Bücher mit dem Tag "biografischer roman"
107 Bücher
- Olivier Guez
Das Verschwinden des Josef Mengele
(89)Aktuelle Rezension von: mariameerhabaZuzusehen wie Mengele alles verliert, seine Würde, seine Haltung, seinen Doktortitel, es hatte etwas Befriedigendes, das gebe ich ungern zu. Das Karma hat ihn eingeholt, sein Leben zerstört, die letzten Lebensjahre waren nur noch eine Folter für ihn, ohne dass ihn jemals sein Gewissen beunruhigt hat und das zu lesen, war erschreckend.
Der Autor hier beschreibt sehr gut die Flucht eines Monsters. Er macht daraus nicht einen einfachen Bericht, das den zweiten Abschnitt vom Leben Mengeles zerlegt, sondern er sorgt dafür, dass man Mengeles Elend mitfühlt, dass man dabei ist und zu sieht, wie ein stolzer Mann langsam zerbricht.
Es ist ein erschütterndes Buch, aber gleichzeitig zeigt es auch, wie die Reichen davonkommen können. Wie sie sich der Justiz entziehen, wie Geld ihnen ermöglicht, jenseits der Gesetze ein Leben zu führen, das man getrost als ein schönes Leben bezeichnen kann. Vielleicht ging es Mengele nicht gut bei seiner Flucht, aber alle anderen hatten doch ein angenehmes Leben, gönnten sich nach so viel Mord und Korruption eine Villa, ein riesiges Anwesen, die ihre Vergangenheit so weit in den Schatten rückte, das man sie zu beneiden begonnen hat.
Das Buch ist spannend, interessant, gewaltig, brutal und so ehrlich, dass es mich sehr oft erschüttert hat. Der Stil ist einfach und leicht und vor allem funktioniert das Buch. Ich habe es gern gelesen.
- William Boyd
Die Fotografin
(68)Aktuelle Rezension von: SeitenwandlerinÜBER DAS BUCH
Amory Clay durchlebt die unruhigen Zeiten und politischen sowie gesellschaftlichen Wandel des 20. Jahrhunderts.
Durch ihren Onkel, einen Fotografen, entdeckt sie schon als junge Frau ihre Leidenschaft für Fotografie, die sie ihr Leben lang begleiten wird. Geprägt ist ihr Leben auch von den Kriegen der Epoche, welche nicht nur schonungslos die Gesundheit und Leben der Männer in ihrer Familie einfordern, sondern auch sie selber als Kriegsberichterstatterin an die Front bringen.
Inmitten all der politischen und gesellschaftlichen Ereignisse führt Amory Clay auch privat ein bewegtes Leben.
Das Buch beschreibt - von der Kindheit bis ins Alter - mitreißend und detailliert ausgestaltet ihren Lebensweg vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen und Themen.
MEINE MEINUNG
Vor allem bietet das Buch einen spannenden Einblick in das 20. Jahrhundert. Durch die mitreißende Erzählweise erlebt man hautnah mit, was in diesem Jahrhundert geschah und wie sich das auch auf das Leben der "Normalbevölkerung" ausgewirkt hat. Für historisch interessierte Leser auf jeden Fall empfehlenswert.
Auch die Figuren sind glaubwürdig gestaltet, sodass man sich in ihre Sichtweise gut hineinfinden kann und mit ihnen mitfiebert.
Das Thema Fotografie steht dabei weniger im Mittelpunkt als der Titel es hätte erwarten lassen. Vielmehr nimmt auch Amorys Privatleben einen großen Teil der Geschichte ein - darunter auch diverse Romanzen und Dreiecksbeziehungen. So viel "Beziehungsdrama" hatte ich nicht erwartet und fand diese Handlungsstränge teilweise etwas unnötig und langatmig.
Insgesamt ein gut geschriebenes Buch mit einem interessanten Setting und authentischen Figuren - das sich aber dennoch etwas zieht und dem eine Kürzung auf die wesentlichen Handlungsstränge nicht geschadet hätte...
- Astrid Korten
WO IST JAY?
(89)Aktuelle Rezension von: sleepwalker1303„Die Hölle, das sind die anderen“ – dieser Satz aus Jean-Paul Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ fiel mir bei der Lektüre von „Wo ist Jay“ von Astrid Korten immer wieder ein. Der Psychothriller vereint alles, was das Genre so lesenswert macht: harmonische Fassaden verstecken tiefste Abgründe, Narzissmus läuft neben Profilneurose und ganz dominant: Neid, Missgunst und blanker Hass.
Dabei ist die Geschichte an sich nichts Neues: eine Frau verlässt ihren Mann und die beiden Kinder. So sehen es auf jeden Fall alle im Umfeld der Tierärztin Mia, als Jay verschwindet. Und sie ist von Anfang an die einzige, die davon überzeugt ist, dass Jay nicht einfach nur „verschwunden“ ist. Sie ist die einzige aus dem Freundeskreis, die darauf besteht, sie zu suchen, will als einzige die Polizei einschalten. Aber sie ist in der Clique auch die, die am naivsten ist. Alle anderen haben ihre Leichen im Keller und sei es auch nur die eigene traurige Existenz.
Im Verlauf des Buchs kommen über jeden einzelnen, vor allem aber über die verschwundene Jay, Dinge zutage, von denen niemand wusste, von denen niemand wissen sollte. Die Mitglieder des Freundeskreises agieren über weite Teile des Buchs nach dem Motto „Regel Nr. 1, jeder macht seins“ – außer, wenn nach irgendeiner Seite Zwietracht gesät werden kann. Im Austeilen sind (mit Ausnahme von Mia) alle gut, im Anschluss wird dann gekränkte Eitelkeit zur Schau gestellt.
Anfangs tat ich mich mit dem Buch wegen der durcheinandergewürfelten chronologischen Reihenfolge schwer, da fehlte mir erst die Linearität. Aber nach kurzer Zeit hielt mich das Buch völlig gefangen. Nicht zuletzt, weil es etwas beschreibt, das wohl jeder der Leser kennt: Freundschaft, Liebe und Familie, aber auch Neid und Hass. Und das alles mitten in Aachen. Jay verschwand an eine Ort, an dem mich auch ab und zu laufe (Kaiser-Friedrich-Park, Hangeweiher). Was für ein Gänsehaut-Faktor!
Es ist ein sehr unbehagliches Gefühl, mit dem das Buch den Leser zurücklässt. So viele hübsche Fassaden, so viel Unzufriedenheit, so viele Lügen – so viel schöner Schein auf so wenigen Seiten! Da stellt man alle Freundschaften doch mal in Frage, die man so pflegt. Denn, wer solche Freunde hat, wie in diesem Thriller, der braucht echt keine Feinde mehr. Denn in dem Buch ist nichts, aber absolut gar nichts so, wie es nach außen aussieht. Die Charaktere, meiner Meinung nach vor allem die der weiblichen Protagonisten, sind sehr tiefgründig beschrieben. Sympathisch ist eigentlich nur Mia, trotz oder vielleicht sogar wegen ihrer Naivität und ihrer Besessenheit, Jay zu finden.
