Ruth Kornberger

 3,8 Sterne bei 77 Bewertungen
Autorenbild von Ruth Kornberger (©Lasse Tjarks)

Lebenslauf von Ruth Kornberger

Als Kind las sie die Kinderbücherei ihres Stadtteils durch: Ruth Kornberger wurde 1980 in Bremen geboren und blieb dort bis zum Abitur. An der Technischen Universität Ilmenau studierte sie "Angewandte Medienwissenschaft", weil sie "irgendwas mit Medien" machen wollte. Ihre Diplomarbeit schrieb die Autorin über digitale Wissensvermittlung. Nach dem Abschluss zog Kornberger nach Heidelberg, um für eine IT-Firma Bedienungsanleitungen zu schreiben. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Weinheim, am Rand des Odenwalds. "Frau Merian und die Wunder der Welt" ist ihr erster Roman.

Alle Bücher von Ruth Kornberger

Cover des Buches Frau Merian und die Wunder der Welt (ISBN: 9783328106777)

Frau Merian und die Wunder der Welt

 (64)
Erschienen am 11.04.2022
Cover des Buches Die Symphonie der Sterne (ISBN: 9783570104552)

Die Symphonie der Sterne

 (4)
Erschienen am 26.10.2022
Cover des Buches Wie man einen Zirkus zerstreut (ISBN: 9783847640349)

Wie man einen Zirkus zerstreut

 (3)
Erschienen am 30.10.2013
Cover des Buches 2057 und früher (ISBN: 9783746718194)

2057 und früher

 (0)
Erschienen am 20.04.2018
Cover des Buches Polarforscher und Yoginis: Kurzgeschichten (ISBN: 9781478131649)

Polarforscher und Yoginis: Kurzgeschichten

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Erschienen am 13.12.2012
Cover des Buches Yoginis (Kurzgeschichten) (ISBN: B00AJW2C6O)

Yoginis (Kurzgeschichten)

 (0)
Erschienen am 05.12.2012

Neue Rezensionen zu Ruth Kornberger

Cover des Buches Die Symphonie der Sterne (ISBN: 9783570104552)
Dogus avatar

Rezension zu "Die Symphonie der Sterne" von Ruth Kornberger

Ungewöhnliches Leben der Sternforscherin Caroline Herschel
Doguvor 4 Monaten

In "Die Symphonie der Sterne" geht es um die Astronomin Caroline Herschel (1750-1848). Die Autorin Ruth Kornberger strickt die Romanbiografie clever um ein Rätsel: Herschel hat zeitlebens Tagebuch geführt, aber ihre Erlebnisse mit 40+ Jahren hat sie vernichtet. Was geschah in diesen 9 Jahren? Kornberger füllt die Leerstelle schlüssig. Der Roman nähert sich dem Geheimnis auf zwei Zeitebenen, die sich clever bespiegeln.

Wie ich die Lektüre erlebt habe (Handlung, Erzählweise, erzeugte Wirkung):

Da sitze ich also im Jahr 1822 mit der eigensinnigen 72-jährigen Caroline Herschel in einer rumpeligen Postkutsche von England nach Hannover. Weil ihr geliebter Bruder und Forschungspartner Wilhelm gestorben ist, muss sie in ihre alte Heimat Hannover zurückkehren. Die zierliche Dame sitzt die Fahrt unbequem auf einem Stapel wertvoller Aufzeichnungen über Sterne und schützt die Tinte vorm Regen. Sie weckt direkt meine Sympathie. Schnell lerne ich sie besser kennen in ihrem arbeitsreichen Alltag im Haushalt ihres jüngeren Bruders. Sie schreibt ihre Memoiren und bereitet ihre Forschungsergebnisse auf. Immer wieder sortiert sie die Dokumente neu. Dabei hilft ihr das kesse Dienstmädchen Agnes (2. Hauptfigur). Was Caroline nicht weiß: Agnes spioniert sie aus! Diese träumt von ihrem Durchbruch als Journalistin und will Herschels Geheimnisse als Skandalgeschichte an die Presse verkaufen.

