Rezension zu "Die Briefe des Ikarus (Goethe und Schiller ermitteln)" von Stefan Lehnberg
Ihr dritter gemeinsamer Kriminalfall führt die Dichter Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich von Schiller ins ferne Russland bis nach Nowgorod. Die unwirtliche und von Leichen gepflasterte Reise beginnt am Hof in Weimar, wo ein Mitglied der russischen Delegation Herzog Carl August das Siegel samt Briefpapier und Schriftprobe gestohlen hat. Man befürchtet Missbrauch dieser Utensilien und so muss das wackere Dichterduo, ausgestattet mit einer prall gefüllten herzoglichen Reisekasse einem zwielichtigen russischen Baron nachreisen.
Dass die Reise mit Abenteuern gespickt ist, versteht sich von selbst.
Meine Meinung:
Ich bin ein großer Fan von Goethe und Schiller als Ermittler. Nicht immer führen scharfe Analysen, geschliffene Reden und spitze Feder zum Ziel. Manchmal müssen die beiden auch Fäuste und andere Waffen einsetzen. So werden sie zu einem Pistolenduell gezwungen, reisen in mehr oder weniger komfortablen Kutschen und müssen in üblen Gasthäusern absteigen, wo die Bestellung eines Abendessens aus Mangel an Sprachkenntnissen höchst ungewöhnlich ausfällt:
„Nun endlich schien der Diener verstanden zu haben, denn bald darauf erschien er mit einem recht guten Wein namens Schampanskoje, welcher im Munde auf seltsame Art perlte und dem wir im Laufe des Abends alle Ehre antaten und vier oder fünf Bouteillen leerten. Doch hatten wir erwartet, beim Essen ähnlich viel Glück zu haben, so wurden wir enttäuscht: Statt eines herzhaften Bratens setzte man uns eine Art kalten Brei namens Beluga vor, welcher aus winzigen grauen Kügelchen bestand und etwas nach Fisch schmeckte. So sehr Goethe auch mit dem Diener schimpfte, es wurde uns nichts anderes serviert, und so mussten wir uns jeder sechs oder sieben der äußerst knapp bemessenen Portionen von der fürchterlichen Pampe kommen lassen, um einigermaßen Sättigung zu finden.“
Herrlich die an das 19. Jahrhundert angelehnte Sprache! Ich kann davon gar nicht genug bekommen.
Autor Stefan Lehnberg formuliert, nein er drechselt förmlich, die Sätze dieses Romans, die er Friedrich von Schiller erzählen lässt. Schiller ist aufgrund seiner labilen Gesundheit gar nicht so erpicht darauf, die Weiten Russlands bis Nowgorod zu erkunden, will aber seinen Freund Goethe nicht im Stich lassen. Schiller ist eher der Verzagte, der lieber umkehren würde, während Goethe das Abenteuer so richtig zu genießen scheint. Er hat auch allerlei Taschenspielertricks auf Lager, sodass er es auch allein mit Falschspielern, die ihn um die herzogliche Reisekasse erleichtern möchten, aufnimmt. Selbstredend, dass der Dichterfürst den Spieß umdreht.
Fazit:
Ich habe außerordentlich vergnügliche Lesestunden mit Goethe und Schiller verbracht und freue mich auf eine Fortsetzung. Gerne gebe ich diesem Lesevergnügen 5 Sterne und eine Leseempfehlung, die auch für die beiden Vorgänger „Durch Nacht und Wind“ sowie „Die Affäre Carambol“ gilt.