal, um diese Frau zu finden, aber was soll's. Ich verstehe dann nur ihren Zweck in der Handlung nicht, denn so hätte man Gregorius auch anders aufs Buch stoßen können.


    Nachtzug nach Lissabon ist keines Falls ein schlechtes Buch, aber meines Erachtens vielleicht ein bisschen überbewertet und es handelt von Dingen, von denen ich mir wünschen würde, dass man auch mal über etwas anderes schreiben könnnte.



  2. Cover des Buches Ich bin dann mal weg (ISBN: 9783492307116)
    Hape Kerkeling

    Ich bin dann mal weg

     (4.096)
    Aktuelle Rezension von: Moidlvomberch

    Mir wurde das Buch im Freundeskreis empfohlen - ich kannte es vorher tatsächlich noch nicht, den Film könnte ich eventuell mal vor vielen Jahren gesehen haben, bin mir aber nicht sicher.

    Mit Hape Kerkeling, muss ich zugeben, hab ich nicht viel am Hut - ich weiß dass es ihn gibt aber dass er Komiker ist wusste ich wohl glaub ich auch erst richtig nach dem Buch - also wie gesagt ich habe nichts mit ihm zu tun.

    Nachdem das Buch ja ein Mega hit ist/war und es mir eben ja auch wärmstens empfohlen wurde, war ich schon sehr neugierig...aber, ich muss zugeben, so ganz kann ich den Hype darum nicht verstehen...

    Der Schreibstil ist nicht so ganz meins, ich brauchte einige Seiten um rein zu kommen, ich konnte leider nicht so gut und flüssig lesen wie sonst immer, dementsprechend hab ich dafür auch eher zwei Nachmittage gebraucht.

    Er erzählt von seinen Momenten auf dem Jakobsweg...aber irgendwie konnte mich das ganze nicht so wirklich abholen. Es gab einige schmunzler und ich musste dennoch einige male lachen - es ist zumindest sehr humorvoll geschrieben was die ganze Sache einfacher machter - das gefällt mir sehr!

    Ich kann mit Gott nicht so wirklich viel anfangen, es war zwar nicht so viel von "Gott" dabei, hätte aber gerne weniger sein dürfen - aber natürlich - ist mir klar hier gehts um den Jakobsweg ;-)

    Ich hab das Buch gelesen, fand es an einigen teilen sehr schön, an anderen wieder doch sehr langwierig und eher so..nahja....

    hats mir gefallen? joa....war ganz nett denk ich mal ein Highlight ist es nicht, aber ich denke man kanns ruhig mal lesen. denk ich :-)

  3. Cover des Buches Alles ist erleuchtet (ISBN: 9783462304886)
    Jonathan Safran Foer

    Alles ist erleuchtet

     (524)
    Aktuelle Rezension von: Joroka

    Ich habe zuerst den Film gesehen, zu dem das Buch als Vorlage diente; und dieser hat mir ausgesprochen gut gefallen. Normalerweise ist man von der filmischen Umsetzung eines literarischen Werkes enttäuscht, im vorliegenden Fall war es gerade umgekehrt.

    Die Geschichte eines jungen jüdischen Amerikaners (Jonathan Safran Foer), der in die Ukraine fährt und sich dort mit Hilfe eines radebrechenden, machohaften Reiseführers und dessen "blinden" Opa als Fahrer, nebst "Blindenhund" auf die Suche nach der Vergangenheit seines eigenen Großvaters macht, ist im Buch als eine der vier Handlungsstränge enthalten.

    Daneben geht es um die Geschichte von "Brod", die dem gleichnamigen Fluss "entspringt", als ihre Eltern im Jahre 1791 dort mit Fuhrwerk in den Fluten versinken; des weiteren um die Geschichte der Heirat von Jonathans Großvater vor Zerstörung des Schtetls um 1940 und um die Kommentare von Alex, dem ukrainischen Reisebegleiter von Jonathan, der scheinbar diese Geschichten Korrektur ließt.

    Ganz schön verwirrend und so kam es mir beim Lesen auch durchgehend vor. Hätte ich zuvor den Film nicht gesehen, hätte ich bezüglich Orientierung wohl auch gewiss einige Probleme gehabt. Nun, das mag "innovativ" sein, aber meinem Lesevergnügen zumindest nicht zuträglich.

    Natürlich sind alle Geschichten miteinander verwoben und auch Alexs Großvater ist involviert. Ein bisschen dick aufgetragen, wie ich finde.

    Negativ aufgestoßen ist mir auch die unnötig obszöne Sprache, die in manchen Passagen benutzt wird.

    Fazit: Insgesamt kein wirklich schlechtes Buch. Aber es kommt halt wie ein besonders bemühtes Erstlingswerk eines noch nicht ganz ausgereiften Schreiberling rüber.

  4. Cover des Buches Sturmzeit (ISBN: 9783734105982)
    Charlotte Link

    Sturmzeit

     (421)
    Aktuelle Rezension von: Manuela_Gundlach

    Diese Woche habe ich Sturmzeit von @charlottelink.autorin gelesen. Am Ende habe ich dann auch gesehen, dass es der erste Band einer Trilogie ist, und für mich war es die zweite Woche in Folge eine Familiensaga, wenn auch dieses Mal ganz anders.


    Wer mich kennt, der weiß, dass ich super gerne Familiensagas (oder -sagen? 🤔🤷🏻‍♀️) lese, und diese hier hat mich besonders gefesselt. 


    Okay, nun bin ich auch großer Fan von Charlotte Link und habe mich wirklich gefreut, als ich diesen Schatz beim Buchflomarkt in unserer Bücherei entdeckt habe.


    Dreh und Angelpunkt, klar, eine große Familie. Die Geschichte beginnt vor dem ersten Weltkrieg, nimmt jedes entscheidende Jahr und jeden bedeutenden geschichtliche Moment mit. Historische Ereignisse werden gut erklärt und man kann sie mitnehmen und annehmen, ohne dass man besonders geschichtsinteressiert sein muss, und immer wieder die Frage „kriegen sie sich jetzt - oder kriegen sie sich nicht“. 😉


    Mir hat besonders gut gefallen, dass viele damalige Vorstellung von Werten und Ordnung aufgegriffen wurden, welche Weltanschauung mit der Zeit umgekrempelt wurde und wie dies Einfluss auf die Entwicklung und das Heranwachsen der einzelnen Personen hatte.


