Steffen Kopetzky hat sein Buch "Monschau", das eine Pockenepidemie in der Eifel im Jahre 1962 zum Inhalt hat, 2021 herausgebracht. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder hat der Autor schon vor der Coronapandemie am Thema gearbeitet und die Seuche ist ihm dazwischengekommen - oder er hat den Covid-Ausbruch 2020 zum Anlass genommen, den Roman zur Seuche zu schreiben.
In jedem Fall ist es nicht gut ausgegangen. Die Erfahrungen des Publikums, das im Frühjahr 2020 bundesweit das öffentliche Leben verrammelt sah, alle nicht-lebensnotwendigen Geschäfte, alle Kinos, alle Gaststätten geschlossen, all diese dramatischen Auswirkungen übersteigen um ein Vielfaches das, was der Kreis Monschau seinerzeit zur Eindämmung der Pocken unternommen hat. Wir Covid-Veteranen können nur müde lächeln.
Auch der erklärfreudige Belehrer Kopetzky bekommt wenig zu tun. Wer will uns denn noch groß was über Aerosole und die Tücken von Viren erzählen?
Das ist ein bisschen schade, denn jene Epidemie im Winter 1962 war schon ein bemerkenswertes Kuriosum, eingeschleppt von einem Geschäftsreisenden aus Indien, mit den Lehrbuchmitteln der Epidemologie eingedämmt und bekämpft. Leider ist so eine durchlaufende Krankheitswelle auch nicht so richtig der Stoff, aus dem Thriller gemacht sind: Sie kommt, wird begrenzt, irgendwann sinken die Neuinfektionen auf Null und nach ein paar Wochen wird der letzte genesene Patient wieder entlassen.
Was hat Kopetzky sonst noch im Köcher? Einen Industriekapitän, den seine Nazivergangenheit einholt, überhaupt viele alte Nazis mit Verbindungen und Groll, einen Medizinprofessor, der mal Sanitätsoffizier war, einen dubiosen Plan für einen übernationalen Montankonzern.
Als Hauptfiguren fungieren ein junger Mediziner aus Kreta, der seinen Frieden mit den Deutschen machen will, und eine rebellische Monschauer Firmenerbin, die lieber im schwingenden Paris studiert und Jazz hört, statt Papas Eisengießerei zu übernehmen.
Es ist bei Romanen kein gutes Zeichen, wenn man auf den gedruckten Seiten noch die Bleistiftstriche der Konstruktionsskizzen erkennen kann, und das ist bei "Monschau" leider der Fall. Zu viel ist zu durchsichtig im Dienste des Plots geplant, der dann doch irgendwie ohne großen Knall verpufft.
Und stilistisch? In seinem abenteuerlichen Reiseroman "Risiko" war es Kopetzky ein leichtes, den ollen Karl May literarisch zu überflügeln. Die Weltkriegsgeschichte "Propaganda" ist - auch - eine augenzwinkernde Hommage an den größten aller Kriegsreporter, Ernest Hemingway (auch wenn der selbst nicht gut wegkommt in der Geschichte). Monschau? Will Kopetzky hier Johannes Mario Simmel nacheifern, der im Buch nie voll namentlich genannt wird, aber unter dem Tarnnamen Grünwald seine Recherchen betreibt. Möglich wärs, mein letzter Simmel liegt Jahrzehnte zurück, ich hab seinen Schreibstil nicht mehr präsent.
Jedenfalls ist "Monschau" ein Buch, das für meine Begriffe missglückt ist. Schade, denn gerade die Generation der jungen Leute und die Zeit des Aufbruchs, der ersten Rebellionen, der Nouvelle Vague, das ist eigentlich ein großartiger kultureller Hintergrund. Diesen Zeitgeist in die rückständige, altmodische, biedere Eifel klatschen zu lassen, an sich eine fantastische Idee! Belmondo, Camus und Miles Davis treffen auf Butzenscheiben und Salzkartoffeln! Die Schilderung der Jazzplatten zählt für mich überhaupt zu den Höhepunkten des Buches; da hatte ich gleich wieder richtig Lust, mir die alten Scheiben selbst mal wieder zu gönnen. Man könnte böse sagen: Das Beste an diesem Roman ist die Musik.