Bücher mit dem Tag "bewusstseinsstrom"
14 Bücher
- James Joyce
Ulysses
(187)Aktuelle Rezension von: dunkelbuchEin Klassiker der Welt Literatur.
Nicht einfach zu lesen !!
Faszinierende Kunst eines der großen Genies der jüngeren Literatur.
Sehr anspruchsvoll .... - Alfred Döblin
Berlin Alexanderplatz
(286)Aktuelle Rezension von: SotsiaalneKeskkondMir hat der Schreibstil an und für sich sehr gut gefallen. Ich mag es, wenn dieser etwas umschreibend ist und man ein tolles Bild der Handlung und des Handlungsortes suggeriert bekommt. Allerdings nahm die oben bereits angesprochene Reizüberflutung zu drastische Ausmaße an, sodass ich das Buch nicht mehr genießen konnte. Man erlebt zwar hautnah die Erlebnisse einer Großstadt, aber Spannung kommt in der Geschichte gar nicht auf. Das Potential wird durch die ständige Erwähnung von banalen Nebensächlichkeiten komplett unterdrückt. Insofern war die Geschichte zäh und anstrengend zu lesen. Da stellt sich dann aber für jeden die Frage, ob man für den wohl beispiellosesten deutschen Großstadtroman und Döblins wunderbaren Schreibstil absolute Langeweile in Kauf nehmen will.
- Virginia Woolf
Mrs. Dalloway
(240)Aktuelle Rezension von: moontalesLeider war das Buch nicht mein Ding. Sehr lange Sätze, absolut ausschweifend und ungefähr 80% der Informationen im Buch sind unrelevant. Das hat das Lesen für mich sehr langatmig und leider auch langweilig gemacht. Ich lese ansonsten sehr gern Klassiker und vielleicht werde ich mich irgendwann an einen anderen ihrer Romane heranwagen. Mit diesem bin ich leider nicht warm geworden.
Virginia Woolf erzählt hier fast ausschließlich über die Gedankenwelten der einzelnen Protagonist:innen. Man erfährt also sehr viele Einblicke in das Gefühlsleben der jeweiligen Person. Allen voran Clarissa und ihr verschmähter alter Liebhaber Peter. Es wird ab und an getratscht, man erfährt einiges über die Londoner Gesellschaft. Beim Lesen muss man sich sehr konzentrieren, nicht nur aufgrund der langen Sätze sondern auch, weil die Erzählstruktur extrem flatterhaft ist. Wie ein Schmetterling wird von einem Protagonisten oder einer Protagonistin zum/zur nächstem/nächsten gesprungen. Teilweise so "unspektakulär" dass man den Wechsel zunächst gar nicht bemerkt und sich dann erst einmal fragt wer überhaupt gerade "spricht". Es gab einige schöne und interessante Aspekte am Buch, aber es hat meine Erwartungen generell einfach nicht erfüllt. Wie die Engländer so schön sagen: Not my cup of tea!
- Arthur Schnitzler
Leutnant Gustl
(21)Aktuelle Rezension von: FarbwirbelArthur Schnitzler hatte mich vor weniger als zwei Jahren mit seinem 'Reigen' absolut begeistert. 'Lieutnant Gustl' ist eigentlich bereits vor langer Zeit bei mir eingezogen, doch bisher habe ich das 45-seitige Geschichtchen nicht in die Hand genommen.
Lieutnant Gustl ist der Protagonist der ca. zwölf Stunden, in denen wir ihn begleiten. Er ist, wie sein Titel bereits vermuten lässt, Teil des Militärs. Gegenüber dem Militär hat ein jeder Bürger Respekt zu haben, doch eines Abends, als Gustl in einem Konzerthaus auf seinen Mantel in der Garderobe wartet, wird er von einem Bäckermeister angepflaumt und ungebührlich behandelt. Auch er verhält sich nicht gerade ehrenvoll und aus diesem Grund stürzt sich Gustl in eine Sinnkrise.
