Emotional. Schockierend. So wahr.
Als ich Paper Butterflies zu lesen begann, wusste ich absolut nicht, was mich erwartete. Beim Kauf vertraute ich blind Jills Empfehlung. Denn irgendwie wollte ich auch nicht wissen, worum es geht. Es sollte mich überraschen. Und diese Überraschung trat schon innerhalb der ersten Seiten ein. Das Leben von June ist von Beginn an geprägt mit seelischen und körperlichen Qualen, die mich mehr als einmal das Buch zur Seite legen ließen. Mit jeder weiteren Situation, jedem weiteren Rückwurf, wird mir immer schwindeliger. Und jedes Mal, wenn ich denke, wow, das war wohl der Höhepunkt, das schrecklichste, was June widerfahren kann, was ein Mensch ertragen kann, ohne daran zu zerbrechen, da lehrt mich Lisa Heathfield eines besseren: Es wird immer schlimmer.
„Thank you“, I say, and I look hard into her eyes. Please ask me, I beg her. Ask me now and I’ll tell you everything.
– June | Paper Butterflies | Lisa Heathfield | page 9
Hier werden große Themen wie Mobbing und Kindesmissbrauch in den Vordergrund gestellt und dies mit einer brutalen Direktheit, die den Leser sprachlos erzittern lässt. Mit einer geradezu sachlichen Sprache, keinen Ausschmückungen und einer gnadenlosen Wahrheit, wird die Geschichte um June erzählt. Gerade noch befinden wir uns in einer scheinbar normalen alltäglichen Situation und plötzlich stürzt in der nächsten Sekunde alles in sich zusammen, ohne Ankündigung, ohne Vorwarnung. Wir als Leser erleben Junes Leben genauso unvorbereitet wie sie und spüren dadurch ihre Verzweiflung und Ausweglosigkeit, die Wut und den Hass, umso intensiver.
„Lying will only make it worse.“ There’s such disappointment in her voice that it almost makes me cry. „I’m not lying“, I say, but I can tell by her eyes that she doesn’t believe me.
-June | Paper Butterflies | Lisa Heathfield | page 16
Wie kann jemand durch ein Leben schreiten, verfolgt von Unterdrückung, Unglück und mehr schlechten als guten Tagen? Wenn jemand in das Leben tritt, der die guten Tage, auch wenn es wenige sind, umso stärker hervorstechen lässt: Blister erscheint. Oh, Blister. Ein Junge, so harmlos und liebevoll und so verdammt gut. Blister und June begegnen sich durch einen Zufall, vielleicht kann man es auch Schicksal nennen. Blister ist Junes Lebensausgleich. Er stellt sich auf die andere Seite der Waage und hilft June ihr Leben auszubalancieren, ganz gleich was für Gräultaten ihr widerfahren, sie hat stets die Aussicht, dass Blister es verbessert.
One day, I’ll shout and scream that I exist. One day, they’ll know I’m here.
– June | Paper Butterflies | Lisa Heathfield | page 32
Er ist ihr bester Freund. Ihre Stütze. Und das, obwohl er selbst nur die halbe Wahrheit kennt und eigentlich selbst nur ein Kind ist. Doch Lisa Heathfield zeigt mit einer beeindruckenden Direktheit wie viel Kinder leisten und vor allem ertragen können. Wie stark Kinder wirklich sind und vor allem wie tapfer. Es ist kaum zu fassen, was June alles widerfährt und wie sie es aushält. Ich selbst konnte manche Situationen schon durch das alleinige Lesen kaum ertragen. So schlimm ist es. So schrecklich ist es. Und gleichzeitig ist da Blister, der alles auffängt, der durch seine Kinderaugen ihre Welt verbessert. Beides Kinder, die unterschiedlicher nicht hätten aufwachsen können und sich trotz allen Widrigkeiten verstehen.
„It’s impossible to be so mean to someone and not feel bad somewhere. Deep down, right inside them, I bet they wish they didn’t do it.“
„Even Ryan?“
„Even Ryan.“
„And Cherry?“
„Yes. And Lauren. And they better watch out, because karma will be waiting for them.“
„Who’s Karma?“
„My mom told me about it.“ Blister sits up and crosses his legs. The anger has left him and his face looks serious. „She says that the bad things you do will always come back to you. Even if it’s years in the future. That’s why you’ve got to be nice.“
– Blister & June | Paper Butterflies | Lisa Heathfield | page 57
Die Geschichte nimmt einen Verlauf an, mit dem ich absolut nicht gerechnet habe. Die Wendung trifft mich mit einem heftigen Schlag. Ich war so fassungslos, so geschockt, dass ich erst einmal nicht weiterlesen konnte, es nicht wollte. Die Geschichte steuerte zu einem Punk hin, an dem selbst ich dachte: Jetzt wird es besser. Und dann kam noch so viel mehr, was mich zerstört, aufgewühlt und vor allem unfassbar nachdenklich zurückließ.
„Life’s unfair at times“, Mickey says, her words scraping the air. „But you mustn’t let the bad weigh your life down. Try to fill the other side of the scales with good things.“
– Mickey | Paper Butterflies | Lisa Heathfield | page 127
Obwohl ich später noch lange über das Ende nachgedacht habe, bin ich mir immer noch nicht sicher, ob ich es stimmig empfinde. Im ersten Moment war ich überrascht, dass es vorbei ist und im nächsten widerfuhr mich ein Wort: Endlich. Wenn ich einen negativen Kritikpunkt aufführen müsste, wäre es wohl das Ende, trotz, dass ich irgendwie damit zufrieden bin, habe ich etwas anderes erwartet.