Bücher mit dem Tag "exilliteratur"

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37 Bücher

  1. Cover des Buches Manja (ISBN: 9783924652005)
    Anna Gmeyner

    Manja

     (21)
    Aktuelle Rezension von: holzmair_eva

    Anna Gmeyner. Anna Who? Wie so vielen Autorinnen und Autoren der Zwischenkriegszeit wurde sie im deutschsprachigen Raum vergessen und spät wiederentdeckt. Ihr Roman "Manja" wurde vom Aufbau Verlag 2016 neu aufgelegt. Eine Freundin hat ihn mir geschenkt, und nun bin ich endlich dazugekommen, ihn zu lesen.

    Schon allein der vorweggenommene Schluss mit den betroffenen vier Buben auf der Mauer ist stark. Gleich darauf folgt die Schilderung der fünf Nächte, eigentlich einer einzigen Nacht, nur an fünf verschiedenen Orten, in denen die vier und die titelgebende Manja gezeugt werden. Das sind ungewöhnliche Erzählperspektiven und deuten auf eine Autorin, die ihr Handwerk versteht. 

    Behutsam führt uns Gmeyner so in die Welt dieser Kinder und damit in die ihrer Eltern ein: verzweifelte Intellektuelle, nach Erfolg hechelnde Absteiger und Aufsteiger als Väter, Männer, die nach oben buckeln und nach unten treten, aber auch jene, die weiter aufrecht ihre Überzeugungen leben wollen und gerade deshalb zu zerbrechen drohen; an ihrer Seite verschreckte, rücksichtslose, in den Wahn flüchtende oder verständnisvolle und selbstbewusste Frauen als Mütter, eine Gemengelage, die, verstärkt durch den aufkommenden Nationalsozialismus Kindern wenig Orientierung und schon gar keinen Halt gibt. Nur die Mauer auf einem verlassenen Grundstück wird zum Refugium für die fünf so unterschiedlichen Kinder, wo sie spielen und, angesteckt von der fantasievollen Manja, ungehindert ihren Gedanken und Träumen nachhängen. 

    Wunderbar, wie Gmeyner die guten Anlagen dieser Kinder herausarbeitet, was aus ihnen werden könnte, was jedoch nie aus ihnen werden wird, weil es die Zeiten nicht zulassen und ihre Eltern diesen Zeiten zuweilen hilflos gegenüberstehen, zudem zu feige, zu verbohrt, auf der politisch falschen Seite oder wie Harrys und Manjas Eltern "jüdisch versippt" sind. 

    Langsam, aber unaufhaltsam wird es für die fünf immer schwieriger, ihre Freundschaft aufrechtzuerhalten und so zu tun, als gäbe es die Welt abseits ihrer Mauer nicht. Sie werden in der Schule bedrängt, werden aus Furcht krank und machen aus Unerfahrenheit oder alterstypischer Angeberei falsche Behauptungen, die dem geliebten Mittelpunkt ihrer kleinen Clique  - Manja - zum Verderben werden. Selten noch habe ich derart kitschbefreite und doch berührende Kinderschicksale in der Literatur gefunden wie bei Gmeyner.

    "Manja" - das ist ein damals (Erstveröffentlichung 1938) wie heute wichtiges Buch, das die Leserin nachdenklich zurücklässt.

     


  2. Cover des Buches Schachnovelle (ISBN: 9783328106739)
    Stefan Zweig

    Schachnovelle

     (1.319)
    Aktuelle Rezension von: Alejandro_Weber

    Schlimm..mehr kann man dazu nicht sagen. Man schläft nach allen 4 Wörtern ein. Keine Spannung..der Autor mag ganz sympathisch sein, jedoch ist dieses Buch nicht gut und es tut mir dafür leid. Man hat das Gefühl nicht weiterzukommen. Extrem kleine Schrift auch und dauert sehr lange zu lesen. Schade, dass keine Kapitel vorhanden sind. Man verliert sich immer...

  3. Cover des Buches Sunset (ISBN: 9783492274180)
    Klaus Modick

    Sunset

     (51)
    Aktuelle Rezension von: beccaris

    Die beiden Zeitgenossen Lion Feuchtwanger und Bertold Brecht verband nicht nur ihr schriftstellerisches Schaffen sondern vielmehr eine tiefe Freundschaft. Trotz grossen Gegensätzen haben sich die beiden gegenseitige immer wieder inspiriert. In dieser feinsinnigen und stillen Erzählung von Klaus Modick verwebt sich Vergangenheit und Gegenwart. Lion Feuchtwanger erinnert sich in seinem Haus am Meer Kaliforniens an die wunderbare Zeit mit seinem Weggefährten und die Nachricht vom Tode Brechts, der um einige Jahre jünger war als er selbst, trifft ihn schwer. Im Inneren oft als eigenen Sohn betrachtet, führt er geistige und träumerische Zwiegespräche mit seinem fernen Freund.

    Lion Feuchtwanger reflektiert aber auch über seine literarische Arbeit, über die Umstände der Zeit, die Geschichte Israels und Palästinas und die persönlichen und weltpolitischen Katastrophen. Er hat keine Wahl, wie Klaus Modick schreibt, sondern er muss sich der Wahrheit stellen, da er an den Sieg der Vernunft glaubt.

    Ein kleines Meisterwerk, das wie ich finde, sehr lesbar und lehrreich ist, in einer gepflegten und aussergewöhnlich schönen Sprache, die jeden Satz zu einem Lesegenuss macht.

  4. Cover des Buches Die Welt von Gestern (ISBN: 9783596902583)
    Stefan Zweig

    Die Welt von Gestern

     (107)
    Aktuelle Rezension von: Patricia_Wolkenspringerin

    „Bücher sind nicht Denkmäler der Vergangenheit, sondern Waffen der Gegenwart." Dieses Zitat stammt von dem deutschen Schriftsteller und Kritiker Heinrich Laube, der zwischen 1806 und 1844 lebte.

    Was bedeutet es aber, dass Bücher nicht bloß die Vergangenheit und die damaligen literarischen, gesellschaftliche oder politischen Überzeugungen darstellen, sondern die Gegenwart noch immer prägen können, wenn man ihnen denn die Chance gibt, in das Heute einzutreten?

    Die Möglichkeit eines eindrucksvollen Nachhallens ins Heute beweist Stefan Zweigs Die Welt von Gestern. 

    Stefan Zweig (1881-1942) gehört zu den populärsten deutschsprachigen Schriftstellern des 20ten Jahrhunderts. Neben die Schachnovelle und die Sternstunden der Menschheit, findet Die Welt von Gestern bis heute ein breites Publikum.

    Stefan Zweigs autobiografisches Werk Die Welt von Gestern, welches er kurz vor seinem Tod fertig stellte und das postum veröffentlicht wurde, erzählt in 16 Kapitel die teils sehr persönlichen Ansichten des Autors, wie auch die historischen und gesellschaftlichen Umbrüche seiner Zeit. Das erste Kapitel widmet er seiner Kindheit, die er selbst als „Die Welt der Sicherheit“ beschrieben hat, bis er im letzten Kapitel zu dem Punkt kommt, an welchem sich Deutschland inmitten des zweiten Weltkriegs befindet und er, als Jude, ins Exil fliehen musste.

    Die Generation Zweigs war sowohl mit dem ersten als auch mit dem zweiten Weltkrieg konfrontiert und durch diese Autobiografie bekommt man einen guten Einblick davon, was diese Veränderungen für das gehobene Bürgertum Ende des 19ten und Anfang des 20ten Jahrhunderts bedeutet haben. 

    Heutzutage wird Europa nicht durch Krieg geprägt, sondern mit einer Situation konfrontiert, die die Menschen in zwei Fronten spaltet und die sie teils an ihre psychische, wie auch körperliche Belastungsgrenze stoßen lässt. Eine weltweite Pandemie hat im 21ten Jahrhundert Einkehr gefunden und die Menschen von heute wissen nicht, wie lange dieser Ausnahmezustand noch anhalten wird. 