Mir gefällt, wie die Autorin das Storytelling thematisiert. Beide Protas ringen damit, wie sich Erlebtes durch das Erzählen verformt: Was ist wahr, was wird zensiert, was wird eingefärbt und verklärt? Wenn die listige Agnes Caroline Geheimes entlocken möchte, tarnt Caroline Wahres als Märchen. Agnes wiederum fabuliert wild, das beflügelt Caroline für ihre Memoiren.
Um Herschels Vertrauen zu gewinnen, lässt Agnes sich von ihr in Mathematik und Astronomie unterrichten. Wird Agnes ein Gewissen entwickeln? Zuerst mochte ich die kaltblütige Agnes nicht. Die Mentoring-Beziehung bleibt kühl, beide Frauen geben sich spröde.
Ich mag die Gespräche der beiden und den Metadiskurs übers Schreiben. So vergleicht Caroline wohl komponierte Briefe mit einer Symphonie und einem Menü.

Auf der zweiten Zeitebene in England (Kapitel im Wechsel mit der Zeitebene in Hannover) lerne ich die junge Caroline kennen. Hier tue ich mich zuerst schwer: Die ersten 200 Seiten sind ein (zu) schneller Galopp durch Carolines Leben (20 bis 40-Jährig). Ich haste durch die Jahre ... und finde die Lektüre teils recht anstrengend. Interessante Nebenfiguren verschwinden zu schnell wieder. Und mir fehlt Näheres zur Beziehungschemie mit Bruder Wilhelm (wirkt zu sachlich).
Ja, ich leide mit, wie Caroline um Anerkennung als Astronomin und als Frau in der engstirnigen Gesellschaft ringt. Harte Zeiten: Missachtet als altjüngferliches Anhängsel ihres Bruders, von der Schwägerin als Haushaltsvorsteherin verdrängt, lieblos Wohnen in der Besenkammer über der Werkstatt.

Erst auf S. 211 wenn "Love Interest" Janek auftaucht, verlangsamt sich das Erzähltempo und ich habe das Gefühl, jetzt im Kern der Geschichte angekommen zu sein: Sie muss sich entscheiden zwischen Liebe (Ehe) und Wissenschaft. Carolines emsigen Sternsuche-Alltag mit dem riesigen Teleskop (Vierzigfuß) erlebe ich fasziniert mit.

Handlung in England: 1772 folgte Caroline als 22-Jährige ihrem älteren Bruder Wilhelm Herschel nach Bath. Er arbeitet als Musiker, sie als Sängerin. Beide begeistern sich immer mehr für Astronomie, er macht es zu seinem Hauptberuf, sie bezieht von der englischen Krone als erste Frau in der Sternkunde ein Gehalt als Assistentin. Während ich mir Caroline als charismatische Sängerin nicht richtig vorstellen kann, fühle ich ihre Begeisterung für die Sterne und Zahlen (obwohl ich selbst mit Mathe auf dem Kriegsfuß stehe). Die Jagd nach Kometen ist spannend.

Erzählweise: teils auktorial, teils personal. 

Stil und Emotion: Stilsicher, sprachlich gehobenes Niveau, schön zu lesen. Bei Kornberger ist der Erzählton schnörkellos und eher kühl, passend zu Herschel selbst: eine strategisch denkende Frau mit kühlem Kopf, viel Disziplin und Selbstbeherrschung. Dennoch hat sie große Leidenschaft für ihren Beruf und dann (mit 40+) für einen Mann. Ihre zärtlichen Gefühle und Gesten werden benannt, aber so richtig "spüre" ich Carolines Verliebtsein in Janek nicht. Viel eindringlicher resoniert in mir die Wehmut Carolines um die verpasste Chance und die unerfüllte Sehnsucht nach dem geliebten Menschen. Bei einer bestimmten Szene im Finale bin ich den Tränen nahe. Das Bittersüße und das Nichtauslebenkönnen von Gefühlen macht Kornberger eindringlich spürbar.