    Fazit: ein tolles Buch, was Spaß macht und man einfach erfahren möchte, wie es weiter geht. Für mich sind viele (Neben)Stränge noch unentdeckt und ich hoffe, dass ich in den beiden folgenden Bänden meine Antworten bekommen werde. 🤓

  5. Cover des Buches Habsburg (ISBN: 9783406706530)
    Pieter M. Judson

    Habsburg

     (5)
    Aktuelle Rezension von: Andreas_Oberender

    Wenn ein Staat zerfällt und untergeht, dann ist die Versuchung groß, die Geschichte dieses Staates von seinem Ende her zu deuten. Noch größer ist die Versuchung, im Scheitern den Beweis dafür zu sehen, dass der betreffende Staat auf lange Sicht gar nicht überlebensfähig gewesen sei und "zwangsläufig" habe untergehen müssen. Kaum ein anderer Staat der europäischen Geschichte ist so sehr mit dem Stigma des "unausweichlichen" Scheiterns behaftet wie jenes Gebilde in Ostmitteleuropa, das wahlweise als Habsburgerreich, als Donaumonarchie oder – bezogen auf die Zeit von 1867 bis 1918 – als Österreich-Ungarn bezeichnet wird. Nach dem Ersten Weltkrieg herrschte weithin Einigkeit: Die Habsburgermonarchie war untergegangen, weil sie als Vielvölkerreich im Zeitalter des Nationalstaats "historisch überholt" war, ein Anachronismus, ein Relikt aus vormodernen Zeiten. Die These vom "unvermeidlichen" Untergang des Habsburgerreiches war umso plausibler, als zeitgleich mit Österreich-Ungarn auch zwei andere Vielvölkerreiche zerfielen, das zarische Russland und das Osmanische Reich. Unerbittlich, so schien es, hatte die Geschichte ihr Urteil gefällt: Multiethnische Reiche besaßen keinen Platz mehr in der modernen Welt. Der Nationalstaat mit einer ethnisch möglichst homogenen Bevölkerung galt nach dem Ersten Weltkrieg endgültig als optimale, wenn nicht gar als einzig "zulässige" Staatsform für die Völker Europas.

    Der amerikanische Historiker Pieter Judson wendet sich mit seinem Buch gegen die langlebige Tradition, das Habsburgerreich zu pathologisieren und zum Inbegriff politisch-wirtschaftlicher Rückständigkeit zu stilisieren. Zwar endet auch Judsons Buch mit dem Zerfall der Habsburgermonarchie im Herbst 1918, aber dieser Zerfall erscheint nicht als längst überfälliger Endpunkt eines jahrzehntelangen Siechtums. Als der Weltkrieg im Sommer 1914 ausbrach, steckte Österreich-Ungarn nicht in einer existenzgefährdenden Krise, wie Judson betont. Erst die Belastungen des Krieges erschütterten das Reich so sehr, dass es sich Ende 1918 binnen weniger Wochen auflöste. Nicht der Untergang der Monarchie steht bei Judson im Vordergrund, sondern die Frage, wie sich das multiethnische Reich der Habsburger im 18. und 19. Jahrhunderte entwickelte und warum es so lange erfolgreich "funktionierte". Drei große Themenkomplexe beherrschen das Buch: Die Entwicklung des Staates und seiner Institutionen (Verfassungsordnung, Verwaltung), das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft und schließlich die Nationalitätenproblematik. Judson spannt einen Bogen von den Reformen Maria Theresias Mitte des 18. Jahrhunderts bis hin zur Gründung der ostmitteleuropäischen Nachfolgestaaten, die aus dem Habsburgerreich hervorgingen. Judson begleitet den habsburgischen Länderkomplex auf seinem Weg vom absolutistisch regierten Fürstenstaat der Vormoderne zum modernen Verfassungsstaat des Industriezeitalters. Er zeichnet die Entwicklung von der Stände- und Untertanengesellschaft zur Klassen- und Bürgergesellschaft nach, und er analysiert, welche Wirkungen Nationalismus und Nationalbewegungen im Habsburgerreich entfalteten.

    Wer das Buch zur Hand nimmt, der sollte sich darüber im Klaren sein, dass es kein zum Schmökern gedachtes "Lesebuch" ist. Der weitgespannte chronologische Rahmen und Judsons Bemühen, allen Regionen und Völkern des Habsburgerreiches gleichermaßen gerecht zu werden, machen das Buch zu einer anspruchsvollen Lektüre. Neben Judsons eigenen Vorarbeiten ist auch die umfangreiche internationale Forschung zur Geschichte des Habsburgerreiches in die Darstellung eingeflossen. Das Buch ist eher analysierend als erzählend angelegt. Informationen zur Ereignisgeschichte sind auf ein Minimum beschränkt. Einen anekdotenreichen und kurzweiligen Spaziergang durch anderthalb Jahrhunderte habsburgischer Geschichte darf der Leser nicht erwarten. Judson stellt das Reich bzw. Imperium in den Mittelpunkt der Darstellung. Der habsburgische Länderkomplex war von alters her eine sogenannte Kompositmonarchie, ein Konglomerat von Territorien, das bis Mitte des 18. Jahrhundert allein von der Dynastie zusammengehalten wurde. Maria Theresia und ihr Sohn, Joseph II., nahmen das große Werk der bürokratischen Zentralisierung und Vereinheitlichung in Angriff, das mehrere Generationen von Herrschern, Ministern und Beamten beschäftigen sollte. Verwaltung, Justiz und Bildungswesen dienten als Instrumente für eine stärkere Integration des Vielvölkerreiches. Wie Judson immer wieder hervorhebt, strebten die Habsburger nie danach, die Nationalitäten der Monarchie zu einem sprachlich und kulturell homogenen Volk zu verschmelzen. Sie begnügten sich mit der administrativen Vereinheitlichung ihrer Länder, während das Recht der einzelnen Völker auf Pflege ihrer Sprachen und Kulturen unangetastet blieb. Ein unparteiischer Verwaltungsapparat, Rechtsstaatlichkeit und Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz (Allgemeines Gesetzbuch von 1811) sowie das Bekenntnis zur "Einheit in Vielfalt" waren die Grundlagen, auf denen das Reich bis zuletzt ruhte.