    Fast tröstlich muten daher die Worte Stefan Zweigs in Die Welt von Gestern an, denn in diesem Werk tauchen viele Themen auf, die denen von heute entsprechen. Die Aktualität und Wichtigkeit dieses Werks zeigen sich anhand der politischen, gesellschaftlichen und poetischen Themen, mit denen sich Zweig neben der Beschreibung von geschichtlichen Ereignissen beschäftigt.  

    Unter anderem taucht in Die Welt von Gestern wiederholt die Frage auf, was ‚Heimat‘ wirklich bedeutet. Wir haben das Glück in einem, von Stefan Zweigs sehnlichst gewünschten, ‚vereinten‘ Europa zu leben. Seit dem zweiten Weltkrieg ist Frieden in Europa vorherrschend und doch steigt die Unzufriedenheit der Menschen.

    „Das konnte nur ein Ausbruch erster sinnloser Wut sein, sagte man sich. […] Die Welt horchte auf und weigerte sich zunächst, das Unglaubhafte zu glauben.“

    Stefan Zweig beschreibt mit diesem Zitat das Bewusstwerden der Menschen, dass der Krieg keineswegs vorbei ist, sondern ein zweiter, durch Adolf Hitler, folgen wird. Den Schock und Unglaube der Gesellschaft bringt Zweig eindrucksvoll zum Ausdruck und als Leser/in erkennt man, wie nahe man diesem Gestern ist. Die rasche Verbreitung des COVID-19 Virus Anfang 2020 rief zuerst ebenfalls weltweit Unglaube auf. Niemand hätte zu diesem Zeitpunkt geahnt, wie stark die Situation eskalieren würde. Weltweit sind bereits 5,5 Millionen Menschen durch diesen Virus gestorben und die Zahl steigt täglich weiter an. 

    Diese Zahl kann zwar nicht mit den über 60 Millionen Todesopfern des zweiten Weltkrieges, oder den 9,4 Millionen Toten des ersten Weltkrieges verglichen werden, jedoch zeigt diese Zahl, wie gefährlich dieser Virus, trotz des sehr fortschrittlichen Gesundheitssystems ist.

    Anstatt die Zahl von 5,5 Millionen Verstorbenen ernst zu nehmen und den Wunsch nach einer gemeinsamen Verbesserung anzustreben, entfernen sich die Menschen des 21ten Jahrhunderts immer mehr voneinander. Obwohl wir in einem ‚geeinten‘ Europa leben, sind sich die Menschen in ihrem eigenen Land fremd geworden. Das heutige Problem ist nicht der politische Kampf gegen andere Länder, sondern die gesellschaftliche und innenpolitische Spannung in der eigenen Heimat.

    Karl Marx schrieb: „Hegel bemerkte irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“
    Und auch Stefan Zweig schrieb in Die Welt von Gestern: „Es bleibt ein unumstößliches Gesetz der Geschichte, dass sie gerade den Zeitgenossen versagt, die großen Bewegungen, die ihre Zeit bestimmen, schon in ihren ersten Anfängen zu erkennen.“

    Die Frage ist, wo uns diese Entwicklungen hinführen werden und ob wir, wie Stefan Zweig passend schreibt, diese Bewegungen und das Ziel dieser erkennen werden. 

    Die Welt von Gestern erweckt bei der/dem Leser/in den Eindruck für unsere Generation geschrieben worden zu sein: „Den Kampf gegen den Verrat der Vernunft an die aktuellen Massenleidenschaft.“

    Die Massenleidenschaft im 20 Jahrhundert war der Kampf gegen die Unterdrückung, gegen die Dominanz anderer Staaten, die der eigenen Kultur so fremd schienen. Während die heutige Massenleidenschaft der Suche nach einem Schuldigen, den eigenen Menschenrechten und dem Protest gegen oder der Forderung nach einer Impfpflicht gewidmet ist. Ärzte sind sich nicht mehr einig mit dem, was die Forschung herausfindet und ein Blick in den Fernseher lässt die Vernunft der Menschen oft missen. 

    Die globale Krise und die Medien lassen zudem nicht zu, dass die Menschen die derzeitige Situation vergessen. Im Gegenteil, es werden Ängste, Sorgen und Hass geschürt, um diese positiv für wirtschaftliche und politische Vorteile zu nutzen. Stefan Zweig bringt diese Situation gut auf dem Punkt:

    Fast scheint es boshafte Rache der Natur an dem Menschen, dass alle die Errungenschaften der Technik,[…], ihm gleichzeitig die Seele verstören. Keinen schlimmeren Fluch hat die Technik über uns gebracht, als dass sie uns verhindert, auch nur für einen Augenblick der Gegenwart zu entfliehen. Frühere Geschlechter konnten sich in Katastrophenzeiten zurückflüchten in Einsamkeit und Abseitigkeit; uns erst war es vorbehalten, alles in der gleichen Stunde und Sekunde wissen und mitempfinden zu müssen, was irgendwo Schlimmes auf unserem Erdball geschieht.

     Bereits in seiner Zeit erkannte Zweig die Problematiken, die eine weltweite Verzweigung mit sich bringt, obwohl er nach einem geeinten Europa strebte. Im Vergleich zu den Zeitungen von früher, die für die Informationsverbreitung zuständig waren, kann man heute im Internet in Echtzeit Katastrophen nicht nur nachlesen, sondern sogar live mitverfolgen. 

    Auseinandersetzungen auf der Straße, Demonstrationen, politische Machtkämpfe, die steigende Aggressivität und Unzufriedenheit, wie auch das Aufkommen von Unruhen unter den verschiedensten Bevölkerungen Europas geben den Menschen keinen Raum, um innezuhalten und über die aktuellen Gegebenheiten zu Reflektieren. Zu viel Widersprüchliches wird von den Medien verbreitet und die Gefühle zu den jeweiligen Standpunkten sind emotionaler denn je.

    Die Frage ist nun, ob die Generation des 21ten Jahrhunderts eine Geschichte schreiben wird, die an die des 20 Jahrhunderts erinnern wird, oder ob sie einen Weg einschlagen wird, die als positives Beispiel den nachfolgenden Generationen dienen wird.

    Stefan Zweigs Die Welt von Gestern beweist, dass sein autobiografisches Werk nicht nur relevant ist, sondern auch gebraucht wird, um geschichtliche Parallelen sichtbar zu machen. Nicht nur kann sich die heutige Generation mit der damaligen zu einem gewissen Grad identifizieren, auch die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen zeigen mit der von heute Gemeinsamkeiten, die die Leserschaft zum Nachdenken anregen sollten. 

    Bücher sind daher tatsächlich nicht bloße Denkmäler der Vergangenheit, sondern zu Recht Waffen der Gegenwart, die jedoch nicht zum gegenseitigen Bekämpfen anregen sollten, sondern zum Reflektieren, Lernen und Berichtigen der gesellschaftlichen und politischen Missstände. 


  5. Cover des Buches Der Brief des Zauberers (ISBN: 9783746631424)
    Britta Böhler

    Der Brief des Zauberers

     (14)
    Aktuelle Rezension von: urwort
    „Not und Widrigkeit sind keine Hindernisse für den Schöpfergeist. Vielleicht sind sie sogar notwendige Voraussetzungen.“

    Der Schriftsteller Thomas Mann (1875-1955) gönnte sich mit seiner Familie zu Zeiten Hitlers Machtergreifung nach langen Reisen Erholung außerhalb Deutschlands. 1933 blieben seine Werke bei der Bücherverbrennung zwar verschont, dennoch wird ihm eine Heimkehr abgeraten, weshalb er sich bald im Schweizer Exil widerfindet – mit einem Bruchteil seiner Habe.

