In der Regel rezensiert man ein Buch, wenn man es fertig gelesen hat. Hier weiß ich nicht, ob ich jemals “fertig” sein werde. Ausgelesen ist es, ja, aber ausgelernt habe ich sicherlich noch lange nicht.
“Der Wut über das Aufzeigen von Rassismus folgt oft die empörte Abwehr.” (S. 27) “Bei dem Wort erschrecken wir. Es ist zutiefst moralisch belegt. Wir wachsen auf mit dem Bewusstsein, dass Rassismus etwas ganz Schlechtes ist. [...] Und es hat nichts, aber auch gar nichts, mit uns zu tun.” (S. 103)
Das Aufzeigen von Rassismus macht uns meistens empört oder wütend. Niemand wird gerne rassistisch genannt. Wer möchte das schon? Wir sind weltoffen, tolerant und kultursensibel, und Rassismus ist doch kein großes Thema mehr, warum sich also damit noch beschäftigen … oder?
“Deshalb macht man sich in Happyland auch vielmehr Sorgen darüber, rassistisch genannt zu werden, als sich tatsächlich mit Rassismus und dessen Wirkungsweisen zu beschäftigen. Fragt man die Bewohner*innen Happylands, wie es denn so um Rassismus steht in dieser Welt, wird er*sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass das kein großes Thema mehr sei. Mehr noch, Happyländer*innen sind überzeugte Nicht-Rassisten. Nichts läge ihnen ferner, als jemanden bewusst auszugrenzen.”
Es ist immer eine gute Idee, überhaupt rassismuskritisch denken lernen zu wollen, und dazu kann man gar nicht genug lesen. Aber falls sich jemand zwischen diesem Buch und “Und jetzt du” von Tupoka Ogette entscheiden müsste, würde ich zu letzterem raten. Ja genau, zum umfangreicheren Hardcover, das nicht nur in den Händen schwerer wiegt als das ca. 130-seitige Heft, auch weil es aktueller ist, aber auch gerade wegen des Umfangs, weil es noch so viel mehr zu sagen gibt. Idealerweise ist dies auch der erste Schritt auf einer längeren Reise, und natürlich weist “exit RACISM” uns nicht den einen Fluchtweg zum Ausgang, aber es ist zumindest ein Anfang.