Ich liebe Simone St. James' Thriller "Zimmer 103" und "die schwarze Frau" und wie so oft mit einem Autor, der schon einige Bücher geschrieben hat, aber den großen Durchbruch erst mit einem späteren Werk geschafft hat, versuchen die Verlage, mit den früheren Werken noch einmal Geld rauszuschlagen und legen diese neu auf oder übersetzen sie - in unserem Fall - ins Deutsche. Das hat bei Simon Beckett und bei Linda Castillo schon geklappt, deshalb hat sich der Festa-Verlag gedacht, dass das mit Simone St. James' Erstlingswerk (Achtung: Dies ist KEIN neues Werk der Autorin, sondern wurde schon im Jahr 2013 auf Englisch veröffentlicht!) auch klappen könnte.
Die Idee ist nicht schlecht, denn die Handlung und Grundidee des Romans sind wirklich gut, aber man merkt dem Buch an (und auch der Autorin zu dieser Zeit), dass es noch ein wenig unausgereift und unausgegoren war, denn so ganz überzeugen konnte es mich nicht, und es befindet sich längst nicht auf dem Niveau der oben genannten Romane der Autorin.
Es gibt hier mehrere Probleme:
- Die Geschichte spielt 1922, aber der Autorin gelingt es selten, dem Leser/der Leserin dies auch zu vermitteln, denn es gibt so gut wie kaum Bezüge zu dieser Zeit, z.B. durch Sitten, Gebräuche, Etikette oder Alltagsgegenstände. Die Geschichte könnte auch 20 oder 30 Jahre später spielen. Überhaupt hatte ich auch manchmal das Gefühl, dass manches in Bezug auf die 20er Jahr so nicht ganz stimmen konnte (z.B. der Gebrauch des Wortes "okay", der bereitwillige Sex unverheirateter Frauen, usw.).
- Dies führt mich auch zu meinem nächsten Kritikpunkt. Die Geschichte besteht größtenteils (und vor allem in den ersten Zweidritteln) nur aus Gesprächen. Es wird kaum aktiv "gehandelt". Die Personen begeben sich kaum mal an andere Orte. Es fehlen auch die Beschreibungen der Landschaft, der Räumlichkeiten, und ganz besonders wichtig bei Gothic-Romanen der Atmosphäre. Diese geht hier völlig ab, ist aber wichtig.
- Die Liebesgeschichte, die auch einen recht großen Raum einnimmt (immerhin handelt es sich hier um "Romance Mystery"), wirkt halblebig. Die betroffenen Personen haben zweimal wilden Sex und das wars eigentlich auch schon. Die große Liebe, die angeblich zwischen den beiden besteht, kann man als Leser nicht fühlen. Es fehlen die Emotionen.
- Die Figuren blieben mir außerdem unnahbar. Ich konnte keine Beziehung zu ihnen aufbauen, sie bleiben platt und ohne Tiefe.
- Die Geisterschichte ist auch nicht sehr überzeugend und auch nicht besonders gruselig, jedoch merkt man, dass sich die Autorin weiterentwickeln kann (und wird).
Insgesamt solide Unterhaltung, mehr aber auch nicht. Man sollte unbedingt zu den späteren Werken der Autorin greifen. Dieser ist nur für ganz hartgesottene Fans.