Martin Compart

 3,9 Sterne bei 26 Bewertungen
Autor*in von G-man Jerry Cotton, Die Lucifer-Connection und weiteren Büchern.

Lebenslauf von Martin Compart

Bereits in jungen Jahren beschäftigte sich der 1954 in Witten/Ruhr geborene Martin Compart mit populärkulturellen Themen. Nach der Schulzeit und Bundeswehr arbeitete er für die Wittener Ruhr-Nachrichten und schrieb nebenher für die heute schon legendären Magazine Comixene und Science Fiction Times. Während des Studiums der Politikwissenschaften gründete er die Arbeitsgemeinschaft Kriminalliteratur. 1982 wurde er als Herausgeber der gelben Ullstein-Krimis verpflichtet, die er reformierte und zu einer der wichtigsten Reihen mit Kriminalliteratur in den 80er Jahren entwickelte. Zusammen mit seinem Freund Jörg Fauser gründete er die Gruppe Oberbaumbrücke, deren Präsident ihr Idol Ross Thomas war. Für den Ullstein-Verlag konzipierte und betreute er die Reihen Populäre Kultur und Ullstein-Abenteuer (in der die heute so gesuchten Flashman-Romane erschienen). 1986 wechselte er zum Bastei-Lübbe Verlag nach Bergisch-Gladbach, für den er ein kriminalliterarisches Segment aus drei Reihen entwickelte. Am bekanntesten wurde wohl die Schwarze Serie. 1987 wurde er in Gijon beim Jahrestreffen des Weltverbandes der Kriminalschriftsteller (AIEP) als erster Deutscher ins Präsidium gewählt. Daneben arbeitete er weiterhin journalistisch, u.a. für die Züricher Weltwoche, Lui, TransAtlantik und mit eigener Kolumne für den BuchMarkt. 1989 machte er sich selbstständig, schrieb für den Spiegel, Esquire, taz, Musik-Express, TV-Spielfilm. 1990 schrieb und inszenierte er für das ZDF das Doku-Drama „Verräter und Spione“ über die Gründung des britischen Geheimdienstes mit Alexander Kerst und Peter Roggisch. 1992 begann die bis heute anhaltende Zusammenarbeit mit der Funk-Korrespondenz, für die er vornehmlich über Fernsehserien schreibt. Seitdem gilt er als einer der härtesten Kritiker überhaupt.1993 wurde er erstmals in die Jury des Adolf-Grimme-Preises berufen. Auf den Französischen Filmtagen in Tübingen hielt er den einführenden Vortrag zur ersten deutschen Retrospektive des französischen Regisseurs Jean-Pierre Melville. Neben diesen Tätigkeiten auch weitere Drehbücher. 1994 erhielt er den 1. Preis des SAT.1-Drehbuchwettbewerbes, 1996 den Preis Das Skript der Taunus-Film. 1997 erschien sein erstes Buch zu Fernsehserien: Von Alf bis U.N.C.L.E. – Anglo-amerikanisches Kult-TV (Klartext). 1999 konzipierte und betreute er als Herausgeber die Kriminalliteraturreihe DuMont Noir, in der im Oktober 2000 sein Reader NOIR 2000 erscheint. 2000 realisierte er für Horst Königstein und den NDR an vier langen Nächten der Deutschen Tough-Guys (Horst Frank, Günter Neutze, Günther Ungeheuer und Harald Leipnitz). Daneben weitere TV-, Buch- und Kino-Projekte. Zusammen mit Werner Fuchs gründete er den Strange Verlag, dem er als Berater weiterhin verbunden ist. Für den WDR (Eins Live) schrieb er mehrere Kriminalhörspiele. 2007 wurde im Alexander Verlag sein Thriller DER SODOM KONTRAKT veröffentlicht. Der zweite Gill-Roman ist die LUCIFER CONNECTION, dem ein Noir-Roman aus dem Porno-Milieu, MONEYSHOT, folgte.