Er pilgert durch Wien, landet im Prater und wälzt immer wieder den Gedanken des Ehrverlustes durch den Bäckermeister. Gustl verdreht sich die Geschichte so penetrant in seinem Kopf, dass es den Leser einfach zum Lachen bringen muss. Absurde Gedanken, die gerade aus der heutigen Zeit absolut nicht nachvollziehbar erscheinen und bereits damals für Kopfschütteln gesorgt haben muss. Das Ansehen des Militärs war bereits angekratzt um 1900 und diesen Auswirkungen musste Gustl sich nun stellen.
Dass er sich mit diesem Vorfall so lange beschäftigen kann, zollt aber auch davon, dass er gelangweilt sein muss, unbeschäftigt. Er nimmt sich aufgrund des Ehrverlustes relativ schnell vor, sich umzubringen. Dieser Gedanke erscheint nun wirklich absurd – zumindest für diese Zeit. Er denkt auch darüber nach, seinem Vorgesetzten davon zu berichten, was aufgrund dieser Lappalie ebenso absurd erscheint.
Gustl scheint jedenfalls den Hang zur Realität vollkommen verloren zu haben...
Interessant ist auch sein Frauenbild, dass ein wenig durchscheint. Er ist nicht verheiratet und sehnt sich nicht wirklich danach. Eher mag er das Spiel mit Frauen und die Ungebundenheit zu ihnen. Irgendwie scheint er das als sein Anrecht zu verbuchen.
Schnitzler entwirft hier ein urkomisches Bild über den Stand des Militärs in der K&K-Monarnie um 1900, was mich wirklich zum Schmunzeln gebracht hat. Dabei ist Gustl keine sympatische Figur. Besonders witzig fand ich die fast pubertär erscheinenden Selbstmordgedanken, die er hegt... Sie sind dermaßen lächerlich kommuniziert, dass sie einfach nicht ernst zu nehmen sind.
Der Schreibstil ist im übrigen auch interessant. Schnitzler entschied sich hier für einen Bewusstseinsstrom. Die Gedanken Gustls und die wenigen Dialoge mit anderen Personen sind Teil der Geschichte, doch keine weitere Erzählinstanz oder ähnliches ist eingebaut. Durch … suggeriert Schnitzler die Gedankenfetzen, in denen Gustl denkt und auch die restliche Interpunktion erinnert eher an einen Fluss, denn an einen grammatikalisch korrekt interpunktierten Text.
Es war mir ein, wenn auch kurzes, Vergnügen, diese Kurzprosa von Schnitzler zu lesen.
- Knut Hamsun
Hunger
(132)Aktuelle Rezension von: dunkelbuchDer handlungsarme Roman ist geprägt von assoziativen Beobachtungen und Gedanken des Ich-Erzählers. Ein anonymer, junger und gebildeter Mann. Er versucht dem Hungertod zu entkommen. Schafft es mehr schlecht, als recht, einzig durch gelegentlich veröffentlichte Artikel und Versetzen seiner gesamten Habseligkeiten. Der Hunger beherrscht bald sein gesamtes Denken. Im Hunger entwickelt er Wahnvorstellungen und eine gesteigerte Beobachtungsgabe. Die Not bringt ihn immer wieder in moralische Zwickmühlen. So versetzt er seine Weste um einem Mann zu helfen, den er selbst beinah nach Geld gefragt hätte. Er stürzt sich auf die Kuchen einer armen Kuchenfrau, der er vor mehreren Tagen Geld geschenkt hatte, da er die Schuld es ungerecht erhalten zu haben, nicht ertragen konnte. Er lehnt jede ihm angebotene Hilfe aus Stolz ab. Wäre die gesamte Situation nicht so tragisch, würde er in seiner unangemessenen Eitelkeit lächerlich wirken.
Es ist nicht immer angenehm oder leicht dieses Buch zu lesen, aber es ist ein wichtiges und aufschlussreiches Werk.
