Ralf Rothmann

 4,1 Sterne bei 352 Bewertungen
Autor von Im Frühling sterben, Milch und Kohle und weiteren Büchern.
Autorenbild von Ralf Rothmann (© Franka Bruns / Quelle: Suhrkamp Verlag)

Lebenslauf

Zwischen Berlin und Ruhrgebiet: Ralf Rothmann, gebürtiger Schleswiger und Jahrgang 1953, ist ein Ausnahmeautor. Vor seiner schriftstellerischen Tätigkeit war er in verschiedenen Berufsfeldern tätig und arbeitete unter anderem als Koch und Krankenpfleger. Den endgültigen Anstoß zum literarischen Schaffen gibt der Lyrikband „Kratzer“, für den Rothmann 1986 das „Märkische Stipendium für Literatur“ erhält. Seither wird er praktisch im Jahrestakt für seine Werke ausgezeichnet: Vom Wilhelm-Raabe- über den Max-Frisch- bis hin zum Kleist-Preis erfährt der Autor seit Mitte der Achtzigerjahre wichtige Ehrungen. Zu Recht: Mit seinem scharfen Blick auf die Gesellschaft, Detailgenauigkeit und die in seinen Romanen spürbare Sympathie für die Protagonisten schafft Rothmann eine intensive Atmosphäre. Auch kurze Formen beherrscht Rothmann: Verschiedene Bände mit Erzählungen ergänzen die Veröffentlichungen des Autors. Aufgewachsen in Oberhausen und 1976 nach Berlin übergesiedelt, lässt Rothmann seine Geschichten in beiden Orten spielen. Zu seinem Publikationen gehören die sogenannten Ruhrgebietsromane „Stier“ (1991), „Wäldernacht“ (1996), „Milch und Kohle“ (2001) und „Junges Licht“ (2004) sowie die Berlinromane „Flieh, mein Freund“ (2000), „Hitze“ (2005) und „Feuer brennt nicht“ (2010). Mit „Im Frühling sterben“ (2016) und „Der Gott jenes Sommers“ (2018) beschäftigt sich Rothmann mit Schicksalen im Zweiten Weltkrieg bzw. an dessen Ende.

Neue Bücher

Cover des Buches Die Nacht unterm Schnee (ISBN: 9783518473672)

Die Nacht unterm Schnee

 (10)
Erscheint am 20.11.2023 als Taschenbuch bei Suhrkamp.
Cover des Buches Die Nacht unterm Schnee (ISBN: 9783869093338)

Die Nacht unterm Schnee

Erscheint am 30.11.2023 als Hörbuch bei Hörbuch Hamburg.

Alle Bücher von Ralf Rothmann

Cover des Buches Im Frühling sterben (ISBN: 9783518466803)

Im Frühling sterben

 (74)
Erschienen am 08.08.2016
Cover des Buches Milch und Kohle (ISBN: 9783518745533)

Milch und Kohle

 (47)
Erschienen am 11.07.2016
Cover des Buches Junges Licht (ISBN: 9783518750124)

Junges Licht

 (39)
Erschienen am 08.05.2016
Cover des Buches Feuer brennt nicht (ISBN: 9783518461730)

Feuer brennt nicht

 (29)
Erschienen am 21.06.2010
Cover des Buches Der Gott jenes Sommers (ISBN: 9783518469590)

Der Gott jenes Sommers

 (25)
Erschienen am 13.05.2019
Cover des Buches Hitze (ISBN: 9783518456750)

Hitze

 (18)
Erschienen am 28.02.2005
Cover des Buches Ein Winter unter Hirschen (ISBN: 9783518455241)

Ein Winter unter Hirschen

 (18)
Erschienen am 22.09.2003
Cover des Buches Stier (ISBN: 9783518223642)

Stier

 (13)
Erschienen am 17.03.2003

Neue Rezensionen zu Ralf Rothmann

Cover des Buches Milch und Kohle (ISBN: 9783518745533)
Nicolai_Levins avatar

Rezension zu "Milch und Kohle" von Ralf Rothmann

Hömma - Szenen einer Jugend im Pott
Nicolai_Levinvor 3 Monaten

Diesmal erzählt uns Ralf Rothmann nicht vom Krieg, sondern davon, wie es war aufzuwachsen im Ruhrgebiet in den 1960-ern.

