Bücher mit dem Tag "bürokratie"
91 Bücher
- Yuval Noah Harari
Eine kurze Geschichte der Menschheit
(345)Aktuelle Rezension von: shizu_readsIch habe das Buch etwas über der Hälfte abgebrochen. Der Anfang war durchaus noch spannend und gut aufgebaut, aber dann hatte ich mehr und mehr das Gefühl, dass es sich zu sehr verläuft in den Themen.
Es ist zudem sehr trocken, auch wenn ab und zu mal etwas Humor einfliesst. Nach dem Thema Religion hatte ich einfach keine Energie mehr weiter zu lesen.
Für Leute die sich für sämtliche Themen interessieren, bestimmt ein gutes Werk. Für mich war es leider zu lang.
- Jenny Erpenbeck
Gehen, ging, gegangen
(121)Aktuelle Rezension von: KnigaljubDa macht sich eine knapp 50jährige weiße Schriftstellerin auf, Geflüchtete zu interviewen. Sie lernt, was es heißt, der deutschen Bürokratie auf Gedeih und Verderb ausgesetzt zu sein: Keine Arbeitserlaubnis bekommt man (oder wenn dann nur sehr schwer) beispielsweise und bei Fingerabdrücken in Italien oder anderswo aufgrund des Schengen-Abkommens nicht einmal einen fairen Asylprozess. Ach Mensch, ich bin doch Schriftstellerin, und diese Ungeheuerlichkeiten gehören niedergeschrieben, denkt sie sich. Aber einfach so die Geschichten von Geflüchteten erzählen? Nein, da muss noch literarischer Gehalt hinter: Ich mache einen alten weißen Mann, einen frisch emeritierten Professor der Altphilologie, zum Protagonisten, dann habe ich einen guten Grund für möglichst viele intertextuelle Anspielungen und eine Chance, Abi-Lektüre zu werden…
Zugegeben: Ich weiß natürlich nicht, was die Beweggründe dafür waren, Gehen, ging, gegangen so zu schreiben, wie es geschrieben wurde, aber was ich weiß, ist, dass ich anfangs noch neugierig war, wohin die Reise mit solch einem Protagonisten wohl geht, und dass ich es ganz gut gemacht fand, Richard, den hochgebildeten, angesehenen, wohlverdienenden Egozentriker entlarvt zu sehen. Richard kennt gefühlt die gesamte europäische Literatur in sämtlichen Epochen, zitiert aus Faust und denkt in Brechtschen Versen, aber welche Länder mit welchen Hauptstädten zu Afrika gehören – das weiß er nicht. Und dieser Richard geht nun, verwitwet und seit Kurzem emeritiert, aus einer Art Forschungsinteresse heraus zu einer Flüchtlingsunterkunft und befragt die dort wohnenden Menschen.
Woher kommst du? Warum bist du hier? Warum hast du ein Handy?
Und die Geflüchteten erzählen, denn Erpenbeck lässt nicht nur den alten weißen Egozentriker, nennen wir ihn Akono (dazu später mehr), einen ganz selbstverständlichen Anspruch auf die Geschichten der Geflüchteten erheben, sondern lässt den einen Interviewten mehrfach äußern, dass er den Menschen hier seine Geschichte schulde. Und damit sind wir auch schon bei einem wesentlichen Kritikpunkt an dem Buch: Es reproduziert White Supremacy in einem derart hohen Maß und auf teilweise so subtile Weise, dass ich es irgendwann immer unerträglicher fand, es zu lesen. (Hier: der Schwarze schuldet dem Weißen seine Geschichte). Warum ¾ dieses Buches dem Wurstbrot-und-Tagesschau-Alltag Richards gewidmet sind, mag ja gute Gründe haben, genervt hat es irgendwann dennoch ganz schön. Aber schlimmer ist, wie die Teile, die den Geschichten der Geflüchteten gewidmet sind, erzählt werden. Drei Beispiele:
1. Raschid erzählt:
Wir versuchten wegzukommen. Meine Brüder, meine Neffen, meine Onkel, die Nachbarn. Alle rannten und schrien. Überall lagen Leute herum, alles war voller Blut. Einer meiner jüngeren Brüder hatte sich zuerst in einem Mangobaum am Rand des Platzes versteckt. (S. 112)
--> Raschid erinnert sich also daran, dass es nicht irgendein Baum, sondern ein MANGObaum war, unter dem sich sein Bruder versteckt, nennt aber diesen Bruder nicht beim Namen. Ist das eine realistische Figurenrede oder doch eher eine implizite Exotisierung?
2. Richard erhält ein „Geschenk“ (S. 257) von Raschid, nämlich einen weiteren Teil von dessen Geschichte:
Ich wusste nicht, dass sie das Viertel, in dem meine Firma war, auch schon blockweise abgesperrt hatten. Wir kamen nicht mehr durch. Die Soldaten brachten mich, meine Kinder und auch drei schwarze Angestellte von mir in ihr Lager. (S. 237f.)
--> Raschid charakterisiert seine drei Angestellten also einzig dadurch, dass sie (wie er) „schwarz“ sind. Warum erwähnt er das? Ist das eine realistische Figurenrede oder doch eher eine ziemlich weiße Perspektive, die da durchschimmert?
3. Ein Fest bei Richard.
Als es zu dämmern beginnt, und Richard die Spirituslaternen anzündet, ruft Raschid: Wie in Afrika! Er nimmt eine Laterne und schwenkt sie begeistert. (S. 342)
--> Ja, Raschid sagt „wie in Afrika“. Ist es realistisch, dass er – wie Richard – den ganzen Kontinent über einen Kamm schert?
An dieser Textstelle wird auch deutlich, wie die Geflüchteten, wenn nicht gerade das Opfernarrativ gefüttert wird, gewissen Stereotypen entsprechen (hier: kindlich-fröhlicher Afrikaner). Es scheint, hier wurde versucht, einen gewissen komödiantischen Aspekt einfließen zu lassen. Den Höhepunkt dessen bildet eine Szene im Auto:
Während die drei Nigerianer sich lachend und schubsend hinten hineinzwängen, sitzt Rufu, der Mond von Wismar, schon ernst und still vorn auf seinem Platz neben Richard. […]. Abdusalam beginnt zu singen, und Richard erzählt, dass es über solche Fuhren, wie es diese gerade ist, auch ein deutsches Lied gibt, und beginnt seinerseits: Hab mein Wagen vollgeladen, voll mit Afrikanern! Er weiß natürlich, dass in der Urfassung nicht von Afrikanern die Rede ist, sondern von alten, beziehungsweise jungen Weibern – aber was die Silbenzahl angeht, sind die Afrikaner perfekt. An einer roten Ampel blickt Richard, der noch aus voller Kehle singt, während die Männer hinten klatschen und johlen, und sogar Rufu im Rhythmus mit dem Kopf nickt, zufällig in ein Nachbarauto hinein, darin sitzt eine junge Familie: Vater, Mutter, zwei Kinder – alle die Köpfe zu Richards Auto gedreht, stumm und fassungslos angesichts so vieler ausgelassener Mohren und eines offensichtlich verrücktgewordenen Weißen. Als er mit einem Hüh, Schimmel! Bei Grün wieder anfährt, hört Richard noch, wie hinter der in ihrem Staunen festgefrorenen Familie ein Hupkonzert einsetzt. (S. 198)
--> Stereotyp singende, fröhliche Afrikaner, hier von der Erzählinstanz als M*** bezeichnet, rufen eine dermaßen große „Fassungslosigkeit“ bei einer jungen Familie (vermutlich weiß, denn Hautfarben werden im Buch nur in den unterschiedlichsten Nuancen bei den Schwarzen Geflüchteten beschrieben) hervor, dass sie stehenbleiben und ein Hupkonzert verursachen (übrigens in Berlin, als ob man da nie Schwarze sähe) – spätestens hier hatte Erpenbeck mich verloren. Schön ein bisschen rassistischen Slapstick-Humor einbauen, damit dem weißen Leser die Beschäftigung mit diesem Buch nicht allzu sehr auf den Magen schlägt, oder was war die Intention hinter dieser Szene?