- Virginia Woolf
Die Wellen
(32)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-NutzerDie Wellen brechen sich ein letztes Mal und das war das Ende, der Tod. Ein Sog, ein Rausch, Wellen, die aus einem Meer kommen und zu einem Meer werden. Sechs Personen, Bernard, Louis, Perceivel, Rhonda, Susan und Jinny und ein Leben, das begleitet wird, das auseinanderstrebt und durch das Brechen der Wellen wieder eins wird. Pathetische Ode an was? An die Koexistenz, an das, was uns zu dem macht, was wir sind. Das Zusammenführen der Leben, die schon immer wie ein Organismus, ein Leben waren, wird genial durch die Sprache und das Schriftbild ausgedrückt. Einziger Kritikpunkt: Woolf hätte Platon weniger lesen und besser verstehen sollen, um den Unterschied von Sein und Dasein zu verinnerlichen. - William Faulkner
Schall und Wahn
(32)Aktuelle Rezension von: UtaJungWilliam Faulkner, Schall und Wahn, TB Diogenes 1973, 303 Seiten
Faulkner leitet den Roman Schall und Wahn mit einer dreizehnseitigen Genealogie der Familie Compson, um deren Mitglieder es geht, ein. Es folgen vier lange Kapitel, in denen jeweils aus dem Blickwinkel eines Mitglieds Ereignisse und Gedanken aus Vergangenheit und Gegenwart geschildert werden.
Benji, der jüngste Sohn, präsentiert seine Eindrücke am 7. April 1928. Er ist geistig behindert und wird von Luster, dem Sohn der Bediensteten, betreut. Benji (Benjamin) äußerst sich durch Schreien, Wimmern und Brummen und seine Eindrücke sind hauptsächlich visueller Natur. Seine Gedanken drehen sich um das, was stattfindet.
Bereits in diesem Kapitel ist es sinnvoll, als Leser seine eigenen Gedanken abzuschalten und sich auf das Geschriebene zu konzentrieren. Auf diese Art ist es unproblematisch, den Gedanken Benjis zu folgen und einzuordnen, wenn eine andere Person etwas denkt oder spricht (z.B. Caddy, seine Schwester, oder Luster, sein Betreuer).
Die Satzzeichen für wörtliche Rede oder für Gedanken spart Faulkner meist aus. Wenn man sich konzentriert und die Jahreszahl und somit das entsprechende Alter der Protagonisten im Kopf behält, weiß man stets, wer gemeint ist.
Sollte man Schwierigkeiten haben, in die Geschichte hineinzufinden, ist es hilfreich, sich mal fünf oder zehn Seiten laut vorzulesen. Denn der Roman hat einen packenden, subtextreichen Inhalt, der fesselt und stark beeindruckt.
Das zweite Kapitel, 2. Juni 1910, ist aus der Sicht von Quentin, dem erstgeborenen Sohn, geschildert. Er studiert in Harvard, kommt da nicht klar, kauft sich zwei Bügeleisen und geht damit in den Fluss. Interessant sind u.a. seine Gedanken zu Caddy, seiner Schwester, die eine uneheliche Tochter hat – meiner Meinung nach liegt in dieser Beziehung der Grund für Quentins Selbstmord.
Der dritte Teil, 6. April 1928, zeigt Jason, das dritte Kind. Er ist zu diesem Zeitpunkt 34 Jahre alt, arbeitet als Angestellter und zockt an der Börse. Alles ohne Erfolg. Nebenbei greift er das Geld ab, das seine verstoßene Schwester Caddy monatlich an ihre Tochter Quentin schickt, die im Haus der Familie lebt. Jason bunkert es in einer Kassette in seinem Zimmer, das er stets abgeschlossen hält. Er ist ein frustrieter, aggressiver, gestresster, unhöflicher Mensch und gibt insbesondere seiner Familie Schuld an seinem verpfuschten Leben.
Das Kapitel war für mich recht anstrengend zu lesen, da es mich psychisch sehr mitgenommen hat. Die Aggressionen und Gestörtheiten Jasons konnte ich oft nicht länger als zehn Seiten ertragen und musste eine Pause einlegen.
Ein neutraler Erzähler schildert den vierten Teil, 8. April 1928. Einige der Handlungsstränge laufen hier zusammen und kulminieren im Diebstahl von Jasons 'sauer' Angespartem. Er erleidet einen Nervenzusammenbruch (meine Interpretation).
