Zwei Schwestern, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Die ältere Schwester Korede ist pflichtbewusst, empathisch und rational. Die jüngere Schwester Ayoola gilt als Schönheit und bekommt alles geschenkt, ohne dafür wirklich etwas leisten zu müssen Sie ist egozentrisch und hat die Angewohnheit ihre Freunde zu ermorden.
Das Buch beginnt damit wie Korede die Spuren von Opfer Nr. 3 beseitigt. Ab drei Opfern zählt Ayoola offiziell als Serienmörderin. Ganz die ältere Schwester ist Korede es gewöhnt auf die jüngere aufzupassen und ihr hinterher zu räumen. Geschwisterkinder werden es kennen.
Eigentlich ist es ein Unding geworden, dass Bücher mit Beschreibungen beworben werden, die am Ende gar nicht zutreffen. Ich habe den Humor in diesem Werk nicht gesucht, denn er wäre angesichts der Thematik unpassend. Skurril muten viele Szenen an, ja, aber zum Lachen sind sie nicht. Eher zum Weinen. Genauso verhält es sich mit der Beschreibung „fibrig-heiß“. Kaum spielt die Handlung in Afrika, muss es heiß sein? Die Hitze konnte ich nicht fühlen, aber ich fühlte wie Korede das Wasser bis zum Halse steht und dieses Gefühl zieht sich durch den ganzen Roman, was ihm insgesamt eine eher unangenehm bedrückende Stimmung verleiht. Besonders die Stellen, die Koredes Heimsuchung durch das Unterwasser treibenden Opfer Nr. 3 Femi, beschreiben, vermitteln dieses Gefühl.
Auch verstehe ich nicht warum dieses Buch die Erwartung weckt mehr über Nigeria und dessen Kultur zu erfahren. „Meine Schwester, die Serienmörderin“ ist kein Heimatroman, sondern ein Thriller und meiner Meinung nach noch mehr ein Drama, welches die Bredouille beschreibt, in der die Schwestern - oder viel mehr Korede - stecken.
Korede ist es, die einen inneren Konflikt austrägt. Zwischen „Verrat“ und dem das Richtige zu tun.
Im Inneren weiß sie längst, dass Ayoola nicht aus Notwehr tötet:
„Sie erinnert mich immer mehr an ihn. Er konnte etwas Böses tun und sich direkt im Anschluss wie ein Musterbürger benehmen. Als wäre das Böse nie geschehen. Steckt das im Blut? Aber sein Blut ist mein Blut, und mein Blut ist ihres.“
Der Leser erfährt auch ohne Erklärungen in was für einer Gesellschaft und unter welchen Gesellschaftsstrukturen die beiden Schwestern leben. Die Familie der Schwestern gehört der mittleren Oberschicht an. Insofern sind sie bestens mit allem modernen Hick-Hack ausgestattet. Sie Leben in einer riesigen Villa, fahren je ein Auto und besitzen ein Dienstmädchen. Ganz normal für eine Familie ihres Standes in Nigeria.
Genauso wie bei uns Menschen bevorzugt werden die dem gängigen Schönheitsideal entsprechen, ist es in Nigeria auch. Ayoola mit der Karamellhaut macht die Männer atemlos, während Koredes Schönheit verkannt wird. Sie entspricht nicht dem Schönheitsideal und steht im Schatten der Jüngeren, die narzisstisch, leichtsinnig, gar kindlich-naiv wirkt. Ayoola wird beschrieben wie eine Teenagerin, die sich den Konsequenzen ihrer Handlungen nicht bewusst ist. Sie kann einen Mord begehen und im nächsten Augenblick fröhlich tanzen, auch versteht sie nicht warum sie nur „trauriges Zeug“ in den Sozialen Medien posten darf. Sie trauert nicht eine Sekunde um den getöteten Femi. Sie ist rücksichtslos in Bezug auf die Gefühle und Bedürfnisse anderer. So drängt sie sich meiner nach bewusst an Koredes Arbeitsplatz und verzaubert dort mit ihrer Schönteit Tade, den einfühlsamen Arzt für den ihre ältere Schwester schon länger heimlich schwärmt. Sie ahnt wie es um Koredes Gefühle für ihn steht. Vielleicht will sie ihr auch nur eines demonstrieren und behält damit letztlich recht:
"Sie hatte mich gewarnt: Er ist nicht tiefgründig. Er will bloß ein hübsches Gesicht."
Die Frage stellt sich: Warum tötet Ayoola? Die Antwort ist simpel: weil sie es kann.
Sie scheint Geschmack daran gefunden zu haben. Eventuell verleiht ihr das Gefühl danach eine Art Machtrausch, denn sie mordet mit dem Messer des Vaters, der ein grausamer Patriarch war und an dessen Tod die Schwestern ebenfalls beteiligt gewesen zu sein scheinen.
Warum hilft Korede Ayoola ? Weil Korede nicht anders kann. Zum einen ist sie die ältere Schwester und als solche gibt es einen Ehrenkodex, die jüngere zu beschützen, koste es was es wolle. Sie fühlt sich für sie verantwortlich und liebt sie bedingungslos. Ganz gleich wie sehr sie selbst darunter zu leiden und zurückzustecken hat.
"Ich würde es nicht ertragen, Tade in die Augen zu blicken, wenn er nicht mehr zurückblicken kann."
Koredes Liebe zu Ayoola geht sogar soweit, dass sie für sie auf die Liebe verzichtet. Sie hält bis zum Schluss zu ihrer mordenden Schwester.
»Du bist schlimmer als sie.« »Wie bitte?« »Mit ihr stimmt etwas nicht … aber du? Was ist deine Entschuldigung?« (Tade zu Korede)
Der Stil der Autorin ist schnörkellos und wahnsinnig gut zu lesen. Jedes Kapitel ist kurz und auf den Punkt geschrieben. Die Spannung bleibt von Anfang bis Ende konstant hoch. „Mein Schwester, die Serienmörderin“ habe ich in wenigen Stunden gelesen. Ich konnte das Werk einfach nicht aus der Hand legen. Das Ende ist konsequent.