Von "Denk mal! 2015" hatte ich ehrlich gesagt mehr erwartet. Der Klappentext verspricht dem Leser vor allem Anregungen, Impulse, Ideen. Was man zu lesen bekommt, sind aber hauptsächlich die persönlichen Ansichten der Autoren zu aktuellen Fragestellungen wie dem Islam in Europa oder dem Klimawandel. Die Texte an sich sind teilweise ja gar nicht so schlecht, auch wenn sie teilweise ein wenig zu bemüht, zu gewollt-philosophisch wirkten. Aber ich hatte nicht wirklich das Gefühl, dass die Texte mir "Denkanstöße" liefern können. So gibt es einen Text über die rhetorischen Stilmittel, die Politiker verwenden - was ja ganz interessant ist, aber weiß nicht ohnehin schon jeder halbwegs gebildete Mensch, wie Metaphern, Hyperbeln und andere Stilmitteln der Rede von Politikern genutzt werden, um die eigene Partei als die bestmögliche Wahl anzupreisen?
Auch wenn die Texte flüssig lesbar sind und aktuelle Themenbereiche umfassen, so habe ich mir unter dem Titel "Denk mal!" etwas anderes vorgestellt. Die Auswahl der Texte ist für mich nicht wirklich nachvollziehbar. Da fand ich "Philosophy Bites" eindeutig anregender!
Robert Pfaller
Lebenslauf von Robert Pfaller
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Robert Pfaller
Wofür es sich zu leben lohnt
Erwachsenensprache
Zwei Enthüllungen über die Scham
Das schmutzige Heilige und die reine Vernunft
Die Illusionen der anderen
Kurze Sätze über gutes Leben
Denk mal! 2015
After you get what you want, you don't want it
Neue Rezensionen zu Robert Pfaller
Rezension zu "Das schmutzige Heilige und die reine Vernunft" von Robert Pfaller
Bei diesem Buch bin ich zwiegespalten:
Eine angemessene Bewertung kann ich irgendwie nicht treffen, da sich zwei Meinungen in mir heftig streiten... Pfallers Hedonismus-These kenne ich bereits aus seinem jüngeren Werk "Wofür es sich zu leben lohnt"; bereits hier bin ich ein wenig angeeckt, konnte aber grundsätzlich mit seinen Thesen leben. "Das schmutzige Heilige..." erschien bereits 2009 in zweiter Auflage und ist daher vor oben genanntem Titel anzusiedeln. Erwartungsgemäß werden hier nun auch die Hedonismus-Thesen diskutiert. Im Ergebnis kann ich Pfallers Ausführungen zur Umdeutung von Genuss und "angenehmem Lebenswandel" (ein besserer Ausdruck will mir für "mondänen Lebenswandel" einfach nicht in den Sinn kommen) nachvollziehen. Allerdings halte ich es für fraglich, ob das Mondäne und Laszive nicht auch schon zur Jahrhundertwende (19./20. Jh.) nur in bestimmten gesellschaftlichen Kreisen toleriertes Modell war; m.E. hat sich bereits das Bürgertum zum Ende des 19. Jh. damit hervorgetan, statt zu "Leben" zu "schaffen". Der Industrielle wurde, wie Max Weber exemplarisch darlegen konnte, zum Prototyp des Schaffenden. In logischer Konsequenz wurde alles weniger Produktive beargwöhnt. Andererseits reicht mir Pfallers Kritik nicht tief genug: hat die Abwertung hedonistischer Lebensweisen nicht auch etwas mit Kapitalismus zu tun, der uns mittlerweile derart durchdrungen hat, dass wir die Wirk- und Funktionsweise unserer Gesellschaft so in uns aufgenommen haben, dass weniger "produktive" Lebensformen faktisch als "störend" und "vermeidenswert" angesehen werden? Je weiter sich eine solche Interpretationsweise durchsetzt, umso umfassender wird natürlich auch die gesellschaftliche (symbolische) Umdeutung stattfinden.
Als wesentlichen und m.E. schwerwiegenden Kritikpunkt sehe ich Pfallers Verwendung der Freud'schen Lehre. Soweit ich weiß, ist die Psychologie des späten 20., insbesondere aber des 21. Jh. so weit, dass sie Freud in ganzer Linie widerlegen konnte. Nur wenn die Freud'schen Modelle menschliches Verhalten eben (nachgewiesenermaßen) nicht (!) widerspiegeln und erklären können, frage ich mich, wie ein Geisteswissenschaftler mit eben diesen Modellen menschliches Verhalten erklären will? Hier sollte man sich ernsthaft einmal lösen von der unreflektierten Dauerpartnerschaft der Geisteswissenschaften und der Freud'schen Pseudowelt; erstere sollte endlich erwachsen werden.
Rezension zu "Wofür es sich zu leben lohnt" von Robert Pfaller
Eine Forderung nach mehr Hedonismus - in manchen Punkten kann ich Robert Pfaller - österreichischer Philosoph - nicht zustimmen; sie sind mir zu narzisstisch, zu glücksbetont. Dass unsere Gegenwartsgesellschaft allgemein an einer Übersexualisierung leidet, ist allseits bekannt; gleichzeitig stumpft die Bereitschaft und Fähigkeit des Einzelnen ab, sein Leben optimal zu gestalten und in Eigenverantwortung zu genießen. Glückssuche ist ein Dauerthema in Ratgeberliteratur; den 'Sinn des Lebens' scheint jeder mehr oder weniger zu suchen und meist vergeblich. -- Dass Prüderie nicht förderlich ist, leuchtet wohl jedem ein. Doch Pfaller lokalisiert sie in allen gesellschaftlichen Bereichen, doch im Besonderen unter den Intellektuellen, die sich mit ihrer "beherrschten Lebensweise" bewusst von der Unterschicht abzugrenzen suchen. Wo ich Pfallers Argumentation nicht mehr folgen konnte, war beim Thema Rauchen; wieso, warum und wie der Staat das Rauchen in öffentlichen Räumen und Gaststätten verbietet und dass Pfaller dies schwarf attaktiert, da Rauchen doch ein Ausdruck von Genuss wäre, der jedem zustehe. Dass hier aber ein staatlicher Schutzauftrag gegenüber den Nichtrauchern als Motivation zugrunde liegt, bleibt bei Pfaller als Argument völlig ungenannt. -- Im Allgemeinen halte ich das Buch für lesenswert, da es interessante Anstöße für eine kritischer Reflektion aktueller gesellschaftlicher Zustände bietet.
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