1971 schreibt Michael Moorcock ein Buch, welches ein anderer Michael Moorcock angeblich um 1903 geschrieben hat und hauptsächlich im Jahr 1973 spielt, in welches ein Mann aus dem Jahr 1902 katapultiert wird. Das kann man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.
Kurz zusammengefasst geht es darum, dass ein englischer Offizier kurz nach der Jahrhundertwende betäubt wird und in einem alternativen 1973 erwacht. In dieser Welt hat es keinen ersten Weltkrieg gegeben und der Kolonialismus ist nie zusammengebrochen. Luftschiffe sind die wichtigsten Reise- und Kriegsfahrzeuge, weshalb der Protagonist auf einem solchen anheuert und verschiedene Abenteuer erlebt.
Dieses Buch ist laut Wikipedia einer der ersten Steampunk-Romane. Ich kann diese Ansicht nicht wirklich teilen, denn die Luftschiffe um die es hauptsächlich geht, werden mit Diesel betrieben. Nur die Fortsetzung der victorianischen Weltaufteilung passt eventuell in dieses Genre.
Der Autor beginnt das Buch mit der Prämisse, dass es angeblich von seinem Großvater um 1903 als Tatsachenbericht aufgezeichnet wurde. Der Protagonist wird als blinder Passagier in einem Hafen abgesetzt und erzählt die Geschichte Michael Moorcock sen. beim Tee. Entsprechend versucht er den Schreibstil dieser Zeit - oder was er dafür hält - zu imitieren. Dies nimmt sehr viel Spannung aus der Geschichte, da viele Begebenheiten im Handstreich mit ein paar Zeilen abgehandelt werden. Dagegen ergeht er sich in dem schmalen Bändchen Seitenweise in der staunenden Beschreibung von Wundern des Jahres 1973. Dabei handelt es sich häufig um existente Technologien (z.B. Kino) oder Anmerkungen zu neuen Sitten (z.B. kurze Röcke), weshalb diese Art der Zeilenschinderei ziemlich unsinnig erscheint.
Denn auf der anderen Seite wird die Illusion des Tatsachenberichtes durch das konstante Name-Dropping bekannter Persönlichkeiten der 1970er, von Mick Jagger über Lenin bis Rudi Dutschke, gebrochen. So sind über zwei Drittel des Buches vorbei, bevor die eigentliche Geschichte beginnt. Der Namensgebende Herr der Lüfte taucht erst gegen Ende auf und der Autor überhastet sich dabei, diesen noch schnell irgendwie zu charakterisieren. Hier versucht er, alles aufzuholen, was er bisher versäumt hat. Dies kann aber nicht mehr gelingen.
Insgesamt muss man sagen, wäre das Buch besser geworden, wenn auf den gesamten Zeitreiseplot verzichtet worden wäre. Das seitenweise Erstaunen des Protagonisten über die schöne neue Welt hätte dann pragmatischer ausfallen können, während sich sonst am Plot auch überhaupt gar nichts ändern hätte müssen. Denn, dass der Hauptcharakter eigentlich aus der Vergangenheit stammt, spielt insgesamt überhaupt keine Rolle. Ich denke, im Hauptplotstrang des letzten Drittels wird es nur ein einziges Mal erwähnt. Zudem hätte Moorcock ohne die Rahmenhandlung und die Zeitreise auf die spröde-archaische Erzählweise verzichten und vielleicht etwas mehr Spannung aufbauen können.
Hinzu kommt noch, dass die Übersetzung diese Buches nicht gut ist. Der Satzbau ist oft merkwürdig und einige Begriffe werden schlicht falsch übersetzt. So schreibt die Autorin statt Kernspaltung "Nukleare Fission" und deutscht das amerikanische Kavallerieregiment "Rough Riders" mit Rauhreiter ein.
Insgesamt ist es also ein halbherzig geschriebenes, nicht besonders aufregendes Buch.