Rezension zu "Die juristische Unschärfe einer Ehe" von Olga Grjasnowa
Die Ehe, die Leyla und Altay führen, besteht dem ersten Anschein nach eigentlich nur auf dem Papier, denn beide sind eher dem eigenen Geschlechtsgenossen zugetan. Doch nicht nur dieser Umstand hat ihnen das Leben in der alten Heimat erschwert, so dass sie in das offensichtlich liberalere Berlin gezogen sind. Altay arbeitet als Psychiater, Leyla versucht nach einer erzwungenen, längeren Pause im Ballett wieder Fuß zu fassen. Da tritt Jonoun in ihr Leben und zieht bei den beiden ein. Das bringt neue Dynamik in eingefahrene Scheinehestrukturen.
Der zweite Teil der Handlung spielt dann wieder im Kaukasus, zunächst in Baku, der alten Heimat von Leyla. Sie kommt mit dem Gesetz in Konflikt, wird aus dem Gefängnis ausgelöst und reist mit Jonoun durch Republiken der ehemaligen Sowjetunion. Doch Altay hat sie noch nicht ganz aufgegeben, macht parallel aber eigene Erfahrungen mit dem Umgang von gleichgeschlechtlicher Liebe im Osten....
Das gibt es sicherlich noch in vielen Ländern, dass homosexuell veranlagte Menschen eine Scheinehe eingehen, um von ihren Ursprungsfamilien in Ruhe gelassen zu werden und dem Umwelt gegenüber eben den Schein zu wahren. Fast schon ein Glück, wenn einer der Partner dann nicht heterosexuell und unwissend ist. So arrangieren sich auch Leyla und Altay, wobei jedoch immer wieder auch eine gewissen Zuneigung und sexuelle Anziehung zwischen ihnen beiden entflammt. In Berlin würden sie diesen Schein nicht mehr benötigen, doch eine Ehe bringt ja dann doch gewissen Vorzüge. Interessant wird es, wenn eine Dritte Person ins Spiel kommt. Das fokussiert die Handlung und baut noch einige Nebenschauplätze mit ein. So spielt das Ballett eine gewissen Rolle, die Vergangenheit von Leyla, das Leben und Aufwachsen in der ehemaligen UdSSR und dem Umgang mit Homosexualität nach dem Zerfall des Sowjetreiches.
Bei einigen Passagen im zweiten Teil muss man als Mitteleuropäer doch ganz schön schlucken und kann diesbezüglich nur die recht umfassende Freiheit in Deutschland preisen. Doch wieder einmal war für mich zu viel in den Handlungsverlauf mit eingebaut, das wirkte zum Teil ein wenig, als ob sich die Autorin verzettelt hätte. Doch es handelt sich um die gekürzte Lesung, so dass dieser Eindruck auch an den Kürzungen liegen könnte.
Es liest Wiebke Puls, die mir bisher in dem Bereich gänzlich unbekannt war. Sie scheint jedoch laut Wikipedia schon einige Vertonungen von Büchern gemacht zu haben. Sie trägt mitunter recht variationsreich vor, manchmal aber auch etwas leierhaft. War nicht unangenehm, ihr zuzuhören.
Es sind 4 CDs mit ca. 5 Stunden Hörerlebnis.
Es handelt sich um eine gekürzte Lesung, was man auch merkt.
Fazit: Interessante Mischung.