    Erschütterungen wie die napoleonischen Kriege und die Revolution von 1848 überstand das Habsburgerreich unbeschadet. Judson verweist immer wieder auf die Anpassungs- und Entwicklungsfähigkeit des Reiches, auf die Flexibilität und Reformbereitschaft der einzelnen Herrscher und ihrer Regierungen. Die Suche nach konstruktiven Lösungen für neue Probleme und Herausforderungen hörte niemals auf, mochte die Komplexität der Verhältnisse im Vielvölkerreich auch bisweilen entmutigend wirken. Selbst die Ära Metternich war keine Zeit bleierner Stagnation wie traditionell behauptet. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lösten das Parlament, tatkräftige Kommunalverwaltungen und zivilgesellschaftliche Kräfte die Krone als Impulsgeber für die Weiterentwicklung und Modernisierung der Monarchie ab. Viele Leser dürfte es überraschen, dass Judson die Bedeutung des Nationalismus eher gering einschätzt. Aus Judsons Sicht war es nicht die Nationalitätenproblematik, die dem Reich zum Verhängnis wurde. Die Frage, wer die Träger des Nationalismus waren und welche Wirkung der Nationalismus im politischen Tagesgeschäft und im Alltagsleben entfaltete, nimmt in der zweiten Hälfte des Buches breiten Raum ein. Die Beziehungen zwischen dem tonangebenden "Staatsvolk" der Deutschösterreicher auf der einen und den Ungarn sowie Slawen auf der andere Seite waren nicht spannungsfrei. Während der langen, scheinbar endlosen Herrschaft Kaiser Franz Josephs kam es jedoch nie zu Konflikten, die das Reich hätten sprengen können. Im Gegenteil: Wie Judson an vielen Beispielen zeigt, wurde das Imperium im ausgehenden 19. Jahrhundert über ethnische und nationale Trennlinien hinweg nicht etwa als Völkergefängnis wahrgenommen, sondern als "Beschützer" der in seinen Grenzen lebenden Völker. Peripheren Regionen wie Galizien und Bosnien-Herzegowina bot die Zugehörigkeit zur Donaumonarchie die Chance auf Teilhabe an der europäischen Moderne. Der übernationale Habsburgerstaat galt als Garant für Frieden und Stabilität, zivilisatorischen Fortschritt und wirtschaftliche Prosperität. Als er Ende 1918 die Ansprüche und Erwartungen der Nationalitäten nicht mehr erfüllen konnte, brach er zusammen. Die Loyalität der vielen Volksgruppen gegenüber dem Reich, lange Zeit der wichtigste Aktivposten der Habsburger, hatte sich in den vier zermürbenden Kriegsjahren verbraucht.

    Pieter Judson stellt viele liebgewonnene Vorurteile und Klischees über die Habsburgermonarchie in Frage. Er hebt die positiven Leistungen und Errungenschaften des Reiches hervor, die Fähigkeit zur Integration vieler Völker, Kulturen und Religionen. Gleichzeitig schließt sich Judson einem Forschungstrend an, der die Brisanz des Nationalismus in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg geringer einschätzt, als es lange Zeit der Fall war. Auch in Österreich-Ungarn war der Nationalismus im Wesentlichen eine Herzensangelegenheit von Berufspolitikern und Intellektuellen. Große Teile der Bevölkerung, vor allem die Bauern, waren für nationale Leidenschaften unempfänglich. So wichtig es auch ist, die vermeintlich zentrale, alles beherrschende Stellung des Nationalismus im Europa des 19. Jahrhunderts zu hinterfragen, so drängt sich doch bisweilen der Eindruck auf, dass Judson mit seiner Verharmlosung des Nationalismus zu weit geht. Es ist irritierend, dass Judson die Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und den Balkanstaaten am Vorabend des Ersten Weltkrieges gänzlich ausblendet. Ausgehend von ihren neugegründeten Nationalstaaten strebten die Serben und Rumänen nach der "Befreiung" ihrer auf habsburgischem Boden lebenden Landsleute. Damit stellten sie die territoriale Integrität des Habsburgerreiches in Frage. Judson konzentriert sich zu sehr auf die Binnenverhältnisse in der Donaumonarchie. Es hätte nicht geschadet, wenn er das Reich stärker in europäischen Zusammenhängen verortet hätte. Der interne Nationalismus mag für das Reich weniger bedrohlich gewesen sein, als lange angenommen; der externe Nationalismus der Balkanstaaten jedoch war im Juli 1914 der Grund für den Entschluss der Wiener Regierung zum Krieg. Österreich-Ungarn war eine "bedrängte Großmacht" (Konrad Canis). Dieser äußeren Bedrängnis und ihrer destabilisierenden Wirkung auf die inneren Verhältnisse der Monarchie trägt Judson nicht genug Rechnung.

    Das Buch bewegt sich auf einem relativ hohen Reflexionsniveau. Es eignet sich nicht als Gelegenheitslektüre und auch nicht für eine erste Annäherung an die Geschichte des Habsburgerreiches im 18. und 19. Jahrhundert. Fast einhundert Jahre sind seit dem Zerfall des Habsburgerreiches vergangen. Pieter Judson bietet mit seinem Buch einen Anstoß für die wohlwollende Neubetrachtung eines Vielvölkerstaates, der Ostmitteleuropa über Jahrhunderte geformt und geprägt hat. 