    „Man fühlt sich unbedeutend und nichtig, wenn man sich die Erde zwischen all den anderen Gestirnen vorstellt. Ein klitzekleines Sandkorn, nicht mehr. Und ein Menschenleben ist nicht einmal ein Blinzeln in der Gewaltigkeit des Weltalls.“

    Zwei Jahre sind vergangen, ihn traf noch nicht das Schicksal der anderen Exilanten, die in Deutschland nicht mehr veröffentlichen dürfen. Doch nun möchte auch er Stellung nehmen – dieses Buch handelt nicht von Thomas Mann als Autor, sondern er als Mensch mit Ängsten und inneren Zerwürfnissen tritt in den Vordergrund. Drei Tage ringt Mann mit der Entscheidung den „Korrodi-Brief“ zu veröffentlichen.

    „Wo ich bin, ist Deutschland.“

    Britta Böhler legt ein gut recherchiertes Debut vor, welches uns Buddenbrooks’ Autor aus einfühlsamer Perspektive betrachten lässt. So interessant die Geschichte auch ist, so banal ist der Schreibstil. Ob eine bewusste Vereinfachung erzielt wurde oder Roman mit Sachbuch verwechselt wurde, bliebt offen. Die Lektüre liest sich schnell, Kenntnisse über Manns Werk sind dabei nicht vonnöten; vielmehr eignet es sich als blumige Ergänzung zu dessen Biographie. Trotz der vielversprechenden Idee bleibt die Lektüre unbefriedigend.  
  6. Cover des Buches Exil (ISBN: 9783746656311)
    Lion Feuchtwanger

    Exil

     (14)
    Aktuelle Rezension von: Chris1985
    Lion Feuchtwanger - ein Meister der detailreichen Sprache, der kontrastreichen Charaktere und der pompösen Wortauswahl! Das Buch "Exil" ist ein Buch, welches seinesgleichen sucht. Ein Stück grausamer, aber wie das Buch deutlich zeigt, auch lehrreicher und wertvoller deutscher Geschichte wird hier verarbeitet. Mit seinen knapp 900 Seiten ist das Buch ein dicker Schmöker, nichtsdestotrotz konnte ich ihn nicht weglegen und musste teilweise bis spät in die Nacht weiterlesen. Alle Charaktere und Erzählstränge kann ich hier unmöglich wiedergeben. Daher nur die, die am wichtigsten erscheinen: Wir treffen zunächst Sepp Trautwein, seinerzeit ein großer Komponist in Deutschland, der jedoch nach Paris gegangen ist, als die Nazis nach der Machtergreifung strebten. Er lebt mit seiner Frau Anna und seinem Sohn Hanns in kleinen, beengten zwei Zimmern. Außerdem wird von der Entführung Friedrich Benjamins, einem bekannten Journalisten, der sich gegen die Nazis stellt, berichtet.Eben diese Entführung entrüstet Sepp, unseren Komponisten, derart, dass er sich entschließt, von nun an "in Politik zu machen", wie er selber sagt, und die Musik ruhen zu lassen. Er will für die Befreiung Benjamins kämpfen. Ein Kampf wie David gegen Goliath! Im Rahmen dieses Kampfes treten immer mehr Charaktere auf. Manche gänzlich schwarz oder weiß in politischer Hinsicht dargestellt, manche noch unentschlossen, welche politische Richtung sie befürworten. Es kommt zu einigen grausamen und erschreckenden Zwischenfällen. Letztendlich kehrt Sepp aber doch wieder zu seiner Musik zurück und komponiert die Sinfonie "Der Wartesaal". Der TItel dieses Musikstücks steht exemplarisch für das ganze Buch - genial gemacht von Feuchtwanger! Wie er seine Charaktere mit der Komposition Trautweins abstimmt! Generell hat Feuchtwanger einen Blick für die richtige Kombination. Zwar werden dem Leser sehr viele Personen vorgestellt, aber irgendwie gehören sie doch alle zusammen - zwar nicht öberflächlich, aber sehr wohl, wenn man tiefer blickt. Mit seiner bildreichen Erzählkunst und seinem kontrastreichen Wortepertoire hat mich Feuchtwanger beeindruckt. Ich habe großen Respekt vor diesem Autor, der einst selbst Exilant war und in diesem letzten Teil der "Wartesaal"-Trilogie seine Erfahrungen eingebracht hat, wie es kaum ein anderer Autor hätte fertigbringen können. Ein Meisterwerk deutscher Literatur - politisch und geschichtlich sehr anspruchsvoll, jedoch trotzdem sehr nah an den Menschen dieser Zeit und dessen persönlichen Schicksalen!
  7. Cover des Buches Das siebte Kreuz (ISBN: 9783746634692)
    Anna Seghers

    Das siebte Kreuz

     (223)
    Aktuelle Rezension von: Tausendléxi

    >Das siebte Kreuz <, geschrieben von einer in Frankreich lebenden Emigrantin, spielt 1937 in Deutschland und erzählt die Geschichte von Flüchtlingen aus einem Konzentrationslager. Geschrieben von einer Kommunistin, ist es gleichwohl kein politisches Kampfbuch. Denn es kennt keine Aggressivität: Die Trauer der verjagten Autorin ist stärker als ihre Empörung. Nicht ein Rachegesang ist > Das siebte Kreuz<, sondern eine Elegie, nicht ein Buch des Hasses, sondern der Barmherzigkeit. Im Unterschied zu den meisten ihrer Romane verkündet Anna Seghers hier keine Philosophie, sie wirbt für keine Ideologie, sie deutet kein Programm an. Ihr ist nur noch die einzige Hoffnung geblieben: die Redlichkeit, die Rechtschaffenheit des Individuums. Im innersten gäbe es etwas, > was unangreifbar war und unverletzbar<. So überwinden die Menschen auf dem Fluchtweg jenes Mannes, auf den im Konzentrationslager das siebte Kreeuz wartet, ihre Angst und helfen dem Ausgestoßenen. Das poetische Meisterwerk ist zugleich ein Kriminalroman, doch mit ungekehrten Vorzeichen: Verbrecher in den Uniformen der SS und SA verfolgen einen Unschuldigen.

    > Marcel Reich – Ranicki <

    Aus sieben gekappten Platanen wurden im Konzentrationslager Westhofen Folterkreuze für sieben geflohene Häftlinge vorbereitet. Sechs der Männer müssen die Flucht mit dem Leben bezahlen. Das siebste Kreuz aber bleibt frei: Georg Heisler kann entkommen, er findet den Weg in die Freiheit. Sein langer, dramatischer Fluchtweg gleicht einem sezierenden Schnitt durch Schichten und Mentalitäten des nationalsozialistischenDeutschlands.

    Dieser Roman von Anna Seghers läßt uns Leser nach Beendigung des Buches in einem riesigen Vakuum, gefüllt mit Emphatie und Beklemmung, etwas mitgenommen zurück. Wir werden uns bewußt, dies war die Zeit bevor die ganze Welt Kopf stand. Das Übel brodelte schon massiv, der Gestank dieser braunen Kloake schwebte unheilvoll über das Land.

    Das siebte Kreuz, ist das antifaschistische Buch schlechthin und gehört zu Recht in den Kanon der Literatur. Es sollte als allgemeine Schullektüre integriert werden.

    Klare Leseempfehlung !