Alle Bücher von Martin Compart

Cover des Buches G-man Jerry Cotton (ISBN: 9783785724002)

G-man Jerry Cotton

 (4)
Erschienen am 22.02.2010
Cover des Buches Flashman in Afghanistan (ISBN: 9783942270915)

Flashman in Afghanistan

 (2)
Erschienen am 02.10.2014
Cover des Buches Die Lucifer-Connection (ISBN: 9783902910035)

Die Lucifer-Connection

 (2)
Erschienen am 30.10.2012
Cover des Buches Flashman und der Chinesische Drache (ISBN: 9783942270984)

Flashman und der Chinesische Drache

 (2)
Erschienen am 13.08.2014
Cover des Buches Mann und Maus (ISBN: 9783257239256)

Mann und Maus

 (1)
Erschienen am 23.06.2009
Cover des Buches Flashmans Attacke (ISBN: 9783942270946)

Flashmans Attacke

 (1)
Erschienen am 17.11.2011
Cover des Buches Flashmans Feldzug (ISBN: 9783942270847)

Flashmans Feldzug

 (1)
Erschienen am 08.12.2016

Neue Rezensionen zu Martin Compart

Cover des Buches Umweg zur Hölle (ISBN: 9783895812309)
WortGestalts avatar

Rezension zu "Umweg zur Hölle" von Jörg Fauser

Lässiger Humor und raffinierte Intelligenz
WortGestaltvor 7 Jahren

In den etwas härteren Kriminalromanen ist nicht selten die Hauptfigur der raue, einsame Wolf. Ich lese das zum Beispiel richtig gern. So ein hartgesottener Typ, raue Schale, rauer Kern, lakonisch in Wort und Tat und ein richtiger "lonesome cowboy", verlassen von der Welt, mit großer Gelassenheit unterwegs. Coole Sache. Besser kann es dann eigentlich nur noch werden, wenn eine Geschichte plötzlich mit zwei von diesen Typen aufwartet, wie in „Umweg zur Hölle“. Da gibt es nämlich Artie Wu und Quincy Durant und ja, das, was die beiden haben, würde heutzutage als echte Bromance durchgehen, eine Männerfreundschaft dicker als Blut und solider als so mancher Stahlträger. Und ohne großes Tamtam.

Es geht an die Westküste der USA, Malibu, Kalifornien Mitte der 1970er Jahre. Und es beginnt mit einem toten Pelikan. Der Aufhänger ist so schön, man hätte den ganzen Roman danach benennen können. Da joggt also Arthur Case Wu, ein an Körpergröße und Körperumfang sehr stattlicher Chinese jeden Morgen am Strand von Malibu, in einem blauen Trainingsanzug. Und stolpert doch tatsächlich an diesem einen Tag im Juni über einen toten Pelikan. Während Artie fällt und sich nur denkt „Scheiße“, sieht ein Spaziergänger ihn fallen und denkt sich „Da fällt der dicke Chinese“.

Aufmerksam wie der Spaziergänger ist, der jeden Morgen am Strand von Malibu mit seinen sechs Windhunden Gassi geht und übrigens Randall Piers heißt, eilt er dem gestürzten Artie Wu zu Hilfe und geleitet ihn und seinen verstauchten Knöchel in das nahegelegene Strandhaus von Arties Partner Quincy Durant, ein langer, magerer Typ, braungebrannt, aber kein Sunnyboy. Und dann kann die Show auch schon beginnen. Es entspinnt sich ein perfekter Gauner- und Ganoven-Thriller/Krimi mit vielen krummen Geschäften, dubiosen Gestalten, der Mafia und der CIA, Politikern, Folk-Sängerinnen, viel Korruption und dem ein oder anderen Auftragsmord. Großes Kino.

