Heute bekommt ihr von mir wieder eine Kurzrezension zu einem Buch, mit dem ich mich im Moment im Studium beschäftige. Und zwar echt intensiv. Ich muss nämlich zu Medea eine Proseminararbeit schreiben. Juhu!
Aber zuerst mal kurz eine Erklärung: Wer ist Medea überhaupt? Nun, Medea ist eine Kindsmörderin aus dem alten Griechenland. Zuerst schrieb Euripides über sie, dann Seneca und dann immer und immer mehr Autorinnen und Autoren, bis heute.
Medea half Jason und den Argonauten dabei, das goldene Vließ (Widderfell) ihres Vaters zu stehlen. Ziemlich fies, ich weiß. Warum? Nun, ganz einfach: Medea hat sich in Jason verliebt und sieht darin ihre Chance, ihn auf sich aufmerksam zu machen. Und es funktioniert: Medea flieht gemeinsam mit Jason aus ihrer Heimat, Kolchis. Auf der Fahrt nach Jolkos, wo Jason herkommt, ermorden sie gemeinsam ihren Bruder und später in Jolkos den König Pelias, der sich weigert, Jason den Thron zu überlassen. Die Geschichte ist besonders grausam, da sie nämlich seine Töchter vorgaukelt, ihn wieder jung machen zu können und sie dazu bringt, ihn auseinanderzusägen und in einen Topf mit kochenden Wasser zu werfen. Und, surprise, surprise: Natürlich überlebt der Kerl das nicht! Natürlich sind die Einwohner nicht besonders glücklich darüber und die zwei werden wieder vertrieben. Sie landen in Korinth. Und hier setzt die Geschichte bei Seneca ein. Die Liebe zwischen den beiden ist in der Zwischenzeit...nennen wir es mal abgekühlt. Sie haben zwei Kinder miteinander, die aber das ganze Stück lang namenlos bleiben. Jason hat überhaupt keine Lust mehr, mit Medea zusammenzusein und verlobt sich deswegen mit Kreusa, einer Königstochter. Tja, Medea nimmt ihm das sehr übel. Sie sendet Kreusa deswegen ein verfluchtes Kleid, das dafür sorgt, dass sie in Flammen aufgeht und stirbt. Doch damit ist ihr Rachedurst noch nicht gestillt: Sie ersticht ihr erstes Kind und dann, als Jason zusieht, auch noch das zweite. Und damit endet dieses Drama dann auch schon wieder. Und da sag noch mal einer, die Griechen seien langweilig!
Ganz ehrlich: Als ich dieses Drama zum ersten Mal gelesen habe, habe ich kein Wort verstanden. Hätte ich nicht gewusst, worum es geht, hätte ich wohl sofort aufgegeben. Aber in der Zwischenzeit habe ich den Text noch ein paar mal gelesen und mit jedem Mal gefällt mir die Geschichte besser. Medea ist einfach eine unglaublich spannende Figur, gerade fürs alte Griechenland! Leider wurde dieser Text damals nie aufgeführt, aber heute macht man das regelmäßig. Allerdings immer nur Neubearbeitungen und leider so gut wie nie das Original. Verstehe ich auch, der Text ist nicht gerade das, was man abendfüllend nennt (also er ist sehr kurz) und eher kompliziert geschrieben. Das wäre also für jeden Zuschauer eine Challenge und für die Schauspieler sowieso. Trotzdem würde ich das Original echt gerne mal auf der Bühne sehen. Das fände ich spannend.
Medea ist hier in dieser Version noch eine der besten Varianten ihrer selbst. Hier kommt ihr Schmerz noch um einiges besser zum Ausdruck als in vielen anderen, neueren Versionen. Trotzdem ist einfach....nun ja, Medea. Aus unserer heutigen Sicht sind ihre Taten nicht mehr wirklich nachvollziehbar, aber naja, im alten Griechenland war das noch etwas anders. Die Morde, gerade an den Kindern, wirken aus unserer heutigen Zeit wirklich sehr übertrieben. Damals war das auch nicht gerade eine Selbstverständlichkeit, aber doch schon eher verständlich. Hier noch ein kleiner Disclaimer: Ich bin keine Expertin für die alten Griechen, kann also auch sein, dass alles ganz anders ist. Ich möchte trotzdem versuchen zu erklären, wie ich die Morde interpretiere und verstehe. Auf jeden Fall ist Jason hier schon nicht mehr der Jüngste und er ist ein Herrscher. Er braucht also einen Erben, an den er den Thron weitergeben kann, wenn er mal zu alt dafür ist. Am besten einen Erben, der aus der Ehe mit Kreusa hervorgeht, denn sie ist eine Königstochter und damit könnte er sein eigenes Reich vergrößern. Wenn das nicht funktioniert, hätte er immer noch die zwei Kinder mit Medea. Deswegen möchte er, dass die Kinder bei ihm bleiben. Und indem Medea nicht nur seine neue Frau umbringt, sondern auch ihre Kinder, zerstört sie seine Zukunft. Und das nachhaltig. Oder würdet ihr gerne einen Mann heiraten, dessen Exfrau seine neue Verlobte und seine Kinder ermordet hat? Dessen Ex den Ruf hat, eine Hexe zu sein? Also ich weiß ja nicht, aber ich wäre da dann doch eher vorsichtig, gerade im alten Griechenland.