    “ Dieses Buch ist den toten und lebenden Antifaschisten Deutschlands gewidmet.“

    Anna Seghers

  8. Cover des Buches Nach Mitternacht (ISBN: 9783548060460)
    Irmgard Keun

    Nach Mitternacht

     (26)
    Aktuelle Rezension von: Alice-33
    Nein, so hatte sie es sich nicht gedacht…
    Susanne – Sanna - das 19jährige Mädchen vom Land sucht ihre Chancen in der Großstadt. Hier erlebt sie die Anfänge des Hilterlismus (1933-36) und schildert in ihrer naiven Sprache, was sie sieht, hört und erlebt. Doch gerade diese scheinbare Naivität ist es, die die bürokratisierte Tyrannei, die weitreichenden gesellschaftlichen Veränderungen, die lebensbedrohende Verlogenheit aber auch die Persönlichkeit jedes Einzelnen, seine Einstellung, sein Verhalten, sein Tun und seine Motive umso deutlicher erkennen lässt. Irmgard Keun lässt ihre Sanna das alles aus eigenem unmittelbaren Erleben und der ihr adäquaten Sprache erzählen: humorvoll, ironisch, sarkastisch, traurig und bitterböse. Ein wunderbarer Roman der trotz seiner Kürze ungeheuer viel zu vermitteln und zu erklären vermag.
  9. Cover des Buches Mephisto (ISBN: 9783499276866)
    Klaus Mann

    Mephisto

     (317)
    Aktuelle Rezension von: sKnaerzle

    Als Klaus Mann den Roman  schrieb wollte er eine Wirkung erzielen und sein Qualitätsmaßstab war, ob er diese Wirkung erreichte oder nicht. Mein Maßstab ist notwendigerweise ein anderer.

    Der Ich Erzähler behauptet steif und fest, der Held der Geschichte, der eitle Schauspieler Höfen sei ein Karrierist, einer, der alles für seine Karriere tut und sich den Nazis andient. Aber mehr als ein Mitläufer wird aus ihm nicht. Er schafft es zwar, in den unmittelbaren Umkreis der Macht zu gelangen, aber zu mehr als einem Hofnarren, langt es bei ihm nicht. Er gibt sich nicht einmal als Nazis und seinem anfallsweise auftretendem schlechten Gewissen gibt er auch immer wieder nach.

    Klaus Mann benutzte vorallem eine realistische Palette, dabei viele Klischees. Seinem Hofgen ist weder dämonisch noch lächerlich.

    Interessanter sind die Einblicke ins Schauspielerleben, die man in dem Roman erhält.


  10. Cover des Buches Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui (ISBN: 9783518739952)
    Bertolt Brecht

    Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui

     (40)
    Aktuelle Rezension von: Jukuluba
    Es fing an als ein langweiliges Drama, welches Zwangslektüre in der Schule war. Es endete damit, dass ich richtig begeistert davon war. Wie Brecht die ganzen Personen beschreibt, einfach spannend und faszinierend. Ich würds jedem empfehlen, der sich gern mit Dramen befasst.
  11. Cover des Buches Erfolg (ISBN: 9783351023928)
    Lion Feuchtwanger

    Erfolg

     (35)
    Aktuelle Rezension von: Herbstrose

    Mit dem Selbstmord von Fräulein Anna Elisabeth Haider fing alles an. Jetzt wird der in Ungnade gefallene Kunsthistoriker und Direktor der Staatlichen Galerien, Dr. Martin Krüger, angeklagt, mit dem besagten Fräulein ein unsittliches Verhältnis gehabt zu haben. Und dies nur, weil er sich erdreistete, im so sittsamen München ein Akt-Selbstportrait der Genannten in den Gemäldesammlungen auszustellen. Er leugnet, wird aber aufgrund falscher Zeugenaussagen zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Seine Freundin und Lebensgefährtin Johanna Krain versucht nun, mit Hilfe einiger verbliebener Freunde, Einfluss in Regierungskreisen zu bekommen, um Krügers Unschuld zu beweisen und seine Freiheit wieder zu erlangen. Es wird lange dauern, sehr lange, bis es gelingt - doch leider zu spät …

    Der jüdisch-orthodoxe Autor Lion Feuchtwanger (geb. 7. Juli 1884 in München - gest. 21. Dezember 1958 in Los Angeles) erkannte sehr früh die drohenden Gefahren durch Hitler und die NSDAP und verarbeitete dies in seinem 1930 erschienenen Roman „Erfolg“. Dieser spielt zu Beginn der 20er Jahre hauptsächlich in München und näherer Umgebung und zeichnet sehr gut ein Sittenbild der damaligen Zeit. In der Figur des Rupert Kutzner und den „Wahrhaft Deutschen“ ist Adolf Hitler und seine aufstrebende Nazi-Partei gut zu erkennen. Einige weitere zeitgeschichtliche Figuren sind ebenfalls, mehr oder weniger versteckt, eingearbeitet. So ist mit dem Komiker Balthasar Hierl unverkennbar Karl Valentin gemeint, Bertold Brecht tritt unter dem Namen Kaspar Pröckl auf, bei den Schriftstellern Dr. Josef Pfisterer und Dr. Lorenz Matthäi denkt man an Ludwig Ganghofer und Ludwig Thoma, um nur einige zu nennen, und nicht zuletzt trägt die Figur des Jacques Tüverlin autobiografische Züge des Autors Lion Feuchtwanger.

    Der Roman ist ein großartiges Panorama seiner Zeit. Feuchtwanger macht auch vor politischen Intrigen und Hinterhältigkeiten nicht Halt und zeichnet amüsant aber dennoch schonungslos das pralle bajuwarische Leben auf. Der Umfang des Buches mag vielleicht abschrecken und einige Längen zwischendurch verleiten gar zum Aufgeben, dennoch sollte man unbedingt durchhalten. Es lohnt sich!
  12. Cover des Buches Das Buch der verbrannten Bücher (ISBN: 9783462309638)
    Volker Weidermann

    Das Buch der verbrannten Bücher

     (32)
    Aktuelle Rezension von: LolitaBuettner
    Dass ich dieses Buch gelesen habe, ist Zufall. Ich entdeckte es in einer Kiste auf der Straße. Ein alter Karton, in dem angegriffene Bücher lagen, zugedeckt mit einem Zettel "zu verschenken".

    Ich habe DAS BUCH DER VERBRANNTEN BÜCHER eigentlich nur gegriffen, weil mich der roségoldene Schriftzug anleuchtete. Als ich es in der Hand hielt, dachte ich, oh je - so ein selbst verlegtes Ding. Der Einband und die Aufmachung sind furchtbar.

    Zum Glück las ich die Inhaltsangabe. Thema: Bücherverbrennung. Jemand hat sich mit den in Asche aufgelösten Büchern jener Nacht 1933 beschäftigt, sich die Mühe gemacht, die längst vergessenen Bücher und Autoren neu aufleben zu lassen. Wie spannend!

    Und so liest es sich. Natürlich ist nicht jedes der damals verbrannten Bücher ein literarischer Meisterschlag - aber hinter den Büchern und Autoren stecken echte Geschichten, mal leidvoll, mal erfolgreich, mal rührend, mal unspektakulär.

    Jedem Buch und jedem Autor zugleich ist ein Kapitel gewidmet. Der Leser muss also DAS BUCH DER VERBRANNTEN BÜCHER nicht auf einmal lesen. Ich selbst legte es weg, nahm es wieder zur Hand, las darin und vergaß das Buch dann wieder für Wochen.

    Toll, was der Autor Volker Weidermann hier geschaffen hat. Ich finde, das Buch sollte in die Schule zum UNterrichtsstoff gehören - dann mit einem ansprechenderen Einband, mehr Aussagekraft. Das Buch erinnert daran, dass in der NS-Zeit nicht nur Menschen ausgelöscht wurden, sondern auch Kultur und Stimmen.
  13. Cover des Buches Die Liebe in Gedanken (ISBN: 9783351037673)
    Peter Michalzik

    Die Liebe in Gedanken

     (5)
    Aktuelle Rezension von: Beate_Kraus

    Während der Briefwechsel zwischen Marina Zwetajewa, Boris Pasternak und Rainer Maria Rilke teilweise schwer zu verstehen und umständlich formuliert ist, wird in diesem Buch ein Überblick gegeben, der uns in eine turbulente Zwischen-Epoche mitnimmt. Die Geschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts beutelt die drei Dichter*innen ganz gehörig. Zwei von ihnen sind im Exil, der Dritte wird zuhause in Moskau nicht froh. Die alte Welt, die sie kannten, geht unter, während die neuen Zeiten nichts Gutes verheißen. 