Aber nicht nur fremde Menschen lässt Erpenbeck staunen, auch Richard selbst ist ganz verwundert, dass ein Weihnachtsbild mit einem Schwarzen Geflüchteten „genauso friedlich wie all die Fotos reinrassig deutscher Weihnachtsfeste“ (S. 242) aussehe. Ja, „reinrassig deutsch“ steht da – was auch immer das sein soll, die „reine deutsche Rasse“. Klar, Richard als Protagonist denkt so, aber so unsympathisch und ignorant er auch gezeichnet sein mag, dass er wirklich eine Nationalität (deutsch) als „Rasse“ definiert, finde ich unglaubwürdig. (Übrigens ebenso wie die Tatsache, dass er für einen Arzt dolmetscht (vgl. S. 288) – auf Englisch, denn das ist offensichtlich die Sprache, in der er sich mit den Geflüchteten verständigt. Kann der Arzt wirklich kein Englisch?)
Bleiben wir bei Akono aka Richard: Dieser kann sich nämlich nicht nur die Hauptstädte der afrikanischen Länder nicht merken, sondern kommt auch mit diesen ganzen afrikanischen Eigennamen durcheinander. Also benennt er kurzerhand manche der Geflüchteten um. Immerhin benennt er sie nicht nach sich selbst, sondern nach griechischen Göttern, dennoch benennt hier ein Weißer Schwarze um, was unangenehm an den Umgang mit Sklaven erinnert. Gerade, weil Richard am Ende doch zum White Savior in diesem Buch mutiert, stößt es besonders bitter auf, dass er die Verwendung dieser "Spitznamen" bis zum Schluss durchzieht.
Apropos Schluss: Konsequenterweise ist der natürlich nochmal ganz Richard gewidmet. Konsequenterweise kommt heraus, dass er schon immer ein ignorantes, egozentrisches Arschloch war, auch in Bezug auf seine Frau. Bereits im gesamten Roman hatte sich gezeigt, dass Richard Frauen objektiviert – die Deutschlehrerin der Geflüchteten beispielsweise ist ihm nicht mal einen Namen wert. Stattdessen überlegt er (alter Sack) sich, wie es wäre, etwas mit ihr (junge Frau) zu haben.
Zu dem unsympathischen Protagonisten gesellen sich andere Figuren, die ebenfalls reichlich überzeichnet wirken: der Hölderlinleser Andreas zum Beispiel oder Monika und Jörg, die „ein Restaurant mit vierzig verschiedenen Sorten Büffelmozzarella“ (S. 242) in Italien besuchten, sich aber an dem Anblick von „Afrikanerinnen […] am Straßenrand“ (S. 243) in der Toskana störten und Richard warnen: „Da musst du aufpassen, die schleppen oft Krankheiten ein, Hepatitis, Typhus und Aids. Hab ich zumindest gehört.“ (ebd.)
Auch mitten aus dem Leben gegriffen ist der Tacitus rezitierende Anwalt:
Sie kennen doch sicher den schönen Abschnitt in Tacitus‘ „Germania“ über die Gastfreundschaft unserer Vorfahren? Ja, sagt Richard und nickt. Wenn ich Ihnen die Passage kurz noch einmal in Erinnerung rufen darf? Sie dürfen. Der Anwalt steht auf, geht zu seinem Bücherregal, die Rockschöße wehen im unerklärlichen Bürowind, zieht den Tacitus aus dem Regal und schlägt das kleine Buch an einer Stelle, an der ein Zettel eingelegt ist, auf. […] Und nun beginnt der Anwalt zu rezitieren: Es gilt bei den Germanen als Sünde, einem Menschen sein Haus zu verschließen, wer es auch sei; … (S. 309)
Mit besonders viel Weisheit kann auch Anne, die Fotografin, um sich werfen. Bei Richard ist eingebrochen und Schmuck gestohlen worden, „der Klavierspieler“, dem Richard seit einiger Zeit das Klavierspielen beigebracht hat, steht direkt im Verdacht, denn er habe ja gewusst, dass Richard nicht Zuhause sei. Anne weiß Rat:
Du musst einfach herauszufinden versuchen, ob es dein Klavierspieler war. […] Du denkst also, dass er es war. Du verurteilst ihn, ohne dass er eine Chance hatte, sich zu äußern. Das ist nicht schön. […] Frag ihn, ob er es war. […] Wenn er es wirklich gewesen sein sollte, der dir den Ring geklaut hat, dann schrei ihn an! Sag ihm, dass du, verdammt nochmal, den Ring zurückhaben willst! Mach ihm eine Szene! […] Weil du ihn ernst nehmen musst. Wenn du seinen Verrat entschuldigst, bist und bleibst du der großkotzige Europäer. (S. 316f.)
Weißte Bescheid? Schrei die Leute an, nur dadurch zeigst du ihnen, dass du dich nicht über sie stellst. Was sind das für Figuren in dem Roman? Wo leben die alle? Warum sind die so dermaßen überzeichnet, dass man keinerlei Identifikationspotential geboten, aber permanent Kotzreiz bekommt?
Insgesamt habe ich das Gefühl, dass Erpenbeck irgendwie schon gute Absichten hatte, aber gut gemeint ist eben nicht automatisch gut gemacht. Neben der oben ausführlich skizzierten (für mich sehr fragwürdigen) Figurenzeichnung war es insbesondere der insgesamt belehrende Ton, der mir missfiel: Nicht nur wurde dem Leser beispielsweise mindestens drei Mal erklärt, was es mit dem Schengen-Abkommen auf sich hat, nicht nur wurde permanent wiederholt, dass die Geflüchteten doch nur arbeiten wollen und nicht können, sondern auch die Einschübe von Elementen klassischer Schullektüre und die rechtlichen Grundlagen von Asylprozessen kamen mir des Öfteren künstlich eingebaut vor.
Mag ja sein, dass Erpenbeck mit der Wahl ihres Protagonisten und dem Raum, den er im Roman im Vergleich zu den Geflüchteten einnimmt, gerade darüber zum Nachdenken anregen wollte, wer eigentlich Geschichte(n) schreibt, wer stets im Fokus steht und wer nicht – für mich ging das vollkommen nach hinten los. Weder schafft sie es, dass man sich mit dem Protagonisten (oder irgendeiner anderen Figur) identifiziert (und dadurch zum Nachdenken angeregt wird), noch erhalten die Schicksale der Geflüchteten genügend Raum, im Gegenteil bleiben die Geflüchteten gesichts- und teilweise namenlose exotisierte „Randphänomene“ in dieser gefühlt schnell niedergeschriebenen und mit möglichst viel Wissen zusammengeworfenen, aber fragwürdige Narrative bedienenden Geschichte. Dass nicht auf Selbstreflexion, sondern Systemkritik, auf der man sich dann ausruhen kann, abgezielt wurde, zeigt auch die provokante Anspielung, die einen fragwürdigen Vergleich zu Judendeportationen zieht:
Jetzt entsteigen den vorderen Mannschaftswagen Polizisten in voller Montur: Kampfanzüge, Helme mit heruntergeklapptem Visier, Knüppel, Pistole. [...] Richard fragt sich, ob tatsächlich 40 schwerbewaffnete Männer notwendig sind, um 12 afrikanische Flüchtlinge aus so einem Heim zu tragen, ganz zu schweigen von den übrigen rund 150 Polizisten, die in den anderen Wagen auf ihr Startsignal warten. Morgen, das weiß er jetzt schon, wird in der Zeitung stehen, wieviel der Einsatz gekostet hat, und die Kosten werden vom Volk der Buchhalter den Objekten des Abtransports als Schuld zugeschrieben werden, wie das auch in anderen Zeiten, wenn Deutschland irgendwen hat abtransportieren lassen, üblich gewesen ist. (S. 258f.)