Enorm spannend, psychologisch enorm verstörend und eine absolute Lese-Empfehlung von mir.
- Édouard Louis
Im Herzen der Gewalt
(56)Aktuelle Rezension von: Bettina_BarkhovenIm Roman erzählt der Autor über weite Strecken, wie der Protagonist Édouard (das Werk ist weitgehend autobiographisch) hinter der Tür des Wohnzimmers seiner Schwester Clara verborgen steht und sie belauscht, wie sie sich mit ihrem Mann über das, was Édouard geschehen ist, unterhält.
Vom Klappentext weiß man, dass eine Zufallsbekanntschaft mit einem jungen Mann, der ihn angesprochen hat, zwar zunächst zu einer erotischen Nacht führte, doch dann schlägt die Situation um und der Mann, der von sich sagt, dass er Reda heißt, bedroht ihn schließlich mit einer Waffe und tut ihm Gewalt an, auch sexuelle Gewalt. Das Buch fängt an mit dem verzweifelten Versuch Édouards, alles zu putzen, zu reinigen oder zu entsorgen, das mit Reda in Berührung gekommen ist.
Cut.
Jetzt steht Édouard also hinter der Tür und es folgt über die gesamte Romanlänge eine Mischung aus
- Claras Erzählungen (wörtliche Rede)
- diese sind in Kursivschrift durchbrochen von gedanklichen Kommentaren Édouards, Richtigstellungen, Ergänzungen
- und seinen eigenen Erinnerungen an die Nacht, auch solchen, von denen er niemandem erzählt hatIch habe mit ihm mitgelitten, ich war froh über seine Freunde, die immer für ihn da sind, über die halbwegs emphatischen Polizeibeamten - die Édouards Lage zwar ernst nehmen, aber doch auch Rassismen und Bürokratie an den Tag legen.
Ich habe mich über Clara geärgert, wie sie manchmal über ihren Bruder urteilt, und dann wieder habe ich sie gut verstanden, weil sie pragmatisch und analytisch sagt, welche Marotten und Probleme er hat, wo er sich selbst im Weg steht …
Édouard beschreibt seitenlang, wie er sich Reda und dessen Vater in bestimmten Situationen vorstellt, sie vermischen sich mit Geschichten über Familienmitglieder oder Berichten, die er mal gesehen oder gelesen hat. Es wirkt verrückt und ein bisschen unheimlich … man sieht ihm regelrecht beim Verrücktwerden zu.
Clara zeigt sich mal distanziert zu „diesen Leuten in Paris“, mal scheint sie doch auch viel Ähnlichkeit mit ihrem Bruder zu haben. Auch sie kann sich in Nebensächlichkeiten verirren, kommt „von Hölzken auf Stöcksken“ und nimmt im Grunde keine Rücksicht auf ihren Mann, der ihr vermutlich nicht mehr folgen kann und - na ja, eigentlich müsste er die Geschichte auch schon kennen, denn sie liegt eine Jahr zurück.
Dieses Erzählen-Müssen verbindet sie vielleicht mit ihrem Bruder, dem es mit seinem Trauma nämlich monatelang so ging.
Ein paar Mal musste ich bei aller Tristesse und Grausamkeit über Bemerkungen lachen, manchmal erkannte ich mich selbst in Édouards Verschrobenheit wieder, und als es um den Druck ging, dem er sich ausgesetzt sah, seine Gedanken dazu (er will keine Anzeige erstatten) und dann doch die stille Duldsamkeit und fast schon Gehorsamkeit seinen Freunden gegenüber, da hätte ich mit ihm weinen können.
Seine Sicht auf sich selbst, sein Wechsel von „Ich“ zu „Du“, wenn er über sich selbst spricht, wird noch intensiver in dem Moment, in dem er zur dritten Person wechselt. Beklemmend, diese Distanzierung.
Eins der besten Bücher, die ich je gelesen habe. Ich will unbedingt auch sein Debüt lesen.
Ein paar gestalterische Finessen hat das Buch auch zu bieten, die ich hier mit einer **Spoilerwarnung** versehe:
An einem Punkt im Buch gibt es ein Zwischenspiel, an dem er einen Ausschnitt aus einem anderen Buch in Beziehung zu sich selbst setzt. Er hat besagtes Buch, schreibt er, während der Arbeit an diesem Buch gelesen und es hat ihm im Nachhinein viel über sich selbst erklärt. Auch das letzte Zitat erklärt das sehr abrupte, sang- und klanglose Ende, das erst durch das Zitat eine besondere Bedeutung erhält, wie ich finde.Es gibt mehrere Rezensionen, die von Hoffnungslosigkeit sprechen, das empfinde ich nicht so.
- Nadifa Mohamed
Black Mamba Boy
(42)Aktuelle Rezension von: Aqua__Das Leben ist erbarmunglos. So denke ich zumindestens, nachdem ich dieses Buch gelesen habe. Der kleine Jama ist gerade einmal 11 Jahren alt.
Über hunderte von Kilometern, will er sich auf den Weg in den Sudan machen, in einer Zeit in der sein Volk versklavt wird. In den 30er Jahren, in der das Buch spielt, haben die weißen die Kolonialherrschaft an sich gerissen und unterdrücken die Einheimischen in Afrika.
Auf seinem Weg erlebt er so manches Abenteuer. Jama bekommt hilfe, aber ebenso stellen sich ihm Andere in den Weg.
Das besondere ist, das Nadafi Mohammed hier die Geschichte ihres Vaters erzählt und uns dadurch in eine ander Welt eintauchen lässt. - Valérie Trierweiler
Die Dame in Gold
(55)Aktuelle Rezension von: engineerwifeMit dem biografischen Roman „Die Dame in Gold“ hatte ich das Glück Adele Bloch-Bauer kennenzulernen, die mich auf eine ganz bezaubernde Art fasziniert hat. Sie hat das unverschämte Glück als Tochter von Moritz Bauer, dem Direktor der Großbank Wiener Bankverein – also quasi mit einem goldenen Löffel im Mund - geborenen zu werden. Als sie im Jahr 1899 den Zuckerfabrikanten Ferdinand Bloch heiratet, scheint das Glück komplett. Doch ganz entgegen der Mutterfreuden ihrer Schwester Therese, mit der sie ein Leben lang sehr eng verbunden ist, bleibt es ihr selbst verwehrt, eigene Kinder zu haben. Eine Totgeburt und der schnelle Tod ihres zweiten Kindes lassen sie zunächst in tiefe Depressionen verfallen. So stellt es sich schließlich als großes Glück und Erlösung aus dem Dämmerzustand heraus, dass sie den Maler Gustav Klimt kennenlernt und ihr Mann Ferdinand ein erstes Gemälde seiner geliebten Adele in Auftrag gibt. Die „Frau in Gold“ ist geboren …
Es ist hinlänglich bekannt, dass Adele schließlich ihren ihr treu ergebenen Ehemann mit dem Künstler betrügt, und doch kann man ihr beim Lesen des Romans nicht wirklich böse darum sein. Sie liebt ihren Mann Ferdinand von ganzem Herzen, aber er kann nicht die Leidenschaft in ihr erwecken, die in ihr steckt. Sie hat ein Feuer, das sie dazu nutzt Gutes zu tun für Menschen, die in weniger glücklichen Umständen leben, sie interessiert sich für Politik und würde sich zu gerne mehr engagieren, doch im Wien der frühen 20er Jahre ist noch kein Raum dafür geschaffen und so sucht sie in Gustav Klimt ein Outlet, ihren Schaffensdrang zu befriedigen.