    Zwischen Marina Zwetajewa und Boris Pasternak entsteht ein Schriftwechsel, der zögerlich beginnt, dann aber immer mehr an Fahrt aufnimmt. Nach einiger Zeit zieht die junge Frau auch Rilke mit in diese Konstellation hinein, wodurch sich wieder eine neue Dynamik entwickelt. Der Autor, Peter Michalzik, schildert all dies so spannend, dass man das Buch gar nicht aus der Hand legen mag.

    Viele der Gedichte der drei Lyriker*innen lassen sich nach der Lektüre des Buches besser verstehen. - Übrigens kennt man Pasternak ja vor allem als Autor des "Doktor Schiwago", er selbst hat sich aber immer als Lyriker verstanden. Er hat sehr intensiv an der Frage geforscht, welche Art von Dichtung einem neuen Zeitalter gerecht wird. (Ob er die Aufgabe gut gelöst hat, wird hier nicht diskutiert, nur angeschnitten.)

    Ziemlich genau 100 Jahre nachdem der Briefwechsel stattfand, ist es unglaublich spannend, über die Zeit und ihre Schriftsteller*innen zu lesen. Gerade jetzt, wo die Beschäftigung mit der Geschichte Russlands wieder interessant wird...

  14. Cover des Buches Simone (ISBN: 9783351022112)
    Lion Feuchtwanger

    Simone

     (6)
    Aktuelle Rezension von: Jossele

    Simone ist ein Roman Feuchtwangers, dessen wesentlicher Inhalt bereits 1942/1943 als Drama mit dem Titel „Die Geschichte der Simone“ erschien, das Feuchtwanger und Brecht zusammen schrieben. 1944 machte Feuchtwanger einen Roman daraus.

    Erzählt wird die Geschichte der erst 15-jährigen Simone, die 1940 in dem von den deutschen Faschisten besetzten Frankreich, inspiriert von ihrem Wissen und den Träumen über Jeanne d’Arc, einen Anschlag auf den Fuhrpark ihres Onkels verübt, als die deutschen Soldaten in ihr Heimatdorf einmarschieren, um zu verhindern, dass Fahrzeuge und Benzinvorräte in die Hände der Deutschen geraten.

    Die Sprache ist logischerweise zum Teil etwas altertümlich, aber stets gut verständlich und lesbar, z.B. „…drei Polizisten hielten Wacht.“ (Aufbau TB, 1. Aufl. 1996, S. 92) oder der „Einholekorb“ statt Einkaufskorb.

    Feuchtwanger, der alte Meister des historischen Romans zeichnet hier Parallelen zwischen der französischen Nationalheiligen Jeanne d’Arc und einer jungen, patriotischen Französin der Gegenwart im Zweiten Weltkrieg. In beiden Fällen werden die Protagonistinnen von den mächtigen Menschen ihrer Umgebung verdammt und nur von einzelnen machtlosen Menschen bewundert. Erst in der Rückschau von nachfolgenden Generationen kommt ihnen die Bewunderung und der Respekt zu, den sie sich verdient haben.

    Die Bewunderung und Aufmunterung, die Simone am Ende des Romans von der Menschenmenge zuteil wird, deutet bereits an, dass ihre Tat später in einem anderen Licht betrachtet werden wird. Insofern steckt in diesem Roman auch Hoffnung auf das Ende dunkler Zeiten. Drei Sterne.

  15. Cover des Buches Die Insel des zweiten Gesichts (ISBN: 9783548605142)
    Albert Vigoleis Thelen

    Die Insel des zweiten Gesichts

     (10)
    Aktuelle Rezension von: Jona_DER_Jona

    Welch Schande, dass ein Autor, dessen Werk als Prestigeobjekt der deutschen Literaturszene dienen müsste, sich in solcher Unbekanntheit ergeht. Wie Schade, dass dein trockener Witz, dein Kaktusstil, deine ewigen und wunderschönen Riesenkonstrukte von Sätzen und dein unvergleichlicher Charme, deine sarkastische Selbstbetrachtung mit dir zu Grabe getragen wurden und wie schade, dass deine Beatrice die Fortsetzung der Insel wohl verbrannt hat, es sei denn dies ist auch nur Teil einer deiner großartigen und zeitaufwändigen Pointen.

  16. Cover des Buches Vor Rehen wird gewarnt (ISBN: 9783462017014)
    Vicki Baum

    Vor Rehen wird gewarnt

     (1)
    Noch keine Rezension vorhanden
  17. Cover des Buches Die dunklen Jahre (ISBN: 9783990650448)
    Friederike Manner

    Die dunklen Jahre

     (1)
    Aktuelle Rezension von: Magicsunset

    „Und wie oft dachte ich, ich sei erloschen, und dann kam ein neuer Brand und weckte mich zu unerhörter Wachheit. Das eine, glaub ich, hab‘ ich doch verstanden: was Goethe mit seinem „Stirb und Werde“ meinte.“ (Zitat Seite 403)

     

    Inhalt

    Der Arzt Ernst und seine Frau Klara, Verlagslektorin, haben gerade beschlossen, die längst gescheiterte Ehe durch Trennung zu beenden, noch überlegen sie, wie sie es den beiden Kindern Stella und Friedel sagen. Doch was 1934 begonnen hat, ist nun, im Frühjahr 1938 Realität geworden, Hitler und der Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich. Ernst ist Jude und für Klara ist es selbstverständlich, nun bei ihrem Ehemann zu bleiben, obwohl ihr wiederholt nahegelegt wird, die Ehe auflösen zu lassen. Vor allem jedoch geht es um die Rettung der beiden Kinder. Die erste Station ist ein strenges Kinderheim in der Schweiz, während Ernst endlich eine Ausreiseerlaubnis erhält und nach Belgrad ausreist. Doch Klara hält es in der Schweiz nicht aus und sie reist mit Stella und Friedel ebenfalls nach Belgrad, mitten in die von den Deutschen besetzte Stadt, in Hunger, Kälte, Gefahr, den täglichen Kampf um das Überleben, Alltag und die kleinen Freuden der frühlingshaft blühenden Natur, Freunde und gegenseitiges Helfen, wo sie, die Deutsche in Belgrad, es nicht erwartet hat. Belgrad wird vorübergehend so etwas wie Heimat für sie. „Voller Bitterkeit stellen wir fest, dass wir allen Grund haben, Hitler dankbar zu sein. Auf diese Weise sehen wir die Welt.“ (Zitat Seite 84)

     

    Thema und Genre

    Dieser autobiografische Roman beginnt im Februar 1934 und endet am letzten Tag des Jahres 1945. Themen sind Flucht, Exil, Krieg, Widerstand, Mut, aber auch Familie, Zusammenhalt, Freundschaft.

     

    Charaktere

    Klara ist eine starke Frau, die trotz aller Zweifel und Erschöpfung am Leben nicht aufgibt, sie kämpft für das Überleben ihrer beiden Kinder. „Ich mag mich nicht belügen. Lieber will ich verzweifeln – vielleicht ist Verzweiflung die einzige Form der Tapferkeit, die in so dunkler Zeit noch gilt.“ (Zitat Seite 232)

     

    Handlung und Schreibstil

    Klara schreibt als Ich-Erzählerin einen tagebuchartigen Bericht dieser Zeit, chronologisch gliedert sie die Handlung in die einzelnen Jahre, berichtet auch über die übergeordneten politischen Ereignisse. Doch vor allem geht es um ihre eigenen Gefühle zwischen Hass, Liebe und Verzweiflung, den Alltag im von den Deutschen besetzten Belgrad. In den Wintern Kälte, Hunger, Sorgen um den kranken Friedel, im Frühling und Sommer beinahe unbeschwerte Stunden in der blühenden Natur, ein gerettetes Katertier als Zeichen der Hoffnung, Momente der gemeinsamen Freude, um das Grauen irgendwie ertragen zu können. Klara schreibt offen, beobachtet genau, berichtet, sie schont niemanden, weder sich selbst, ihre noch ihre Mitmenschen. Immer wieder die Frage, wie es so weit kommen konnte, warum die Menschen in Deutschland und Österreich sich nicht rechtzeitig erhoben und gewehrt haben, denn anders als die Juden hatten sie die Wahl und konnten sich entscheiden. Erstmals ist dieser autobiografische Romanbericht von Friederike Manner 1948 unter dem Pseudonym Martha Florian im Wiener Verlag erschienen, am 22.02.2021 erfolgte diese Neuauflage durch den Wiener Verlag Edition Atelier.