Herausragend waren für mich in "Umweg zur Hölle" die Komplexität des Plots und die Figurenzeichnung, beides ist so voller Feinheiten, Verstrickungen und Verbindungen erzählt, dass es ein wahres Fest ist. Ich konnte die Handlung nie weiter als bis zum nächsten Wort durchschauen. Es sind viele kleine Rädchen, die das Getriebe dieser Geschichte am Laufen halten und jedes einzelne scheint mit der Präzision eines Schweizer Uhrmachers gefertigt zu sein. Man darf sich ruhig jeden einzelnen Namen der zahlreichen Figuren merken, die im Laufe der Handlung auftauchen, jeder könnte später noch die eine entscheidende Rolle spielen.

Auch sprachlich ist Ross Thomas Roman ein schieres Vergnügen, die Dialoge sind lakonisch und pointiert, der Erzähltext passt dafür gerne auch mal kleine Details ab, sodass die Figuren mit kurzen und sorgfältig ausgewählten Anekdoten bestückt werden, die nicht selten ein Schmunzeln provozieren. Und alles, was in diesem Roman vor sich geht, geschieht mit einer lässig-entspannten Attitüde, keiner dreht durch, na ja, kaum einer, doch alle  haben ihre feste Rolle und erfüllen diese erhobenen Hauptes. Nicht zuletzt, weil sie sich oftmals für Drahtzieher halten, obwohl sie nur Marionetten sind.

In dieser Geschichte, in der es um viel Geld und Macht, aber auch um persönliche Motive geht, wird unendlich viel getrickst. Dieses Konstrukt ist dem Autor so gut gelungen, dass sich der Leser nie sicher sein kann, wer hier eigentlich mit offenen Karten spielt.

Fazit: Es ist diese Mischung aus lässigem Humor und raffinierter Intelligenz, die den ersten Fall von Artie Wu und Quincy Durant auszeichnet. Der komplexe Plot und die phänomenale Figurenzeichnung machen „Umweg zur Hölle“ zu einem Ganoven-Thriller mit einem ausgebufften Pokerface.

Bewertung: 4,56 Punkte = 5 Sterne
Stil: 5/5 | Idee: 5/5 | Umsetzung: 4/5 | Figuren: 5/5 | Plot-Entwicklung: 5/5
Tempo: 4/5 | Tiefe: 4/5 | Komplexität: 5/5 | Lesespaß: 4/5 | = 4,56 Punkte

© http://wortgestalt-buchblog.blogspot.de

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Cover des Buches Flashman und der Chinesische Drache (ISBN: 9783942270984)

Rezension zu "Flashman und der Chinesische Drache" von George MacDonald Fraser

Flashman in China
Ein LovelyBooks-Nutzervor 7 Jahren

Sagt Ihnen der Name Taiping etwas? Die Hauptstadt von Taiwan, meinen Sie? Nein, das wäre Taipei.

Die Taiping waren eine chinesische Sekte, die Ansichten vertrat, die man durchaus als sozialistisch bezeichnen konnte. Sie wurden von einem Mystiker angeführt, der durch seine Visionen zur gottgleichen Gestalt aufstieg und vor hatte das Kaiserreich zu stürzen.

Der Taiping-Aufstand gilt als blutigster Bürgerkrieg der Weltgeschichte. 20-30 Millionen Menschen sollen darin ums Leben gekommen sein. Und Sie haben tatsächlich nichts davon gewusst? Haben Sie im Geschichtsunterricht etwa geschlafen?

Nur ein kleiner Scherz, wahrscheinlich haben Sie das, ähnlich wie wir, damals gar nicht durchgenommen, schließlich geschah das ja weit weg, am anderen Ende der Welt. Und die Beteiligten waren ja sowieso nur Chinesen, lustige, kleine gelbe Männlein mit langen Zöpfen. Wieso sollte sich auch ein deutscher Schüler für soetwas interessieren? Weshalb mir diese Materie ebenso neu war.

Harry Flashman hat ein besonderes Talent zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Auch diesmal landet er mitten in der Hölle eines blutigen Gemetzels.

Natürlich finden sich auch dort schöne Frauen, ob Banditinnen oder Prinzessinnen, jede erliegt dem Charme Flashys, des großen Draufgängers. Pardon, ich meinte natürlich des elenden Feiglings, der über die beste PR der Weltgeschichte verfügt.

