Rezension zu "Höllendämmerung" von Richard Kadrey
Der Auftakt der „Sandman Slim“-Reihe klang für mich nach einer spannenden, actionreichen und zugleich ausreichend magischen Urban Fantasy-Reihe mit einem klassischen Anti-Helden. Durch eine andere sehr empfehlenswerte Reihe aus dem Genre („October Daye“ von Seanan McGuire) habe ich meine Liebe für lange Urban Fantasy-Reihen entdeckt, in denen eine Person im Zentrum steht, die absolut keine Lust darauf hat, die Rolle des Helden einzunehmen und es dennoch irgendwie macht, aber eben auf ihre Art. Dabei ist es mir wichtig, dass wir durch die Reihe hinweg aber auch dieselbe Person begleiten und sehen können, wie sie an ihren Aufgaben wächst, und dabei zugleich auch die Qualität der Reihe zunimmt.
Denn, seien wir mal ehrlich: Gerade (sehr) lange Reihen entfalten ihr volles Potenzial oft erst im Laufe der Reihe – und dann wird’s meist richtig gut, wenn man geduldig war! Was aber nicht heißt, dass es nicht zuvor schon gut sein kann, das ist klar.
Nun, jedenfalls wurde ich aufgrund dessen auf „Höllendämmerung“ aufmerksam, denn der Klappentext klang vielversprechend und nach meinem Geschmack, was düstere Urban Fantasy angeht.
Im Buch geht es um Stark, einen sehr talentierten, jedoch leider auch etwas sehr von sich eingenommenen Magier. In jungen Jahren wurde er von seinen Magierfreunden verraten und wortwörtlich in die Hölle verfrachtet. Dort erlebte er nicht nur tägliche Folter, sondern musste auch noch zur Unterhaltung der Höllenschar, den sogenannten Hellionen, als Kämpfer in einer Arena antreten. Über die Jahre wurde Stark zum besten Kämpfer und Killer, bis ihn der Mord an seiner damaligen Freundin dazu bringt, endlich aus der Hölle zu fliehen. Zurück auf der Erde hat er nur ein Ziel: Rache an seinen ehemaligen Freunden, für sich und für seine Freundin. Doch das ist gar nicht so einfach, denn die Menschheit steht vor einer Bedrohung, die selbst Stark erzittern lässt.
Mich hat das Lesen des Buches des Buches sehr unterhalten und auch wenn es doch recht anders ist als der Durchschnitt dessen, was ich lese, war ich nach spätestens 100 Seiten in dieser düsteren Geschichte angekommen. Ich würde „Höllendämmerung“ nicht als extrem komplexes Buch bezeichnen – wenngleich es durchaus auch dafür Potenzial gibt –, aber dafür lässt es sich sehr angenehm weg lesen, wird nicht langweilig und bietet auch ein paar Überraschungen und kleinere Wendungen sowie offene Fragen zum Ende hin.
Zugleich ist das Buch aber auch recht derb, sowohl bezüglich der dargestellten Welt (wir haben hier ein sehr düster und zuweilen auch dreckig beschriebenes L.A., das aber absolut zur Handlung passt) als auch, was den Erzählstil sowie die Sprache der Figuren untereinander angeht. Zartbesaitete wären hier also vielleicht etwas abgeschreckt, da es durchaus auch viele actionreiche Szenen gibt, in denen der Autor nicht mit Brutalität und Blut geizt.
Das ist natürlich auch der Tatsache geschuldet, dass unser Protagonist, James Stark, von allen aber nur Stark genannt, ein knallharter Typ ist – kein Wunder nach elf Jahren als höllischer Killer. Die Sprache ist zuweilen sehr vulgär, der Humor durchaus auch mal schwärzer und Starks Feinde müssen sich definitiv warm anziehen, denn zimperlich ist er nicht.
Stark ist nicht unbedingt der Sympathieträger schlechthin, manchmal nervte mich das stete Verlangen danach, jemanden zu töten, doch schon etwas. Zugleich war er mir aber dennoch sympathisch, denn obwohl er nicht zimperlich ist, erschien er mir im Kern doch wie einer der Guten. Nur eben auf seine harte, verschrobene Art – typisch Anti-Held eben. Auch wenn er gern anderes behauptet durch das Buch hinweg, so ist er doch ein Charakter, der eben nicht grundlos alles niedermetzelt, das ihm entgegenkommt, und für den Gnade und Mitgefühl keine Fremdwörter sind. Seine Aversion richtet sich meist gegen Leute, die das auf die ein oder andere Art auch verdient haben, wohingegen er sich durchaus auch für andere einzusetzen bereit ist und ein in vielen Punkten korrektes Gefühl von Gerechtigkeit hat.
Er macht im Buch nicht unbedingt Charakterentwicklung durch, was aber völlig okay ist. Das ist bloß Band 1 einer 14(?)-teiligen Reihe.
