Rezension zu "Umweg zur Hölle" von Jörg Fauser
In den etwas härteren Kriminalromanen ist nicht selten die Hauptfigur der raue, einsame Wolf. Ich lese das zum Beispiel richtig gern. So ein hartgesottener Typ, raue Schale, rauer Kern, lakonisch in Wort und Tat und ein richtiger "lonesome cowboy", verlassen von der Welt, mit großer Gelassenheit unterwegs. Coole Sache. Besser kann es dann eigentlich nur noch werden, wenn eine Geschichte plötzlich mit zwei von diesen Typen aufwartet, wie in „Umweg zur Hölle“. Da gibt es nämlich Artie Wu und Quincy Durant und ja, das, was die beiden haben, würde heutzutage als echte Bromance durchgehen, eine Männerfreundschaft dicker als Blut und solider als so mancher Stahlträger. Und ohne großes Tamtam.
Es geht an die Westküste der USA, Malibu, Kalifornien Mitte der 1970er Jahre. Und es beginnt mit einem toten Pelikan. Der Aufhänger ist so schön, man hätte den ganzen Roman danach benennen können. Da joggt also Arthur Case Wu, ein an Körpergröße und Körperumfang sehr stattlicher Chinese jeden Morgen am Strand von Malibu, in einem blauen Trainingsanzug. Und stolpert doch tatsächlich an diesem einen Tag im Juni über einen toten Pelikan. Während Artie fällt und sich nur denkt „Scheiße“, sieht ein Spaziergänger ihn fallen und denkt sich „Da fällt der dicke Chinese“.
Aufmerksam wie der Spaziergänger ist, der jeden Morgen am Strand von Malibu mit seinen sechs Windhunden Gassi geht und übrigens Randall Piers heißt, eilt er dem gestürzten Artie Wu zu Hilfe und geleitet ihn und seinen verstauchten Knöchel in das nahegelegene Strandhaus von Arties Partner Quincy Durant, ein langer, magerer Typ, braungebrannt, aber kein Sunnyboy. Und dann kann die Show auch schon beginnen. Es entspinnt sich ein perfekter Gauner- und Ganoven-Thriller/Krimi mit vielen krummen Geschäften, dubiosen Gestalten, der Mafia und der CIA, Politikern, Folk-Sängerinnen, viel Korruption und dem ein oder anderen Auftragsmord. Großes Kino.
Herausragend waren für mich in "Umweg zur Hölle" die Komplexität des Plots und die Figurenzeichnung, beides ist so voller Feinheiten, Verstrickungen und Verbindungen erzählt, dass es ein wahres Fest ist. Ich konnte die Handlung nie weiter als bis zum nächsten Wort durchschauen. Es sind viele kleine Rädchen, die das Getriebe dieser Geschichte am Laufen halten und jedes einzelne scheint mit der Präzision eines Schweizer Uhrmachers gefertigt zu sein. Man darf sich ruhig jeden einzelnen Namen der zahlreichen Figuren merken, die im Laufe der Handlung auftauchen, jeder könnte später noch die eine entscheidende Rolle spielen.
Auch sprachlich ist Ross Thomas Roman ein schieres Vergnügen, die Dialoge sind lakonisch und pointiert, der Erzähltext passt dafür gerne auch mal kleine Details ab, sodass die Figuren mit kurzen und sorgfältig ausgewählten Anekdoten bestückt werden, die nicht selten ein Schmunzeln provozieren. Und alles, was in diesem Roman vor sich geht, geschieht mit einer lässig-entspannten Attitüde, keiner dreht durch, na ja, kaum einer, doch alle haben ihre feste Rolle und erfüllen diese erhobenen Hauptes. Nicht zuletzt, weil sie sich oftmals für Drahtzieher halten, obwohl sie nur Marionetten sind.
In dieser Geschichte, in der es um viel Geld und Macht, aber auch um persönliche Motive geht, wird unendlich viel getrickst. Dieses Konstrukt ist dem Autor so gut gelungen, dass sich der Leser nie sicher sein kann, wer hier eigentlich mit offenen Karten spielt.
Fazit: Es ist diese Mischung aus lässigem Humor und raffinierter Intelligenz, die den ersten Fall von Artie Wu und Quincy Durant auszeichnet. Der komplexe Plot und die phänomenale Figurenzeichnung machen „Umweg zur Hölle“ zu einem Ganoven-Thriller mit einem ausgebufften Pokerface.
Bewertung: 4,56 Punkte = 5 Sterne
Stil: 5/5 | Idee: 5/5 | Umsetzung: 4/5 | Figuren: 5/5 | Plot-Entwicklung: 5/5
Tempo: 4/5 | Tiefe: 4/5 | Komplexität: 5/5 | Lesespaß: 4/5 | = 4,56 Punkte
© http://wortgestalt-buchblog.blogspot.de