Was mir am Ende der Lektüre nur bleibt, ist folgende Frage: Warum genau wird/wurde dieses Buch so gefeiert?
- Christian Torkler
Der Platz an der Sonne
(68)Aktuelle Rezension von: Walli_GabsDer 1978 geborene Josua wächst vaterlos in einem Entwicklungsland auf. Seine gottesfürchtige Mutter schafft es mit verschiedenen Gelegenheitsjobs gerade so, ihre drei Kinder zu ernähren, aber eine Wohnung mit fließendem Wasser oder eine höhere Schulbildung kann sie ihnen nicht ermöglichen. Nach seiner Schulzeit arbeitet sich Josua vom Straßenverkäufer zum Parkplatzwächter hoch und fährt irgendwann sogar Taxi. Manchmal erscheint ihm das Glück zum Greifen nah, doch das Schicksal schlägt immer wieder zu und in einer hoch korrupten Diktatur und Mangelwirtschaft ist es nahezu unmöglich, etwas auf die Beine zu stellen. Dabei will Josua doch nur raus aus Elend, Schmutz und Hoffnungslosigkeit. Aber kann ihm das in seiner Heimat überhaupt gelingen – oder ist der einzige Ausweg die Migration ins gelobte Land auf der anderen Seite des Mittelmeers?
Soweit, so bekannt, mag der ein oder andere jetzt denken – aber Stopp! Christian Torkler beschreibt in „Der Platz an der Sonne“ nicht die Geschichte eines afrikanischen Flüchtlings, der von Europa träumt. Im Gegenteil: Jousa Brenner wächst in Berlin auf, der Hauptstadt der Neuen Preußischen Republik, die nach drei Weltkriegen immer noch halb in Schutt und Asche liegt, obwohl die reichen afrikanischen Demokratien Entwicklungshilfe leisten und nairobische Partnergemeinden neue Kirchendächer spendieren. Sehnsuchtsziel von Josua und seinen Kumpels ist dann auch Matema im reichen Tanganyika: „Wenn wieder einer weg war, hieß es, der ist in den Süden …“. Doch in seinem leicht schnodderigen Tonfall, der sich durch das gesamte Buch zieht, schildert er auch gleich den Haken an der Sache: Die reichen schwarzen Bongos wollen keine Armutsflüchtlinge. Aber was hat ein perspektivloses Weißbrot wie er schon zu verlieren?
Torkler betreibt den Perspektivwechsel in „Der Platz an der Sonne“ in einer so detaillierten Konsequenz, dass er mir richtig an die Nieren gegangen ist. Gedanklich nachzuvollziehen, warum ein afrikanischer Flüchtling nach Deutschland kommt, ist das eine – vom Elend im Entwicklungsland Preußen und der Sehnsucht nach Afrika zu lesen, aber etwas völlig anderes. Es braucht kaum noch Fantasie, um sich dieses im Roman sechsgeteilte Deutschland, in dem so einiges schiefgelaufen ist, vorzustellen: den Dreck, die nach drei Kriegen kaum wiederaufgebaute Infrastruktur, Kriegsruinen, schimmelige Wohnungen, scharfe Grenzen und ein komplett korruptes System. Torkler führt seinen Lesern gnadenlos vor Augen, was für ein großer Zufall es ist, in welche Verhältnisse man geboren wird und dass es gar nicht so viele historische Fehlentscheidungen braucht, um ein Land im Chaos versinken zu lassen. Dass die vage Hoffnung auf eine bessere Zukunft reichen kann, um alles hinter sich zu lassen, wird äußerst nachvollziehbar illustriert. Genau wie das Fluchtthema: Hier soll es in umgekehrter Richtung übers Mittelmeer gehen – doch schon der Weg zur Küste ist eine grausame Odyssee, die ihre Opfer fordert.
„Der Platz an der Sonne“ hat mich stellenweise kalt erwischt und ziemlich deprimiert. Torkler schildert schonungslos, wie das Leben in einem gänzlich anderen Deutschland aussehen könnte. Keine Feelgood-Lektüre, sondern ein harter Perspektivwechsel, der sich absolut lohnt. Man kann seine Komfortzone auch lesend verlassen – und weil Torkler einen auf jeder einzelnen Seite dazu zwingt, bereichert dieses Buch mindestens so sehr, wie es verstört. - Andreas Izquierdo
Der Club der Traumtänzer
(205)Aktuelle Rezension von: MamaSandraInhalt:
Albert Glück arbeitet im Amt für Verwaltungsangelegenheit und führt seit über 30 Jahren einen sehr geregelten Alltag: 5 Uhr klingelt der Wecker, es wird sich frisch gemacht und ein grauer gebügelter Anzug angezogen. Jeden Tag hat irgendwer im Amt Geburtstag, sodass Albert das passende Büro für die belegten Brötchen ansteuert, jeden Morgen begrüßt er die gleichen Kollegen, jeden Morgen bringt Susanne ihm Anträge, die er pünktlich bis 16 Uhr erledigt. Jeder Tag hat die gleiche Routine, den gleichen Rhythmus, noch dazu wohnt Albert heimlich im Keller des Amtes und war seit Jahren nicht mehr draußen. Doch plötzlich liegt auf seinem Tisch der Antrag E45 von dem er noch nie gehört hat. Die Antragstellerin Anna Sugus beantragt auch gar nichts. Auch schreddern hilft nichts, sodass Albert gezwungen ist dem auf den Grund zu gehen, denn er kann den Antrag ja nicht ignorieren. Und schon wirbelt Anna sein strikt geordnetes Leben völlig durcheinander…
Meine Einschätzung:
Ich selbst arbeite zwar nicht auf dem Amt für Verwaltungsangelegenheiten, aber dennoch in einer Verwaltung und kämpfe mich auch oft durch Anträge und Regularien. Daher fühlte ich mich im Büro von Albert sofort sehr wohl. Ich musste an sehr vielen Stellen einfach schmunzeln und konnte mich sehr gut mit ihm oder teils mit anderen Kollegen identifizieren.
Albert ist recht menschenscheu und hat sicherlich viele Gründe für sein zurückgezogenes und sehr einsames Leben, aber er scheint soweit glücklich zu sein. Er leidet unter einigen Zwängen, die ihn so einschränken. Ich konnte förmlich fühlen wie sehr es ihn beschäftigt diesen einen Antrag nicht korrekt bearbeiten zu können. Es ist dem Autor dann sehr gut gelungen Alberts Abenteuer in die Welt zu beschreiben. Ein Mann, der nach 30 Jahren die Pforte des Amtes überschreitet und in die wilde und chaotische Welt hinausgeht, lernt eine Künstlerin kennen und lieben. Und irgendwie zeigt Anna ihm auch, wie man anderen Menschen bei den Anträgen der Ämter helfen kann und somit viel Glück verbreitet.
Im Prinzip ist die Idee des Buches bis zum Ende des zweiten Drittels einfach toll. Es zeigt, dass man auch mal hinter eine Fassade schauen sollte, dass man mehr helfen kann als nur Papier von A nach B zu schieben und dass auch hinter jedem Antrag mehr steckt als nur Buchstaben. Zudem wurde eine Thematik, die zum Nachdenken anregt auch etwas mit Witz und Charme verpackt.
