Rezension zu "Der Glückshornwunsch" von Nikola Huppertz
Auf euch wartet eine intensive Geschichte über das Wünschen und das Glück,
das Eigentum anderer und Fehler machen
und vor allem über Gefühle
für Kinder ab 4 Jahren
Luzie ist fest davon überzeugt, dass Einhörner Glück bringen.
Als ihre Freundin Leonora mit einer wunderschön glitzernden Schneekugel in den Kindergarten kommt, in der noch dazu ein Zauber-Einhorn zu sehen ist würde Luzie die Kugel zu gern einmal in die Hand nehmen. Leonora erzählt das man sich etwas wünschen kann wenn man die Glitzerkugel schüttelt und Luzie ist sich ganz sicher, das das auch stimmt, schließlich können Einhörner Wünsche erfüllen und Glück bringen. Selbst ihre Freunde Favour, Jonte und Muhammed staunen und gucken ganz begeistert, wenn Leonora die Schneekugel schüttelt und es nur so glitzert und funkelt, nur so fasziniert wie Luzie, die sich wirklich gerade nichts sehnlichster wünscht als die Kugel auch einmal zu schütteln zu dürfen, sind sie dann doch nicht. Ihr geht die Kugel einfach nicht aus dem Kopf, aber es bietet sich wirklich keine Gelegenheit Leonora zu fragen ob sie sie einmal schütteln darf. Immer wenn sie gerade ansetzt zu fragen kommt etwas dazwischen.
Luzie wird immer trauriger. Wie es der Kleinen geht hat Andrea Stegmaier in sehr ausdrucksvollen Bildern eingefangen. Sowohl de Gesichtszüge als auch die Körperhaltung sprechen hier eine deutliche Sprache. Und dann tut sich plötzlich doch eine Gelegenheit für Luzie auf, die Kugel einmal in die Hand zu nehmen, nur gibt es da ein Problem.
Luzie fragt nicht sondern nimmt sich die Glitzerkugel einfach, als sie im Flur auf dem Regal steht. Sie verkriecht sich damit in den Ruheraum und ist überglücklich. Doch was soll sie sich wünschen. Es muss ein ganz wichtiger Wunsch sein. Einfach drauf los wünschen sollte man hier nicht. Das muss wohl bedacht sein. Während Luzie noch nachdenkt ruft die Erzieherin alle zum Abschlusskreis . Da muss auch sie hin.
Und dann macht Luzie etwas, was man niemals machen sollte, sie nimmt die Kugel und packt sie einfach in ihre Kindergartentasche um sich zuhause in aller Ruhe überlegen zu können, was sie sich wünschen soll.
Ein schlechtes Gewissen hat sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht, doch als Leonora bemerkt das die Kugel verschwunden ist und darüber sehr traurig ist, da wird es Luzie schon etwas komisch.
Ein richtig schlechtes Gewissen hat sie aber auch nicht, denn sie tut so als wüsste sie von nichts und tut ganz unschuldig.
Zuhause zieht sie sich gleich wieder mit der Wunschkugel zurück. Sich etwas zu wünschen ist gar nicht so leicht. Einfühlsam erzählt Nikola Huppertz über Luzies Bemühungen den richtigen Wunsch zu finden und auch was Luzie beim Betrachten des Einhorns empfindet.
Wer sich jetzt fragt ob die Kleine nicht doch irgendwann ein schlechtes Gewissen bekommt, dem kann ich sagen, es kommt der Moment und aus einem ersten komischen, schlechten Gefühl mit Gewissensbissen wird nach und nach ein ganz furchtbar schlechtes Gefühl, was auch in ihrem Verhalten, ihrem Gesicht und der Körperhaltung zu erkennen ist. Es wird sogar so schlimm, dass sie nichts essen mag, das sie ein ganz schlimmes Gefühl in Hals und Bauch bekommt, so dass sie beim Essen gar nicht richtig schlucken kann.
Klar bleibt Luzies Mutter das seltsame Verhalten ihrer Tochter nicht verborgen. Erst redet sich Luzie noch raus, sagt sie hat keinen Hunger und verschwindet wieder in ihr Zimmer, doch dann werden die schlechten Gefühle so groß, dass sie sich ihrer Mutter anvertraut.
Wie es ausgeht verrate ich hier noch nicht. So viel sei jedoch verraten, das Ende kommt bei den Kindern sehr unterschiedlich an und bietet sehr, viele Anreize für intensive Gespräche.
Wer Nikola Huppertz Geschichten kennt, der ahnt, dass dies gewollt ist.
Kinder anregen über Situationen, Gefühle und Verhaltensweisen nachzudenken, zu reflektieren und so aus der Auseinandersetzung mit der Geschichte etwas für sich mit nehmen, ist ihre Intention.
Ihre tolle, kindgerechte Art zu erzählen macht es Kindern leicht auch für Luzies Verhalten Verständnis zu finden. Doch so richtig verstehen die Kinder erst durch die Kombination von Text und Bild.
Andrea Stegmaiers wundervolle Illustrationen sind es, die die Situationen aber vor allem auch die Gefühle so nahbar und verständlich machen. Ihr ist es fantastisch gelungen die einzelnen Abstufungen der Gefühle zu zeigen. Das schlechte Gewissen, dass sich zu einem riesengroßen schlechten Gefühl steigert entwickelt sich langsam und ist Luzie anzusehen, genauso wie das Glück und die Erleichterung, die sie im Laufe der Handlung erlebt.
Richtiges Verhalten, Sozialverhalten und Kompetenz will gelernt sei. Um so schöner wenn es so intensive, kindgerecht erzählte Geschichten wie die von Nikola Huppertz gibt, in der sich die Kinder wiederfinden, mit ihren Erfahrungen und Erlebnissen andocken können und zum Nachdenken angeregt werden.
Schon während des Vorlesens erlebt man wie es in den Kindern arbeitet, wie sehr sie in der Geschichte mit gehen und kommentieren.
Ihnen gefällt Luzies Verhalten meist ganz und gar nicht und das kommentieren sie nicht nur mit Unmut sondern zuweilen auch gleich mit Ratschlägen wie man sich besser verhalten könnte.
Gleichzeitig können sie meist aber auch nachempfinden wie es Luzie geht, denn jeder hat so Momente und Erlebnisse, in denen er*sie sich nicht richtig verhalten hat und ähnliche schlechte Gefühle entwickelt hat wie sie.
Aus Fehlern kann man lernen heißt es.
Es müssen nicht immer eigene Fehler sein.
Und so ist diese Geschichte eine wirklich wichtige Geschichte, die helfen kann nicht in eine so dumme Situation zu kommen wie Luzie.
Bestimmt hat jeder schon einmal etwas haben wollen, was einem anderen gehörte, doch hat man es sich deshalb einfach genommen?
Luzies Verhalten ist nicht oky gewesen und trotzdem nachvollziehbar. Ihr Verhalten, ihre durchlebten Gefühle helfen Kindern diesen Fehler vielleicht nicht zu begehen.
Wie hätte Luzie sich anders verhalten können?
Wann hätte sie wie reagieren können bzw. sollen?
Das sind nur einige der Fragen, die man mit Kindern hier ganz ausführlich besprechen kann, die aber in der Regel auch von den Kleinen angesprochen werden.
"Der Glückshornwunsch" ist keine Geschichte, die man einfach so vorliest und dann das Buch schließt um etwas anderes zu machen. Es ist ein Buch mit Gesprächsbedarf.