Die Handlung mag nicht sonderlich innovativ sein. Flashman wird gefangengenommen, er entkommt, gerät wieder in die Klauen irgendwelcher Feinde, windet sich jedes Mal mit List und Glück heraus und bleibt selbstverständlich am Ende wieder der große britische Kriegsheld.

Er begegnet dem Anführer der Taipings, hat eine Liebesaffäre mit einer chinesischen Prinzessin und ist auch bei der wohl unrühmlichsten Episode des Krieges dabei: der Zerstörung des Sommerpalastes, der Sommerresidenz der chinesischen Kaiser. Ein ehemals wunderbares Werk der Landschaftsarchitektur, das gänzlich vom Erdboden verschwunden ist.

Sie können also nicht gleich mal auf Google Earth gehen und nachschauen: Ah, der Sommerpalast! Wie wunderbar! Es ist nichts mehr da. Nicht mal ein Stein, ein Krümel, ein Staubkorn wurde übriggelassen. Aber hören Sie selbst:

„…denn jetzt muss ich Ihnen von einem der wunderbarsten Dinge erzählen, die ich je gesehen habe, einem Wunder, das den Vergleich mit jedem anderen auf Erden standhält – und niemand wird es jemals wieder sehen. Es gibt viele schöne Dinge auf der Welt, die meisten von ihnen Werke der Natur – ein Sonnenuntergang am Colorado, Dämmerung über dem Südchinesischen Meer, … kühles Mondlicht in der Sahara, eine englische Waldung nach dem Regen. Der Mensch kann nichts schaffen, was dem gleichkäme, doch ein einziges Mal kam er ihm nach Meinung dieses Kritikers so nahe, dass ich mit dem Unterschied nicht hausieren gehen möchte. Und es wurde vollbracht durch zartestes und unendlich geduldiges Formen der Natur, wie es wahrscheinlich nur chinesische Künstler und Handwerker haben zustande bringen können. …

Wie Sie vielleicht gehört haben, war es gar kein Palast, sondern ein acht Meilen langer Garten – doch ein Garten war es auch nicht. Es war ein Märchenland, und wie soll man das beschreiben? Ich kann nur sagen, dass in dieser weiten Parklandschaft, die sich bis zu fernen, im Dunst liegenden Hügeln dehnte, jede Schönheit der Natur und der menschlichen Architektur in einer Harmonie der Formen und Farben miteinander verschmolz, die so vollkommen war, dass es einem den Atem verschlug und man nur dasitzen und staunen konnte. Ich kann von vielem reden: Von bewaldeten Hainen; von samtigen Rasenflächen; von Seelabyrinthen und Inseln mit Pavillons darauf; von Tempeln, Sommerhäusern und Palästen, von schimmernden Dächern aus gelbem Porzellan, die durch Blätter von dem dunkelste Grün zu sehen waren; von trägen Flüssen, die sich durch Wälder schlängelten; von Wasserfällen, die leisen in Kaskaden bemooste Felsen herabfielen; von Blumenfeldern, von Kieselwegen, die sich an Marmorbecken vorbei wanden, wo Fontänen wie silberne Nadeln in der Sonne spielten; von Hirschen, die anmutig unter gespreizten zweigen weideten; von Brücken mit Weidenmotiven; von finsteren Höhlen, in denen bleiche goldene Statuen schwach in der Dunkelheit leuchteten; von Lotosteichen auf deren Wasser Schwäne schliefen – ich kann all das niederschreiben und hinzufügen, dass es in einem großartigen Panorama, soweit das Auge reichte, wie ein großer magischer Teppich ausgebreitet dalag, und was für eine Vorstellung vermittelt es? So gut wie gar keine; möglicherweise klingt es sogar abgeschmackt und übertrieben. Aber sehen Sie, ich kann nicht beschreiben, wie eine zarte Farbschattierung in eine andere übergeht und beide zusammen in eine dritte, die überhaupt keine Farbe ist, sondern ein einziges Leuchten; ich kann nicht zeigen, wie die Rundung eines Tempeldaches mit den Zweigen, die ihn einrahmen, oder der Landschaft, die ihn umgibt, harmoniert; ich kann Ihnen nicht die Anmut eines schmalen Pfades vor Augen führen, wie er sich zwischen Inseln eines Flusses entlangschlängelt, der selbst ein weicher, von sich stets wandelnden Reflexionen gesäumter Spiegel ist; ich kann nicht sagen, wie das Kräuseln des Wassers unter dem Bug eines langsam dahingleitenden Vergnügungsbootes dazu bestimmt scheint, die Formen des Bootes mit denen des Sees und der Seerosenblätter abzurunden, und sich seit Anbeginn der Zeit zu kräuseln scheint. Ich kann nur sagen, dass all diese Dinge sich in einer großen einhelligen Vollkommenheit miteinander verbanden, die einfach unglaublich war, und verdammt kostspielig ebenfalls. …