Meine Lesereise macht mir auf den letzten 200 Seiten so richtig Spaß. Ich sehe Kometen und lausche der Symphonie der Sterne! Ich bin überrascht, wie eng Musik und Sternkunde hier zusammenspielen.

Mein Fazit: Die Geschichte von Caroline, Janek und Agnes hat mein Herz berührt und meinen Intellekt angeregt. Ich habe Faszinierendes über Sternkunde im 18. Jh. erfahren. Ich ziehe meinen Hut vor der akribischen Recherche der Autorin und der klug durchdachten Erzählstruktur.

Ich empfehle den Roman insbesondere anspruchsvollen Leserinnen, die eine reifere Heldin mit eigensinnigem Charakter mögen. (Dies ist ein Kontrastprogramm zu den oftmals weichgespülten und allzu gefällig erzählten Romanbiografien in der atb Reihe „Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe“.) Dieser Roman ist wie ein Stern: Er leuchtet auch nach dem Auslesen noch lange nach!

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Cover des Buches Die Symphonie der Sterne (ISBN: 9783570104552)
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Rezension zu "Die Symphonie der Sterne" von Ruth Kornberger

Faszinierender Einblick in Leben und Sternforschung von Caroline Herschel
Wortkosterinvor 5 Monaten

„Die Symphonie der Sterne“ ist eine sehr interessante Romanbiografie über die Astronomin Caroline Herschel (1750-1848). Die Autorin Ruth Kornberger hat für ihre Darstellung des Lebenswegs und der Sternforschung im 18. Jahrhundert akribisch recherchiert, besonders die Inhalte aus den Briefen und Tagebüchern der echten Caroline geben der Roman-Caroline Authentizität. 

Handlung: siehe Klappentext. 

Erzählweise und Stil

Personale Erzählung (Sicht von Caroline sowie von Agnes), stellenweise allwissende Erzählerin. Das sprachliche Niveau ist gehoben, die Autorin schreibt stilsicher, der Roman ist flüssig lesbar, erfordert jedoch ein gewisses Maß an Konzentration. Das Fachwissen über Astronomie ist geschickt in die Handlung und Dialoge eingeflochten (kein Infodumping).

Aufbau: 

Der Roman verläuft auf zwei – abwechselnd erzählten - Zeitebenen: Zum einen begleite ich als Leserin die junge und reifer werdende Caroline in England bei ihrem Leben als Konzertsängerin und Sternforscherin (Zeitraum 1777-1802, also wenn Caroline etwa zwischen 30 und 50 Jahre alt ist), zum anderen die 72-jährige Caroline in ihrem Alltag in Hannover (Zeitraum 1822-1829) während sie ihre Memoiren schreibt. 

Im Handlungsstrang in Hannover spielt Carolines junges Dienstmädchen Agnes (fiktive Figur) eine wichtige Rolle. Einige Kapitel sind aus ihrer Perspektive geschrieben, was eine spannende Bereicherung ist. Dieses Wechselspiel von Carolines Innensicht und Agnes Außensicht auf diese ist faszinierend und sorgt für ein vielschichtiges Charakterbild.

Der Prolog (Slough 1789) führt mich mitten hinein in Carolines Hochphase als Astronomin (mit Anfang 40) in ihrer Jagd nach Kometen und die aufregendste Zeit in ihrem Gefühlsleben: Sie pflegt eine heimliche Liebesbeziehung mit dem polnischen General Jan Komarzewski (den sie liebevoll Janek nennt), ein Freund der Familie und Forscher im Auftrag des polnischen Königs (historische Figur). 