Szenen einer Jugend sind das, kaum (eigentlich nur namentlich) verbrämt die Jugend des Verfassers. Zwischen Vaters Schicht im Schacht und Abstechern an die Pommesbude, frisierten Mopeds, Tanzabenden in der Gaststätte 'Maus', kalabrischen Köstlichkeiten der italienischen Gastarbeiter und ersten erotischen Erfahrungen. Rothmann ist ein feiner Beobachter, der den Ton trifft, er hat eine Gabe, Leute mit wenigen Strichen zu skizzieren, Stimmungen exakt festzuhalten und ohne viel Brimborium das Lebensgefühl - nun ja - einer Generation auf Papier zu bringen. Das ist interessant und einsichtsreich. Man liest es gern.

Trotzdem fehlt mir was. Der große Bogen, die Geschichte hinter der Geschichte. Es sind Szenen einer Jugend, Skizzen, der Abschnitt eines Lebens, vielleicht ein halbes Jahr, eingebettet in die Rahmenhandlung vom Tod der Mutter viele Jahre später, dessentwegen der Erzähler zurückmuss in den Pott, in die Welt seiner Jugend, an die er sich dann erinnert. Für meine Begriffe wird hier eine ganz große epische Lebensgeschichte mittendrin einfach abgerissen, weil uns der Autor nur einen kleinen Ausschnitt gönnt. Wieso er ausgerechnet diese Episoden erzählen will, was sie prägend mit ihm gemacht haben, das wüsste man nur zu gern, aber das enthält uns Ralf Rothmann hier vor.

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Cover des Buches Der Gott jenes Sommers (ISBN: 9783518469590)
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Rezension zu "Der Gott jenes Sommers" von Ralf Rothmann

All quiet on the Heimatfront
Nicolai_Levinvor 5 Monaten

Nachdem Ralf Rothmann uns mit "Im Frühling sterben" die Frontschicksale der beiden zu SS-Männern gezwungenen Melker Walter und Fiete im Frühling 1945 nahegebracht hat, widmet er sich in "Der Gott jenes Sommers" denen, die auf dem norddeutschen Hof zurückgeblieben sind, speziell der Familie Norff. Hauptfigur ist Luisa, eine zwölfjährige Leseratte, die mit ihrer Mutter und der Schwester Billie aus dem zerbombten Kiel auf den Hof ihres Schwagers Vinzent geflohen sind, einem Nazi-Bilderbuch-Karrieristen. Der Vater betreibt in Kiel immer noch ein Offizierskasino und versorgt die Familie mit dem Nötigsten (und ein paar Leckereien dazu). Mit den Augen der wissbegierigen Luisa lernen wir den Mikrokosmos des untergehenden Nazireichs kennen. Überzeugte Nationalsozialisten, die sich beharrlich der Realität verweigern, Wendehälse, die für alle Eventualitäten bereit sind, fatalistische Soldaten, die dem hoffnungslosen Endkampf entgegensehen und das Leben noch mit aller Macht ausschöpfen wollen.

Auf den ersten Blick wirkt "Der Gott jenes Sommers" weniger beeindruckend als sein Vorgänger, einfach weil dem Werk diese wuchtige griechische Tragödie fehlt, weil das Töten und Sterben nicht so unmittelbar präsent sind wie bei den Berichten von der Front. Dabei steckt bei näherem Hinsehen vielleicht sogar mehr drin an Wahrheiten: Die Mentalität, mit der die Herrenmenschen das Land bis zuletzt rücksichtslos beraubt haben, die Gier und ungenierte Bereicherung der Nazi-Eliten, wie das KZ-System bis zuletzt funktionierte, als greise Volkssturmmänner die ausgehungerten Häftlinge bewachten, die die Bombentrichter auf den Landstraßen zu flicken hatten, wie Denunziation Leute noch in den letzten Wochen in Lager und Tod bringen konnte.

Rothmann ist konsequent und lässt einigen Ereignissen ihre Geheimnisse, die aus Luisas Perspektive unerforscht bleiben müssen. Gut so!

Gefallen hat mir auch, wie Rothmann den Mythos der "Stunde Null" zerlegt. Nein, die gab es nie, auch nicht in den Köpfen der Leute: Die einen sorgen sich noch im April '45, ob ihnen der kommende Sommer auf dem Hof wohl als Zeit fürs Pflichtjahr angerechnet wird und hoffen, Admiral Dönitz als Paten für ihr Baby gewinnen zu können, die anderen achten bei der Einstellung einer Kneipenbedienung schon auf Englischkenntnisse, weil bald neue Herren zu erwarten sind. Die Schilderungen sind realistisch, auch in Grausamkeit und Härten, ohne je suggestiv zu werden, die humanistische Haltung des Autors unübersehbar, ohne dass er sich je moralisierend oder belehrend überhebt.