Es kann gut sein, dass mein erst kurz zurück liegender Besuch in Wien mir diesen Roman so nahebringt. Ich durfte dabei auf ihren Spuren wandeln und - ganz an der Oberfläche kratzend - Adeles Wien kennenlernen und vielleicht ein wenig verstehen. Ich bin begeistert, vergebe volle fünf Sterne und bin nach diesem Buch auch noch gar nicht bereit, diese Stimmung zu verlassen. Ich werde noch ein wenig in Erinnerungen schwelgen und genießen!
- Emma Brockes
Sie ging nie zurück Die Geschichte eines Familiendramas
(47)Aktuelle Rezension von: lanzelotWir erfahren hier die emonzionale und wahre Geschichte der Emma Brockes, deren Mutter an Krebs gstorben ist und die sich auf die Suche nach ihren Wurzeln nach Südafrika aufmacht. Ihre Mutter Pauline wurde in 1940 Südafrika geboren und verlor schon mit 2 Jahren ihre Mutter. Der Vater heiratet wieder ist sehr gewalttätig und sie bekommt 7 Halbgeschwister. Als sie es nicht mehr aushält wandert sie 1960 nach England aus und führt dort ein beschaulisches Leben und nennt sich fortan nur noch Paula. Sie lebt in London und lernt dort in einer Anwaltskanzlei ihren späteren Mann kennen. Erst mit 40 Jahren verhältnisweise sehr spät heiratet sie diesen ausgesprochenen guten und fürsorglichen Mann und bekommt nur eine Tochter Emma die Autorin des Romanes. Ihrer Tochter Emma hat sie nie etwas über die grausamen Jahre in Südafrika erzählt, nur immer andeutungsweise mit den Worten.......eines Tages erzähle ich dir die Geschichte meines Lebens, da wirst du staunen. Doch dazu kommt sie nicht mehr. Emma ist schockiert was sie alles in Südafrika bei ihren diversen Verwandten erfährt. Sogar das ihr Großvater ein freigelassender Mörder war. Eine sehr bewegende Geschichte die einem unter die Haut geht und sehr anspruchvoll geschrieben ist, also keine leichte Kost.
Besonders gefallen hat mir das Emma Brockes in diesem Buch einige private Fotos veröffentlicht hat. - Christian Hardinghaus
Ein Held dunkler Zeit
(36)Aktuelle Rezension von: ChristineKlunt89Dieser historisch orientierte Roman von dem Historiker Hardinghaus ist fesselnt und emotional.
Es geht um 2 Soldaten Wilhelm und Friedrich. Beide sind Soldaten an der Ostfront. Doch Wilhelm ist nur wegen einer Mission dort. Er liebt seine halbjüdisch Frau und will sie beschützen . Für ihn ist sie die einzig richtige. Obwohl seine Bekannten vor ihr abraten .Doch er nimmt den Druck der Gesellschaft auf sich und will mit ihr bleiben. Für sie zieht er sogar in den Krieg. Im Krieg ist sie seine Motivation und sein Anspruch durchzuhalten und weiter zu kämpfen. In Briefen zeigt sich wie sehr sie sich vermissen und das auch der Krieg sie nicht trennen kann.
Friedrich ist Wilhelm Freund und will ihm dabei helfen sein Zeil zu erreichen.Die Ereignisse an der Front werden von dem Historiker gut dargestellt damit man sich in die Soldaten hineinversetzen kann. Auch sind beide Soldaten skeptisch zum Krieg, was die Handlung immer spannend macht.
Für Liebesgeschichten im Krieg und Kriegsroman interessierte ist dieser Roman ein Muss. - Sandra Brökel
Das hungrige Krokodil
(33)Aktuelle Rezension von: krimielseSandra Bröckel hat mit ihrem Roman „Das hungrige Krokodil“ ein historisches Kleinod geschaffen, das sich auf berührende Weise dem Prager Frühling annähert und völlig kitschfrei auf literarischem Niveau die Lebensgeschichte von Pavel Vodák erzählt. Es ist eine wahre Geschichte, was das Buch umso beachtenswerter macht.
August 1968 rollen Panzer der damaligen Bruderländer in das sozialistische Prag, um die Reform zu zerschlagen. Das bedeutet das Ende für den Prager Frühling und damit auch für den tschechischen Arzt Pavel Vodák, der zur Gruppe der oppositionellen Reformsozialisten in Prag gehört. Auch wenn er nicht das berühmte Manifest der 2000 Worte unterzeichnete war er Teilnehmer der konspirativen Treffen und hat viele Schriftstücke verfasst.
Die Panzer zerstören alle Hoffnungen auf Veränderung und schleudern Pavel, seine Familie und die Tschechoslowakei zurück in eine finstere und misstrauische sozialistische Ära, die für den Chef der Prager Kinderpsychiatrie äußerst gefährlich wird. Aus Sorge um sich und seine Familie wagt Pavel die Flucht über Jugoslawien, mit seiner Frau Vera, seiner Tochter Pavli und seiner Schwiegermutter.
Eine Arzttasche gefüllt mit Dokumenten sind der Schatz, den die Autorin Sandra Bröckel für ihr Buch als Basis benutzt hat. Die Tasche voller Lebenserinnerungen des Prager Arztes Pavel Vodák bekam sie von ihrer Freundin Paula alias Pavli, der Tochter von Pavel. Das hungrige Krokodil als gefährliches Symbol, das man nicht füttern darf und das nur scheinbar träge schläft, stammt aus den Aufzeichnungen Pavels und wird im Roman als kraftvolles Bild verwendet.
Schon als Kind erlebt Pavel die Schrecken der Diktatur der Nazizeit. Später unmittelbar nach dem Krieg, als Student der Medizin in Prag, arbeitet er als ärztlicher Helfer in Theresienstadt, dem ehemaligen Konzentrationslager nahe Prag, wo er seine Frau Vera kennenlernt. Das Schwert kehrt sich nun um für den jungen deutschstämmigen Pavel, der noch völlig paralysiert von den Schrecken, wozu Menschen fähig sein können, in Prag erleben muss, wie Tschechen Deutsche umbringen. Als mit den Sowjets kommen muss Pavel sich vor dem Russischen Bären und seinem Uniformismus in Acht nehmen, bis unter Alexander Dubček im Frühling 1968 vorsichtige Reformen möglich zu sein scheinen. Pavel schließt sich begeistert der Gruppe Oppositioneller in Prag an und unterstützt durch seine Arbeit das „Manifest der 2000 Worte“, unter den ängstlich-besorgten Blicken seiner Frau Vera, die unter den Russen nicht weiter Medizin studieren durfte.