Leider erfährt man zu wenig über die Zusammenhänge. Man lernt Albert nicht richtig kennen, denn von seiner Vergangenheit fehlt trotz aller Aufklärung seiner Wohnsituation noch vieles. Was mir in manchen Büchern vielleicht viel zu ausschweifend erzählt wird, fehlte hier zu viel. Ich hätte mir auch gewünscht, dass er mal recherchiert warum das Konto seines Freundes aufgelöst wurde – auch wenn ich mir das am Ende dann denken konnte. Ich hätte auch gern mehr über Anna erfahren, die ja doch eine Randfigur darstellt obwohl sie Albert so umkrempelt. Und eigentlich war mir die Wendung, die die Story dann genommen hat viel zu traurig und ich habe nicht ganz verstanden, warum Albert so eine Geschichte bekommt. Sollte das auch einen Hintergrund fürs Nachdenken haben? Dann habe ich ihn nicht verstanden.
Wenn es einen anderen Schluss gegeben hätte, hätte es Potential zum Lieblingsbuch, aber leider gefiel mir die Wendung gar nicht und passte nicht ganz zum Rest. Das trübte dann doch die Wertung.
- Douglas Adams
Per Anhalter durch die Galaxis
(3.251)Aktuelle Rezension von: BeatriceSonntagFür mich das beste Buch, das jemals geschrieben wurde.
- Franz Kafka
Das Schloß
(304)Aktuelle Rezension von: Frau_J_von_TIn Kafkas "Das Schloss" begleitet der Leser den angeblichen Landvermesser K., welcher in ein Dorf am Fuße eines Schlosses kommt um dort zu arbeiten.Schnell merkt er, dass Fremde im Dorf nicht gern gesehen sind und dass man sich dem Willen des Schlosses zu fügen hat, egal wie langsam die Mühlen der Bürokratie auch mahlen.
Mir hat das Romanfragment Kafkas sehr gut gefallen. Auch wenn es nicht immer ganz leicht und flüssig zu lesen und stellenweise wirklich langatmig war, so konnte ich mich der Sogwirkung des Romans nicht entziehen. Obwohl die Figuren eher oberflächlich bleiben und vor alles sehr surreal wirkt, so kann man sich doch auch selbst sehr gut in K. hineinversetzen. Das ewige Bemühen an sein Ziel zu gelangen und immer wieder Steine in den Weg gelegt zu bekommen... Sich ohne Erfolg abzustrampeln... jeder kennt es irgendwie.
"Das Schloss" ist ein Roman auf den man sich voll und ganz konzentrieren muss, um nicht darin unter zu gehen. Man liest es nicht einfach mal eben nebenbei.In dieser Ausgabe des Manesse Verlags, die nicht nur super aussieht, befindet sich am Ende noch ein Nachwort von Norbert Gstrein welches ich sehr interessant fand. - Gertraud Klemm
Muttergehäuse
(40)Aktuelle Rezension von: WortstaubglitzernBei diesem Buch ist etwas eingetroffen, was bei mir nie vorher der Fall war: Ich musste mich zwingen, es zuende zu lesen. Denn das Einzige, was mich am Buch fesselte, war der Schreibstil. Die Protagonistin ist unsympathisch und nervig, auch wenn man sie verstehen kann. - Neal Stephenson
Der Aufstieg und Fall des D.O.D.O.
(45)Aktuelle Rezension von: JorokaWas für ein Wälzer! Doch für mich ein absoluter Genuss beim Lesen. Konnte kaum Längen feststellen und das mag schon etwas bedeuten bei der Seitenanzahl. Eine tolle Mixtur. Genau mein Geschmack. Und spannend bis zum Schluss.
Die verschiedenen „Erzählraster“ waren zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, übten dann aber im weiteren Verlauf einen gewissen Reiz aus.
Inhaltlich sind mir keine groben Schnitzer aufgefallen und der Handlungsverlauf erscheint mir in sich schlüssig. Ich muss wohl kaum erwähnen, dass die Phantasie in diesem Roman Purzelbäume schlägt.
Auch der Stil hat mir gut gefallen. Das Buch ist flüssig zu lesen und eignet sich auch als Bett- bzw. Urlaubslektüre.
Fazit: Mein bisheriger Favorit in diesem Jahr (2021) in der Kategorie: Belletristik
- Franz Kafka
Der Prozeß
(1.004)Aktuelle Rezension von: mabo63Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet".
Josef K. weiss nicht worauf die Anklage gründet, welche Schuld er haben soll. Er bringt es nicht in Erfahrung und seine Anwälte sind ihm keine Hilfe, im Gegenteil mahnen sie zur Vorsicht, nur nichts überstürzen..
Als Leser ist man gequält ob der Bedrohung die naht, als beträfe es einem selbst fragt man sich unweigerlich: und wenn ich der Angeklagte bin?
Passt vielleicht in unsere Zeit wo Gehässigkeiten, Hass und Drohungen, (und sei es auch 'nur' übers Netz) an der Tagesordnung sind. Wo schnell auf jemanden gezeigt wird mit dem Finger, wo es schnell einen Schuldigen braucht, da sind sie zur Stelle die Henker unserer ach so tollen digitalen Welt.
- Nikolai W. Gogol
Die toten Seelen
(117)Aktuelle Rezension von: berybooksPawel Iwanowitsch Tschitschikow, ein findiger Finanzbeamter, zieht über's Land und kauft "Papierleichen" auf, verstorbene Leibeigene, deren Namen noch durch die Register geistern, weil er darin ein profitables Geschäft wittert. Nebenbei charakterisiert Gogol in dieser satirisch angehauchten Geschichte auch das Ständesystem des "alten Russlands", die lebensuntauglichen Herren der Provinzgüter und eine Welt, die es mittlerweile schon lange nicht mehr gibt (und die damals vielleicht auch schon eigentlich aus der Zeit gefallen war)
Ich habe "Die toten Seelen" sehr gern gelesen. Der Schreibstil ist nicht so sperrig, wie man vielleicht bei einem so alten Roman erwarten würde und obwohl ich natürlich keine Ahnung von der damaligen Gesellschaft habe und darum bestimmt eine Menge der Anspielungen gar nicht verstanden habe, war es trotzdem unterhaltsam und zum Teil sogar lustig, wie Gogol so ironisch und kritisch seine Charaktere beschreibt.
- Nicholas Sparks
Safe Haven - Wie ein Licht in der Nacht
(897)Aktuelle Rezension von: Lesepinguin22Ich habe schon fast alle Romane von Nicholas Sparks gelesen und bin immer wieder von seinen Liebesgeschichten begeistert. Er ist nicht umsonst mein Lieblingsautor. Außerdem habe ich die Verfilmung »Safe Haven – Wie ein Licht in der Nacht« gesehen, die sogar noch etwas packender als das Buch ist. Die Handlung ist nicht neu: Eine junge Frau flüchtet vor ihrem gewalttätigen Ehemann und beginnt ein neues Leben. Sie versucht, möglichst unsichtbar zu sein, damit ihr Mann sie nicht findet.
Es wird in der Er-Perspektive abwechselnd aus Katies und Alex’ Sicht erzählt. Um die Handlung besser zu verstehen, gibt es Rückblenden und sogar Kevins Perspektive. Schon nach den ersten Minuten hat mich der flüssige Schreibstil durch die Seiten fliegen lassen. Die Mischung aus Liebesroman und Thriller macht es spannend und auch die sympathischen Hauptfiguren haben mir gefallen. Ich konnte mir alles gut vorstellen, weil das Setting detailliert beschrieben wurde.
Erin wurde jahrelang von ihrem Ehemann Kevin misshandelt und hat endlich den Mut, vor ihm zu fliehen. In Southport, North Carolina, baut sie sich als Katie Feldman ein neues Leben auf. Sie findet in ihrer schlagfertigen Nachbarin Jo eine Freundin und einen Job als Kellnerin in einem Diner.