    (Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im April 2017 bei Amazon gepostet)

  6. Cover des Buches Hiob (ISBN: 9783520862013)
    Joseph Roth

    Hiob

     (203)
    Aktuelle Rezension von: Herbstrose

    Als Bibellehrer im russischen Zuchnow bestreitet der fromme Jude Mendel Singer den kargen Lebensunterhalt für seine Familie - eine bigotte zänkische Frau, zwei Söhne, eine Tochter und ein spätgeborener zurückgebliebener behinderter Junge. Seine Behandlung im Krankenhaus lehnen sie ab, sie vertrauen lieber auf Gott und ihre Gebete. Jahre in Armut vergehen, die Kinder wachsen heran. Dann bricht Jonas, der älteste Sohn, mit den jüdischen Gesetzen und meldet sich zum Militär, während Schemarjah, der Zweitgeborene, die Familie verlässt und nach Amerika auswandert. Als Tochter Mirjam beginnt sich mit den dort stationierten Kosaken einzulassen, entschließt sich Mendel, mit Frau und Tochter seinem Sohn Schemarjah nach Amerika zu folgen - den immer noch schwer behinderten Jüngsten Menuchim müssen sie zurücklassen. Auch in Amerika ist die Familie weiter vom Pech verfolgt. Es sollen Jahrzehnte vergehen, Mendel ist inzwischen vom Glauben abgekommen, bis ihm das große Wunder widerfährt und er endlich Ruhe und Frieden findet …   

    Joseph Roth war ein österreichischer Schriftsteller und Jounalist, der 1894 im galizischen Brody bei Lemberg (Lwow) geboren wurde. Er studierte zunächst in Lemberg, dann in Wien Germanistik und Philosophie und war danach als Journalist tätig. Sein erster Roman erschien 1923, weitere folgten. „Hiob“ erschien erstmals 1930 und handelt in der Zeit um 1900 bis nach dem I. Weltkrieg. Die Machtergreifung durch die Nazis zwang den Juden ins französische Exil, seine Bücher wurden in Deutschland verbrannt. Roth starb 1939 in Paris an den Folgen einer schweren Alkoholsucht. 

    Wie schon der Titel des Buches vermuten lässt, greift der Autor hier die Geschichte von Hiob aus dem Alten Testament auf, der vielen harten Prüfungen unterzogen wird, an Gott verzweifelt und seinen Glauben beinahe verliert, bis dann das Wunder geschieht. Entgegen der Dramatik und Tragik der Handlung ist die Sprache Roths eher als einfach und erfassbar zu bezeichnen. Es gelingt ihm dadurch, den Leser zu packen und das Geschehen bildhaft entstehen zu lassen, sodass es sich fest im Gedächtnis zu verankert. 

    Fazit: Ein beeindruckender Roman voller Dynamik, ein Klassiker der deutschen Literatur, den man gelesen haben sollte und den ich gerne empfehle. 

  7. Cover des Buches Katzenberge (ISBN: 9783746627984)
    Sabrina Janesch

    Katzenberge

     (35)
    Aktuelle Rezension von: Pongokater
    Notwendiger Geschichtsunterricht darüber, dass die Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten des Deutschen Reichs verknüpft war mit der Vertreibung der Polen aus dem Osten ihres Landes. Dies zeigt Sabrina Janesch dadurch eindringlich, dass der Vater der Helding aus einer deutschen Familie stammt, die aus Schlesien vertrieben wurde, die Mutter aus einer Familie, die genau dort nach der eigenen Vertreibung angesiedelt wurde. Besonders eindrucksvoll sind die Passagen der Schilderung des alten und neuen schlesischen Landlebens.
  8. Cover des Buches Da geht ein Mensch (ISBN: 9783442736034)
    Alexander Granach

    Da geht ein Mensch

     (16)
    Aktuelle Rezension von: blueberry7
    Eine enorm interessante Lebensgeschichte von Alexander Granach. Hinzu kommt der lebendige Schreibstil dieses Irrwischs...............
  9. Cover des Buches Das falsche Gewicht (ISBN: 9783150188644)
    Joseph Roth

    Das falsche Gewicht

     (22)
    Aktuelle Rezension von: Monsignore
    Ein schwerer, dicht gewobener Stoff aus untergegangener Zeit. Obwohl leicht lesbar und in seinen Bann nehmend, handelt es sich um einen Stoff fast biblischen Gewichts. Unbeirrbar und exakt prüft der neue Eichmeister - einst Artillerie-Unteroffizier - die Gewichte der Kaufleute im äußersten Osten der österreichisch-ungarischen Monarchie. Er bringt Kaufleute vor Gericht, er macht sich Feinde. Bieder, schwerfällig und autorität waltet er seines Amtes, doch in der kalten Fremde gerät sein eigenes Leben aus dem Lot. Eine schöne Zigeunerin wird seine Obsession, ein Schwerkrimineller intregiert erfolgreich, der Alkohol ("Neunziggrädiger"!) richtet ihn nieder. Es kommt zum Mord ... Joseph Roth entwirft hier eine ganze Welt, in die man eintauchen kann. Sein Stil läßt den Leser nah dabei sein, seine Erzählperspektiven sind klarsichtig, seine Menschenkenntnis immens und seine Figuren so menschlich.
  10. Cover des Buches Der Leviathan (ISBN: 9783990280324)
    Joseph Roth

    Der Leviathan

     (16)
    Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-Nutzer
    Kiepenheuer & Witsch brachte 2005 diesen schmalen Band mit drei Erzählungen des großartigen österreichischen Schriftstellers Joseph Roth heraus. Er beinhaltet die Titelgeschichte "Der Leviathan", welche vom jüdischen Korallenhändler Nissen Piczenik handelt und dessen tragischen und mitreißend erzählten Abstieg aus der Gesellschaft zum Thema hat. Daneben stehen die Geschichten "Triumph der Schönheit" und "Die Büste des Kaisers". Während in erster Novelle die vernichtende Macht der Frau über den Mann im Mittelpunkt steht, vermittelt die letzte Geschichte einen Eindruck von den psychologischen Auswirkungen des Untergangs der k.u.k. Monarchie auf den einfachen, traditionsbewussten und konservativen Menschen. Allen Texten eigen ist Roths Fähigkeit der genauen Beobachtung, der treffsicheren Typisierung der Figuren und schließlich die grandiose Stilistik. "Der Leviathan" bietet für wenig Geld drei Perlen der Erzählkunst Joseph Roths; aus diesem Grund eine eindeutige Empfehlung.
  11. Cover des Buches Alles was ich dir geben will (ISBN: 9783442716197)
    Dolores Redondo