Nur zufällig gehört Pavel nicht zu den Unterzeichnern des Manifests, und er wird in den nachfolgenden Jahren vielfach von der nunmehr strengeren Diktatur bedroht und reglementiert. Schließlich sieht er in der Flucht die einzige Möglichkeit, der drohenden Verhaftung zu entkommen und seiner Tochter Pavli ein Studium zu ermöglichen.
Das Verlassen der Heimat als einzigen Weg, ein freies Leben ohne Angst zu führen, ist ein zeitlos aktuelles Thema. Leise und sehr eindringlich erzählt Sandra Bröckel die Geschichte Pavel Vodáks und seiner Familie, die Geschichte des Prager Frühlings und dessen Zerschlagung. Spannend und dramatisch, gut lesbar jedoch völlig ohne Kitsch und Rührseligkeit konnte ich das Buch kaum weglegen. Die Geschichte macht nachdenklich und regt zu weiterer Recherche an, Das Buch damit ist ein wertvolles Steinchen im historischen Puzzle des vergangenen Jahrhunderts, das einen sehr persönlichen und authentischen Blick auf die Entwicklung der Tschechoslowakei vom zweiten Weltkrieg bis zur Öffnung der Grenze 1989 wirft und dabei historische Geschehnisse wie die Entstalinisierung mit der Sprengung des monströsen Stalinmonuments in Prag oder die Selbstverbrennung des Studenten Jan Perlach am Ende des Prager Frühlings einbezieht. Lebensechte Charaktere geben der Geschichte großes Gewicht, die persönliche Sicht Pavel Vodáks auf die Ereignisse funktionieren für dieses Buch ebenso hervorragend wie das Bild des hungrigen Krokodils, das sich wie ein Faden als Ausdruck für schlummernde immer anwesende Gefahr durch den Roman zieht.
Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, und von mir gibt es großen Applaus für die spannende, authentische, interessante, komplexe tatsachenbezogenen und hervorragend recherchierte Umsetzung der Thematik, die es schafft, sehr zu berühren ohne kitschig zu werden. Ich wünsche dem Buch viele Leser und vergebe begeistert volle fünf Lesesterne.
Danke an den Pendragon-Verlag für die Möglichkeit, an einer Leserunde mit der Autorin teilzunehmen, das war für mich ein äußerst erhellendes und sehr bereicherndes Erlebnis.
- Hürlimann Monika
Marta
(40)Aktuelle Rezension von: Sigrid1Dieses Buch hat mich doch sehr beeindruckt. Es wird die Lebensgeschichte von Marta erzählt, die ihre Kindheit in Polen verbringt, als Jugendliche nach Deutschland auswandert und später dann in der Schweiz übersiedelt. Es ist ein sehr emotionales Buch, denn die Erlebnisse von Marta sind nicht sehr einfach. Die politische Situation in Polen ist schwierig bis gefährlich und auch ihr familiäres Umfeldt ist problematisch. Sie hat ein schwieriges Verhältnis zu ihrer alleinerziehenden Mutter und auch mit ihrem Zwillingsbruder hat so sie manchmal ihre Probleme. Aber es gibt ja noch ihre Großeltern und andere Bezugspersonen, zu denen sie eine sehr innige Beziehung hat und ihr auch ein Leben lang zur Seite stehen. Die damaligen politischen und auch die persönlichen Lebensbedingungen werden sehr lebendig erzählt. Durch diese sehr intensive und sehr authentische Erzählung kann man sich alles sehr gut vorstellen. Es war für mich ein sehr emotionales Erlebnis und ich habe oft innegehalten, um mir die damalige Zeit wieder ins Gedächtnis zu rufen. Denn ich bin nur ein paar Jahre älter als Marta. Und es ist mir sofort aufgefallen, dass ich einen ganz anderen Blick auf diese Zeit habe. Gut - die politische Situation war mir klar, wenn auch nicht mit allen Folgen für die Menschen, aber ich war persönlich nicht unmittelbar betroffen und auch in einem Alter, wo andere Dinge für mich eine größere Priorität hatten. Aber die Ereignisse um ihre Flucht nach Deutschland - die ständigen Neuanfänge - das Verhältnis zu ihrer Mutter und ihren erfolgreichen Versuch einen Lebensinhalt für sich zu finden, ist sehr interessant und es zeigt sich auch welche pragmatische Sicht Marta auf alles hat. Sie macht immer das Beste daraus, kämpft sich durch, lernt immer sehr gezielt und hat ja schon früh ihre Berufswahl getroffen. Ärztin wollte sie schon als kleines Kind werden und das hat sie auch erreicht. Ich fand ihre Wahl sehr interessant und man erlebt ja auch ihre eigene Auseinandersetzung mit ihrer Herkunft und dem Verhältnis zu ihrer Mutter und deren Lebensgeschichte. Denn ihre Mutter Johanna hat so ihre eigenen Geheimnisse und auch diese Geschichte recherchiert Marta. Das Ergebnis ist überraschend und muss dann auch von allen Beteiligten erstmal verarbeitet werden. Es ist kein einfaches Buch. Man liest es nicht so runter und fertig. Ich hatte zu Beginn so meine Schwierigkeiten, denn jedes Kapitel spielt in einer bestimmten Zeit und die wechselten am Anfang von Gegenwart zur Vergangenheit hin und her. Es war nicht so einfach die zeitliche Reihenfolge im Auge zu behalten. Aber nach einiger Zeit ging es und später erfolgten die Kapitel auch in zeitlicher Reihenfolge. Und es gab sehr viele Personen kennenzulernen, die mit ihren sehr unterschiedlichen Charaktere sehr interessant waren. Marta ist wirklich eine sehr starke Frau, die es sich nicht leicht macht mit ihren Entscheidungen. Aber sie steht immer zu ihrer Mutter und ihrem Bruder, auch wenn die beiden sie nicht gerade liebevoll behandeln. Sie hilft ihnen immer und auch mit ihren Freunden und der restl. Familie bleibt sie tief verbunden. Die Schilderungen aus dem Arbeitsalltag fand ich manchmal schon ziemlich heftig, aber die Arbeit in der Psychatrie ist sicher nicht einfach und als Außenstehender kann man die Arbeitsmethoden auch nicht unbedingt verstehen. Aber Marta ist erfolgreich in ihrem Beruf und ist bei ihren Patienten beliebt. Das Buch erzählt eine Lebensgeschichte und man wird mit allen möglichen Ereignissen und Handlungen konfrontiert - so kann das wahre Leben eben sein. Mir hat das Buch sehr gut gefallen, Marta war mir sehr sympathisch und ich fand die Beschreibungen der politischen Situation und den daraus resultierenden Handlungen sehr spannend. Es war ein neuer Blickwinkel auf diese Zeit und ich muss sagen, ich habe die Lesezeit sehr genossen. Es war spannend und interessant Marta auf ihrem Lebensweg mit allen Höhen und Tiefen zu folgen. Ich kann das Buch mit guten Gewissen weiterempfehlen. Es ist eine sehr interessante Lektüre für schöne Lesestunden.
