Robin Sharma möchte seinen Lesern (oder Hörern) mit diesem Buch dabei helfen, ihre Produktivität zu steigern indem er ihnen Hilfsmittel an die Hand gibt, um schon früh morgens, durch ein festes Ritual, die Weichen für den Tag zu stellen. Verpackt hat er das Ganze in eine Geschichte um einen Redner, einen Milliardär, eine Unternehmerin und einen Künstler.
Der Milliardär trifft die Unternehmerin und den Künstler auf einer Veranstaltung des Redners. Zu diesem Zeitpunkt gibt er sich aber noch nicht als großer Wirtschaftmogul zu erkennen, sondern kommt als Landstreicher getarnt daher und überredet die beiden Zuhörer, ihm zu vertrauen, dann würde er ihnen auch die großen Geheimnisse des wirtschaftlichen und persönlichen Erfolgs enthüllen. Gesagt, getan. Am nächsten Morgen offenbart sich, dass die Unternehmerin und der Künstler auf's richtige Pferd gesetzt haben, denn der Landstreicher ist tatsächlich Milliardär und lässt die beiden nach Mauritius auf sein Anwesen fliegen um sie fortan in die Geheimnisse des 5-Uhr-Clubs einzuführen.
Bis hierhin klingt das Ganze zwar schon nach einem recht ungewöhnlichen Buch zur Persönlichkeitsentwicklung, aber im Laufe der Zeit wird es noch seltsamer und skurriler. Denn der Milliardär ist ein wandelndes Zitatelexikon. Und sprudeln ihm nicht gerade die Worte der Weisen aus allen Zeiten der Weltgeschichte von den Lippen, so kann man als Leser/Hörer sicher sein, dass auf irgendeiner Flasche, einem T-Shirt, einem Wandteppich, einem Schal, einem Tattoo usw. ein Aphorismus auftaucht, der einen erleuchtet.
Mal abgesehen davon, dass man hier mit Lebensweisheiten geradezu bombardiert wird, kommt man ab irgendeinem Punkt auch ins Stutzen, wie man bei all den Tipps, Regeln, Taktiken und Formeln eigentlich noch ein Mensch bleiben soll. Denn Robin Sharma schlägt nicht nur vor, jeden Morgen um 5 Uhr aufzustehen und die anschließende "Stunde des Sieges" in drei zwanzigminütige Abschnitte einzuteilen (Sport, Meditation, Reflexion/Bildung) sondern er hat natürlich auch eine Abendroutine parat und noch besser ist es, man plant gleich den ganzen Tag, ach was, die ganze Woche durch. Journal führen nicht vergessen! Und natürlich sollte man 7,5 Stunden schlafen. Heißt, um halb zehn ins Bett, damit man morgens um 5 Uhr wieder aufstehen kann, und das möglichst von jetzt an ein Leben lang. Als ich diesen Abschnitt hörte (es war ca. 22:30 Uhr an einem Juniabend), saß ich gerade auf meiner Terrasse und hatte mir vor etwa einer Stunde den Sonnenuntergang angesehen. Ich beobachtete den Mond und die ersten Sterne und sah einer Nachtkerze dabei zu, wie sie ihre Blüten öffnete (ja, das geht so schnell, dabei kann man zusehen, aber eben nur nachts). Würde ich also Sharmas 5-Uhr-Club beitreten, müsste ich mich von all diesen Dingen schon einmal verabschieden. Geschweige denn, dass ich noch einmal in eine Spätvorstellung ins Kino gehen, einen netten Abend mit meinen Freunden an einem Lagerfeuer verbringen oder auf einem Fest bis zum Morgen durchtanzen könnte. Wer es tatsächlich schafft, alle Anweisungen in diesem Buch zu befolgen, der mag ein/e exzellenter Geschäftsmann/-frau sein, aber der ist auch eine Maschine. Und das kann ich mir für mein Leben leider so gar nicht vorstellen. Trotzdem kann ich natürlich nicht leugnen, dass dieses Buch sehr wohl auch für mich Denkanstöße bereit hielt. Und der Autor lässt hier auch immer wieder ganz eindeutig anklingen, dass nicht jede eine Managerin, nicht jeder der Erfinder eines Spitzenprodukts oder der Erschaffer großer Kunst sein kann oder muss, dass aber jede/r, da wo er/sie ist, Spitzenleistungen erzielen kann. Aber das Ganze war mir häufig einfach zu dogmatisch und zu lebensfern.
Die Geschichte, in die all die ganzen Weisheiten und Lebensentwicklungshilfen verpackt sind, empfand ich leider einfach zu sehr ins Lächerliche abdriftend. Mal abgesehen davon, dass der Milliardär von sich selbst behauptet, er sei bescheiden, dann aber mit seinen Schülern um die ganze Welt reist, immer in einem Helikopter oder einem Privatjet, die erlesensten Speisen und Weine konsumiert, und nur die Hand hochhalten muss, schon kommen ihm, egal wo auf der Welt er gerade ist, eilig Bedienstete entgegengelaufen und lesen ihm jeden Wunsch von den Augen ab. Darüber hinaus ist der Milliardär - er heißt übrigens Stone Riley, die anderen Figuren haben keine Namen - auch einfach nur seltsam. Ständig murmelt er irgendwelche Leitsätze vor sich hin, tanzt und hüpft und macht irgendwelche Sportübungen, während er spricht. Noch dazu rülpst und furzt und schnarcht und sabbert er (sorry, aber igitt). Ständig wird er von Schmetterlingen umschwirrt und weiße Tauben fliegen über sein Haupt hinweg. Und wo er geht und steht taucht ein doppelter Regenbogen am Himmel auf. Alles ist grandios, magisch, zauber- und fabelhaft. Die Unternehmerin und der Künstler, ganz die wissbegierigen Schüler, die ihren Meister zwar seltsam aber einfach nur liebenswert finden, erläutern stets noch einmal für den Leser/Hörer, was sie gerade wieder aus all den weisen Worten des Milliardärs gelernt haben und bekräftigen, wie dies nun "definitiv" ihr Leben zum Besseren verändern wird. Und dann taucht natürlich noch irgendwo der Redner auf (mal als Mönch mit Kutte, mal als Helikopterpilot) und gibt ein paar weitere weise Sprüche zum Besten. Wenn das nicht lebensverändernd ist... Ich habe einfach keine Ahnung, was der Autor mir mit dieser Geschichte sagen will.
Natürlich ist das Buch auch nicht einfach nur ein Ratgeber zur Selbstoptimierung, nein, es sind auch noch eine Liebes- und eine Kriminalgeschichte hineingestopft worden und es werden von den Figuren selbstverfasste Gedichte rezitiert. Hätte der Autor seine handelnden Figuren nicht so derart überzeichnet und die Geschichte nicht so ins Absurde gezogen, ich hätte das Ganze vermutlich mit 4 Sternen bewertet. So aber hatte ich zwischendurch schon beinahe das Gefühl, es handelt sich hier um eine Persiflage auf den ganzen Selbstoptimierungshype. Oder wollte der Autor vielleicht einfach nur all die mühsam zusammengesuchten Zitate in einem Buch unterbringen und sich gleichzeitig in allen Genres einmal ausgetobt haben? Ich habe mich als Hörerin mit dieser albernen Geschichte jedenfalls wirklich ein bisschen veräppelt gefühlt und sie hat definitiv nicht den Wunsch in mir geweckt, dem 5-Uhr-Club beizutreten.