Im Anschluss geht es mit der 72-jährigen Caroline weiter: Weil ihr Bruder und Arbeitspartner Wilhelm Herschel verstorben ist, muss sie schweren Herzens zu ihrem anderen Bruder nach Hannover ziehen. Wie sie, die zierliche und energische Frau, in der Postkutsche auf den wertvollen astronomischen Aufzeichnungen sitzt und sie vor dem Nassregnen bewahrt, war mir gleich sympathisch. In Hannover geht es darum, wie Caroline an ihren Memoiren schreibt, was die Autorin geschickt collagiert mit den entsprechenden Rückblenden in die damalige Lebensphase in England.

Für mich lag ein zentraler dramatischer Bogen in der Liebesgeschichte zwischen Caroline und Janek (dieser taucht erst auf Seite 211 auf), die im Mittelteil das emotionale Zentrum der Handlung bildet. 

Der Anfangsteil des Romans liegt der Schwerpunkt auf Carolines Entwicklung als Astronomin. Ihr Kampf um Anerkennung in der Wissenschaft zieht sich als roter Faden durch den gesamten Roman. 

Den dritten (parallel verlaufenden) erzählerischen Bogen bildet die Handlung um Agnes: Wie sie Caroline ausspioniert und deren versteckte Tagebücher findet. Es geht hierbei auch um die Beziehung zwischen den beiden Frauen, denn während Caroline Agnes in Mathematik und Astronomie unterrichtet, nähern sie sich menschlich an. 


Pluspunkt: Starke Hauptfiguren

Drei Hauptfiguren sind der Autorin ausdrucksstark gelungen: Caroline, Agnes und Janek. 

(+) Von der Protagonistin Caroline Herschel entfaltet sich im Roman ein facettenreiches Porträt, das sich über ihr Leben von Kindertagen bis ins hohe Alter erstreckt. Ich habe sie beim Lesen immer mehr ins Herz geschlossen. Anfangs war die junge Sängerin nicht greifbar für mich. Es ist durchaus originell, wie sie zuerst in Bath ein Galakonzert singt und dann direkt nach ihrem Auftritt - noch im Abendkleid - in die Werkstatt geht und aus Pferdeäpfeln Formen für das Fertigen von Teleskopspiegeln fertigt. Die Fleißige konnte ich vor mir sehen, nicht aber die Bühnenpersönlichkeit mit der starken Ausstrahlung. Carolines Begeisterung für Mathematik und Astronomie konnte ich gut nachspüren (obwohl ich selbst in dieser Welt gar nicht zu Hause bin). Spannend wird es, als sie sich zwischen der Passion ihres Lebens, der Wissenschaft, und der Liebe zu Janek entscheiden muss. 

(+) Carolines heimlicher Geliebter Janek stand mir beim Lesen als starke, einnehmende Persönlichkeit schillernd vor Augen. Ich fand es glaubwürdig, dass er von Caroline fasziniert ist und einiges Warten auf ihre Entscheidungen in Kauf nimmt. 

(+) Mir hat sehr gut gefallen, wie die Autorin die gesellschaftliche Stellung von Frauen und Wissenschaftlerinnen im 18. Jahrhundert herausgearbeitet hat. Ich war fasziniert und einige Male wütend, mitzuerleben, welchen „Eiertanz“ Caroline machen muss, um ihre Forschungsergebnisse den Männern der Royalen Astronomischen Gesellschaft zu melden, dabei immer in ihren Briefen eine Notiz ihres Bruders Wilhelm (angesehener Astronom im Dienste des Königs) quasi also Autorisierung und Verifizierung ihrer Daten (z. B. Koordinaten von Kometen) anfügen muss. Auch muss sie der Eitelkeit ihres Bruders schmeicheln. 

(+) Glaubwürdig: Agnes als Mädchen aus Armut und mit hellem Köpfchen, die davon träumt, Reporterin und Schriftstellerin zu werden. Aus Ehrgeiz scheut sie nicht davor zurück, trickreich zu spionieren und das Vertrauen ihrer Dienstherrin Caroline zu missbrauchen. Das war mir zuerst eher unsympathisch, aber Agnes durchläuft einen tollen Reifungs- und Erkenntnisprozess und ich war am Ende des Romans begeistert über ihre Entwicklung.

