Rezension zu "Früh am Morgen beginnt die Nacht" von Wally Lamb
Die Geschichte dreht sich hauptsächlich um ein eineiiges Zwillingspaar, das in den 50igern in den USA geboren wird. Doch eigentlich steht im Mittelpunkt Dominick, der miterleben muss, wie seine „zweite Hälfte“, sein Bruder Thomas in seinen Zwanzigern in eine umfassende Schizophrenie abgleitet und die nächsten 20 Jahren meist in der Psychiatrie verbringt. Neben dieser immensen Belastung und Co-Abhängigkeit, stirbt derweilen seine Tochter im Alter von 3 Wochen, geht seine Ehe dadurch in die Brüche, ist er verzweifelt auf der Suche nach seinem leiblichen Vater, sieht sich beständig mit seinem cholerischen Stiefvater konfrontiert, verliert seine berufliche Basis unter seinen Füßen und seine Mutter durch Krebs. Zuvor vermacht sie ihm noch die Aufzeichnungen ihres Vaters, einem Einwanderer aus Sizilien, auf Italienisch, die er zur Übersetzung gibt und erst einmal über Jahre verschollen sein wird .. knapp über 1000 Seiten gibt es erst einmal mit Inhalt zu füllen! Das kann man sicherlich nur schwerlich in wenigen Zeilen zusammenfassen ..
Ausgehend von den 1990igern hält das Buch Rückschau in die Kindheit und Jugend der Zwillinge, die aus Sicht von Dominick alles andere als eine einfache war. Historische Ereignisse werden dabei mit eingewoben. Eine epische Geschichte, die mit diversen Seitensträngen aufwartet. Auch die Lebensweisheiten des aus Sizilien stammenden Großvaters finden auf diese Weise ihren Platz. So gesehen handelt es sich tatsächlich um eine 3-Generationen-Ebene, wobei die Rolle von Dominicks Mutter immer ein wenig im Dunkeln bleibt. Man könnte das Buch auch in der Weise deuten, dass es vorrangig um die Katharsis von Dominick geht, diesbezüglich ist auch meine Überschrift zu verstehen.
Über 1000 Seiten, das lässt sich nur im Urlaub bewältigen. Doch ich bin überzeugt davon, dass die Handlung auch auf der Hälfte der Seiten gut Platz gefunden hätte. Nicht so gefallen hat mir das Ende. Ohne zu viel zu verraten, es erschient mir zu „weichgespült“. Auch ließ es sich nicht ganz vermeiden, dass immer wieder ein Gefühl von „Wiederholung“ beim Lesen einkehrte.
Spannend fand ich die Auseinandersetzung mit dem Phänomen „eineiiger Zwillinge“. Obgleich kein Sachbuch, beinhaltet das Buch diesbezüglich doch einige nützliche Erkenntnisse und hilfreiche Einsichten.
Fazit: Wer viel Zeit hat, kann sich gerne an dieses Werk heranwagen. Bereute habe ich die gedehnte Lektüre jedenfalls nicht. Eine sehr vielschichtige Lektüre, durchaus mit der einen oder anderen kleinen Schwäche, doch insgesamt lesenswert.