Dieses Wunderwerk diente einzig der Freude des Kaisers und seines Hofes; kein anderer Besucher bekam es jemals zu Gesicht, was vielleicht ganz gut so war, weil ich annehmen würde, dass es bei weitem die reichste Schatzkammer war, die es jemals auf Erden gegeben hat.“

Ja, hier wird selbst Flashman zum Dichter. Wie dieses Weltwunder der Verwüstung preisgegeben wird, ist eines der seltsamsten und traurigsten Aspekte des Bürgerkrieges.

Das Buch ist voller wunderbarer flashmanscher Weisheiten:

„Es ist wundersam, was für eine Wirkung das Plündern auf Soldaten hat. Ich nehme an, einmal in ihrem elenden Leben empfinden sie wirkliche Macht – nicht die Macht zu töten, die kennen sie sehr gut, das ist nur brutale Gewalt gegen einen menschlichen Körper -, sondern die größere Macht, eine Schöpfung des Geistes zu zerstören, etwas, das sie nie und nimmer zustande bringen könnten.“

„Das ist das großartige an der Politik und der Grund dafür, dass die Welt solch ein grässlicher Ort ist: Der Mann, der die Politik macht, braucht sie nicht auszuführen, und der Mann, der sie ausführt ist nicht verantwortlich für die Politik.“

Martin Compart bemerkt in seinem Nachwort, dass das Buch bei seinem Erscheinen umstritten war, weil Fraser kein allzu schmeichelhaftes Bild der Chinesen zeichnet (sie werden fast ausnahmslos als grausam und hinterhältig beschrieben) und wenig Kritik am britischen Imperialismus übt. Das scheint mir allerdings die typische Empörung politisch korrekter Gutmenschen zu sein. Macdonald Fraser war sicher kein Liberaler im modernen Sinn, aber er verfügte über einen sehr klaren politischen Sachverstand und sah sehr genau, wozu Menschen jeglicher Couleur oder Rasse fähig sind und wie falsche Entscheidungen der Mächtigen Millionen ins Unglück stürzen können.

 Auch dieser Flashman ist wieder großartige Unterhaltung.

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Cover des Buches Flashmans Attacke (ISBN: 9783942270946)

Rezension zu "Flashmans Attacke" von George MacDonald Fraser

Flashmans Attacke
Ein LovelyBooks-Nutzervor 8 Jahren

Flashman lässt es sich 1854 am Hof Königin Victorias und ihres Gatten Prinz Albert gut gehen, doch ungewollt muss er in den Krimkrieg ziehen. Er beschreibt die Schwierigkeiten der alliierten Mächte Frankreichs und Britanniens. Es gibt ein Wiedersehen mit Lord Cardigan. Harry gerät in die Schlacht von Balaklava. Die britische Leichte Kavallerie attackiert die russischen Geschützstellungen und Harry findet keine Möglichkeit, sich zu entfernen. Doch die Krim ist nur der Anfang, dahinter erwartet ihn Russland mit seinen schneebedeckten Weiten, erwarten ihn unbarmherzige Feinde, allerdings auch leidenschaftliche, schöne Frauen, und schließlich ist da noch der fast unbekannte Krieg am Dach der Welt, in dem es um Indien geht.