Pluspunkt: Fakt, Fiktion und Interpretation werden klug thematisiert

(+) Ich fand es sehr clever, wie die Autorin über Carolines schwieriges Werkeln an ihren Memoiren (Hannover) und über die Gespräche mit Agnes (z. B. wie sie Agnes als Märchen verschlüsselt von ihrem „Prinzen“ Janek erzählt) thematisiert, dass eine (Auto-)Biografie immer zensiert und auf bestimmte Weise gefärbt ist. 

Aus der Tatsache der mysteriös fehlenden Herschel-Tagebücher (9 Jahre fehlen, 1788-1797) macht die Autorin einen spannenden Plot und legt in ihrem Roman plausibel dar, was in dieser Zeit passiert ist und warum die echte Caroline diese Tagebucheinträge zerstört hat. Der Roman erinnert mich als Leserin immer wieder daran, dass die gezeigte Interpretation fiktiv ist, und regt mich zum Nachdenken darüber an, wie bei Lebensgeschichten Wahrhaftiges auch im Fabulierten stecken kann. 


Kritikpunkte: 

(-) Auf den ersten 150 Seiten des Romans ist es mir schwer gefallen, in der England-Handlung emotional anzukommen, weil es mir ein zu schneller „Ritt“ durch die Lebensjahre der jungen Caroline war. Hierbei hat die Autorin m.E. zu viel Stoff in den Roman hineingenommen und Vieles zu schnell abgehandelt. Weniger wäre mehr gewesen. Interessante Nebenfiguren wie die indische Hofdame Miss Mehta und der homosexuelle gute Freund von Caroline, Eliot, tauchen zu kurz auf. 

Dahingegen wurde ich viel schneller mit der 72-jährigen Caroline warm, weil ich das Erzähltempo in der Hannover-Handlung angenehm fand und ich in den dortigen Alltag eintauchen konnte. 

(-/+) Die Mentoring-Geschichte zwischen Caroline und Agnes ist für meinen Geschmack zu kühl geraten. Dies passt jedoch zu den Persönlichkeiten der beiden Figuren. Agnes ähnelt Caroline in der rationalen Art, in Ehrgeiz und Fleiß. Beide können ihre Gefühle nur schwer zeigen.

(-/+) Carolines Lebensweise ist höchst diszipliniert. Ihr Fleiß in der Astronomie wird eindringlich geschildert, aber ihre Liebe zur Musik und das Singen konnte ich damit nicht so recht in Einklang bringen. Zu lesen war, dass Caroline bei der Arbeit summt und als betagte Dame in den Salons gerne kleine Hauskonzerte gibt, aber irgendwie habe ich diese Sängerin-Seite von Caroline nicht gefühlt. Erst ganz spät im Roman, wenn die alte Caroline so gerne in die Oper/Konzert geht, konnte ich diese Facetten für mich zu einem stimmigen Gesamtbild zusammenfügen.

(-) Die Beziehung zwischen Caroline und ihrem Bruder Wilhelm war für mich zu schemenhaft. Deutlich wird, dass sie sich gegenseitig als Forschungsteam auf Augenhöhe brauchen und schätzen. Caroline kann ohne ihren Bruder nicht forschen, dafür nimmt sie einige Demütigungen in Kauf, z. B. von seiner Ehefrau als Haushaltsvorsteherin verdrängt zu werden (raus aus dem Haushalt, ab in die „Besenkammer“ über der Werkstatt). Carolines Frustration und Wut darüber konnte ich gut nachfühlen. Ich habe jedoch nur bedingt mitfühlen können, warum Caroline bei einer bestimmten Entscheidung nicht doch den Sprung ins Neue gewagt hat.