    Alles was ich dir geben will

     (137)
    Aktuelle Rezension von: katzenminze

    Manuel wähnt seinen Ehemann Alvaro auf einer Geschäftsreise, als eines Morgens zwei Polizisten an seine Tür klopfen und Manuel die Nachricht vom Tod seines Mannes überbringen. Alvaro soll einen Autounfall auf einer Landstraße in Galizien gehabt haben und auch bereits von einem Verwandten identifiziert worden sein. Schnell wird Manuels Schock von Unglauben und Verwirrung überlagert: Der Geschäftstermin war nicht in Galizien und Alvaro hatte seit Jahren keinen Kontakt zu seinen Verwandten. Nach und nach muss Manuel erfahren, dass sein Mann eine Art Doppelleben führte und seit dem Tod seines Vaters die unliebsame Aufgabe des Familienoberhauptes einer reichen wie verkorksten Adelsfamilie innehatte.

    Dass Alvaro ihm so vieles verschwiegen hat setzt Manuel schwer zu. Und nun hat er auch noch unfreiwillig Alvaros Familienlandsitz inklusive Weingut und Vermögen geerbt. Dazu kommt ein kauziger Polizist, der nicht an einen Unfalltod Alvaros glauben will. Mehr aus Verzweiflung denn aus Wissensdrang fängt Manuel an Fragen zu stellen und stößt dabei auf eine Ungereimtheit nach der anderen. Was ist wirklich mit Alvaro passiert und warum hat er seine Familie vor Manuel geheim gehalten?

    Dolores Redondo hat mit „Alles was ich dir geben will“ einen interessanten Mix aus Krimi und Roman geschrieben, der ziemlich ausschweifend daherkommt. Es wird zwar ermittelt aber das geht erstmal recht bedächtig voran. Erst gegen Ende zieht das Tempo an. Vorher ist beispielsweise Zeit dafür Gardenien zu bewundern, bei der Weinernte zu helfen, einen Hund zu adoptieren, mit der garstigen Schwiegermutter aneinander zu geraten, den kleinen Neffen lieb zu gewinnen und einen homophoben Polizisten zu bekehren sowie dessen Ehe zu retten.

    Man merkt es vielleicht: Mir war es manchmal eine Spur zu Heimelig. Redondo lässt den Leser zwar auch in Abgründe blicken – schließlich geht es um Mord und Totschlag – aber manche Szenen schrammten nicht weit am Kitsch vorbei. Dafür mochte ich es, wie die Hauptfiguren gezeichnet waren und dass sich viel Zeit für ihre Entwicklung genommen wurde. Dass aus anfänglicher Abneigung nach einiger Zeit Freundschaft wird, hat sich ebenfalls sehr natürlich in die Story eingefügt. Ein paar der Nebenfiguren waren dafür etwas zu schwarz/weiß.

    Ich habe den Roman insgesamt gerne gelesen, auch wenn es für mich ein wenig kürzer hätte sein dürfen. Besonders das letzte Drittel war spannend und las sich schnell weg. Redondo ist eine unterhaltsame Geschichte gelungen, die zwar viel Düsteres enthält aber nie ihre Hoffnung verliert.

  12. Cover des Buches Heimaterde (ISBN: 9783765086540)
    B. Horst Feuer

    Heimaterde

     (4)
    Aktuelle Rezension von: Viv29
    Ich habe dieses Buch meinem in Galizien geborenen und aufgewachsenen Großvater zum 95. Geburtstag geschenkt und auch gleich ein Exemplar für mich gekauft. Ich habe es fast in einem Rutsch durchgelesen und meinem (sehr kritischen!) Großvater ging es genauso, er meinte, er hätte mit dem Lesen gar nicht aufhören wollen, so akkurat und lebhaft wurde alles geschildert. Er hat sich förmlich in seine Jugend zurückversetzt gefühlt.

    Das Buch beginnt vor der Auswanderung der Familie nach Galizien und zeigt die damalige Situation der Auswanderer, ihre Wünsche, Sorgen und die durchgemachten Strapazen auf der Reise, ganz hervorragend auf. Der historische Hintergrund ist sehr gut recherchiert und durch die Charaktere zum Leben erweckt.

    Die Jugenderinnerungen des Hauptperson im frühen 20. Jahrhundert sind angenehm zu lesen und auch hier fand ich Vieles wieder, was ich von meinem Großvater gehört und in anderen Lebenserinnerungen aus Galizien gelesen habe. Die galizische Welt vor dem zweite Weltkrieg ist gelungen eingefangen.

    Die Erzählung über die Aussiedlung, Kriegs- und Nachkriegszeit hat mich emotional sehr berührt, einfach weil ich weiß, daß es meinen Vorfahren auch so ergangen ist. Hier ist ebenfalls der historische Hintergrund gut recherchiert. In einer Rezension zum Buch werden diese Berichte als langweilig eingestuft - das kann ich persönlich in keiner Weise nachempfinden. Ich habe beim Lesen mitgefühlt, mitgefiebert und hatte an manchen der traurigen Stellen einen Kloß im Hals.

    Zwei kleine Dinge, die mir nicht so gut gefielen: von der Auswanderung springt die Geschichte gleich zum 20. Jahrhundert. Mich hätte das Familienschicksal auch in der Zwischenzeit sehr interessiert, selbst wenn es nur in kleineren Episoden gewesen wären. So fand ich den Sprung etwas abrupt und fand es auch schade, daß dieser Teil völlig ausgelassen wurde.
    Die Geschehnisse der Nachkriegszeit in Polen fand ich manchmal ein wenig verwirrend, auch bzgl. der jeweils vergangenen Zeit und der mir manchmal fehlenden Hintergrundinformationen.