Der wohl unmoralischste Held der historischen Literatur zeigt sich auch in diesem vierten Band seiner Abenteuer wieder von seiner feigsten und selbstsüchtigsten Seite. Aber erstaunlicherweise ist Flashman diesmal auch zu moralischen Handlungen und sogar zu Heldentaten fähig (auch wenn bei letzteren etwas nachgeholfen werden muss).

Flashmans „Wagemut“ im Kampf hat ihm den Weg zur höheren Gesellschaft geebnet. Als hochdekorierter Veteran des Afghanistanfeldzuges wird er immer öfter von der Königsfamilie eingeladen. Prinz Albert bittet ihn darum einen jungen deutschen Adligen unter seine Fittiche zu nehmen. Er soll eine Auge auf den jungen Mann haben und als sein Mentor eine Vorbildfunktion einnehmen. Flashman wäre natürlich nicht Flashman , wenn er den Jüngling nicht zu Besäufnissen und Bordellbesuchen verführen würde. Als sein Schützling in den Krimkrieg zieht ist Flashman notgedrungen mit dabei. Obwohl bereit sich auf der Stelle zu verdrücken, sobald es brenzlig wird, wird Flashman doch vom Kriegsgetümmel mitgerissen und erlangt in der entscheidenden Schlacht neuen Heldentum.

Verglichen mit dem ersten Flashman-Band, der den Afghanistanfeldzug spektakulär unterhaltsam und absolut verständlich und nachvollziehbar schilderte war die Schilderung des Krieges in Flashmans Attacke eine kleine Enttäuschung. Für meinen Geschmack war Frasers Beschreibung der Schlacht von Balaklava etwas konfus. Es fiel mir schwer zu begreifen was genau, wo und wie stattfand. Die viel zu kleinen Karten des Schlachtfeldes am Buchende waren da auch wenig hilfreich. Hier scheint Fraser ein gewisses historisches Grundwissen vorauszusetzen, was bei seinen eigenen Landsleuten eventuell noch vorhanden sein dürfte, für die meisten Kontinentaleuropäer ist der Krimkrieg aber wohl eher ein weißer Fleck auf der Landkarte ihrer Geschichtskenntnisse.

Ich hatte zwar schon vor einigen Jahren darüber gelesen, musste aber diesmal das Internet zu Rate ziehen, um mein nicht unbedingt üppiges Wissen aufzufrischen.

In der zweiten Hälfte des Buches gerät Flashman in russische Kriegsgefangenschaft und lernt dieses gewaltige, wilde und grausame Land besser kennen. Die Uhren ticken hier anders als im vergleichsweise zivilisierten Westeuropa. Das unfassbare Schicksal der russischen Leibeigenen wird hier sehr anschaulich und erschreckend beschrieben. Diese unglücklichen wurden wie die Tiere gehalten und selbst für kleinste Vergehen grausam bestraft. Selbst der nicht unbedingt weichherzige Flashy bekommt beim Anblick dieser Elenden ein mulmiges Gefühl:

 „Damals wusste ich noch nicht, dass diese Leute Sklaven waren, an ihren Herrn gefesselte europäische, weiße Sklaven, ein Ding, das man gesehen haben muss, um es zu begreifen. …

