Nach den ersten Sätzen war ich durchaus angetan von der Geschichte über eine zunehmend toxische Affäre in Paris. Denn Salih Jamal hält sich nicht mit unnötigem Vorgeplänkel auf, nein, er führt seine Leserinnen und Leser ohne Umschweife mitten ins Geschehen. Und auch einige poetische oder kreative Sprachbilder nahmen mich sehr für die Erzählung ein. Doch leider sollte sich das schnell ändern.
Dass es zwischen den Protagonisten ausgerechnet auf einem Friedhof und noch dazu am hellichten Tag zu einem Blow Job kommt, mag man noch als plakative Verdeutlichung der stark sexuell geprägten Beziehung zwischen Elle und Lui deuten. Doch dann kippt die Sprache unversehens ins Kitschig-Schwülstige, und Luis meint beim Orgasmus die Callas singen zu hören. Tut mir leid, aber das ist keine gute Literatur, sondern schlichtweg Peinlichkeitsprosa. Die extreme Beziehung zwischen dem unsteten Fluglotsen und der "im goldenen Käfig" gefangenen Ehefrau wird entweder küchenpsychologisch oder gleich gar nicht erklärt. Eine Nebenfigur nimmt urplötzlich eine wichtige Rolle ein, um ebenso unerwartet wieder zu verschwinden, ihre Nähe zum Protagonisten bleibt schleierhaft.
Auch die Form des schmalen Büchleins ist nicht eindeutig: Einerseits ist es wie ein klassisches Drama in fünf Akten aufgebaut, andererseits weist es auch viele Merkmale einer Novelle auf, wie die begrenzte Anzahl von Personen, weitgehend eindimensionale Figuren ohne Entwicklung und ein außergewöhnliches Ereignis als zentrales Element mit extremem Wendepunkt. Irgendwie ist die Story nicht Fisch und nicht Fleisch, ganz als ob der Autor sich nicht entscheiden konnte oder wollte.
Ich jedenfalls habe mich entschieden: Dieses existenzialistische Einsamer-Wolf-verfällt-unglücklicher-Ehefrau-Gesülze muss niemand lesen, ich habe es leider zu spät gemerkt.