Rezension zu "Die Stille zwischen den Sekunden" von Tania Witte
Tja, „Die Stille zwischen den Sekunden“ ist eine Geschichte, die man nicht so schnell vergisst – im absolut positiven Sinne. Viel darf man allerdings nicht verraten, da das Ende verblüfft und das ganze Buch von diesem Überraschungseffekt lebt. Ich versuche aber trotzdem, meine Meinung spoilerfrei loszuwerden.
Kurz zur Handlung: Die 17-jährige Mara liebt im Leben nichts so sehr wie ihre Mum, ihr Koch-Blog und ihre beste Freundin Şirîn. Und dann ist da noch Chriso, der coolste Typ der Schule, auf den sie seit 1 ½ Jahren steht, ohne jemals mit ihm gesprochen zu haben. Alles in allem verläuft Maras Leben eigentlich ganz normal. Bis sie eines Tages ihre U-Bahn verpasst – und damit knapp einem extremistischen Anschlag entgeht, der Dutzende Leute in den Tod reißt. Mara ist mitgenommen, berappelt sich aber erstaunlich schnell wieder. Als ihre Freundin Şirîn dann aber plötzlich verschwindet und sich nur noch per Sprachnachricht und Messenger meldet, fühlt sich Mara, als ob ihr Leben aus den Fugen geraten ist. Wo ist Şirîn? Wieso verhält sich deren Familie so seltsam? Mal alleine, mal mit Chriso im Schlepptau, der sich plötzlich für sie zu interessieren scheint, macht Mara sich auf die Suche nach Şirîn und der Wahrheit, die einschlägt wie eine – man verzeihe mir den Gag -- Bombe.
Das Buch ist halb Mystery-Krimi, halb Teenie-Liebes-Roman, mit viel Humor, genauso viel Melancholie und einem Ende, das die einen lieben und die anderen hassen werden. Ich gehöre eindeutig zur ersten Gruppe. Ich fand es spannend mir, wie Mara, Theorien auszudenken, wo Şirîn denn sein könnte, ob ihre Familie dahintersteckt oder ob Şirîn ein Geheimnis hat, dass sie mit ihrer allerbesten Freundin nicht teilen würde. Auch Mara selbst ist interessant. Die Autorin versteht, dass Teenager so individuell sind wie Erwachsene und umschifft Klischees weitgehend weiträumig. Auch die Freundschaft mit Şirîn ist rührend beschrieben. Ich hatte in dem Alter selbst keine allerbeste Freundin und kann nur erahnen, wieviel ich verpasst habe.
Die Nebenhandlung, in der Chriso und Mara sich anfreunden, hat mich manchmal genervt, weil ich so ungeduldig war und viel lieber wissen wollte, was mit Şirîn los ist. Die Autorin lässt einen zum Glück nicht ganz hängen und man bekommt Stück für Stück doch ein paar Antworten. Trotzdem habe ich mich irgendwann gefragt, worauf der Roman eigentlich hinauswill. Da mir die Erzählweise, die Handlung und auch die Sprecherin gut gefallen haben, blieb ich aber am Ball und wurde letztendlich belohnt. Erst am Ende merkt man, wie viele Hinweise tatsächlich gestreut wurden.
Abgesehen von der Handlung fand ich es voll schön, mal eine Geschichte zu lesen (bzw. in meinem Fall zu hören), in der ein deutsch-italienisches und ein kurdisches Mädchen befreundet sind. Realistisch ist auch, dass die kulturellen Unterschiede der beiden Freundinnen und deren Familien thematisiert & respektiert und nicht unter einen rosaroten Kumbaya-Teppich gekehrt werden. Und ich als Hörerin wurde am Ende mit meinen eigenen Vorurteilen konfrontiert, gelernt habe ich dabei also auch noch was.
Fazit: Dafür, dass ich mich in der Bibliothek vergriffen habe, eigentlich eine andere CD mitnehmen wollte und diese hier nur ausgeliehen habe weil ich zu faul war, sie wieder zurückzustellen … dafür ist dieses Hörbuch ein absoluter Glückstreffer. Klare Empfehlung für alle, die Jugendkrimis mit Tiefgang und interkulturellem Touch mögen. Die Interpretin des Hörbuchs, Uta Dänekamp, kam mit ihrer jungen Stimme bei mir gut an. 4,5 Sterne