Auf jeden Fall solltet ihr euch auf jeden Fall mal Zeit nehmen und euch "Medea" durchlesen. Die Lektüre ist nicht besonders leicht, aber es lohnt sich, wenn man den Text erstmal verstanden hat. "Medea" prägt die Kunst noch bis heute, auch wenn das vielleicht auf den ersten Blick nicht so scheint. Versucht es also auf jeden Fall einfach mal!
Seneca
4,1 Sterne bei 107 Bewertungen
Autor von Von der Kürze des Lebens, Von der Gelassenheit und weiteren Büchern.
Lebenslauf von Seneca
Seneca (Lucius Annaeus Seneca, auch Seneca der Jüngere genannt, zwischen 4 v. Chr. und 1 n. Chr. Cordoba – April 65 n. Chr. bei Rom) war unter den Kaisern Caligula und Claudius als Anwalt, Quästor und Senator tätig. Im Jahr 41 ins Exil nach Korsika geschickt, wurde er acht Jahre später zur Erziehung Neros nach Rom zurückberufen. Als Dichter beschäftigte sich Seneca in »Medea«, »Oedipus« und sieben weiteren Tragödien mit Stoffen aus dem griechischen Sagenkreis. Mit der »Apocolocyntosis« (»Die Verkürbissung des Kaisers Claudius«) gelang ihm ein bissiges und scharfzüngiges Pamphlet gegen den Mann, der ihn ins korsische Exil geschickt hatte. Als Philosoph vertrat er in seinen Briefen »Epistulae morales ad Lucilius« (»Briefe an Lucilius über Ethik«) sowie in seinen Abhandlungen, beispielsweise »De vita beata« (»Vom glücklichen Leben«) oder »De tranquillitate animi« (»Von der Ausgeglichenheit der Seele«), die Lehre der Stoa, die Leben und Tod mit Genügsamkeit, Weisheit und Gleichmütigkeit entgegentritt. In diesem Geist erscheint auch Senecas Ableben, wie es der Historiker Tacitus in seinen »Annalen« beschreibt: Seneca wurde von Nero, der dem Lehrer zusehends entglitten war, der Teilnahme an der Pisonischen Verschwörung beschuldigt und zum Selbstmord gedrängt – einem Befehl, dem der Philosoph laut Tacitus stoisch Folge leistete.
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Seneca
Von der Kürze des Lebens
Erschienen am 01.10.2012
Vom glückseligen Leben und andere Schriften
Erschienen am 01.01.2005
Von der Gelassenheit
Erschienen am 01.12.2010
Vom glücklichen Leben
Erschienen am 17.07.2020
Mächtiger als das Schicksal
Erschienen am 01.07.2004
Von der Seelenruhe / Vom glücklichen Leben
Erschienen am 26.02.2010
Briefe an Lucilius / Epistulae Morales ad Lucilium
Erschienen am 11.07.2011
Das Leben ist kurz!
Erschienen am 01.02.2007
Neue Rezensionen zu Seneca
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Zuerst einmal eine Frage: Warum sollte man freiwillig ein Buch lesen, das beinahe zweitausend Jahre alt ist und sich mit den Grundsätzen der stoischen Philosophie beschäftigt? Meine Antwort: Weil Senecas Überlegungen heute noch genauso aktuell sind wie damals.