Man mag es kaum glauben, dass noch vor vierzig Jahren mit Weißen in Europa so umgesprungen werden konnte. Dass sie bis zu zehnmal am Tag mit dem Stock und der Peitsche traktiert werden konnten oder die Knute zu spüren bekamen. Dass sie ganz nach Lust und Laune ihres Herrn auf Jahre nach Sibirien verbannt werden konnten – er brauchte nur die Kosten für die Deportation zu zahlen. Sie konnten gezwungen werden Halsbänder mit eisernen Spitzen zu tragen, die Frauen durften in Harems gehalten, die Männer in die Armee expediert werden, um es dem Gutsherrn zu ermöglichen, ihnen in aller Ruhe die Frauen zu stehlen, Kinder konnte man verkaufen – und dafür erwartete man noch, dass sie sich ihrem Herrn und Meister gegenüber dankbar zeigten, buchstäblich vor ihm krochen, ihn „Väterchen“ nannten, den Kopf bis auf den Boden neigten und ihm die Stiefel küssten. … Ich habe in meinem Leben vieles an menschlichem Jammer und Elend gesehen, aber das Los der russischen Leibeigenen war das Empörendste, was ich je erlebt habe.“

Bei Kennern gilt Flashman at the Charge als einer der besten Teile der Flashman-Serie.

George R. R. Martin hat die Flashman-Romane auf seiner Website empfohlen. Das verwundert kaum, scheinen die zwei Georges doch eine sehr ähnliche Geschichtsauffassung zu haben. Bei ihnen ist Geschichte eine Abfolge willkürlicher Gräuel; eine chaotische, schmutzige Angelegenheit, bei der Ideale oder Moral einen Luxus darstellen, den sich die wenigsten Beteiligten leisten können.

Harry Flashman wurde bereits als Indiana Jones für Erwachsene oder ein James Bond des 19. Jahrhunderts bezeichnet. Was Flashman von diesen Helden der Popkultur unterscheidet ist, dass er stets aus Eigennutz handelt. Trotzdem gelingt es ihm (fast) jeden zu narren. Da er über sehr viel psychologisches Feingefühl verfügt weiß er mit den Leuten umzugehen, um zu bekommen was er will. Das gilt sowohl für schöne Frauen als auch für seine Vorgesetzten, die ihn für einen fähigen, tapferen Mann halten. Aber gerade diese Bewunderung und der gute Ruf führen ihn auch immer wieder in brenzlige Situationen, da ihm die gefährlichsten Aufgaben übertragen werden. Und um seinen Ruf nicht zu schädigen (denn der Ruf ist alles, und die Tatsachen zählen nichts – das könnte durchaus das Motto der Flashman-Romane sein – die Leute glauben eben alles, solange man es nur überzeugend vorträgt), kann er sich natürlich nicht vor der Gefahr drücken.

Drei große Talente besitzt Flashman: Neben Frauen und Pferden versteht er sich auch auf Fremdsprachen. Sein besonderes Sprachtalent macht es ihm möglich innerhalb weniger Wochen die Sprache fremder Länder zu beherrschen, und weil er auch noch einen dunklen Teint hat und in Verkleidung als orientalischer Bandit durchgeht, schickt man ihn mit Vorliebe auf verdeckte Missionen.

Eine Besonderheit der Flashman-Romane liegt in den zahlreichen Fußnoten, alle Bücher haben einen umfangreichen Anhang, wo viele historische Informationen, die in der Geschichte vorkommen vertieft werden. Das mag anstrengend klingen, ist aber höchst unterhaltsam und lehrreich. George MacDonald Fraser tut so, als wäre er lediglich der Lektor dieser Schriften(beim Erscheinen der ersten Bände dachten manche tatsächlich es würde sich um Originaldokumente handeln), der Flashmans Angaben überprüft und seine etwaigen historischen Fehler korrigiert hat. Selbst aus den schwächeren Flashman-Werken lässt sich also jede Menge lernen. Fraser schreibt niemals trocken oder didaktisch, und selbst die obskursten Begebenheiten werden bei ihm lebendig präsentiert.

Flasmans Attacke war nicht ganz das Meisterwerk, das ich aufgrund der vielen Lobeshymnen erwartet hatte. Aber die Flashman-Romane machen einfach süchtig (wie süchtig, das erkennen Sie daran, dass ich innerhalb von nur zwei Monaten bereits 9 von diesen Büchern gelesen habe).

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