Obwohl Katie zurückgezogen lebt und den Kontakt zu anderen Menschen meidet, lernt sie Alex kennen. Der gut aussehende Geschäftsinhaber hat zwei Kinder – Josh und Kristen. Seine Frau Carly ist gestorben und seitdem versucht er, sein Leben in den Griff zu bekommen. Doch Katie hat nicht umsonst Angst – ihre Vergangenheit lässt sie nicht mehr los. Jedoch baut sie schnell eine Bindung zu seinen Kindern auf.
Die Geschichte beginnt für meinen Geschmack etwas langatmig, wird dann aber wahnsinnig spannend. Mir gefiel Alex’ einfühlsame und hilfsbereite Art sehr. Geschickt hat er sich damit in Katies Herz geschlichen. Sie braucht lange, um ihm zu vertrauen, was in ihrer Situation verständlich ist. Mit der Zeit sprühen die Funken zwischen den beiden und man könnte meinen, sie haben ihr Happy End gefunden.
Wäre da nicht Kevin Tierney. Er ist Katies Ehemann, der als Cop beim Boston Police Department arbeitet und seine Frau unerbittlich sucht. Schnell wird klar, dass er ernsthaft krank und regelrecht besessen von ihr ist. Kevins paranoide Denkweise ist teilweise recht erschütternd, aber dennoch glaubwürdig. Zudem hat er ein Alkoholproblem. Daher ist es nicht verwunderlich, dass er Erin aufspürt und es zu einem Kampf um Leben und Tod kommt.
Im Buch wird ein Thema angebracht, das zum Nachdenken anregt, weil es leider viel zu oft passiert. Nur die Auflösung zu Jo finde ich etwas zu weit hergeholt.
Fazit
Wieder ein spannendes und dramatisches Buch mit Tiefgang und Gefühl von Nicholas Sparks. Obwohl der Ausgang absehbar war, hat es mich bis zum Schluss gefesselt. Am Ende hätte ich mir einen Epilog gewünscht, damit die Story runder ist. Trotzdem hat mich die Geschichte überzeugt und ich bin schon auf sein nächstes Werk gespannt.
- Ole R. Börgdahl
Leiche an Bord
(29)Aktuelle Rezension von: Moe6245Der Kriminalroman "Leiche an Bord" von Ole R. Börgdahl ist der vorerst letzte Teil der Reihe um die Ermittler Kurt Bruckner und Tillman Halls.
Ich bin ein großer Fan dieser Reihe um die beiden ungleichen Ermittler und ein bisschen traurig, dass ich das letzte Buch der Reihe zu Ende gelesen habe.
Durch Zufall rollen die beiden einen Cold Case wieder auf und bemerken dabei einige Ermittlungsfehler; man war von einem Unfalltod ausgegangen. Diese Fehler und Versäumnisse wieder auszubügeln, erweist sich als ziemlich schwierig. Aber die beiden bleiben hartnäckig und dann wird dieser Fall noch sehr brisant.
Die Auflösung fand ich interessant und es kommt noch zu einem sehr spannenden Showdown. Der Schreibstil ist gewohnt angenehm und flüssig. Für mich ein gelungener Abschluss dieser Reihe, wobei ich auf jeden Fall mit dabei wäre, sollte es doch noch eine Fortsetzung geben!
- Wladimir Kaminer
Russendisko
(529)Aktuelle Rezension von: secretworldofbooksWladimir Kaminer erzählt in seinem Buch "Russendisko " kurzweilige Anekdoten über die Einwanderung von Russland nach Deutschland. Schön übersichtlich in kurzen Kapitel gehalten sind sie einmal mehr und einmal weniger unterhaltsam. Interessantes habe ich auch nicht im Buch gefunden. Wer es nicht liest,verpasst nix.
- Robert Menasse
Die Hauptstadt
(157)Aktuelle Rezension von: WortmagieDer österreichische Autor Robert Menasse ist ein glühender Verfechter der europäischen Idee. Er glaubt allerdings nicht an Europa als Nationalstaatenbund, sondern an das Konzept der Europäischen Republik. Seiner Meinung nach muss das langfristige Ziel der Europäischen Union sein, Nationen zu überwinden, Grenzen aufzulösen und gemeinsame demokratische Politik zu betreiben, weil nationaler Egoismus die EU in jeglicher Hinsicht beschneidet. Seine Kritik richtet sich demnach gegen den Europäischen Rat, während er Institutionen wie die Europäische Kommission, die tatsächlich europäische Interessen vertritt, als legitim und positiv betrachtet. Diese recht radikale Einstellung ist mehr als das Produkt halbgarer Stammtischdiskussionen. Menasse lebte einige Zeit in Brüssel und recherchierte vor Ort, wie die EU arbeitet und funktioniert, denn es wurmte ihn, dass er nicht verstand, wie Entscheidungen gefällt werden, die sein Leben direkt beeinflussen und lenken. Dort entwickelte er die Idee für „Die Hauptstadt“, der weltweit erste Roman über die Europäische Kommission, der von der Fachpresse gefeiert wurde und 2017 den Deutschen Buchpreis erhielt.
Ein Schwein geht um in Brüssel. Ein lebendiges Schwein, das durch die Straßen läuft und Brüsseler_innen wie Medien in Aufruhr versetzt. In den Korridoren der EU geht hingegen eine Idee um. Der 50. Geburtstag der Europäischen Kommission steht bevor. Müsste man feiern. Sollte man auch, für ihr Image, meint Fenia Xenopoulou, Leiterin der Direktion C (Kommunikation) der Generaldirektion Kultur und Bildung. Auschwitz als Geburtsort des europäischen Einheitsgedankens in den Mittelpunkt stellen? Warum nicht. Überlebende müssen her, Überlebende, die sich noch erinnern und Zeugnis ablegen können. Überlebende wie David de Vriend, der in einem Altersheim auf den Tod wartet, dem er vor so langer Zeit in einem Zug nach Auschwitz von der Schippe sprang. Nur möchte er lieber vergessen als zu erinnern. Kommissar Émile Brunfaut wurde indes aufgetragen, zu vergessen. Ihm wurde ein mysteriöser Mordfall in einem Brüsseler Hotel entzogen. Anweisung von oben, politische Gründe. Welche, weiß Brunfaut nicht. Er ermittelt auf eigene Faust weiter und deckt höchst schockierende Verbindungen auf. Schockieren wird auch der emeritierte Volkswirtschaftler Alois Erhart. Er wird den Grünschnäbeln des Think Tanks der Europäischen Kommission zeigen, wie radikal Europa gedacht werden muss. Und das Schwein? Das braucht einen Namen.
„Die Hauptstadt“ begegnete mir zuerst auf dem Wohnzimmertisch meiner Eltern. Damals war das Buch die aktuelle Lektüre meines Vaters und als ich ihn danach fragte, weckten seine Schilderungen schnell mein Interesse. Doch ich war auch eingeschüchtert. Ein Buch über die Europäische Kommission? Konnte ich das überhaupt lesen? Oder reichte mein Wissen über europäische Politik nicht aus, um zu verstehen, was Robert Menasse zu sagen hatte? Mein Vater beschwichtigte mich und gab sich zuversichtlich, dass ich dem Roman gewachsen sein würde. Ich bin froh, dass ich seinem Urteil vertraute. „Die Hauptstadt“ setzt nicht allzu viel Vorwissen voraus; es reicht völlig, wenn man eine ungefähre Vorstellung davon hat, aus welchen Institutionen die Europäische Union besteht und welche Aufgaben sie erfüllen. Feinheiten, Zusammenhänge und Abhängigkeiten erläutert Robert Menasse gewissenhaft, ohne die Geschichte, die er erzählt, jemals zu einer Lehrstunde verkommen zu lassen. Er verliert nie aus den Augen, dass ein Roman an erster Stelle unterhalten soll und verflechtet Erklärungen geschickt mit dem Erleben seiner Figuren.