Entscheidet sich Caroline zwischen Eheleben und Astronomie? Oder zwischen erotischer Liebe zu ihrem Geliebten und platonischer Liebe zu ihrem Bruder? Mir hat das Gefühlvolle in der Beziehung zwischen Bruder und Schwester gefehlt. In Kornbergers Roman liegt das starke Band zwischen den Geschwistern vor allem in der gemeinsamen Forschungsarbeit. 


Weitere Pluspunkte: 

(+) Die echte Caroline (laut Originalquellen und einer Biografie) hat ihren Bruder Wilhelm geradezu abgöttisch verehrt (zumindest in ihrer Lebensrückschau und wie sie das Vermächtnis des Bruders der Nachwelt präsentiert hat). Die Autorin Kornberger mildert dies in ihrer Darstellung ab und gibt Caroline hier und da eine kritische Sichtweise auf Wilhelm (sie toleriert großmütig seine Eitelkeit und bremst sein unwissenschaftliches Spekulieren). Ich finde es gut, dass in diesem Roman Wilhelm im Schatten seiner Schwester steht. Mehr Szenen mit Wilhelm habe ich nicht gebraucht, ausbaufähig finde ich jedoch die Gefühlsdynamik zwischen den beiden.

(+) Mir hat gefallen, wie Astronomie und Musik zusammenhängen, besonders in der Szene mit Joseph Haydn „Die Schöpfung“. 

(+) Ich habe einige sprachliche Perlen und Originelles genossen, z. B. wie die betagte Caroline den Brief ihres Neffen mit einem Festmahl vergleicht (S. 140) und wie Agnes fabuliert (S. 297).

(+) Die letzten 150 Seiten des Romans haben mir am besten gefallen, dort hat die Autorin alle Fäden fulminant zu einem Höhepunkt geführt. Auch wenn ich den Ton des Romans insgesamt als eher kühl empfunden habe, war ich an einigen Stellen berührt.


Vergleichsweise hat mir der vorige Roman von Ruth Kornberger „Frau Merian und die Wunder der Welt“ etwas besser gefallen (habe 5/5 Sternen vergeben), bei dem für mich der emotionale Funke stärker übergesprungen ist. 

Fazit: Eine sehr empfehlenswerte Lektüre. Ich vergebe 4.5 von 5 Sternen

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Cover des Buches Frau Merian und die Wunder der Welt (ISBN: 9783328106777)
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Rezension zu "Frau Merian und die Wunder der Welt" von Ruth Kornberger

Sehr unterhaltsame Romanbiografie über eine starke Frau
Wortkosterinvor 5 Monaten

Inhalt:

Die Romanbiografie zeichnet ein facettenreiches Portrait von Maria Sibylla Merian (* 1647 in Frankfurt am Main; 1717 in Amsterdam), einer Insektenforscherin und Malerin. Es hat mich beeindruckt, wie sie als clevere Strategin mit kühlem Kopf und doch so viel Herzblut dafür kämpft, auf Forschungsreise nach Surinam (Südamerika) zu gehen, um dort vor Ort die Insekten des tropischen Regenwalds zu erforschen und zu zeichnen. Die Ergebnisse ihrer Forschung veröffentlichte sie in Naturkundebüchern, die der Wissenschaft bis heute wichtige Erkenntnisse liefern. Ihre Insekten-Präparate dienten damals Forschungszwecken (oder waren kostbare Schaustücke in Wunderkammern), ihre Zeichnungen für die Bücher haben damals wie heute künstlerischen Wert.

Sie verdiente sich als alleinstehende Frau ihren Lebensunterhalt vor allem mit schönen Schmetterlingsbildern (zu dekorativen Zwecken), die sich geschäftstüchtig verkaufte. Merian entwickelte zudem ein besonderes Druckverfahren (Abdruck vom Druck), durch das ihre Zeichnungen eine besondere Ästhetik bekamen.

