Rezension zu "Tote Winkel" von Sophie Sumburane
Diese Rezension zu "Tote Winkel" muss leider schwammig bleiben, damit ich nicht spoilere. Gerade, weil ich das Buch sehr empfehlen kann, möchte ich das vermeiden.
Als ich den Klappentext das erste Mal las, hatte ich einen sehr konkreten Plot vor Augen und war gespannt, ob Sophie Sumburane den vermuteten Weg einschlagen würde. In der ersten Hälfte des Romans entfaltete Sumburanes Erzähltalent volle Wirkung, indem ich mir schnell sicher war, dass meine Vermutung falsch gewesen sein musste. In der zweiten Hälfte wurde dann aber – nun auch zu meiner Überraschung – meine anfängliche Vermutung doch noch bestätigt.
Weg vom Kryptischen, hin zum Konkreteren:
Wie es bei Nautilus-Kriminalromanen üblich ist, liegt der Fokus weniger auf „Krimi“ als auf „Roman“, geht es immer auch um politisch und gesellschaftlich relevante Themen, die den Kern der Handlung ausmachen. Das Buch beginnt mit einem Schock: Die gutbürgerlich lebende Valentina, Mutter und Ehefrau, wird eines Tages von der Polizei kontaktiert, weil ihr Mann der Vergewaltigung beschuldigt und festgenommen wurde. Zu ihrer Verwunderung sieht das Opfer ihr äußerst ähnlich.
Davon ausgehend entfaltet Sumburane ein kluges psychologisches Verwirrspiel, in dem sie die Dynamik sexueller Übergriffe im Nahfeld, ihrer Duldung und Folgen für die Betroffenen wie Angehörigen aufarbeitet. Der sprachlich intensive Einblick in das Innenleben der Figuren steht dabei im Zentrum, der stimmige Aufbau verfolgt ein bestimmtes Ziel, das sich den Leser*innen erst am Schluss eröffnet.
An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich die vorangestellte Inhaltswarnung loben, denn in „Tote Winkel“ werden auch Themen wie Kindesmissbrauch äußerst detailliert beschrieben – was nicht dem bloßen Schock dient, sondern dem Roman eine krasse Eindringlichkeit verleiht und für die Handlung nötig ist. Es ist trotzdem nichts, was man „einfach so“ mal eben liest.
Nach dem Lesen bleibt das Gefühl, dass man nun das Buch eigentlich nochmal lesen müsste, könnte, sollte. Denn Sumburanes psychologisches Geschick erklärt am Ende ebenso viel, wie es neue Fragen aufwirft. Das ist dann auch der eine Kritikpunkt, den ich habe: Im letzten Teil hätte dem Buch etwas weniger Verwirrung und an der ein oder anderen Stelle etwas mehr Klarheit – oder ein paar mehr Seiten zur Auflösung – nicht geschadet.
Fazit: Ein sehr lesenswertes, sehr intensives, sehr herausforderndes Buch.