Dadurch erkennen Leser_innen auch mit wenig Hintergrundwissen, dass der Einheitsgedanke, mit dem die Europäische Union einst gegründet wurde, heute beinahe in Vergessenheit geriet, die Mitgliedsstaaten nicht an einem Strang ziehen und alle Hindernisse in der Gestaltung europäischer Politik systemischer Natur sind. So mutiert die Organisation einer harmlosen Jubiläumsfeier zum 50. Geburtstag der Europäischen Kommission zum Kraftakt, weil einfach jedes Projekt von nationalen Interessen torpediert und zu Tode verhandelt wird. Daher wunderte es mich nicht, dass Idealismus in Brüssel nicht überleben kann. Die EU ist ein Ort, an dem Ideale, Hoffnungen und Träume mit jedem neuen Kompromiss ausgehöhlt werden. Dies veranschaulicht Menasse in „Die Hauptstadt“ durch die exemplarische Zusammenstellung seiner Figuren, die in diesem System in allen Ebenen und Institutionen arbeiten. Er zeigt, wie sie alle von der schwerfälligen, undurchsichtigen und frustrierenden Realität europäischer Bürokratie betroffen sind und jeweils mit ihr umgehen.
Die sensible Balance zwischen Nähe und Distanz, die Menasse dabei herstellt, faszinierte mich. Nach jedem der zahlreichen Perspektivwechsel tauchte ich langsam in den banal wirkenden Gedankenstrom einer Figur ein, der Stück für Stück Fahrt aufnahm und immer tiefer, immer signifikanter wurde. Ich gebe zu, für mich war diese Erzählweise zuerst gewöhnungsbedürftig, ich konnte mich ihrem hypnotischen Sog jedoch nicht entziehen und fühlte mich mitgerissen. Dennoch lässt Menasse niemals zu, dass seine Leser_innen von einem Blickwinkel vereinnahmt werden, indem er sie Querverbindungen sehen lässt, die die Figuren nicht wahrnehmen. Ich hatte den Eindruck, das Gesamtbild aus der Vogelperspektive zu betrachten, ohne meine Verbundenheit zu den Figuren opfern zu müssen. Das Maß an Kontrolle, das Menasse demnach auf seine Handlung ausübt, ist beeindruckend. Scheinbare Zufälle, Kreuzwege und Symboliken setzt er bewusst ein, um bestimmte Aspekte zu verdeutlichen. Nichts in „Die Hauptstadt“ geschieht grundlos. Folglich ist nicht einmal das Schwein, das herrenlos in Brüssel herumläuft und beinahe wie ein Phantom wirkt, eine willkürliche Ergänzung. Es ist eine gezielte Metapher, die sich sowohl auf die gesamte Geschichte als auch auf ihre Einzelteile anwenden lässt. Menasse selbst sprach in diesem Zusammenhang über das Spektrum zwischen „Glücksschwein“ und „Dreckssau“, meiner Meinung nach ist die passendste Assoziation jedoch die der Sau, die durchs Dorf getrieben wird – und wir wissen ja, wie lange diese Aufmerksamkeit generiert: Bis die nächste gefunden ist.
Schriftstellerisch ist „Die Hauptstadt“ genial. Robert Menasse ist ein hervorragender Autor, der ein bemerkenswertes Gespür für Subtilitäten und Zwischentöne besitzt. Er ist sich der Wirkung von Details allzeit bewusst und schreckt nicht davor zurück, diese unkommentiert zu lassen. Vieles erscheint in diesem Buch absurd und ich bin überzeugt, dass Menasse diese Absurditäten, die am gesunden Menschenverstand des europäischen Verwaltungsapparates zweifeln lassen, gezielt betonte. Ja, „Die Hauptstadt“ vermittelt Humor– doch es ist Galgenhumor, resigniert und fast bitter. Deshalb empfand ich den Roman emotional als schwer verdaulich. Die Lektüre war sehr desillusionierend, trotz all der radikalen, revolutionären und wunderschönen Ideen für Europa, die Menasse präsentiert. Es macht mich unsagbar traurig, dass das Potential der Europäischen Union ungenutzt bleibt und wir nicht daran arbeiten, das Konzept von Nationalitäten zu überwinden, um als wahrhaft geeintes Europa zu wachsen und die Vergangenheit hinter uns zu lassen. Europa ist untrennbar mit den Verbrechen des Nationalsozialismus verbunden und wird es immer sein. Sollte der Anspruch gelebter Erinnerungskultur nicht bedeuten, dass wir versuchen, das Problem an der Wurzel zu lösen und nationale Interessen hinter europäischen Interessen zurückzustellen?
Die Idee, innereuropäische Grenzen aufzulösen, Staaten abzuschaffen und eine echte europäische Identität für alle Bürger_innen aufzubauen, wirkt auf den ersten Blick heftig, meiner Meinung nach liegen die Vorteile jedoch auf der Hand. Wir würden nicht mehr von Brüssel aus „fremdregiert“, denn wir würden unsere politischen Vertreter_innen in der EU wählen, wie wir jetzt nationale Politiker_innen wählen. Würde der Kontinent Europa als Ganzes begriffen werden, stünde der Weg frei für einheitliche Politik. Ich denke da vor allem an die Ressorts Wirtschaft, Bildung und Außenpolitik. Selbstverständlich ist so ein extremer Schritt kein Garant dafür, dass tatsächlich Einigkeit entsteht. Aber ich glaube, der aktuelle Zustand der EU belegt, dass wir diese Einigkeit unter den herrschenden Bedingungen nie erreichen werden. Der politische Rechtsruck in vielen europäischen Ländern ist ein eindeutiges Signal dafür, dass wir genau jetzt versagen. Um überhaupt eine Chance zu haben, müssen wir mutig sein, umdenken und einen klaren Cut wagen, um anschließend unter neuen Voraussetzungen zusammenzuarbeiten.
Leider wird das wohl nicht passieren. Auch das vermittelt „Die Hauptstadt“. Robert Menasse mag von einem vereinten Europa träumen, er mag dafür kämpfen, optimistisch gibt er sich allerdings nicht. Wie könnte er auch, nachdem er in Brüssel hautnah erlebte, wie sich die Europäische Union Tag für Tag selbst ausbremst? Sein Roman konnte wahrscheinlich gar nicht mit einer hoffnungsvollen Note enden. Stattdessen transportiert er am Schluss die düstere Prophezeiung, dass es immer so weitergehen und sich niemals Einsicht in den grundlegenden Änderungsbedarf entwickeln wird. Zumindest habe ich es so empfunden. „Die Hauptstadt“ ist kein Hoffnungsschimmer. Es ist eine Bestandsaufnahme, die zeigt, was die EU sein sollte – und was sie in Wahrheit ist.
- Shumona Sinha
Erschlagt die Armen!
(21)Aktuelle Rezension von: Catastrophia"Also mussten sie die Wahrheit verstecken, vergessen, verlernen und eine neue erfinden. Die Märchen der menschlichen Zugvögel. Mit gebrochenen Flügeln und schmierigen, stinkenden Federn. Mit Träumen traurig wie Lumpen."