    Die sind aber nur kleinere Abstriche, die das Lesevergnügen nicht merklich beeinträchtigt haben. So kann ich sagen - sowohl mein Großvater, der auf eigene Erinnerungen zurückgreifen kann, wie auch ich haben dieses Buch sehr genossen!
  13. Cover des Buches Der Pojaz (ISBN: 9783849111779)
    Karl Emil Franzos

    Der Pojaz

     (1)
    Aktuelle Rezension von: Ferrante
    Den Vergleich mit dem "Wilhelm Meister" braucht dieser wiederentdeckte deutschsprachige Bildungsroman aus dem 19. Jahrhundert nicht zu scheuen - seit langem berührte mich ein Roman, diesmal ein Schnäopchen von Jokers, wieder so richtig, besonders am tragischen Ende. Der Jude Sender wächst inmitten eines kleines Dorfes auf, das von einer fundamentalistischen jüdischen Sekte geprägt ist. Um seinen Wunsch zu erfüllen und Schauspieler zu werden, müsste er Deutsch lernen, was in den Begriffen der Sekte bereits eine Sünde ist. Heimlich strebt er sein Ziel an, verwickelt sich in eine Liebesgeschichte und muss immer wieder mit seiner Adoptivmutter kämpfen, die der leiblichen Mutter noch am Totenbett versprochen hat, dass Sender kein Schausteller wird, wie es der Vater war. Mehrere tragische Verkettungen lassen ihn am Schluss, nachdem er sogar bei einer fahrenden Schauspielertruppe hinter die Kulissen blicken konnte und gar Unschönes entdeckte, jung sterben, bevor er sein Ziel erreicht hat. Ein aufwühlender Roman, dessen Plädoyer für Toleranz besonders in Religionsfragen heute noch genauso aktuell ist wie damals. Ein sehr interessantes Nachwort rundet das Taschenbuch ab.
  14. Cover des Buches Galizische Geschichten (ISBN: 9783518456200)
    Andrzej Stasiuk

    Galizische Geschichten

     (0)
    Noch keine Rezension vorhanden
  15. Cover des Buches Katerina (ISBN: 9783499255106)
    Aharon Appelfeld

    Katerina

     (9)
    Aktuelle Rezension von: Monsignore
    Wuchtige Sprachgewalt, die an die alte untergegangene galizische Schreibkunst erinnert, ich dachte oft an Joseph Roth. Und aus Galizien kommt der heute steinalte Autor, tief im Jüdischen verwurzelt.

    In einem ukrainischen Dorf findet die junge Katerina Arbeit bei Juden. Sie hat eine schwere Kindheit hinter sich und findet erstmals Anerkennung und Zuneigung, sogar Geborgenheit in der Familie. Von außen wird sie angefeindet, weil sie bei Juden lebt und arbeitet. Nach einem Pogrom ist sie wieder auf sich allein gestellt, findet ihre große Liebe, bekommt ein Kind und verliert erneut alles. Rache nimmt jetzt Platz in ihrem Herzen und ihr ohnehin von Katastrophen geprägtes Leben steuert auf ein letztes Desaster zu.

    Es ist mir ein Rätsel, warum Aharon Appelfeld nie im Gespräch für den Literaturnobelpreis ist.
  16. Cover des Buches Joseph Roth (ISBN: 9783462042511)
    Wilhelm von Sternburg

    Joseph Roth

     (3)
    Aktuelle Rezension von: Monsignore
    Joseph Roth war ein begnadeter Polemiker und weitherziger Moralist, sein Lebensweg verschlägt einem den Atem: Kindheit als jüdischer Außenseiter in Ostgalizien, Kriegsfreiwilliger im 1. Weltkrieg, Starjournalist in der Weimarer Republik, Literat mit Weltruhm. Mit nur 45 Jahren stirbt er als verlorener und verzweifelter Trinker im Pariser Exil. Seine großartigen Romane aus einer untergegangenen Zeit werden heute wieder viel gelesen, die Verfilmungen waren erfolgreich und momentan bringt der Diogenes Verlag hervorragende Hörbuchbearbeitungen auf den Markt. Heinrich Böll brachte es einst auf den Punkt: "In Roth hatte die deutsche Prosa einen schöpferischen Bewahrer, in dem Glanz und Härte, Melancholie und Leichtsinn sich noch einmal fingen." Besonders lesenswert ist die neue Joseph Roth-Biografie von Wilhelm von Sternburg. Schwungvoll und äußerst kenntnisreich wird zum 70. Todestag dieses ungewöhnliche Leben ausgebreitet - ein einzigartiges Zeitbild mit einem einzigartigen Menschen im Mittelpunkt.
  17. Cover des Buches Joseph Roths Flucht und Ende (ISBN: 9783462040005)
    Soma Morgenstern

    Joseph Roths Flucht und Ende

     (2)
    Noch keine Rezension vorhanden
  18. Cover des Buches Woher du kommst (ISBN: 9783990011034)
    Martin Moll

    Woher du kommst

     (1)
    Aktuelle Rezension von: Alice-33

    Die Tagebuchaufzeichnungen eines kleinen jüdischen galizischen Ausreißers und seiner ebenfalls aus Galizien stammenden späteren Ehefrau: 1. Weltkrieg; Flucht aus Galizien; Kriegswirren ; Ende der Monarchie; Zwischenkriegszeit in Wien und erneute Flucht: diesmal nach Panama und den USA. 
    Ein Geschichtsbuch, das keines ist und doch vieles verständlich macht.
    Authentisch, unmittelbar, informativ, bewegend.
  19. Cover des Buches Fahrendes Volk (ISBN: 9783868582635)
    Ulli Eike

    Fahrendes Volk

     (1)
    Noch keine Rezension vorhanden
  20. Cover des Buches Auf Reisen (ISBN: 9783104001791)
    Stefan Zweig

    Auf Reisen

     (4)
    Aktuelle Rezension von: Joroka

    Ich bin durchaus kritisch an dieses Buch herangetreten. Was bringt es, über 100 Jahre bis ca. 70 Jahre alte Reiseberichte zu lesen, selbst wenn sie ein Stefan Zweig geschrieben hat? Nach anfänglichen Anpassungsschwierigkeiten in den Schreibstil von Zweig erschloss sich mir aber zunehmend der Schatz, der dieses Buch zu bieten hat. Es ist ein Blick in eine vergangene Zeit, vielleicht zu Städten/Plätzen, die man selber bereits besucht hat, die aber in der alten Beschreibung vertraut fremd wirken. Ein kleine Zeitreise, mit Liebe zum Detail und mancher poetischer Anwandlung.