     

    Fazit

    Ein zeitlos aktuelles Beispiel von Exil- und Erinnerungsliteratur, das sich eindrücklich und tief in unsere Gedanken prägt und die Vielschichtigkeit des Erlebten in dieser Zeit beleuchtet. Ein Buch, das mich sprachlos macht, man sollte es unbedingt lesen.

  18. Cover des Buches Das Krähennest (ISBN: 9783990650509)
    Martina Wied

    Das Krähennest

     (1)
    Aktuelle Rezension von: Magicsunset

    „Niemand könnte einsamer sein, als ich es bin, keiner der alten Freunde – soweit sie noch erreichbar wären – kennt meinen Aufenthalt und wer hier mit mir umgeht, weiß nicht, wer ich war, wer ich bin: eine Sprachlehrerin, die ihr Fach leidlich versteht.“ (Zitat Seite 73)

     

    Inhalt

    Madeleine de la Tour verlässt ihren langjährigen Partner Ernest Mathieu Le Sieutre und gibt ihre erfolgreiche Tätigkeit als Kunsthistorikerin in Paris auf, als sie aus dem von den Nationalsozialisten besetzten Paris nach England flieht. Anders als Ernest ist sie nicht bereit, sich mit den Besatzern zu arrangieren, obwohl sie sich immer wieder fragt, ob es nicht mutiger und wichtiger gewesen wäre, zu bleiben und in Paris Widerstand zu leisten. Als Tochter eines französischen Vaters und einer österreichischen Mutter ist sie in der Lage, in England als Sprachlehrerin zu arbeiten. Aus den zahlreichen Angeboten wählt sie die Télème-Abtei-Schule, ein Londoner Privatinternat, das nun jedoch auf dem weitläufigen Lavendelhof in einer abgeschiedenen, vor den deutschen Bomben sicheren, ländlichen Gegend beheimatet ist. Der liberale Erziehungsstil in Koedukation spricht sie an, doch beginnt sie bald zu erkennen, warum alle hier die Schule nur „Krähennest“ nennen, denn nicht einmal in diesem geschützten Umfeld verläuft das Leben so friedlich, wie Leontes, der Prinzipal, es vorgibt.

     

    Thema und Genre

    Die Autorin lebte selbst von 1939 bis 1947 im Exil in Großbritannien und war dort als Mittelschullehrerin tätig. Begonnen hat sie diesen Roman 1944, beendet 1948. 1947 lehrt sie nach Österreich zurück, doch erst Ende 1951 findet sich ein Verleger für diesen Roman, in dem es um alle Aspekte eines Lebens im Exil geht, um Entwurzelung, Selbstzweifel und als Gegensatz Anpassung aus Bequemlichkeit geht. „Es ist unser Verhängnis – ist ein Attribut unseres Exils, daß wir immer im Vergangenen leben.“ (Zitat Seite 276).

     

    Charaktere

    Die Autorin wählt einzelne Figuren, denen sie durch die gesamte Handlung folgt und zeigt an ihnen die steten, zunächst kaum bemerkbaren Veränderungen, im kleinen, geschätzten Bereich der Schule und in der besetzten Großstadt Paris. Es geht um die vielen Formen von menschlichen Beziehungen, die Konflikte zwischen Abhängigkeit, Stillschweigen, Heuchelei, Selbsttäuschung, Enttäuschung, Freundschaft, Liebe und Verrat.

     

    Handlung und Schreibstil

    Die Autorin wechselt wiederholt zwischen den Erzähl- und Handlungsebenen. Sie wählt unterschiedliche Erzählformen, indem sie die Geschichte teilweise als Briefe, Zeitungsmeldungen, Rundfunkberichte, innere Monologe, Träume erzählt, dann wieder als allwissende Erzählerin berichtet und sogar mit ihren Figuren diskutiert. Die Sprache entspricht der Zeit, in der dieser Roman geschrieben wurde und ich hatte zunächst Mühe, mich in diese ausufernden, teilweise überschäumenden Schilderungen und langatmigen inneren Monologe einzulesen. Doch die Vielfalt der Themen und das weite Spektrum der Fragen im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit dieser Zeit, metaphorisch und direkt, machen diesen Roman zu einer eindrücklichen, interessanten Lektüre, die zum intensiven Nachdenken anregt.

     

    Fazit

    Dieser lange vergessene Roman wurde 2021 von dem Wiener Verlag Edition Atelier neu herausgegeben und ist ein interessanter, wichtiger Beitrag der österreichischen Exilliteratur, nicht einfach zu lesen, doch es lohnt sich.

     

     

  19. Cover des Buches Flucht (ISBN: 9783442471645)
    Patricia Cornwell

    Flucht

     (150)
    Aktuelle Rezension von: Schnattchenx3

    Patricia Cornwells - Flucht ist vormals als als ein Mord für Kay Scarpetta veröffentlicht worden. Die Erstausgabe erschien 1990 in Englisch und 1992 in Deutsch. Damit ist dieses Buch nun mehr als 25 Jahre alt. Dies ist bezüglich der beschriebenen Techniken durchaus zu spüren, was jedoch kein Nachteil ist. 

    Um Dr. Kay Scarpetta handelt es ich um den Chief Medical Examiner in Richmond, Virgina. In einer Welt, die von Männern dominiert ist, ist Kay eine Ausnahme, die immer wieder auf Herausforderungen und Schwierigkeiten trifft.

    Diese Geschichte beginnt mit Briefen des Opfers, Beryl Madison, die ihren Tod bereits vorher sieht. Während sie sich auf der Insel Key West zum schreiben ihres Buches versteckt, schreibt sie auch an die unbekannte Person M. Nach dem Prolog startet der Fall nicht direkt am Tatort mit dem Fund der Leiche, sondern im Leichenschauhaus. Dem Leser wird anschaulich die Verletzungen und Todesumstände von Beryl dargelegt. Diese Stelle ist immer besonders wichtig und charakterisiert die Kriminalromane von Patricia Cornwell: der Mittelpunkt ist eine Chief Medical Examinerin, die mti den Opftern leidet und persönliches Interesse hat den Opfern Gerechtigkeit zu zuführen. 

    Aufgrund diesen persönlichen Hintergrunds ist es auch nicht überraschend, dass uns auf den gemeinsamen Weg mit Kay weitere persönliche Beziehungen und Konflikte begegnen. Zum einen gibt es Marino, ihr Partner der bei der Polizei, der für sich alleine schon ein Konflikt in sich darstellen kann. Durch die verschiedenen Ansichten reiben sich Kay und er immer wieder. Jedoch werden durch ihre kleinen Auseinandersetzungen neue Ermittlungsansätze geboren. In diesem Band taucht auch auf einmal Kays Jugendliebe Mark wieder auf. Das wirft sie aus der Bahn, insbesondere nachdem er irgendwie Teil des Falls wird. Kann Sie ihn trauen?

    Bis zum Schluss bleibt es ein Rätsel, warum Beryl den Mörder in ihr Haus gelassen hat - & warum weitere Personen sterben müssen. 

    In allem ein Buch voller Irrungen und Wirrungen, wo auf den ersten Blick nicht alles so ist wie es scheint.