"Erschlagt die Armen" ist Polemik und tiefster Einblick ins Innenleben einer tief gespaltenen Person. Shumona Sinha erschafft mit einer unglaublich poetischen Sprache ein vernichtendes Bild des europäischen Asylsystems. Ähnlichkeiten mit ihrer Protagonistin, die selbst aus Indien stammt und nun als Übersetzerin bei der französischen Asyöbehörde arbeitet, hat sie reichlich, und deshalb sollte die Prosa nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um ein ziemlich realistisches Bild handelt, das Sinha hier entwirft. Denn die Protagonistin, die es - mindestens aus der Perspektive ihrer nach Frankreich flüchtenden Landsleute - "geschafft" hat, hat sich damit auch verändert, hat sich entfernt, hat die leidvollen Geschichten, die oft genug mit Lügen gespickt sind um die Chancen auf Asyl durch noch mehr Leid zu erhöhen, schon tausendmal gehört und stumpft ab. So sehr, dass sie sich in Polizeigewahrsam wiederfindet, da sie einen indischen Migranten angegriffen hat.
Nun muss sie sich damit auseinandersetzen, was sie dazu gebracht hat. Kritik richtet sie dabei an so ziemlich alle: Unmenschliche Asylgesetze, leichtgläubige Beamt*innen, aus Verzweiflung lügende Asylsuchende, die sie als Frau mitunter gar nicht erst ernst nehmen und nicht zuletzt sich selbst.
Dass Sinha nach Veröffentlichung des Romans ihren Job bei der französischen Asylbehörde verloren hat, spricht in dem Kontext Bände. Ein beeindruckendes Buch, das ebenso beeindruckend von Lena Müller übersetzt wurde. Erschienen ist es 2015 und gewann sehr zu Recht 2016 den Internationalen Literaturpreis.
- Jedediah Berry
Handbuch für Detektive
(77)Aktuelle Rezension von: SonnenwindLeider kann man keine null Sterne vergeben. Und ich bin mir ganz sicher, daß es nicht an mir liegt, weil ich das Buch nicht verstanden hätte. Es ist kein Inhalt drin.
Zwar ist der Text semantisch (fast) einwandfrei, allerdings fehlt es völlig an irgendwelcher Aussage. Es liest sich wie ein von einem einfachen Sprachprogramm entwickelter Text, der dann auf Semantik korrigiert wurde. Weil "einem Sätzen wie dieser" keine Rechtschreibprüfung auf den Pelz rückt.
Am Anfang meint man, eine schlüssige Geschichte zu lesen: Ein Schreiber, der einem bestimmten Detektiv zugeteilt ist, soll diesen suchen, weil er verschwunden ist. Er ist dann tot, wenig später lebt er aber wieder - und das passiert einige Male mit verschiedenen Personen.
Das Ganze spielt sich in einem "Traumland" ab: Alle Personen schlafen, schlafwandeln und träumen. Dabei ist praktisch alles reversibel, nichts ist Wirklichkeit. Ein Buch, aus dem man nun wirklich gar nichts lernen kann - verschwendete Lesezeit! - Derek Landy
Skulduggery Pleasant 4 - Sabotage im Sanktuarium
(421)Aktuelle Rezension von: Lisa_PapyrusNach dem heftigen Ende des letzten Teils gibt es hier einen kleinen Zeitsprung in die Zukunft, in der Walküre immer noch daran arbeitet Skulduggery wieder zurückzuholen. Während ihrer Reise werden neue Figuren eingeführt, die ich allesamt sehr mag und die alle ziemlich kreativ sind. Sowohl von ihren Charakteren her, also auch von ihren Fähigkeiten und Besonderheiten. Aber auch Walküre macht in meinen Augen einen ziemlichen Sprung und sie wird immer erwachsener und sie wird etwas ernster, was natürlich auch der Ausgangssituation geschuldet ist. Aber nicht nur sie wird erwachsener und alles bekommt einen dunkleren Anstrich, sondern auch die Handlung. Ich finde, diese wird mit jedem Band dunkler und es passieren krassere Sachen, aber in einem angenehmen Tempo und es fühlt sich sehr natürlich in seiner Entwicklung an. Das mag ich auch besonders an dieser Reihe, sie fühlt sich sehr natürlich und sehr harmonisch gewachsen an. Ja, es wird immer krasser, aber im richtigen Tempo. Ich persönlich freue mich schon auf den fünften Teil, weil, das, was am Ende des vierten Teils enthüllt wird, ist wirklich krass und jetzt wird es richtig spannend.
Ich vergebe 5 von 5 Sterne. - Rolf Uliczka
Wattmord in Carolinensiel. Ostfrieslandkrimi
(26)Aktuelle Rezension von: RamonaFroeseTitel und Cover sind wieder sehr vielversprechend.
Bei dem Titel deutet nichts darauf hin. was einen wirklich erwartet. Wer leicht getriggert werden kann sollte das Buch lieber nicht lesen!!
An sich wieder eine gut geschriebene Geschichte, mit anderem Ausgang als man am Anfang vielleicht denken mag
Der Schreibstil war wieder so gut, dass ich das Buch nicht aus der Hand legen konnte. Man hatte wieder viele Bilder vor seinem geistigen Auge.
Auch wenn ich das Buch gut fand, hoffe ich das mich diese Bilder nicht heute Nacht im Schlaf verfolgen. - Corinne Hofmann
Zurück aus Afrika
(263)Aktuelle Rezension von: Cornelia_ReiseCorinne erzählt von ihrem Leben in der Schweiz, nachdem sie Afrika verlassen hat.
Ich habe bereits den ersten Teil gelesen, worin Corinne ihre Jahre in Kenia beschreibt. Der erste Teil hat mir deutlich besser gefallen, er was spannend, sehr interessant und abwechslungsreich. Dies kann ich von ihrem zweiten Buch leider nicht behaupten. Es ist ganz nett geschrieben, aber leider auch nicht mehr. Zu Beginn schildert Corinne ihre Anfangsschwierigkeiten in der Schweiz. Aber das Buch zieht sich, obwohl es sehr dünn ist, hin und am Ende wollte ich es einfach nur noch beendet haben. Vor allem der letzte Teil des Buches, die Besteigung des Berges hat mich gelangweilt und hatte meiner Meinung nach keinen Zusammenhang mehr zu der Grundgeschichte. Deshalb bekommt das Buch von mir leider nur 3 Sterne. - Gunnar Herrmann
Elchtest
(67)Aktuelle Rezension von: DasGiffels"Elchtest" wurde mir von Verwandten empfohlen und ich kann diese Empfehlung nur weitergeben.
Der Autor, Gunnar Herrmann, ist Halbschwede und zieht als Korrespondent nach Stockholm. In seinem ersten Jahr in Schweden passieren viele Dinge, die für Nicht-Schweden recht bizarr sind und es zeigt sich in dem Buch deutlich, aber auf eine humorvolle Art, dass auch die Schweden, die so gerne als Vorbild für alles dienen, nicht perfekt sind. Das fängt an bei der Schwierigkeit, als Schwede im Finanzsystem eingetragen zu werden und zieht sich hin bis zu Dingen wie einem Hauskauf. Gerade diese Story hat mich sehr zum Schmunzeln gebracht, da ich weiß, dass die Situation in Norwegen eine sehr ähnliche ist.
Mit viel Humor und einer angenehmen überzeichneten Art schreibt der Autor über seine Erlebnisse und sein erstes Jahr mit seiner Familie in Schweden. Ein tolles Buch, das man gut in wenigen Tagen durchlesen kann und welches einem einige schöne und unterhaltsame Stunden schenkt!
- Paul Torday
Lachsfischen im Jemen
(69)Aktuelle Rezension von: KarenAydinLachse und Angeln. Und das über mehr als 320 Seiten? Ich halte persönlich nicht viel von diesem Sport. Nicht nur, weil mir die Fische leid tun, sondern ich denke auch, dass es ein wenig aufregendes Hobby ist. Und dann ein ganzes Buch über Lachse und Fischerei? Kann das spannend sein? Ich habe mich auf das Experiment eingelassen und bin zu dem Schluss gekommen, dass es so ist. Dies liegt zum einen an dem herrlich schrägen Plot, zum anderen aber auch an dem erzähltechnisch sehr spannenden Aufbau.