    Stefan Zweig reiste gerne. Er nimmt uns mit nach Belgien (Brügge, Lüttich, Löwen, Antwerpen),

    Frankreich (Provence), England (London, Oxford), Indien, Kanada, USA, Italien, Galizien, Österreich (Salzburg, Wien), Schweiz und Russland.

    Schön ist auch die Entwicklung seines Stiles von den Anfängen 1902 bis zum letzten Reisebericht in den späten 30igern zu verfolgen. Die letzte Geschichte 'Das Wien von Gestern' im Jahre 1940 ist der letzte Eintrag und kein Reisebericht im engeren Sinn mehr sondern ein Rückblick in eine schon damals verlorene Welt. Stefan Zweig begab sich Anfang 1942 freiwillig auf seine letzte Reise ohne Wiederkehr.

    Ich habe das Buch größtenteils auf Reisen gelesen. Wie passend.

  21. Cover des Buches Kaiser von Amerika (ISBN: 9783423142656)
    Martin Pollack

    Kaiser von Amerika

     (3)
    Aktuelle Rezension von: WinfriedStanzick
    Zu allen Zeiten der bekannten Geschichte haben sich große Massen von Menschen auf den Weg gemacht, ihren bisherigen Wohnort, ihr altes Land verlassen und oft unter großen Gefahren für Leib und Leben, das Herz voller Hoffnung auf ein besseres Leben, nach einem neuen Land gesucht, eines, von dem sie sich Arbeit und Nahrung und vor allem so etwas wie Zukunft versprachen. In diesen Tagen melden die Nachrichtensender, dass eine Einsatztruppe der EU die griechischen Behörden dabei unterstützt, Flüchtlinge aus aller Herren Länder, die über die türkisch- griechische Grenze in das neue Gelobte Land EU einreisen wollen, abzufangen und zurückzuschicken. Über Jahre vorher waren es die italienischen Inseln vor Sizilien, wie Lampedusa, die im Focus der öffentlichen Wahrnehmung standen, weil Flüchtlinge vor allem aus Afrika, mit ihren Booten dort anlandeten. Jedenfalls die, die nicht vorher im Mittelmeer ertrunken waren, und deren Zahl bis heute niemand kennt. Das vorliegende Buch des Österreichers Martin Pollack erzählt von einer solchen Massenbewegung und dokumentiert sie in Wort und Bild. Um das Jahr 1900 wurden Hunderttausende von Menschen, in ihrer großen Zahl Juden aus Galizien nach Amerika gelockt, dem Gelobten Land, wo jeder seines eigenen Glückes Schmied ist. „Vor der Kulisse der Häuser ragte eine riesenhafte Frauengestalt aus dem Wasser, mit einen Strahlenkranz um dien Kopf und einer Fackel in der zum Himmel gestreckten Hand. Das sei die heilige Mutter Gottes, sie heiße die geliebten Polen mit einen einladenden Lächeln willkommen.“ Es war vor allem dieses Bild, was zunächst langsam, dann zu einem regelrechten Strom anschwellend, Hunderttausende von Menschen aus dem Armenhaus der Habsburgermonarchie, aus Galizien, nach Amerika lockte. Alle suchten sie ein besseres Leben und glaubten fest daran, der „Kaiser von Amerika“ werde sie dort mit offenen Armen empfangen und willkommen heißen. Und so wie heute die Flüchtlingsbewegungen nach Europa ein lukratives Geschäft sind für allerlei mafiose Netzwerke, so verdienten auch damals viele Agenten, Beamte, Gendarmen, amerikanische Unternehmen und die großen Schifffahrtslinien ein Vermögen mit diesen armen Menschen. Martin Pollack zeichnet diese Geschichte eindrücklich nach in einem Buch, bei dem sich fast auf jeder Seite die Parellelen zur Gegenwart aufdrängen – die Geschichte von den ewigen Verlierern und den ewigen Gewinnern. Und die Geschichte von der nicht auszurottenden Sehnsucht nach einem besseren Leben.
  22. Cover des Buches 1900-1918 (ISBN: 9783471793503)
    Martin Gilbert

    1900-1918

     (1)
    Aktuelle Rezension von: Jens65
    In Band I ( 1900-1918 ) und Band II (1919-1933 ) zur Geschichte des 20. Jahrhunderts beschreibt Professor Martin Gilbert jedes Jahr nach politischen, wirtschaftlichen und sonstigen Kriterien geordnet. Dabei wird Geschichte fesselnd erzählt wie ein Roman. Historische Genauigkeit langweilt hier nicht, sondern stellt die Dinge in einen faszinierenden Gesamtkontext.
  23. Cover des Buches Hotel Savoy (ISBN: 9783866721135)
    Joseph Roth

    Hotel Savoy

     (38)
    Aktuelle Rezension von: awogfli

    Joseph Roth kann wirklich gut schreiben und Figuren punktgenau konzipieren, seine Stärken liegen auch im Umstand, dass er nie episch breit und sinnlos herumschwafelt, sondern durch kurze Bilder, die er in den Gedanken der Leser auferstehen lässt, eine Handlung sehr plastisch im Hirn seiner Fans verankert. Dieser Kurzroman war mir aber dann um eine Nuance zu kurz und episodenhaft, als dass er von mir in der Gesamtheit als Meisterwerk bezeichnet werden könnte, obwohl er natürlich seine genialen Momente voll ausspielt und auch der Plot im Finale noch einige spannende Überraschungen bereit gehalten hat. Dass ich das einmal sage, „der Roman hätte länger, episch um eine Nuance breiter und umfassender sein können“, hätte ich mir nie träumen lassen, das ist wirklich erstaunlich, denn ich hasse normalerweise Geschwätzigkeit. In diesem frühen Werk, das seine dritte Veröffentlichung darstellte, konnte Roth einfach sein Potenzial, noch nicht voll ausschöpfen, was auch nicht verwunderlich ist, denn seine Meisterwerke kamen erst später. Aber die Anlagen sind schon ganz klar ersichtlich.