- Sten Nadolny
Die Entdeckung der Langsamkeit
(443)Aktuelle Rezension von: caro_linDie ersten 50 Seiten habe ich überlegt es wegzulegen. Ich bin froh, dass ich es nicht getan habe! Als ich einmal drin war, habe ich es geliebt. Die Tage und Wochen, die ich die Entdeckung der Langsamkeit gelesen habe war dieses Buch mein Rückzugs- und Wohlfühlort. Und das, obwohl es inhaltlich oft alles andere als schön zugeht, es geht stellenweise um Krieg, Hunger, Tod und menschliche Abgründe. Dann aber wieder um die Schönheit unserer Welt und der Dinge die uns Menschen voneinander unterscheiden.
Eigentlich wollte ich 4 Sterne geben, da es phasenweise dann doch auch wieder etwas zäh wird. Aber die Gefühle, die dieses Buch in mir ausgelöst hat, sind besonders und darum vergebe ich 5 Sterne.
- Lisa Klein
Ich, Ophelia
(25)Aktuelle Rezension von: elane_eodain» Mein erster Versuch, Hamlets Aufmerksamkeit zu erregen, war fehlgeschlagen. Doch gar nicht lange darauf, als ich es mir am wenigsten wünschte, nahm er von mir Notiz und stürzt mich in große Verlegenheit. «(Zitat aus "Ich, Ophelia" von L. Klein)
INHALT: Dänemark, Schloss Helsingör, am Hof König Hamlets - die junge Ophelia kommt mit ihrem Vater und ihrem Bruder an den Hof und versucht Prinz Hamlets Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Daraus entsteht eine Tragldie wie sie wohl vielen bekannt ist ...
GEDANKEN: Seit "Die Nebel von Avalon" bin ich großer Fan von wohlbekannten Geschichten, die aus einer bisher nicht gekannten Perspektive erzählt werden. Das verspricht neue Aspekte, neue Ideen und neue Gedanken. Die besonders in der Vergangenheit häufig vernachlässigte weibliche Sicht hat dabei besonderen Charme. Deshalb habe ich mich auf "Ich, Ophelia" sehr gefreut, den hier erzählt Ophelia in der Ich-Perspektive.
Schon recht schnell war ich jedoch ernüchtert und es viel mir schwer, dran zu bleiben und die Geschichte weiter zu lesen. Ein Grund dafür war die angeblich starke und kluge, doch immer wieder sehr klischeehaft dargestellte Ophelia selbst. Ich habe keine emanzipierte Alphafrau erwartet, aber doch mehr als das übliche kleine, scheue, hübsche Mädchen, das den "geistreichen" Prinzen anhimmelt und von dessen Zu- oder Abneigung abhängig ist. Zudem gefiel mir die Sprache nicht, die ein Gemisch aus shakespearhafter Wortwahl und moderner Sprache ist, das wirkt zerstückelt und nicht zusammenpassend. Jedoch kann es sein, dass das mit einer nicht so stimmigen Übersetzung zusammenhängt und der Originaltext passender ist, das weiß ich nicht.
Lisa Klein hat sich ein großes Projekt vorgenommen, dem zolle ich meinen Respekt. Sicherlich ist es nicht leicht, einer Geschichte treu zu bleiben und sich dennoch die Freiheiten zu nehmen, etwas Neues und Eigenes daraus zu machen. Leider ist es aus meiner Sicht in diesem Fall nicht gut gelungen. Die Umsetzung hat mir das Lesen erschwert und so habe ich mich mehr durchgequält als mit Freude gelesen.
FAZIT: Ich mag es sehr, bekannte Geschichten aus anderer Perspektive zu sehen, gerne aus der weiblichen. Hier habe ich mich jedoch schwer getan bei der Geschichte zu bleiben, wegen der Sprache und den Klischees.
- Jean-Luc Seigle
Ich schreibe Ihnen im Dunkeln
(29)Aktuelle Rezension von: Book-wormJean-Luc Seigle beschreibt das Leben eines französischen Mädchens während der deutschen Besatzung. Sie ist sehr auf ihren Vater fixiert und um ihm zu gefallen, geht sie eine Beziehung zu einem deutschen Arzt ein.
Was sie erlebt, nachdem Frankreich befreit wurde und die Besatzer abgerückt sind ist ,kaum zu beschreiben.
Sie wird sich von den Misshandlungen und Demütigungen nicht mehr erholen. Als sie dann Jahre später an einen Mann gerät, der sie aufgrund ihrer Vergangenheit erneut demütigt und verlässt, bringt sie ihn um.
Nachdem sie ihre Strafe verbüßt hat, verliebt sie sich erneut und hofft auf ein besseres Leben. Aber wieder holt sie die Vergangenheit ein, sie sieht keinen Ausweg mehr und bringt sich um.
Fazit: Ein Buch, was man zwischendurch schwer erträgt und eine Geschichte die man nicht vergisst. - Gerhard Zeillinger
Überleben
(22)Aktuelle Rezension von: monerlMeine Meinung
Dies wird keine Rezension im üblichen Sinne! Dies sind emotionale Zeilen zu einem Buch, einem Zeitzeugenbericht, der mich in vielerlei Hinsicht schmerzt!Nachdem ich nun gestern (27. Oktober 2019) das Buch beendet habe und auf der Suche nach weiteren Informationen zum Autor und dem Zeitzeugen Walter Fantl war, stolperte ich über das Todesdatum von Walter Fantl. Gestorben ist er am 24. Oktober 2019. Das war letzten Donnerstag und das war während ich noch das Buch gelesen habe. Es überkommt mich Gänsehaut! Während ich über die Kindheit und den familiären Verlust von Walter Fantl und all den anderen Juden lese, während ich froh bin, dass er und einige andere den Holocaust in den Konzentrationslagern, wie z. B. Auschwitz, überlebt haben, stirbt Herr Walter Fantl im Alter von 95 Jahren. Und genau gestern in der Früh, das wusste ich gestern noch nicht, wurde er in Wien beerdigt.
Beide Gefühle, Freude und Trauer, werden überlagert. Und dennoch bin ich von Herzen froh, dass Herrn Fantl noch so viele Jahre Frieden geschenkt wurden.
Und während ich gestern Abend die Buchdeckel zuklappte und so durchs Internet surfte, sah ich die Hochrechnungen der Thüringer Landtagswalen 2019! Ich sah, wie die AfD in Thüringen mit einem Plus von 12,8% auf ein Ergebnis von 23,4% gekommen war!
