Leo N. Tolstoi wurde 1828 in der NĂ€he der russischen Stadt Tula als Leo Nikolajewitsch Graf Tolstoi geboren. Seine Werke âKrieg und Friedenâ und âAnna Kareninaâ gelten als Klassiker der realistischen Literatur.
Tolstoi entstammte einem russischen Adelsgeschlecht und wurde bereits im Alter von neun Jahren Vollwaise â seine Tante ĂŒbernahm die Vormundschaft fĂŒr ihn. Sein begonnenes Studium der orientalischen Sprachen und der Rechtswissenschaften brach er schlieĂlich1847 ab, um sich der Verbesserung der LebensumstĂ€nde seiner 350 geerbten Leibeigenen zu widmen.
Als Soldat in der zaristischen Armee kĂ€mpfte Leo N. Tolstoi im Kaukasus und erlebte im Verlauf des Krimkrieges die Belagerung der Festung Sewastopol. Seine Kriegsberichte (âDer Holzschlagâ, âDer Ăberfallâ, âSewastopoler ErzĂ€hlungenâ) machten ihn als Schriftsteller bekannt.
Auf einer Reise durch mehrere westeuropĂ€ische LĂ€nder, die Tolstoi 1857 und 1860/61 unternahm, besuchte er bekannte KĂŒnstler und PĂ€dagogen, unter anderem Charles Dickens und Adolph Diesterweg. Nach seiner RĂŒckkehr richtete er Dorfschulen ein, um die Bildung der Landkinder zu fördern. Obwohl die zaristische Verwaltung die Schulen schlieĂen lieĂ, verfolgte Tolstoi seine pĂ€dagogischen Ziele weiterhin. So verfasste er zahlreiche LesebĂŒcher, die sich mit den Themen Geschichte, Physik, Religion und Biologie beschĂ€ftigten. Bis in die 1920er Jahre wurde sein âAlphabetâ in russischen Grundschulen verwendet.
1862 heiratete Leo N. Tolstoi die 18 Jahre alte deutschstĂ€mmige Sofia Andrehwna Bers, die Mutter von dreizehn gemeinsamen Kindern wurde. In den ersten Jahren seiner Ehe veröffentlichte er seine Monumentalromane âKrieg und Friedenâ sowie âAnna Kareninaâ, welche ihn international bekannt machten und ihm zu literarischen Ruhm verhalfen.
Von der ihm entgegengebrachten Anerkennung zunehmend ĂŒberfordert, durchlebte Tolstoi eine Lebensphase, in der er sich der Sinnsuche verschrieb. Der strenge Vegetarier verzichtete zusĂ€tzlich auf das Rauchen, Alkohol und auch die Jagd, welche er als âgrausame VergnĂŒgungâ bezeichnete. Ein berĂŒhmtes Zitat von ihm stellt seine Ăberzeugungen sehr treffend dar:âVom Tiermord zum Menschenmord ist es nur ein Schritt und damit auch von der TierquĂ€lerei zur MenschenquĂ€lerei. Solange es SchlachthĂ€user gibt, wird es auch Schlachtfelder geben.â Entsetzt vom Elend der Arbeiterklasse, denen es oftmals noch schlechter ging als der ohnehin notleidenden Landbevölkerung, setzte sich Tolstoi fĂŒr Hilfsprojekte ein. Ebenso ergriff er Partei fĂŒr religiös und politisch Verfolgte und besuchte wegen Kriegsdienstverweigerung Inhaftierte im GefĂ€ngnis.
Weiterhin als Autor aktiv, widmete er sich ab 1881 intensiv religiösen Fragen und fĂŒhrte zahlreiche GesprĂ€che mit fĂŒhrenden Geistlichen. Er entwickelte eine zunehmende Abneigung gegenĂŒber der ihm begegnenden praktizierten ReligiositĂ€t, welche er als Kriegsdienst bejahende Glaubensausrichtung ansah. Dieser âMissinterpretationâ setzte er die reine Lehre Jesu entgegen, insbesondere das Argument der NĂ€chstenliebe. In diesem Zusammenhang fertigte er auch eine NeuĂŒbersetzung der Evangelien ins Russische an.
Mit der Verbreitung seiner Ansichten (etwa in âKirche und Staatâ sowie âWas darf ein Christ und was nicht?â) brachte er Politik und Kirche gegen sich auf.
Ab 1882 wurde Tolstoi polizeilich ĂŒberwacht, seine Werke âMeine Beichteâ und âWorin mein Glaube bestehtâ wurden direkt nach Erscheinung verboten. Es wurde das GerĂŒcht in Umlauf gebracht, er sei geistesgestört. 1901 wurde er von der Heiligen Synod aufgrund seiner religionskritischen ĂuĂerungen exkommuniziert.
Neben weiteren staatlichen Repressionen â etwa einer Hausdurchsuchung im Jahre 1908, bei der alle gefundenen Texte konfisziert wurden â zehrten verschĂ€rfte familiĂ€re Konflikte an Tolstois KrĂ€ften. Auf einer letzten, spektakulĂ€ren Zugreise Richtung SĂŒden â zusammen mit seinem Arzt und seiner jĂŒngsten Tochter - erkrankte Tolstoi an einer LungenentzĂŒndung und starb â umgeben von Journalisten â am 7. November 1910 im BahnwĂ€rterhĂ€uschen von Astapowo. Zwei Tage spĂ€ter wurde er in Jasjana Polkana beigesetzt.