Rezension zu "Benediction: Kent Haruf (Plainsong, Band 3)" von Kent Haruf
Für das schöne englische Wort "kindness" gibt es keine knackige deutsche Entsprechung. Das ist schade, denn in Kent Harufs dritter Sammlung von Ereignissen aus der fiktiven Kleinstadt Holt in Colorada, "Benediction", geht es genau darum. Um Zuneigung, Güte, Freundlichkeit - oder eben deren Ausbleiben. Zentrale Figur ist Dad Lewis, der sich aus ärmlichen Verhältnissen in Kansas kommend, einen Eisenwarenladen aufgebaut hat und bei dem Krebs im Endstadium diagnostiziert wurde. Nun will dieser einfache Mann mit schlichtem Gemüt seine irdischen Dinge regeln, materiell, aber auch emotional. Aber auch um ihn herum hat jeder sein Kreuz zu tragen und seine Kämpfe zu fechten, was in einer kleinen Stadt wie Holt nicht unbemerkt geschieht.
Kent Haruf hat sich nach 'Plainsong' und 'Eventide' im dritten Teil seiner Holt-Romane fortentwickelt. Er wechselt das Personal, und er geht harscher mit seinen liebenswerten Provinzlern um. Die Kleinstadt gibt immer noch Sicherheit und Überschaubarkeit, das große ferne Denver ist immer noch unheimlich, aber auch die Schattenseiten, die Engstirnigkeit, das Beengende der Provinz wird nun deutlich offenbart, und nicht nur in Verfehlungen oder Borniertheiten einzelner (wie Dad Lewis, der es nicht mehr schaffen wird, sich mit seinem schwulen Sohn auszusöhnen, von dem er sich über Jahre ferngehalten hat). Der Lehrerin wird die Affäre mit dem verheirateten Kollegen weder vom Kollegium noch von den Gremien der Schulaufsicht verziehen, und der Pastor, der aus tiefster christlicher Überzeugung mit den Worten der Bergpredigt das US-Engagement im Irak oder in Afghanistan (das kommt nicht so ganz deutlich raus) anzweifelt, steckt Prügel ein und wird letztlich von seiner Gemeinde aus der Stadt getrieben.
Immer noch meisterhaft ist die Fähigkeit Kent Harufs, mit einfachem Englisch, ohne tiefes Eindringen in die Innensicht seiner Figuren, ohne innere Monologe, ohne Heranzoomen, ohne Schweißperlen auf der Stirn und zugeschnürte Hälse, einfach aus der höflich beobachtenden Distanz, anhand ihrer Wortwahl und ihrem Verhalten Menschen glaubhaft und plastisch zu zeichnen, tiefe und wahre und einzigartige Charaktere zu schaffen, die einen fesseln.