Faulkner schildert eine Familie, die in der Vergangenheit eine gewisse Bedeutung innehatte. Der Vater, Jason senior, wird wegen Frust und Versagen zum Alkoholiker; die Mutter, Caroline, liegt Tag für Tag im verdunkelten Zimmer und betont ständig, wie gut sie alles gemeint hat und dass ihr keine Schuld zuzuschreiben sei; der älteste Sohn Quentin bringt sich um; die Tochter Caddy benimmt sich wie eine Hure und bekommt ein uneheliches Kind (Quentin); Jason ist hochgradig aggressiv und muss nach dem Tod des Vaters die Familie versorgen. Dann sind da noch die Bediensteten der Familie, die sie sich eigentlich gar nicht mehr leisten können und über deren Anwesenheit sich Jason ständig beklagt ("... ich muss ein Haus voller Nigger durchfüttern..."). Luster ist der Pfleger von Benji (entwickelt aber Aggressionen gegen den Behinderten), und Dilsey, Lusters Mutter, kocht für die Familie – womit zumindest diese beiden eine Aufgabe erfüllen.
Für mich verkörpert Benji die komprimierte Gefühlslage der Familienmitglieder in ihrer Gesamtheit – alle psychisch hochgradig instabil, schaffen es nicht, sich mitzuteilen und suchen die Schuld für ihre suboptimalen Leben bei anderen.
Der Roman ist deshalb so interessant und inspirierend, weil nicht alles ausgesprochen und erklärt wird, sondern man mitdenken kann/soll.
Zudem ist der Text so gut geschrieben, so komplex in seiner Darstellung der Personen und Geschehnisse, dass ich komplett hineingezogen wurde und Spaß daran hatte, über die Handlung nachzudenken. Erzählstimme und Stil haben mir gut gefallen, und obwohl der Roman 1929 das erste Mal publiziert wurde, wirkt er nicht verstaubt oder altbacken.
- James Joyce
Ein Porträt des Künstlers als junger Mann
(49)Aktuelle Rezension von: BuckshawSeit ich gelesen habe, dass es in Irland einen offiziellen und zelebrierten Gedenktag – den Bloomsday am 16.06. – für James Joyces Ulysses gibt, wollte ich ein Werk dieses Autors lesen. Da ihm aber auch der Ruf vorauseilt schwer lesbar zu sein, habe ich als Einstieg seinen dünneren Debütroman Ein Porträt des Künstlers als junger Mann gewählt. In diesem stark autobiographisch angehauchten Bildungsroman wächst Stephen Dedalus im katholisch geprägten familiären und schulischen Umfeld auf. Er fühlt sich eingeengt von der strengen Ordnung der Religion und entscheidet sich nach langem inneren Kampf gegen den für ihn vorgesehenen Weg zum Priester und stattdessen für ein Studium. Dieser Entschluss beschert ihm einen kurzen euphorischen Moment der seelischen Freiheit – „Er war allein. Er war unbeobachtet, glücklich und dem wilden Herzen des Lebens nah.“ – doch letztlich geht es dem angehenden Künstler mit der Universität genauso wie der Religion.
Nach einigen sehr sprunghaften ersten Seiten fließt der Bewusstseinsstrom des Erzählers in geordneteren Bahnen und wird dadurch ohne größere Mühen lesbar. Inhaltlich habe ich aber leider keinen wirklichen Zugang zur Geschichte oder zum Protagonisten gefunden. Weder die Diskussion über politisch-religiöse Spannungen im damaligen Irland, noch die sehr ausführlichen Predigten über Gott, Sünden und die Hölle haben mein Interesse geweckt. Da sich aber fast die ganze Charakterentwicklung in Form der geistigen Auseinandersetzung Stephens mit der Religion und dem religiösen Umfeld vollzieht, sind sehr große Teile des Buchs an mir vorbeigegangen. Einige wenige schöne Passagen und die sprachliche Qualität konnten diesen negativen Eindruck nicht wettmachen.