  20. Cover des Buches Der Vulkan (ISBN: 9783644001381)
    Klaus Mann

    Der Vulkan

     (19)
    Aktuelle Rezension von: Magicsunset

    „Man kann die Gewalt durch Gewalt besiegen, aber nicht aus der Welt schaffen. Der verhängnisvolle Irrtum ist, zu meinen, daß der Zweck die Mittel heilige.“ (Zitat Pos. 4411)

     

    Inhalt

    Dieser Roman umfasst etwa 550 Seiten. Er beginnt mit einem Prolog im April 1933, gefolgt von den drei Teilen 1933-1934, 1936-1937, 1937-1938 und endet mit einem Epilog am 1. Januar 1939. In diesem Zeitrahmen werden die Schicksale von Menschen im Exil geschildert. Es waren Wissenschaftler, Geschäftsleute, politische Flüchtlinge, vor allem jedoch Künstler, darunter viele Schriftsteller. Sie alle hatten in der Zeit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten ihre Heimat Deutschland verlassen müssen und versuchen nun, nach dem Verlust der Heimat, Identität, ihres gesamten bisherigen Lebens, in einer ihnen oft fremden Welt klarzukommen. Sie treffen einander in Städten wie Paris, Amsterdam, in der Schweiz, in Spanien und in den USA. Es sind Einzelschicksale, die jeweils chronologisch in unterschiedlichen Handlungssträngen geschildert werden, und im Laufe der Handlung manchmal aufeinandertreffen, sich kreuzen, sich verbinden und auch wieder trennen. Doch alle Exilanten haben eines gemeinsam: gespannt verfolgen sie die Ereignisse in Deutschland, diesem Land, das einem gefährlichen Vulkan vor dem alles vernichtenden Ausbruch gleicht.

     

    Thema und Genre

    Dieser autobiografische Roman ist 1939 erschienen und wird heute als eines der wichtigsten Beispiele der deutschen Exilliteratur genannt. Es geht um die Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland, die Flucht der vorwiegend jüdischen Intellektuellen und Bildungsbürger, und die vielen damit verbundenen wirtschaftlichen, aber vor allem menschlichen, Probleme eines unsicheren Lebens im Exil, um Verlust, Entwurzelung und den Versuch, sich unter völlig veränderten Bedingungen zurechtzufinden.

     

    Über diese Ausgabe

    Wer nicht das Glück hat, Werke wie dieses in einer alten, gebundenen Ausgabe zu besitzen, dem kann ich diese Sammlung empfehlen. So gut wie kostenlos erhält man folgende Romane: DER VULKAN, MEPHISTO, SYMPHONIE PATHÉTIQUE, FLUCHT IN DEN NORDEN,TREFFPUNKT IM UNENDLICHEN, ALEXANDER, DER FROMME TANZ. Die übersichtlich gestaltete Inhaltsangabe macht es einfach, den jeweiligen Roman zu finden und zu lesen.

     

    Fazit

    Romane wie dieser sind auf Grund des realen geschichtlichen Hintergrundes zeitlos gültig und wichtige Einblicke in die politischen Veränderungen einer Zeit, die weniger als einhundert Jahre entfernt ist. Über Klaus Mann und seine Werke gibt es umfassende Fachliteratur und Interpretationen von namhaften Literaturwissenschaftlern, daher ist es nicht meine Absicht, mich hier an einer Rezension zu versuchen. Was mich neben Handlung und Themen beim Lesen dieses Romans persönlich begeistert hat, sind die unterschiedlichen Erzählperspektiven, in Verbindung mit einer eleganten Sprache, die ebenfalls zeitlos ist und genau beobachtet und schildert. Gerade in der heutigen Zeit regt die Vielfalt der brisanten Themen, die Klaus Mann in diesem Roman aufwirft, die Konflikte, Gedanken, Feststellungen und auch politisch relevanten Überlegungen zum Nachdenken an.

  21. Cover des Buches Der Ausflug der toten Mädchen (ISBN: 9783746634708)
    Anna Seghers

    Der Ausflug der toten Mädchen

     (31)
    Aktuelle Rezension von: Ferrante
    Nach "Sonderbare Begegnungen" ist dies der zweite Band von Erzählungen Anna Seghers', der mir in die Hände fiel. "Der Ausflug der toten Mädchen" beschreibt autobiographisch die Situation der Autorin im Exil in Mexiko. In einer traumhaften Vision wird der Werteverfall in Deutschland durch die Nationalsozialisten anhand der ehemaligen Mitschülerinnen Seghers' vorgeführt. "Post ins gelobte Land" beschreibt zuerst protokollhaft die Flucht einer jüdischen Familie aus Polen über Wien nach Paris, wo auch Seghers zuerst im Exil war. Während man anfangs dieses Aufzählen von Fakten irritierend findet, wird am berührenden Schluss klar, dass der Leidensweg der Familie durch den Krieg dazu dient, das Ende der Familienmitglieder im richtigen Zusammenhang zu sehen. "Das Ende" schließlich erzählt mitreißend die hektische und gehetzte Flucht des KZ-Wachmannes Zillich vor seiner Gefangennahme und schildert dabei eindringlich das Innenleben des Sadisten und sein Fliehen vor sich selbst und der Vergangenheit. Am Ende wird klar, dass durch den Sieg über die Nationalsozialisten noch längst nicht alles erreicht ist. Wie alle Geschichten klingt auch diese wunderbar leichtfüßig damit aus, und wieder beeindruckte mich Seghers mit ihrer Mischung aus unprätentiöser, intelligenter Schlichtheit und durch die Zeilen hindurchschimmernder Spiritualität. Auch wer ansonsten nichts mit Anna Seghers am Hut hat, sollte hier mal reinschnuppern, denn zu der wichtigsten deutschen Exilliteratur gehört dieser Band allemal!
  22. Cover des Buches Transit (ISBN: 9783746637877)
    Anna Seghers

    Transit

     (85)
    Aktuelle Rezension von: juergen_schmidt
    Zeitlos gut und ewig aktuell ist dieser frühe Roman von Anna Seghers, Tochter eines Kunst- und Antiquitätenhändlers. Die südfranzösische Hafenstadt Marseille ist im Kriegsjahr 1940 eine brodelnde Metropole voll von verzweifelten Menschen, die auf gefälschte Papiere und Möglichkeiten zur Flucht warten. Die Stimmung rund um die Canebière wird von der Autorin (1900-1983) authentisch und sehr bildhaft eingefangen. Die berührende Flüchtlingsgeschichte wurde zu einem großen Stück Weltliteratur. Noch beeindruckender als "Das siebte Kreuz"!
  23. Cover des Buches Pazifik Exil (ISBN: 9783596174348)
    Michael Lentz

    Pazifik Exil

     (19)
    Aktuelle Rezension von: dominona
    Tja, manche Bücher sind wie die Weltmeisterschaft im Gewichtheben, da kommt immer mehr dazu, ach ein bisschen geht noch, und plötzlich ist es zu viel.
    Die Idee, das Exil-Dasein einfangen zu wollen, indem man bekannte deutsche Schriftsteller, die es allesamt wirklich zur Zeit des Dritten Reichs ins Exil zog, am Pazifik zusammen kommen lässt, ist gut. Man kann historisch genau bleiben, hier und da aus Werken und Originaldokumenten zitieren und dann passt das schon. Leider nicht, denn es verkommt zu einer Art Puppentheater, literarisch hochwertig zwar, aber dennoch nur eine Skizze, ein Versuch mit schalem Nachgeschmack.
  24. Cover des Buches Der falsche Nero (ISBN: 9783746656328)
    Lion Feuchtwanger

