Rezension zu "Unser Teil der Nacht" von Mariana Enriquez
Mariana Enriquez hat mit ihrem Roman ein preisgekröntes Epos geschrieben, das erschütternd und faszinierend zugleich ist. Ein Vater reist mit seinem Sohn durch das von Korruption geprägte Argentinien zum Familiensitz seiner verstorbenen Frau. Juan möchte Gaspar vor den grauenvollen Fängen seiner Großmutter Mercedes und deren Verbündeten schützen: Denn Juan gilt als mächtiges Medium eines okkulten Ordens, der die Dunkelheit anbetet und in deren Namen blutige Rituale durchführt. Doch diese Rituale fordern ihren Tribut und Gaspar soll als nächstes Medium dienen, sobald er das entsprechende Alter erreicht. Um seinem Sohn diese Tortur zu ersparen, sammelt Juan seine letzten Kräfte. Doch auch Schutz erfordert gewisses Leid.
Das Buch hat mich an so vielen Stellen mit einer unverfrorenen Brutalität schockiert und doch war ich fasziniert von der Geschichte dieses okkulten Treibens, das selbst vor Kindern keinen Halt gemacht hat. Insbesondere die erste Hälfte des Buches war für mich pure Spannung. Verwoben mit der Geschichte Argentiniens , beschreibt Enriquez den Weg eines dynamischen Vater-Sohn Gespanns, das mich in einem Moment gerührt, im nächsten Moment schockiert und atemlos gelassen hat. Der Roman ist sicherlich von viel Gewalt geprägt, aber auch von verborgener Liebe, was durchaus irritierend sein kann.
In mehreren Teilen erfahren wir aus unterschiedlichen Perspektiven von der Entstehung, sowie den Handlungen und Machenschaften des Ordens. Aber auch von Beziehungen aller Art, mystischen Kräften, politischen Gegebenheiten, Leid und Liebe. Die letzten 200 Seiten hat mir ein bisschen die Spannung in Bezug auf den Okkultismus gefehlt und das Ende wirkte auf mich persönlich sehr abrupt. Ich hätte auch gerne mehr zum Verbleib einiger Charaktere, die alle durchaus eine wichtige Rolle gespielt haben, gelesen. Aber, lasst euch von diesen Kritikpunkten nicht irritieren: Sie haben zumindest für mich nur wenig Einfluss auf den Gesamteindruck gemacht und der ist mehr als nur positiv. Ich bin noch immer geflasht von dieser intensiven Geschichte. Eventuell auch ein bisschen verstört. Ich glaube, so richtig in Worte verpacken kann ich das auch gar nicht: Lest es einfach selbst!