- John Dos Passos
Manhattan Transfer
(41)Aktuelle Rezension von: RitjaDieses Buch lässt mich etwas zwiegespalten zurück. Auf der einen Seite fand ich die Beschreibungen von New York, der Sehnsuchtsstadt vieler Menschen, sehr gut und auch sehr lebendig. Die Charaktere waren vielfältig und aus allen Schichten. Sie haben alle versucht ihren Traum vom Leben in NY zu finden und zu erhalten. Die Lebensläufe waren so unterschiedlich und interessant, dass man sich gern die Zeit genommen hat, ihnen zu folgen.
Auf der anderen Seite waren die vielen Ein- und Ausstiege. Immer wieder sprang der Autor zwischen den Charakteren hin und her. Ich empfand es als anstrengend, immer wieder aus der aktuellen Geschichte herausgerissen und in die neue andere Geschichte gestoßen zu werden. Es erschwerte das Verständnis für die gesamte Geschichte.
Man muss sich Zeit nehmen für dieses Buch und man sollte sich auf die Zeit einlassen, denn das Buch wurde 1925 geschrieben. Es gibt einiges, was man aus der heutigen Zeit nicht mehr kennt, was aber die Geschichte umso interessanter und spannender macht. Der Autor hat einen schönen Schreibstil, der sich gut lesen lässt und so kann man mit dem Buch durchaus auch ein paar schöne Lesestunden verbringen.
- Virginia Woolf
Mrs Dalloway
(6)Aktuelle Rezension von: Helles_LeuchtenDie aus dem Jahr 1925 stammende Erzählung von Virginia Woolf beigestert durch wunderbar gelungene, bildhafte Vergleiche und detailierte Beschreibungen. Es gelingt der Autorin, Clarissa Dalloway, eine Frau von fünfzig Jahren, fast greifbar zu skizzieren. Der Leser taucht ein in das Leben der Protagonistin, aber auch in das ihres unmittelbaren Umfeldes. Dabei verzichtet Virginia Woolf gänzlich auf wörtliche Rede im Text. Vielmehr begleitet man ganz unterschiedliche Akteure, fließt beim Lesen beinahe von einem in den nächsten Charakter - deren Ansichten, Gefühle und Gedanken im Verlauf der Geschichte abwechseln, immer wieder neu aufgegriffen werden - um letztlich stets zurück zur Protagonistin zu führen.
Leider fehlt es dem Buch an "echter" Handlung. Und so gelingt es ihm kaum (wenn dann ausschließlich durch sprachliche Raffinesse) zu fesseln. Der Leser wird getragen, die Story plätschert dahin. Schade, etwas mehr Bewegung hätte dem Buch gut getan - damals wie heute. - WOOLF VIRGINIA Klaus Reichert und Walter Boehlich
Mrs Dalloway ; Roman ; 9783596140022
(3)Noch keine Rezension vorhanden - Arthur Schnitzler
Fräulein Else
(129)Aktuelle Rezension von: Sandrica89Ein zeitloser Klassiker, wie ich schon so oft gehört habe. Diese Novelle von Arthur Schnitzler kannte ich noch nicht. Ich lese generell seine Werke nicht, sein Stil macht mir nicht besonders. Dennoch hat mich der Klappentext neugierig gemacht und ich wollte dem Werk eine Chance geben.
Fräulein Else, ein junges, schlaues Mädchen aus gutem Hause macht Urlaub im Ausland. Nach einem Tennis-Spiel erhält sie ein Brief von ihrer Mutter. Ihr Vater ist verschuldet und Else muss den unsympathischen Herrn Dorsday um ein Darlehen bitten. Noch bevor sie ihn darum bittet fragt sie sich selbst, warum sie das nun wieder hinbiegen muss und nicht ihr Vater selbst? Dennoch gibt sie sich einen Ruck und fragt Herrn Dorsday. Dieser willigt zwar ein, jedoch unter der Bedingung, dass Else sich für ihn nackt ausziehen soll.