Zwiespältig stehe ich den Einschüben der Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg gegenüber. Wer sich ein bisschen mit dieser Zeit befasst hat, weiß, dass das Deutsch des 17. Jahrhunderts sich wesentlich von unserem modernen Idiom unterschieden hat. Es reicht nicht, dann und wann ein "itzo" und ein "sintemal" einzustreuen; aber ich weiß auch, dass man einen originalgetreuen Text niemandem zumuten könnte. Und als Motiv, als Erinnerung, dass das Leid des gemeinen Volkes von Krieg zu Krieg dasselbe bleibt und es nur der jeweils letzte ist, an den wir uns mit Schaudern erinnern, haben diese Passagen durchaus ihren Sinn und ihre Berechtigung.

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Cover des Buches Im Frühling sterben (ISBN: 9783518466803)
Nicolai_Levins avatar

Rezension zu "Im Frühling sterben" von Ralf Rothmann

Richtig grandiose Erzählkunst
Nicolai_Levinvor 6 Monaten

Ralf Rothmann erinnert sich an seinen Vater Walter, Jahrgang 1928, einen schweigsamen Bergmann, der sein Leben lang schwer an den Erinnerungen seiner Kriegszeit getragen hat. Literarisch macht er sich auf dessen Spur, wobei wir nicht erfahren, ob der Vater ihm doch etwas berichtet hat oder sich Rothmann aus den Rohdaten zusammenreimt, was geschehen sein könnte.

Im Februar 1945 wird irgendwo auf dem Land in Schleswig-Holstein ein Fest der siebzehnjährige Melker Walter gemeinsam mit den anderen Jungs aus dem Dorf zum Eintritt in die Waffen-SS getrieben. Der Krieg ist eigentlich längst verloren - jeder weiß das, aber Walter und sein bester Kumpel Fiete müssen nach einer dreiwöchigen Minimalausbildung in Hamburg doch noch an die Ostfront, die zu dieser Zeit in Ungarn verläuft. Walter hat während der Ausbildung den Führerschein gemacht und kommt als Fahrer in eine Versorgungseinheit, die den Frontsoldaten Nachschub und Munition bringt und Verwundete zurück in die Etappe holt, ein vergleichsweise sicherer Auftrag, während Fiete ganz vorne an der Kampflinie landet. Walter erhält von einem gutmütigen Vorgsetzten drei Tage frei und die Erlaubnis, nach dem Grab seines Vaters zu suchen, den er kaum gekannt hat, die Eltern sind getrennt, und der kurz zuvor in der Gegend gefallen sein muss. Als Walter zurückkommt, findet er bei seiner Einheit seinen Kumpel Fiete vor, der in der Kommandantur wegen versuchter Fahnenflucht auf die Hinrichtung wartet, und ausgerechnet Walters Einheit ist vorgesehen, Fiete zu erschießen.

Wie Ralf Rothmann in seiner präzisen, aber unprätentiösen Sprache ohne Pathos und Klimbim große Tragik wachsen lässt, hat mich beeindruckt. Die Geschichte ist so - oder so ähnlich passiert - sie ist glaubhaft in all den Absurdidäten und Unwahrscheinlichkeiten, die der Krieg mit sich bringt. Und es steckt eine Menge kluger Dinge drin in diesen exakten Beobachtungen kleiner Dinge. Der von der SS routiniert orchestrierte Zwang, sich einzuschreiben, als vermeintlich Freiwilliger, zu jener Zeit! - er wird greifbar und man fühlt, wie schwer, ja, unmöglich es war, sich dem als junger Mann zu entziehen. Die Haltung Walters, gänzlich unpolitisch und korrekt, auf eine altmodische Art anständig, ohne zum Helden zu taugen. Was er sieht an Kriegsgräueln und wie er drauf reagiert. Die sittliche Verrohung der Landser: ein bisschen Verzweiflung, dazu Fatalismus und das Gefühl, besonders zu sein, ein Hauch Sadismus und die eingetrichterte Zwangslage, die jede Brutalität rechtfertigen soll - schon hat man im Kleinen ein geradezu typisches Kriegsverbrechen, in dem eine Schar deutscher Fallschirmjäger eine ungarische Familie bestialisch umbringt. Rothmann zeigt es, anschaulich, knapp und unentrinnbar. Das ist schon richtig grandiose Erzählkunst!

Ich kannte Ralf Rothmann bis dahin nicht, er ist keiner von denen, die im Fernsehen das große Wort schwingen oder Samstags ihre Weltsicht der FAZ darlegen, aber "Im Frühling sterben" reiht ihn für mich unter die ganz Großen seiner Zeit!

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Zusätzliche Informationen

Ralf Rothmann wurde am 10. Mai 1953 in Schleswig (Deutschland) geboren.

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