Worum geht es genau?
Der britische Wissenschaftler und Fischereiexperte Dr. Alfred Jones wird darum gebeten, dem unverschämt reichen Scheich Muhammad ibn Zaidi bani Tihama bei der Realisierung seines wahnwitzigen Plans zu helfen. Er möchte einen Wadi in einen Lachsfluss verwandeln und so den Angelsport im Jemen etablieren (einem islamischen Land, in dem es überhaupt keine Tradition des Fischens gibt). Jones lehnt zunächst ab, doch dann mischt sich der Pressesprecher des britischen MP ein, der dieses harmlose Projekt zunächst als perfekte Gelegenheit für eine (angesichts des Irak-Kriegs dringend notwendige) positive PR-Kampagne sieht. Er übt Druck auf den Fischereiwissenschaftler aus, der daraufhin, zusammen mit einer Mitarbeiterin in diesem Projekt namens Harriet Chetwode-Talbot den Scheich auf dessen Anwesen in Schottland trifft.
Ein ganz besonderer Erzählstil
Es ist nicht nur die herrlich absurde Geschichte, die diesen Roman zu etwas ganzem Besonderen macht, es ist der Aufbau und der ihm eigene, sehr trockene und bisweilen etwas böse britische Humor. Der Roman besteht aus Emails, Zeitungsausschnitten, Protokollen, Tagebucheinträgen und im letzten Abschnitt auch Verhörprotokollen. So bekommt der Leser einen humorvollen Einblick in die freud- und lieblose Ehe des Protagonisten, weil die Emails, die Alfred und Mary austauschen so verfasst sind, dass man ganz genau herauslesen kann, was die Eheleute sich eigentlich sagen möchten. Die wissenschaftliche Ernsthaftigkeit mit der versucht wird, Wege zu finden, das absurde und absolut nicht umsetzbare Projekt zu realisieren, ist herrlich komisch, ebenso wie der Einblick in die Korrespondenz hinter den Kulissen von 10 Downing Street, was Teile des Romans zu einer sehr bissigen und kritischen Politsatire macht. Auch Al-Kaida mischt sich in das Projekt ein. Auch wenn der grundsätzliche Ton humorvoll ist, so enthält der Roman auch sehr absurd-traurige Elemente, bei denen einem das Lachen wie eine Gräte im Hals stecken bleibt.
Der Scheich ist eine besonders interessante Gestalt. Er glaubt fest an das Gute, an die Möglichkeit der Verwirklichung seines Traums und an die positiven Auswirkungen dieses Projekts auf die Bevölkerung. Er ist der einzige, der immer nur durch Dritte geschildert wird. Wir erfahren nie, was er wirklich denkt. Das was aber deutlich wird, ist, dass er den kauzigen Wissenschaftler Jones nachhaltig verändert. So ist der Roman ebenso sehr Entwicklungsroman wie Wissenschafts – oder Politsatire.
In der zweiten Hälfte beginnen Verhörprotokolle, da wird es richtig spannend, weil es schwierig ist, aus den Aussagen zusammenzusetzen, was nun eigentlich geschehen ist.
Also, alles in allem ist es ein sehr lesenswerter und komplexer Roman, der viel Stoff zum Nachdenken bietet, aber gleichzeitig so locker-leicht und humorig geschrieben ist, dass er keine Sekunde langweilig ist.
Wem das Buch gefallen könnte? Das ist dieses Mal sehr schwierig, da ich kein Buch kenne, das diesem hier ähnlich ist. Ich kann nicht einmal sagen, dass es für Menschen ist, die sich für Lachsfischen oder für britische Nahostpolitik interessieren oder generell Satire mögen, denn da gehöre ich eigentlich auch nicht zu. Ich empfehle es also jedem, der Mut und Lust hat, sich bei Tordays Debütroman auf etwas Neues einzulassen.
Es gibt offenbar auch eine Verfilmung. Da ich aber nach dem Trailer („Wohlfühl-Komödie“) befürchte, dass dieser so flach wie die jemenitischen Wadis vor der Regenzeit ist, empfehle ich den Roman.
- Carl Zuckmayer
Der Hauptmann von Köpenick
(268)Aktuelle Rezension von: RobinBookEines der Bücher, die man gelesen haben sollte, denn wie bei "Des Teufels General" baut Zuckmayer hier gekonnt eine grandiose Erzählung um eine tatsächliche Begebenheit herum auf. Hier ist es eine aus der Not heraus geborene und durch die preußische Überhöhung Uniform tragender Menschen leicht gemachte Eulenspiegelei, die sicher vielen Menschen bereits aus den Verfilmungen mit Harald Juhnke (gut) und Heinz Rühmann (begnadet!) bekannt ist. Ein jeder Leser mag selbst entscheiden, ob man es als positiv oder als negativ ansieht, dass so etwas auch zu unserer Zeit nicht ausgeschlossen ist... - Arto Paasilinna
Ein Elefant im Mückenland
(28)Aktuelle Rezension von: winter-chillEine Reise durch Finnland, kuriose und liebenswerte Charaktere, ein bisschen Gesellschaftssatire und hier und da blitzt der typische finnische Humor auf: skurril, schwarz, aber trotzdem irgendwie immer in Moll. „Ein Elefant im Mückenland“ ist ein typischer Paasilinna. Vielleicht ist der Roman nicht sein humorigster, trotzdem hat mich das Buch wieder gut unterhalten. Paasilinna erzählt die Geschichte der Elefantendame Emilia, die von heute auf morgen kein Zuhause mehr hat. Im finnischen Zirkus kann sie nicht bleiben, da ein neues EU-Gesetz die Haltung von wilden Tieren zum Gelderwerb verbietet. Damit Emilia nicht getötet werden muss, nimmt sich Tierpflegerin Lucia Lucanda der Elefantendame an und möchte sie nach Afrika verschiffen. Bis es soweit ist, müssen sich Emilia und Lucia auf eine ereignisreiche Odyssee quer durch Finnland begeben und gegen einige Widrigkeiten kämpfen, wie etwa gegen militante Tierschützer oder den finnischen Lebensstil. Paasilinna erzählt die Geschichte auf eine sehr ruhige Art, schweift auch mal ein bisschen ab und vermittelt dem Leser Wissen über die finnische Geschichte oder eben Elefanten. Paasilinnas Sprache ist sehr einfach, aber vor allem angenehm. Natürlich ist „Ein Elefant im Mückenland“ kein rasanter Roadtrip, auch nicht übermäßig witzig oder extrem spannend – mir gefällt dieses Buch gerade aber, weil es irgendwie so erholsam ruhig ist. Wie ein finnischer Sommerurlaub. Und man bekommt auch wieder ein stückweit mehr die finnische Lebensart näher gebracht. - Bentley Little
Schemen
(50)Aktuelle Rezension von: Tapsi0709Am Anfang muss ich leider zugeben hat mich dieses Buch schon sehr enttäuscht. Es war sehr zäh und langweilig ... es wollte einfach keine Spannung aufkommen, wie ich es sonst von Bentley Little gewohnt war. Erst ab etwa der Hälfte des Buches würde es etwas besser ... da kam Action und Spannung dazu, die aber auch nicht so richtig zu greifen war ... Ich würde dieses Buch nicht als Horror bezeichnen vom Genre her ... es ist teilweise sehr unterhaltsam und lässt einen die Welt in einem anderen Licht sehen und über gewisse Dinge nachdenken, die wir als selbstverständlich ansehen.Wenn man es wirklch als Horror bezeichnet, dann ist es ideal für Einsteiger und Menschen die gerne philosophieren.Alles in allem habe ich mich dennoch gut unterhalten gefühlt, würde das Buch jedoch nicht unbedingt weiter empfehlen, da ich selbst er as anderes erwartet hatte.