Ein EKEL stieg in mir hoch, ich kann es kaum besser in Worte fassen. Ich fühlte mich benebelt, traurig und furchtbar wütend! Ja, ich bin immer noch richtiggehend wütend, weil ich nicht glauben kann, dass so viele Menschen, jeglichen wahlberechtigten Alters, einen Faschisten und sein rechtes Gedankengut gutheißen!
Ich kann nicht fassen, dass das Leid Walter Fantls und das von millionen anderer Juden, Sinti und Roma, behinderter und kranker Menschen und anderer Minderheiten vergessen und weggewischt werden konnte! Wer solche Bücher liest, wie ich sie lese, Videos, Filme und Berichte von Zeitzeugen gesehen hat, kann nicht die AfD wählen und kann nicht wollen, dass wir erneut ein NAZI-Deutschland bekommen! Jedem Menschen, mit einem Minimum an Empathie und Menschlichkeit, weden solche Berichte, Fotos und Filme das Herz zusammendrücken und sie werden wissen, dass so eine Partei unter KEINEN UMSTÄNDEN gewählt werden darf, auch nicht aus Protest!
Gerhard Zeillinger schreibt über Walter Fantl und berichtet über andere Wiener Juden, wie sie nach und nach entrechtet wurden und wie ihr Weg langsam aber sicher ins Konzentrationslager geführt hat.
Dass Theresienstadt, wo Walter Fantl lange Zeit gelebt hat, ein Juden Ghetto, ein Durchgangslager war, war mir bis zu diesem Buch nicht so richtig klar. Viele prominente Juden aus dem Theater- und Künstler-Milieu waren in Theresienstadt. Daher gab es dort ein ungewöhnliches “kulturelles Leben”, wie in keinem anderen KZ, Lager oder Ghetto. Die Texte, die zu dieser Zeit dort entstanden, berichten über das damalige Leben, über das “Als-ob”-Leben.
“Vieles im Ghetto wird nun anders, zumindest nach außen hin, seit der Besuch der “Kommission” angesagt ist. Schon im Jahr davor haben deutsche Pressevertreter und eine Delegation des Deutschen Roten Kreuzes Theresienstadt besucht und es war icht schwer, ihnen für wenige Stunden eine heile Welt vorzuspielen. Diesesmal sind es Vertreter des Internationalen Komitees und dänische Delegierte, die sich ein Bild vom Leben im Ghetto machen wollten.” (S. 139f)
“Die SS lässt kurz darauf Filmoperateure aus Prag kommen, um das schöne Leben in Theresienstadt zu dokumentieren. Ein “Kulturfilm” wird gedreht, von der Prager Wochenschau-Gesellschaft. Sie filmen einen Alltag, den es nicht gibt, mit Hunterten Häftlingen als Statisten.” (S. 142)
Und immer wieder schwanken meine Gedanken zu der Frage, wie es sein kann, dass all das Grauen heute scheinbar vergessen wurde. Und dann erinnere ich mich, wie Gerhard Zeillinger in der Nachlese des Buches schreibt:
“Im Gegensatz zu den anderen europäischen Regierungen, die sich bemühten, ihre Überlebenden so schnell wie möglich nach Hause zu holen, hatte die österreichische Bundesregierung keinerlei Anstalten zur Repatriierung der österreichischen Juden unternommen.” (S. 227)
“Der österreichische Bundespräsident Karl Renner bekundete im Jahr 1946, dass er einer Wiederansiedlung von Juden in Wien mit allen Mitteln entgegentreten werde.” (S. 230)
“Zwei Jahre später [1963] begannen in Deutschland die Auschwitzprozesse. Aber nur wenige wurden zur Rechenschaft gezogen. Von den SS-Männern der Wachmannschaft in Gleiwitz und den berüchtigten Kapos im Lager wurde kein einziger angeklagt.” (S. 230)
Aus heutiger Sicht kommt deshalb das Gefühl in mir auf, dass damals nicht genug getan wurde. Viel zu viele Nazi-Verbrecher hatten überlebt und durften nach dem Krieg ein neues Leben anfangen, ganz unbescholten und frei. Und wer weiß, wie viele der Nachkommen mit der NS-Ideologie aufgewachsen sind und sie weiter verbreiten konnten. Eventuelle ernten wir gerade, was damals gesät wurde…
Fazit
Dieses und viele andere solcher Bücher sollten m.M.n. als Pflichtlektüre im Unterricht gelesen werden! Bildung bildet und öffnet Augen und auch Herz. Das Wissen über den Holocaust muss weiter verbreitet werden, da die letzten Zeitzeugen demnächst aussterben werden. Viele von ihnen, wie auch Walter Fantl, haben in der Öffentlichkeit und auch in Schulen darüber gesprochen. Wenn sie es nicht mehr können, müssen wir da weitermachen, wo sie aufgehört haben.
Mehr Berichte und Videos auf:
- Maria Regina Kaiser
Hildegard von Bingen
(22)Aktuelle Rezension von: VioCoIch bin ein großer Fan von Hildegard von Bingen. Sie war so eine interessante, intelligente und fortschrittliche Frau.
Man kann 1-1 ihre Rezepte, Heilmittel und Tips heute noch umsetzen. So faszinierend.
In diesem Buch wird total schön das Leben von Hildegard beschrieben. Von Kindheit an bis zu ihrer Hauptschaffenszeit.
Ihre Geschichte wurde von Maria Regina Kaiser sehr anschaulich und fesselnd wiedergegeben. Sie findet die richtigen Worte und den richtigen „Ton“ den Charakter von Hildegard in seiner Gänze zu erfassen, sodass man als Leser ein vielschichtiges Bild ihrer Person bekommt. Sie wird nicht nur als Naturheilerin sondern auch als Weise, Ratgeberin, Philosophin und natürlich Gläubige gezeigt.
Ein alles in allem sehr gelungenes und zu empfehlendes Buch über Hildegard von Bingen und ihr Leben.
- Jack Ketchum
EVIL
(890)Aktuelle Rezension von: Emi_readsbooksIch habe mir das Buch gekauft weil sehr viele davon begeistert waren und meine Erwartungen waren sehr hoch.
Anfangs dachte ich, dass ich nicht in die Geschichte reinkomme und es zog sich meiner Meinung nach anfangs ziemlich.
Irgendwann nahm die Geschichte allerdings eine starke Wendung und die Ereignisse überschlugen sich förmlich.
Es entwickelt sich in eine grausame „Geschichte“ die nichts für schwache Nerven ist, vor allem wenn man bedenkt dass sie auf wahren Begebenheiten beruht.