    Der falsche Nero

     (6)
    Aktuelle Rezension von: Heike110566
    Lion Feuchtwanger (1884-1958) ist laut "Metzler Autoren Lexikon" (Ausg. 2004) einer "der auflagenstärksten deutschsprachigen Schriftsteller überhaupt" weltweit gesehen. Dennoch war er nach Ende des Zweiten Weltkrieges in den westlichen Besatzungszonen und später auch in der BRD verdrängt und lange Zeit vergessen worden. In der DDR hingegen waren seine Werke von Anfang an Bestandteil der aktuellen Literaturneuauflagen. Besonders interessant sind seine historischen Romane, die im Gewand früherer Epochen aktuelle brisante Themen aufgriffen. So auch in dem 1936 im südfranzösischen Exil entstandenen Roman "Der falsche Nero", in dem es um die gesellschaftliche Situation in Nazi-Deutschland eigentlich geht. Der römische Senator Varro, einst Freund und Günstling von Kaiser Nero, inzwischen aber, auf Grund dieser Freundschaft, von der Liste des Senats gestrichen, lebt als reicher Privat- und Geschäftsmann in Syrien. Eigentlich könnte er so zufrieden sein. Was ihm aber fehlt, ist Macht. Macht um seine Ideale, die denen des Nero nahestehen, zu verwirklichen. Deshalb sinnt er auch immer wieder nach Möglichkeiten seinen Einfluss zu erweitern. Als sein ehemaliger Widersacher Cejon Gouveneur vom römisch kontrollierten Teil Syriens wird, kommt es zum Streit zwischen beiden um eine Steuerschuld von 6.000 Sesterzien. Eine Summe, die für Varro in der Höhe als solche bedeutungslos ist. Aber ihm geht es um mehr: er will 'Streckmännchen', wie Cejon schon in der Schule genannt wurde, einfach nicht nachgeben. Da er aber die Summe entrichten muss, sinnt er auf Rache. Da erinnert sich Varro seines Schutzbefohlenen, des ehemaligen leibeigenen Töpfers Terenz. Dieser besitzt eine so große Ähnlichkeit mit Nero und dazu auch das nötige schauspielerische Talent diesen darzustellen, dass man ihn glatt für Nero selbst halten könnte. Varro beschließt Nero auferstehen zu lassen. Der Coup gelingt ihm auch. Es gelingt ihm König Mallukh von Edessa, König Philipp von Commagene und letztlich auch Artaban, den Großkönig des Partherreiches, dazu zu bringen, sein Geschöpf Nero als Kaiser anzuerkennen und mit Geld und Militärhilfe zu unterstützen. Natürlich denkt Varro, dass sein Nero-Terenz ihm eine willfährige Marionette ist und er leichtes Spiel hat, seine Interessen durchzusetzen. Aber er unterschätzt da seinen ehemaligen Leibeigenen. Nachdem dieser nämlich die Macht geschnuppert hat, gefällt ihm diese zunehmend. Und so entwickelt die Marionette dann auch ein Eigenleben, vorbei an seinen Schöpfer. Unterstützt wird der Möchtegern-Nero dabei von seinen ehemaligen Sklaven Knops, der besonders Wert darauf legt mit langem o gesprochen zu werden, der ihm als Staatssekretär nun dient, und dem überheblichen Hauptmann Fronto, der ebenfalls aus einem niedrigen Stand stammt und für den bewaffneten Unterdrückungsapparat verantwortlich ist. Als erstes überlegt das unheilvolle Trio Nero-Terenz, Knops und Fronto, wie es die römische Städte Syriens zum Überlaufen auf die Seite des falschen Neros bringen kann. Knops hat eine Idee. Er erinnert sich an den Brand Roms, der von Nero dann dazu genutzt wurde, das Völk gegen die Christen aufzuwiegeln und die Christen dann gnadenlos zu verfolgen. Der derzeitige Kaiser in Rom, Titus, steht dem Christentum offen gegenüber. Knops schlägt vor, eine Stadt am Euphrat durch Öffnung der Schleusen zu überfluten und diese Tat dann den Christen anzulasten. Er geht davon aus, dass dies dazu dann führt, dass die syrischen Städte zu Nero, dem Christenfeind, übertreten. - Und tatsächlich geht dieser Plan auf. Nero-Terenz und seine Schatten lassen daraufhin viele Christen verhaften und stellt sie vor Gericht. Alle werden zum Tode verurteilt. Sie werden in der Arena öffentlich hingerichtet, indem diese überflutet wird und alle ertrinken. Zur Beleuchtung des Schauspiels werden einge der Christen mit Pech übergossen und als lebende Fackeln benutzt. - Einer allerdings entkommt der Hinrichtung. König Philipp befreit den Schauspieler Joannes von Patmos, der eine brilliante Verteidigungsrede in dem Scheinprozess gegen die Christen hielt, und läßt diesen in die Wüste fliehen. Der falsche Nero gilt nun als Erretter und seine Machtergreifung ist perfekt. Der dreiköpfige Höllenhund, wie das brutal vorgehende Trio genannt wird, geht gnadenlos gegen jeden vor, der sich in ihnen in den Weg stellt. Selbst gegen Varro und König Philipp würden sie am liebsten was unternehmen. Aber diese Schranke übertreten, trauen sie sich dann, auf Grund der Popularität der beiden, dann doch nicht. Varro muss aber feststellen, dass sein Geschöpf sich verselbständigt hat und er keinen Einfluss mehr hat. Wegen seines persönlichen Zwistes mit Cejon und lausiger 6.000 Sesterzien herrschen nun Unterdrückung und Leid über Syrien und dem Zweistromland. Varro spielt sein Spiel aber weiter. Noch immer bildet er sich ein, den Diktator wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Ein fataler Irrtum. Der Schrecken nimmt immer größere Formen an. Der Autor hat auf eindrucksvolle Art die Situation in Nazi-Deutschland in den historischen Stoff eingewoben. Das parabelhafte des Dargestellten und des eigentlich gemeinten wird glasklar, so man das Umfeld der Entstehung des Romans kennt, deutlich. So zB die inszenierte Überflutung der Stadt am Euphrat und die daran anschließende Christenverfolgung als Parallele zum Reichstagsbrand und der daran anschließenden Verfolgung von politisch Andersdenkenden in Deutschland. Und deutlich wird auch, wofür die einzelnen Personen stehen: König Philipp für die deutsche Aristokratie, Varro für das Kapital, Knops für Kleinbürgertum und dem Pöbel sowie Fronto für das Militär. - Das Kapital und die Aristokratie bringen ihre Marionette in Stellung, weil sie sich materielle Vorteile, Macht und Einfluss davon versprechen. Sie denken, dass sie ihr Geschöpf kontrollieren können. Aber sie irren. Das Geschöpf, erstmal an der Macht, leckt Blut und mit Unterstützung der Massen und des Militärs beginnt es ein Eigenleben. Ein todbringendes Eigenleben. Feuchtwanger, der seit 1919 mit Brecht eng befreundet war und diesem auch Anregungen für dessen episches Theater gab, ist auch ein Meister im Umgang mit rhetorischen Mitteln. Der Roman weist dazu sehr viele Elemente der Dramatik auf. So greift er beispielsweise immer wieder auf das Beiseitesprechen zurück. Im Theater spricht der Schauspieler da seine Gedanken in Richtung des Publikums, was suggerieren soll, dass der Gesprächspartner auf der Bühne diese Gedanken, die derjenige ja eigentlich nur denkt, nicht hört. Hier im Roman findet man dies in etwa so wieder: '...', dachte ..., laut sagte er: "..." Auch andere theatralische Elemente, wie innere Monologe und die sehr starke szenische Fokussierung, finden Verwendung. Sprachlich ist das Buch gut lesbar. Allerdings ist die Wortwahl nicht immer in der Art, wie die alten Römer oder auch Syrer sprachen, sondern moderne Begriffe, die damals sicher noch nicht bekannt waren, tauchen immer wieder im Text auf. Dies wurde aber, so meine Vermutung, vom Autor bewusst so gehandhabt, um den Bezug des historischen Stoffes zur Situation in Nazi-Deutschland auch so einzuarbeiten. Ziemlich zum Ende des Romans schreibt Feuchtwanger: "Wie der einzelne das Böse ausgekostet haben muß, um in Wahrheit gut sein können, so muß auch die Menschheit das Reich des Bösen ausschreiten, ehe das Reich des Guten heraufkommen kann." - Die Welt, denke ich, hat genug das Reich des Bösen inzwischen ausgeschritten. Es ist Zeit für das Reich des Guten!

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