Der junge Leutnant Gustel wird vom Bäckermeister, nach einem Konzert, beleidigt und lässt sich das auch noch gefallen. Die ganze Nacht ist er nun unterwegs und ist felsenfest von sich überzeugt, dass er sich das Leben nehmen müsse, da ihm seine Ehre genommen wurde. Kurz bevor er zur Tat schreiten kann, wendete sich plötzlich das Blatt.
Zwei Geschichten, ein moralisches Konflikt.
Else ist zwar jung, hübsch und reich, aber noch unerfahren in sexueller Hinsicht. Jedoch flirtet sie gern und ist schlau genug, um die ganzen Oberflächlichkeiten zu sehen. Sie weiss ganz genau, was sie tut, weswegen sie sich so schlagfertig gibt. Als sie jedoch von den Schulden ihres Vaters erfährt, gerät ihre Sichtweise ins wanken. Zwar weiss sie, dass nicht sie das Problem lösen sollte, dennoch fühlt sie sich ihm gegenüber verpflichtet. Als dann noch dieser schmierige Herr Dorsday seine Bedingung ausspricht, gerät sie komplett ins Wanken. Wir begleiten Else, welche Gedanken sie hat. Ob es einen Ausweg gäbe, eine andere Lösung, was es für die Familie bedeuten würde, was es mit ihr selbst machen würde... Ihre Psyche geht komplett mit ihr durch, bis sie schlussendlich ihr Versprechen einhält, aber in Ohnmacht fällt. Und danach nimmt sie sich einfach das Leben. Sehr tragisch. Gerade weil sie so stark und selbstsicher rüberkam, hätte ich doch gedacht, dass sie schlauer reagieren wird. Aber zu dieser Zeit scheint die Ehre und das Ansehen viel wichtiger zu sein. Echt schade um so eine starke Frau. Ihr Vater ist wirklich ein Feigling, dass er seine Schuld auf seine Tochter überträgt. Ich hoffe, dass er nun in Frieden weiterlebt, ohne Schulden.
Bei Gustl lief es ähnlich ab. Gerade weil er ein Leutnant ist, hat er sich die Beleidigung eines Bäckermeisters gefallen lassen. Eigentlich hatte er keine Wahl, dennoch zermürbt ihn dieser Gedanke und auch bei ihm durchleben wir seine Gedankenstränge, was es für ihn bedeutet, was seine Familie dazu sagen würde, wie seine Freunde und Geliebte reagieren würden... Es hat sich vorgenommen sich das Leben zu nehmen, da er eigentlich entehrt wurde. Aber der nächsten Morgen läuft plötzlich anders als erwartet. Denn seine Ehre wurde über Nacht wieder hergestellt. Glück im Unglück.Zwei tragische Geschichten zweier unterschiedlichen Charaktere. Beide kämpfen gegen ihre Zerrissenheit an, beide geraten in moralischen Konflikt und für beide ist nur der Selbstmord die Lösung. Damals nahm man sich immer das Leben, wenn man entehrt wurde, oder sich vor der Gesellschaft blamiert hat. Heute ist es einfach ein unnötiges Drama um Nichts. Schnitzler hat in dieser Novelle gezeigt, wie stark eigentlich unsere eigene Psyche ist und was sie mit uns machen kann. Sobald wir die Kontrolle über sie verloren haben, kann es ganz schnell gehen. Aus psychischer Hinsicht daher ein Meisterwerk. Diesen Monologen zu folgen war schon sehr interessant. Ein Gedanke folgt dem nächsten bis man sich selbst verliert und nicht mehr weiss, wo es begonnen hat. Auch wenn man zuerst denkt, dass es schlimmer nicht sein kann, schlussendlich ist es nicht der Rede wert und weitaus weniger schlimm als gedacht. Aber eben... damals war das eine Schande und die Menschen kamen mit dem hohen Druck gar nicht mehr klar.
Eine sehr interessante und tiefgründige Novelle, die mit unserer Psyche spielt und zum nachdenken anregt. Wer sich dafür interessiert, ist er hier genau richtig. Für Klassiker-Fans definitiv ein Muss.
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