❗️Das Vorwort von Stephen King solltet ihr erst lesen wenn ihr das Buch beendet habt, da es viele Inhalte des Buches aufgreift ❗️
- Edvard Hoem
Die Hebamme
(59)Aktuelle Rezension von: BuecherfreundinimnordenDer Autor hat das Leben seiner Urgroßmutter als Vorlage für den Roman genutzt. Er schildert den Werdegang einer jungen Frau, die es - in bescheidenen Verhältnissen geboren- zur Hebamme in ihrem Kirchspiel bringt. Sie geht ihren langen, nicht eben einfachen Weg nicht im heutigen Norwegen, sondern ergreift den Beruf im 19. Jahrhundert, zu einer Zeit, als Geburtshilfe eigentlich in den Händen medizinisch nicht ausgebildeter Nachbarinnen und weiblicher Verwandter lag. Dementsprechend hat die Heldin Stina mit Vorurteilen zu kämpfen, als man sie behördlicherseits zur einzig zuständigen - aber auch kostenpflichtigen - Geburtshelferin an ihrem Wohnort ernennt… Das Buch schildert eindrucksvoll und sehr gut lesbar die Verhältnisse im ländlichen Norwegen, beginnend im frühen 19. Jahrhundert. Stinas Geschichte zu folgen, war spannend und kurzweilig.
- Lindsay Jayne Ashford
Die Frau im Orient-Express
(26)Aktuelle Rezension von: Sabine_IlletschkoEin gefühlvoller Roman, der uns in orientalische Gefilde entführt, der Geschichte einer großartigen Schriftstellerin folgt und mit einem emotionalen Ende überrascht. Absolut lesenswert!
- Jeannette Walls
Schloss aus Glas (Filmausgabe)
(534)Aktuelle Rezension von: secretworldofbooksJeannette Walls erzählt in dem Buch "Schloss aus Glas" ihre Lebensgeschichte aus ihrer Sicht. Ihre Kindheit verbrachte sie in vielen verschiedenen Städten, zeitweise lebte sie auch mit ihrer Familie im Auto. Manchmal war es so schlimm, dass nicht mal mehr Geld für Essen da war. Fließend Wasser und Strom war etwas Besonderes. Geschenke gibt es auch nicht. Trotz allem blieb die Familie zusammen und stehen sich zur Seite. Früh musste Jeannette sich um ihre Geschwister kümmern. Sie wurde dadurch sehr schnell erwachsen. Erkannte schnell was gut ist und was nicht. Das lockere Leben ihrer Eltern stand für kein Kind als Vorbild. Sie schafften den Schritt in ein geregeltes Leben.
Ein angenehmer Schreibstil lässt die Lebensgeschichte wie einen Film vorbei ziehen. Ich bin froh über das Ende. Das die Kinder ein normales Leben haben und sich nicht so gehen lassen wie ihre Eltern.
- Tim Tichatzki
Roter Herbst in Chortitza
(18)Aktuelle Rezension von: vielleser18Was für ein bewegender Roman !
Erzählt wird die Geschichte von Willi und seinem Freund Maxim. Willi gehört zu der Mennonitengemeinde von Osterwick, einem kleinen Ort in der Ukraine. Ihre Vorfahren kamen auf Einladung von Katharina der Großen aus Deutschland und besiedelten die Gebiete. Von den Menschen, die 1919, als die Geschichte beginnt, in Osterwick lebten, hat kaum einer Deutschland je gesehen, dennoch werden Sprache und Traditonen von Generation zu Generation weitergegeben. Genauso wie das Rechts der Mennoniten auf Kriegsdienstverweigerung.
1919 herrscht Bürgerkrieg. Der erste Weltkrieg ist zu Ende, der Zar gestürzt. Es herrst Gewalt und Willkür, Kämpfe zwischen den "Roten und den "Weißen" - und mittendrin Willi und sein Freund Maxim. Maxim und sein Vater konnten nach Osterwick flüchten, während seine Mutter und seine zwei Schwestern gefangen genommen wurden. Die kommende Zeit wird eine Zerreißprobe, nicht nur für die Freunde, sondern auch für die Dorfbevölkerung.
Repressalien, Konfizierungen und hohe Abgabequoten, die erfüllt werden sollen. Sollte man sich wehren ? Wie lang kann alles ertragen und erduldet werden?Hier beginnt die Geschichte von Willi und Maxim und führt uns durch die bitteren Jahre bis 1947. Am Ende des Buches rundet noch ein Ausblick auf 70 Jahre später die Geschichte ab.
Es ist keine reine fiktive Geschichte, es sind die Erinnerungen und Erlebnisse seiner Schwiegermutter, die der Autor Tim Tachatzki zu diesem Roman verarbeitet hat. Damit sie nie in Vergessenheit geraten. Ihre Geschichte ist die von vielen. Es sind die Erinnerungen an Zeiten des Umbruchs, der Willkür, der Diktatur und Krieg, geprägt von Gewalt und Hungersnöten, Zeiten, in denen es ums reine Überleben, aber auch um das Festhalten am Glauben ging. Es geht um die Opfer und ihr Leid, aber auch die Täter werden beschrieben.
Die Sichtweisen verändern sich im Buch, die Grausamkeiten werden so ziemlich deutlich beschrieben. Keine leicht Lektüre, man fühlt und leidet mit. Nicht alles ist leicht zu ertragen. Dennoch ist es wichtig, dass es erzählt wird, damit es nicht in Vergessenheit gerät.
Von mir bekommt "Roter Herbst in Chortitza" volle Leseempfehlung. Wichtiges Thema, fesselnd erzählt - die Geschichte einer Russlanddeutschen Familie, aber auch die einer dunklen Zeit.
- Christoph Poschenrieder
Der unsichtbare Roman
(21)Aktuelle Rezension von: TausendléxiDer Bestsellerautor Gustav Meyrink erhält 1918 ein außergewöhnliches Angebot vom Auswärtigen Amt in Berlin. Gegen ein stattliches Honorar soll Gustav Meyrink einen Roman schreiben. Einen Roman über die Schuldfrage betreffend des 1. Weltkrieges. Die Freimaurer, die sollen es gewesen sein, sie sollen alle Schuld dieses Krieges tragen. Nun die Richtschnur, über die ist sich der vermeintliche Autor gewiss, doch plagen ihn große Zweifel. Er soll die Schuld belegen. Doch all seine Bedenken werden unter der Honorarsumme gedämmt. Er nimmt den Auftrag an.
Und <, sagt Meyrink, > warum die Freimaurer? Glauben Sie denn sie Freimaurer hätten all dies angezettelt? < > Darauf kommt es nicht an. Ich bin Beamter. Da gibt es Weisungen. Weisung kommt von Weisheit, und die kommt – von oben. Wenn Sie den kleinen Scherz ertragen. Danke sehr.<
( Seite 75 )
Der erste Vorschuß wird überwiesen, doch Gustav Meyrink befindet sich in einer Schreibkrise. Das Auswärtige Amt lässt er im Glauben, er wäre mittendrin in dem gewünschten Verschwörungsroman.
>Das Einzige, wovor man als Schriftsteller keine Angst haben darf, ist das weiße Blatt Papier – nur davor, was dahinter ist. Ich habe dieses leere Blatt immer als Tür gesehen: Mal drückt man vorsichtig die Klinke und öffnet einen Spalt, manchmal muss man sie beherzt eintreten. Und manchmal steht man eine Ewigkeit vor dieser Tür und wartet auf Einlass: So geht es mir gerade.<
( Seite 164 )
Doch Lügen haben bekanntlich kurze Beine und der Autor gerät in zeitliche Not. Er muss liefern.
