Rezension zu "Die Verlorenen" von Stacey Halls
London 1754: Die junge Krabbenverkäuferin Bess Bright lebt in einem der Armenviertel der Stadt am Hafen. Ungewollt schwanger und mittellos, wie die Familie ist, muss sie das Baby am Tag seiner Geburt im Foundling Hospital abgeben, einem Heim für Waisen und Kinder armer Mütter wie Beth, die ihre Kinder nicht ernähren können.
Sechs Jahre später möchte Beth ihre Clara aus dem Heim nach Hause holen. Doch das Kind ist weg. Es wurde bereits abgeholt von einer fremden Frau, die sich für Beth Bright ausgegeben hat. Ihre Recherchen führen Beth zu einer wohlhabenden Dame im reichen Stadtteil Bloomsbury, die unter starken psychischen Beeinträchtigungen leidet, an ihrer Seite lebt ,wie in einem goldenen Käfig, ein sechsjähriges Kind mit einem anderen Namen: Charlotte.
Wie auch "Die Vertraute", die ich im Vorfeld bereits gelesen habe, werden "Die Verlorenen" wieder bildgewaltig erzählt. Die Betrachtung der Leben und Leiden der armen Beth und der reichen Alexandra sind beide detailliert, die Lebensumstände der Zeit leicht lesbar beschrieben. Auch liegt der Schwerpunkt wieder darauf, dass eine Frau, entgegen der herrschenden Zwänge ihrer Zeit, für ihr Glück kämpft. Es ist bewegend zu verfolgen, wie die eine einen Kampf gegen die Armut und die daraus resultierenden Ungerechtigkeiten führt, während die andere nur mit sich selbst und ihren inneren Dämonen ringt. Dazwischen ein unschuldiges Kind und drei junge Männer. Zwei davon unterstützen die Frauen mit ganzer Kraft, einer zerstört mit seinem Verhalten alles, was ihm zu nahe kommt.
Leider habe ich nicht so gut in das Buch gefunden, wie bei "Der Vertrauten". Die Sympathien für die beiden Protagonistinnen haben sich nicht so recht entfaltet, sodass ich das Buch als schwächer empfunden habe als seinen Nachfolger. Und das letzte Kapitel fand ich etwas zu gewollt und konstruiert, nicht glaubwürdig für die Zeit, in der der Plot spielt, und konnte so mit dem Rest des Buches nicht mithalten.
Trotzdem liest man hier ein toll recherchiertes und gut geschriebenes historisches Buch (das Foundling Hospital hat es so tatsächlich gegeben), für welches ich gern 4 Sterne vergebe.