Die Geschichte ist geprägt von Starks Bedürfnis nach Rache und seinem Weg dahin. Langweilig wird das nicht, da er immer wieder auf alte Bekannte trifft, aber auch interessante neue Bekanntschaften macht. Die Nebenfiguren blieben in der Regel noch relativ unscharf, allerdings lesen wir ja auch nur aus Starks Sicht. Mit am interessanten war mir Kinski, von dem ich mir für die Zukunft auf jeden Fall mehr Auftritte erhoffe. Aber auch Candy und Allegra (die jetzt als Mensch bitte nicht dauerhaft in die „Jungfrau in Nöten“-Schiene abrutschen sollte …) dürfen gerne noch eine größere Rolle bekommen. Neben so einem krassen Badass wie Stark braucht es auf jeden Fall auch ein paar harte Ladies, die ihn in seiner latenten Arroganz hin und wieder ein bisschen zurück auf den Teppich holen.
Auch sonst bietet die Geschichte interessante Punkte. Das grundlegende Konstrukt (Himmel vs. Hölle) ist nichts Neues, sodass mir einiges auch schon aus anderen Büchern bekannt war, aber allein die erwähnte Darstellung der Hölle war ganz anders als das, was ich erwartet habe. Auch die goldene Wache verspricht noch Spannung, ebenso wie das Ende des Buches.
Ein voller 5 Sterne-Read war es dann letztlich nicht, dafür hat mich die Geschichte noch nicht genug mitgerissen. Dennoch habe ich von Anfang bis Ende gerne gelesen und wollte das Buch auch während des Finales nicht aus der Hand legen.
Ein paar kleine Schwächen gab es für mich, so handelte Stark nicht immer ganz logisch – ich verstehe zum Beispiel nicht, wieso der Mord an seiner ehemaligen Freundin Alice unbedingt nötig war, um ihn aus der Hölle zu bekommen. Der Klappentext ist hier leider auch inhaltlich inkorrekt, denn dort heißt es „Bis ein Konkurrent seine Freundin ermordete und ihn – buchstäblich – zur Hölle schickte.“ Chronologisch entsteht hier der Eindruck, dass Alice vor elf Jahren ermordet wurde und er dann in die Hölle kam.
Tatsächlich lebt Alice aber die ganze Zeit und ihr Tod ist eben der Grund, weshalb er nach elf Jahren aus der Hölle flieht. Hier hat der Verlag leider etwas gepennt.
Jedenfalls erfahren wir im Buch, dass Stark schon seit Längeren während seiner Höllen-Zeit einen Gegenstand besitzt, mit dem er überall hinkann, also auch zurück in die Menschenwelt. So kommt er schließlich auch zurück (kein Spoiler btw). So stellte sich mir die Frage: Wieso ging er nicht schon früher? Man bekommt zwar im Laufe der Handlung den Eindruck, dass Stark irgendwann wieder freiwillig in die Hölle gehen wird (da er sich dort mittlerweile besser aufgehoben fühlt), aber sein langer Aufenthalt widerspricht sich mit Alice‘ Dasein.
Durch Rückblenden wie auch seine Gedanken wird deutlich, dass er immer noch große Gefühle für Alice hat. Da würde es mir doch passender erscheinen, dass er schon früher, sobald er eben die Möglichkeit hatte, zurück in seine Welt gegangen wäre. Zumal seine ehemaligen Freunde, die ihn verraten haben, ja noch draußen sind und Alice somit ohnehin in potenzieller Gefahr … Na ja, das erschließt sich mir jedenfalls nicht ganz.
Ansonsten hat mich auch der Schreibstil etwas genervt. Weniger die teils derbe Sprache als die Art, wie der Übersetzer übersetzt hat (?). Bei konjugierten Verben in der Ich-Form (die wir ja die ganze Zeit haben) wird zu mindestens 50 % der Zeit (eher mehr) das „E“ hinten weggelassen. Wir haben also bspw. statt „Ich gehe“ „Ich geh“ oder statt „Ich zünde“ „Ich zünd“, und das eigentlich bei allen Verbarten, einfachen wie komplexeren. Das hat gerade anfangs meinen Lesefluss enorm gestört. Ich weiß leider nicht, wie das Buch im Original geschrieben ist, kann mir aber denken, dass sich der Übersetzer für diese Art der „Umgangssprache“ entschieden hat, um wohl eine ähnliche Atmosphäre zu erzeugen wie im Original – halt etwas abgewrackt, derb und „I don’t give a f*ck“-like. Sprachlich schön ist das in einem Roman aber halt nicht. Irgendwann habe ich mich aber dran gewöhnt.
Alles in allem ist „Höllendämmerung“ ein guter, vielversprechender Reihenauftakt, bei dem ich einfach hoffe, dass der Verlag der Reihe eine ernsthafte Chance gibt und nicht nach bereits zwei Bänden „Ciao!“ sagt. Band 1 wurde nämlich schon mal vor ca. 10 Jahren von Rowohlt übersetzt, aber direkt nach diesem einen Band wieder aufgegeben. Es ist natürlich auch schwierig für ein Buch, für das der Verlag leider keinerlei Werbung macht …
Fazit: Ich empfehle das Buch an alle, die gerne erwachsene Urban Fantasy lesen, in der es auch mal düsterer und härter zugeht und die vor unperfekten Helden nur so strotzt. „Höllendämmerung“ bietet Action, Spannung, derben Humor und einen vielversprechenden Blick auf ein allbekanntes Konzept: Himmel vs. Hölle. 4/5 Sterne.