Okay, ganz einfach zu lesen ist das schmale Büchlein nicht. Das Werk, das als Briefwechsel verfasst ist, wirkt zunächst gestelzt und weltfremd und hat mich unangenehm an längst vergangene Lateinhausaufgaben erinnert. Auch der Alltag, von dem Seneca spricht, lässt sich mit dem 21. Jahrhundert kaum vergleichen, denn wir müssen weder unter mordlustigen Kaisern leiden, noch beschäftigen wir einen Haushalt voller Sklaven.
Abgesehen davon kann man die Probleme der damaligen Zeit jedoch durchaus mit denen der Moderne vergleichen: Seneca schreibt vom Überdruss einer Gesellschaft, die mehr hat als sie tatsächlich braucht. Er schreibt von der Suche nach dem Glück und vom Überwinden gesellschaftlicher Zwänge. Er schreibt davon, wie man dem hohen Druck, unter dem man tagtäglich steht, standhalten kann. Und das ist tatsächlich noch immer zeitgemäß.
Zuerst versucht er zu erklären, woher diese Unzufriedenheit überhaupt kommt. Er führt mehrere Gründe auf, aber hauptsächlich glaubt er, dass man sich selbst oft falsch einschätzt und sich mehr zumutet, als man aushält, und dass man Hoffnungen nachjagt, die man nicht erfüllen kann. So wird man immer unglücklicher, selbst wenn man objektiv alles hat, was man braucht.
Seine Lösung ist die eines typischen Stoikers: Gelassenheit. Hierzu liefert er eine Art Anleitung, die helfen soll, im Leben gelassener zu werden. Am wichtigsten ist ihm dabei, dass man akzeptiert, dass alles vergänglich ist. Geld und Macht können einem binnen eines Wimpernschlags genommen werden. Was irgendwem passieren kann, kann einem auch selbst zustoßen. Wenn man darauf vorbereitet ist, trifft einen tatsächliches Unglück im Idealfall weniger hart.
Essentiell fürs Glück hält Seneca es, sich für die Gemeinschaft nützlich und seine Fähigkeiten und Talente auch anderen zugänglich zu machen. Das kann auch im ganz kleinen Rahmen passieren, wenn man in seinen Möglichkeiten eingeschränkt ist, aber jeder Versuch ist besser als nichts. Man sollte ein gewisses Gleichgewicht zwischen der Gesellschaft anderer Menschen und dem Rückzug ins Private halten, weil man Gesellschaft und Einsamkeit hin und wieder gleichermaßen braucht. Auch die Frage, mit welchen Menschen man sich umgibt, ist wesentlich: Seneca rät dazu, sich von den ewigen Nörglern fernzuhalten, die immer einen Grund zum Jammern finden. Egal, wie nett diese Leute auch sonst sein mögen, sie schaden uns trotzdem durch ihre Launen.
Außerdem rät er zur Anpassung an neue Situationen. Man sollte flexibel bleiben und das, was das Schicksal einem zuspielt, einfach akzeptieren, So wird man in jeder Lebenslage einen Grund finden, das Leben trotzdem zu genießen. Das entspricht auch seinem letzten Ratschlag: Man sollte sich auch einfach mal entspannen. Es spricht nichts dagegen, sich nicht permanent den Kopf zu zerbrechen, sondern auch mal Spaß zu haben und sich locker zu machen. Überhaupt sei das Leben, so Seneca, im Großen und Ganzen eher zum Lachen, wenn man es sich mal genauer anschaut.
Ich finde, "Von der Gelassenheit" ist ein großartiges Buch und ein guter Ratgeber, der den philosophischen Büchern der heutigen Zeit, die für meinen Geschmack viel zu esoterisch und psychologisch angehaucht sind, weit überlegen ist.
Rezension zu "Apocolocyntosis /Die Verkürbissung des Kaisers Claudius" von Seneca
Einst war's eine große Sache ein Gott zu werden...
Kapitel7vor 5 JahrenDer Text ist eine sehr kurze Lektüre für zwischendurch. (Es sind nur 43 Seiten, davon ist nochmal die Hälfte der lateinische Originaltext).
Die Geschichte ist dabei aber sehr amüsant. Seneca verspottet den gerade erst verstorbenen Kaiser Claudius, indem er dessen letzte Momente und das, was diesen danach bei seiner Ankunft im Himmel erwartet.
Der Anhang hilft dabei, Anspielungen und Details zu verstehen und sein Wissen über römische Religion und Bräuche aufzufrischen.
Einen genaueren Eindruck und ein paar Hintergründe des Textes habe ich hier beschrieben.
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