In der Romanbiografie erzählt die Autorin den spannendsten Abschnitt in Merians Werdegang (Lebensalter: etwa zwischen 40 und 55 Jahren), nämlich ihre Vorbereitungen und die Durchführung der Forschungsreise nach Surinam sowie die Rückkehr nach Amsterdam und ihre erste Buchveröffentlichung.

Wie dem Nachwort zu entnehmen ist, hat die Autorin eine akribische Recherche betrieben und viele Fakten aus dem Leben der echten Merian eingearbeitet. Dennoch ist Raum für Fiktives: Hinzu erfunden ist die Liebesgeschichte mit dem Freibeuter Jan de Jong, was die Romanhandlung um eine interessante Komponente bereichert. Zudem tut es dem Charakterportrait von Maria Merian gut, dass – neben ihrem beruflichen Ehrgeiz und ihrer Begeisterung für Wissenschaft und Kunst – auch ihre Seite als feminine und leidenschaftliche Frau gezeigt wird. Es gefällt mir, dass das romantische Liebesleben einer reiferen Frau gezeigt wird.

Die Romanbiografie folgt zwei großen dramaturgischen Handlungsbögen: 1. die Reise, 2. die Liebesbeziehung zwischen Maria und Jan.

Die Handlung ist aus Maria Merians Sicht erzählt (personale Erzählerin). Der Stil ist (passend zur wissenschaftlichen Weltsicht von Merian) geprägt durch klare Sprache und insgesamt eher nüchtern, dennoch angereichert mit satten Details. Wie bei historischen Romanen üblich, verwendet die Autorin eine moderne Sprache (wie wir sie heute verwenden) und ein paar eingestreute altmodische Begriffe und Redewendungen sorgen für einen historischen Touch.

Schauplätze:

Die Schauplätze Amsterdam und Surinam kommen sehr lebendig rüber. Die Autorin hat das Leben in dieser Zeit exzellent recherchiert, die Handlung ist gespickt mit authentischen historischen Details aus der damaligen Lebenswelt.

Figuren:

Der Freibeuter Jan den Jong ist faszinierend und weitgehend glaubwürdig (vielleicht etwas zu idealisiert, aber als romantischer Held gefiel er mir beim Lesen).

Die beiden Töchter von Maria Merian bleiben als Nebenfiguren leider etwas zu blass. Mich hätte es gefreut, wenn die Beziehung zwischen Mutter-Töchtern mehr Ausgestaltung bekommen hätte. Auch hätte ich gerne mehr erfahren über Naturkundige Aderi (Einheimische aus Surinam), die Merian als Assistentin mit zurück nach Amsterdam genommen hat.

Fazit: 

Sehr unterhaltsam und lehrreich. Klare Leseempfehlung.

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Gespräche aus der Community

Ruth Kornberger erzählt in ihrem ersten Roman die Geschichte der wagemutigen Künstlerin und Forscherin Maria Sibylla Merian. Seit jeher träumt Maria davon im Regenwald Schmetterlinge zu studieren. Doch bei ihrer Ankunft im fernen Surinam werden ihr einige Stolpersteine in den Weg gelegt ...

Ein Highlight: Die Autorin Ruth Kornberger wird selbst an der Leserunde
teilnehmen und eure Fragen beantworten!

966 BeiträgeVerlosung beendet
lefras avatar
Letzter Beitrag von  lefravor 2 Jahren

Ich kann den Moment nicht ausstehen, in dem ich eine negative Rezension schreiben muss, aber manchmal gehen Hoffnung und Realität leider auseinander. Trotzdem vielen Dank für den Roman. Hoffentlich kann mich in der Zukunft etwas Neues mehr begeistern.


https://www.lovelybooks.de/autor/Ruth-Kornberger/Frau-Merian-und-die-Wunder-der-Welt-2793827597-w/rezension/3018908670/

Zusätzliche Informationen

Ruth Kornberger im Netz:

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