Rezension zu "Das Echo dieser Tage" von Kristin Marja Baldursdottir
Bei diesem Buch tue ich mich schwer mit einer Beurteilung, denn es hat in meinen Augen große Stärken, aber auch einige Schwachpunkte, die mich beim Lesen oft genervt haben.
Dass ich drangeblieben bin, lag sicher zum einen am Thema. Eine Frau im Prozess des Älterwerdens, die sich neu definieren muss, da sie aus ihren gewohnten Lebenszusammenhängen hinausgeworfen wird - das finde ich spannend zwischen all den jungen oder höchstens "mittelalten" Heldinnen und Helden, die viele Romane bevölkern. Dieses Buch enthält eine geballte Ladung Lebensweisheit, die in schöner Sprache an die Leserschaft gebracht wird. Ruhig und anschaulich erzählt, erfährt man viel vom Innenleben der Hauptfigur. Deren Gedanken und Gefühle in der speziellen Lebenssituation fand ich meist interessant und nachvollziehbar.
Anders ging es mir mit manchen Wendungen der Handlung sowie mit einigen Dialogen (z.B. gleich anfangs rund um die Chorproben oder um den Isländischunterricht), die ich als völlig unglaubwürdig und konstruiert empfunden habe. Bei vielen Dialogen wurde dermaßen mit dem feministisch-pädagogischen Zeigefinger gewunken, dass es selbst mir als erklärter Feministin zuviel wurde. Viele Reaktionen auf Geschehnisse fand ich seltsam und unglaubwürdig. Klar, ich stecke auch nicht in allen Menschen drin und weiß nicht, wie sie ticken, aber es war mir einfach zu oft der Fall, dass ich kopfschüttelnd das Buch beiseitegelegt und gedacht habe: "Das kann doch jetzt nicht sein!" Ich habe das Buch allerdings gerade auch deshalb weitergelesen, weil ich mich über die Ecken und Kanten mancher Figuren geärgert habe, gleichzeitig aber auch darüber nachdenken musste, ob es ähnliche Leute nicht vielleicht doch auch in meinem Umfeld gibt.
Andererseits hat das Thema des Buches mich immer wieder zum Buch zurückgezogen. Es ist einfach eine interessante Lebensphase, in der viele Menschen es hinbekommen müssen, sich neu zu definieren, während andere Menschen (z.B. solche ohne Kinder oder solche, die sich nicht so stark über den Job definieren) schon immer gewohnt waren, auch mal auf sich selbst zurückgeworfen zu sein, ohne dann gleich in ein tiefes Loch zu fallen. Mich hat interessiert, wie die Prota diese Herausforderung meistern wird. Ob sie es schaffen wird, sich von dem inneren Zwang zu lösen, dass man gebraucht werden muss (von den Kindern, dem Arbeitgeber, der Gesellschaft...), um wertvoll zu sein. Ob sie es geschafft hat? Da bin ich mir gar nicht so sicher...
Und wie lange kann man eigentlich an einem Haus streichen...!?