    Im Hotel Savoy beschreibt er einen kuriosen Mikrokosmos, der mit ganz schrägen Figuren bevölkert wird. Die Leserschaft wird wie immer mitten in die Geschichte geworfen, was mir ausnehmend gut gefällt. Nach dreijähriger Kriegsgefangenschaft in Sibirien kehrt Gabriel Dan heim und quartiert sich auf dem Weg nach Hause im Hotel Savoy ein. Zuerst dachte ich noch, das sei das Savoy in Wien, aber sehr bald und nach einer kleinen Recherche war klar, dass das Hotel in Lodz stehen muss, da Daniel noch nicht am Ziel seiner Rückreise in der Josefstadt angekommen ist.

    Die armen Leute des Savoy wohnen wie Gabriel Dan oben im siebten und letzten Stock und die Reichen unten. Der Protagonist streift durch die Gänge und durch die Zimmer und als Leserschaft lernt man zusammen mit Gabriel wirklich kuriose Personen und gescheiterte Existenzen kennen, die sich so recht ärmlich, vom Pech verfolgt und ständig abgebrannt aber mit viel Kunst und Kunstfertigkeit durchs Leben lavieren. Viele Mitglieder des Varieté wie die von Gabriel angebetete Stasia, der Hellseher Hirsch Fisch, der Clown Santschin mit seinem Esel, der die Hauptfigur bei der kuriosen Beerdigung des Clowns darstellt, werden uns präsentiert. Das Leben im Hotel Savoy schreibt herrliche, schräge Geschichten. Kommt Euch das bekannt vor? Mir auch. Es ist sehr wahrscheinlich, dass John Irving im Rahmen seiner Figurenkonzeption bei Joseph Roth ordentlich geklaut hat. Im Detail der Figuren ist die Ähnlichkeit noch viel frappanter.

    Ein wichtiger Protagonist ist auch der sehr unsympathische Liftboy Ignaz, der die Rechnungen des Hotelchefs einfordert und bei Zahlungsaufschub das Gepäck der Armen durch ein eigenes Verschlusssystem in Besitz nimmt. Wenn die jungen Tänzerinnen ihr Zimmer nicht mehr zahlen können, verlieren sie zuerst ihre Koffer und Kleider und wenn sie keine Kleider mehr haben, werden sie von Frau Kupfer splitternackt zur Prostitution in der Bar des Hotels angehalten. So geht der systematisierte Abstieg im Savoy, wenn das letzte Hemd fehlt, kann frau nur noch ihre Haut an die reichen Gäste des Hotels im Erdgeschoß verkaufen.

    Auch die Verwandtschaft von Gabriel Dan ist köstlichst gezeichnet. Sein reicher geiziger Onkel Böhlaug, der Cousin Alexanderl und auch der Rest der High Society der Stadt wie der Fabrikbesitzer Neuner oder der von allen erwartete reiche amerikanische Jude Bloomfield, von dem sich alle wohltätige Spenden und Investitionen erhoffen.



    „Böhlaug ist ein reicher Mann mit einem kleinen Herzen. Sehen Sie, Herr Dan, die Menschen haben kein schlechtes Herz, nur ein viel zu kleines. Es faßt nicht so viel, es reicht gerade für Frau und Kind."



    Gabriel hat sich als Kriegsheimkehrer in den Lebensstil der Hotelbewohner eingelassen, und nimmt das Schicksal, wie es kommt, er ergreift sogar einige Chancen nicht, wie die Möglichkeit, durch seinen Cousin ein fixes Zimmer zu bekommen, das er nicht bezahlen muss. Er glaubt, das Universum wird schon für ihn sorgen, denn wozu sonst hätte er den Krieg und die Gefangenschaft überlebt. Und er hat Recht. Als Bloomfield kommt, blüht die gesamte Stadt auf und jeder eröffnet ein Geschäft. Gabriel bekommt einen Job bei Bloomfield als sein Assistent, der die Wohltätigkeitsgesuche vorsortiert, und das, ohne überhaupt nach Arbeit gefragt zu haben. Durch die vielen Bittsteller erweitert sich nun das Spektrum der Figuren und man lernt sogar die wichtigsten Player der Stadt mit all ihren Anliegen und somit auch indirekt die Probleme der Stadt kennen. Am Ende kommt es zu Streiks und Ausschreitungen, Bloomfield reist ab, die Stadt versinkt erneut in Depression und eine der Figuren entpuppt sich noch als Hotelbesitzer.

    Handwerklich bietet das Werk, wie man es auch bei den späteren Meisterwerken von Roth gewohnt ist, den typischen Roth-Humor, die wundervollen Figurenentwicklungen, sehr kluge Bonmots und grandiose Szenen, die auf treffenden Gesellschaftsanalysen und sehr gut beziehungsweise auch wohlwollend beschriebenen menschlichen Schwächen fußen.



    „Hier in dieser Stadt verbauert man. (von Bauer). Der Schädel wird einem zugenäht. Das Gehirn verdorrt. Aber die Kehle nicht.“

    „Die Frauen begehen ihre Dummheiten nicht wie wir aus Fahrlässigkeit und Leichtsinn, sondern wenn sie sehr unglücklich sind.“

    Was für ein kluger Satz der für die damalige Zeit wirklich punktgenau passte.

    Fazit: Hotel Savoy ist für mich ein Gesellenstück von Josef Roth, in dem man die Handschrift des späten Meisters schon eindeutig und klar erkennt, das aber noch nicht ganz zur ultimativen Genialität ausgereift ist. Ein bisschen besser als 3,5 Sterne daher aufgerundet auf 4.

  24. Cover des Buches Gesammelte Werke in zwei Bänden (ISBN: 9783446170568)
    Bruno Schulz

    Gesammelte Werke in zwei Bänden

     (2)
    Aktuelle Rezension von: grossmaul
    wer dieses buch wagt, er wird belohnt werden...der Meister des Fabulierens gibt sich die Ehre....leider ist er hier zulande noch immer recht unbekannt...aber er ist wohl größer als so manch ein anderer bekannter Schriftsteller....für Liebhaber des Wortes ein muss...10steeernnne

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