Christoph Poschenrieder hat sich hier einem nicht gerade leichten Stoff angenommen, denn der Roman beruht auf wahre Begebenheiten. Er zeigt hier sehr wichtige Monate des Jahres 1918 auf. Erich Mühsam, ein anarchistischer Schriftsteller trifft sich immer wieder mit Gustav Meyrink. Kurt Eisner, treibt seine politischen Vorhaben vehement voran. Er ist der maßgebliche Anführer der Novemberrevolution 1918 und wird der erste Ministerpräsident des Freistaates Bayern. Allein schon der geschichtlichen Zusammenhänge wegen, ist > Der unsichtbare Roman < äußerst interessant. Christoph Poschenrieder führt mit dezent eingesetztem Humor und einer gut dosierten Menge an Ironie durch diese geschichtsträchtigen Seiten. Mit Recherchenotizen, seitens Gustav Meyrink, belegt er den Sachverhalt glaubwürdig. Klare Leseempfehlung.
- Mary Hooper
Totenmädchen
(138)Aktuelle Rezension von: -Bitterblue-Wieder einmal konnte mich Mary Hooper mit in die Vergangenheit nehmen. Sie schafft eine authentische, aber leicht verständliche historische Welt. Dieses Mal erzählt sie die Geschichte der 16-jährigen Anne Green. Sie wurde wegen Kindstötung zum Tode verurteilt, doch bei der Sezierung stellt sich heraus, sie hat überlebt.Anne ist eine interessante Protagonistin, etwas naiv, aber doch steht sie für ihre Überzeugungen ein. Es war sehr schön ihre Geschichte zu verfolgen, zumal die Story auf wahren Begebenheiten basiert.
Mary Hooper hat mir mit diesem Buch wieder schöne Lesestunden beschwert, allerdings konnten mich ihre anderen Bücher meist mehr fesseln.
- Caroline Bernard
Frida Kahlo und die Farben des Lebens
(162)Aktuelle Rezension von: PainiapuluCaroline Bernard beschreibt sowohl Frida als Person als auch ihre Heimat und ihr Zuhause, die Schicksalsschläge, ihr Liebesleben sowie die Art und Weise wie sie all das verarbeitet sehr authentisch, echt und detailliert.
Dank der präzisen Beschreibungen fühlte ich mich, als sei ich selbst in Mexiko gewesen und hätte das bunte, leidvolle - und gleichzeitig leidenschaftliche - Leben der Frida Kahlo gelebt.
Ein sehr berührender Roman über eine starke, außergewöhnliche und eigenwillige junge Frau, die sich für sich und ihre Kunst einsteht.
- Virginia Woolf
Orlando
(100)Aktuelle Rezension von: BeustIch habe keine Angst vor Virginia Woolf. Aber mit ihrem Namen verbinden sich ein paar kraftvolle Assoziationen. Wahrscheinlich lag es an meinen mangelnden Vorkenntnissen, meinen seltsamen Vorurteilen, dass mich „Orlando“ enttäuscht hat.
Woolf erzählt die Geschichte des Landadligen Orlando im elisabethanischen England, der schwer in sich und die Natur verliebt ist, sich für die Frauen - vor allem die stürmische Sasha - interessiert und für die Literatur, ja sogar selbst poetische Ergüsse fabriziert; derer schämt er sich später, als ein bösartiger Kritiker sie zu Gesicht bekommt, weshalb Orlando alle vernichtet bis auf den ‚Eichenbaum‘. Erst von der Welt enttäuscht, dann wider ihr zugewandt sogar Gesandter am Hof in Istanbul wird. Die blutige Revolte in der Stadt verschläft Orlando in einem rätselhaften siebentägigen Schlaf, aus dem er als Frau erwacht. Orlando reist wieder heimwärts und erlebt einige Abenteuer - bei den Zigeunern und auf See -, in denen die Ambivalenz schon aufscheint, dass Orlando nun in einem Frauenkörper steckt, aber ein Vorleben als Mann besitzt. Daheim angekommen, muss sie um vor Gericht ihr Erbe kämpfen, da sie für tot erklärt war und für einen Mann gehalten worden ist, es gelingt ihr aber, den Sitz ihrer Ahnen wieder zurückzuerhalten. Orlando sucht die Nähe von Literaten ihrer Zeit, spricht viel über Literatur und was sie bedeutet. Und immer wieder erprobt sie sich als Frau in einer Männerwelt oder als Frau gegenüber Frauen. Besonders intensiv erlebt sie die Beziehung mit ihrem späteren gatten, dem Kapitän Marmaduke Bonthrop Shelmerdine, in dem sie dessen weiblichen Seiten erkennt. Am Ende des Romans ist Orlando eine weitestgehend ungebundene, selbstbewusste Frau, die sie immer gewesen ist, die mit ihrem gereiften ‚Eichenbaum‘ immerhin zu den ernsthaften Literaturschaffenden gezählt wird und die - mit der Zeit gehend - die Fahrt mit ihrem Automobil schätzt.
Und überhaupt: die Zeit. Der Roman spannt sich vom elisabethanischen England bis in das Jahr 1928, in dem „Orlando“ erschienen ist, ohne im wesentlichen das Älterwerden Orlandos zu thematisieren, Auch andere Figuren - etwa der Kritiker Greene - leben die Jahrhunderte, was weder erklärt noch hinterfragt wird. Die Jahre ist aufgehoben, es gilt nur ein Vorher und Nachher, denn Woolf benötigt die Jahrhunderte, um Orlando in ihnen die beiden großen Anliegen spiegeln zu lassen, um die es geht: um die Stellung der Frau (in der Gesellschaft und zu sich) und die Literatur.
Wie Orlando als Frau denkt, sich vom Mannsein in das Frausein bewegt (und wieder zurück, zumindest gedanklich); wie sie Unterschiede entdeckt, Grenzen berührt und überschreitet, Geschlechterspezifisches erkennt, benennt und übersteigt - das sind die starken Momente dieses ansonsten leider arg in die Jahre gekommenen Romans. Hier verbirgt sich der zeitlose Wert „Orlando“ hinter einer Sprache, die altertümlich wirkt (meine deutsche Ausgabe ist von 1964) und heutige Leser wohl nicht mehr erreicht. Die Gedanken über die Literatur hingegen haben mit ihren Namen Staub angesetzt, auch wenn bis heute gilt, was am Schreiben das Schwierigste ist: „Das Leben? Die Literatur? Eins ins andere zu verwandeln?“ (S. 253)
Auf mich wirkte „Orlando“ nicht mehr wie in Literatur verwandeltes Leben, weshalb ich, der ich mit großen Erwartungen in die Lektüre gestartet war, in folgendem Satz auf der letzten Seite die Figur Orlando selbst widererkannte: „Alles war erleuchtet, wie für die Ankunft einer toten Königin.“ (S. 292)