Rezension zu "Böse Absichten" von Keigo Higashino
„Es geschah am 16. April, es war ein Dienstag.“ – 1. Satz
„Böse Absichten“ von Keigo Higashino ist 2017 im Piper Verlag erschienen, während die japanische Originalausgabe bereits 2001 unter dem Titel „Akui“ veröffentlicht wurde. Das Werk ist 256 Seiten schmal und es handelt sich um einen Kriminalroman. Vor einigen Jahren habe ich bereits „Unter der Mitternachtssonne“ von Keigo Higashino gelesen, welches mir damals außerordentlich gut gefallen hat. Außerdem bin ich ein Fan der japanischen Literatur, die oftmals einen klaren und sachlichen Schreibstil pflegt. Beide Gründe haben mir ausgereicht, um es mit „Böse Absichten“ zu versuchen.
Der Bestsellerautor Kunihiko Hidaka und seine Frau wollen nach Kanada auswandern. Ausgerechnet in der Nacht vor ihrer Abreise wird seine Leiche in der bereits ausgeräumten Villa gefunden. Kommissar Kaga wird auf den Fall angesetzt. Und er ist sich schnell sicher, dass Osamu Nonoguchi, der beste Freund von Hidaka, den Mord begangen haben muss. Die Ermittlungsarbeit beginnt…
Der Roman ist in neun Abschnitte mit eigenen Überschriften gegliedert. Der Umfang der Abschnitte schwankt zum Teil stark (zwischen zehn und 54 Seiten). Dabei begleitet der Lesende die schrittweise Aufklärung des Falls. Einige Teile des Kriminalromans bestehen z. B. nur aus Zeugenaussagen oder einem Geständnis. Die Kapitel sind abwechselnd aus Nonoguchis oder Kommissar Kagas Perspektive geschrieben, was auch das Kräftemessen zwischen den beiden ehemaligen Kollegen deutlich macht.
Der Schreibstil bleibt dabei nüchtern und ruhig, aber abwechslungsreich. Denn es gibt Aufzeichnungen, Überlegungen und Zeugenbefragungen, bei denen auch immer wieder auf der Zeitebene zwischen Vergangenheit und Gegenwart gesprungen wird. Beide Kontrahenten berichten jedoch als „Ich“-Erzähler, was sowohl eine größere Einsicht in ihre Gedanken ermöglicht als auch die Möglichkeit einer Charakterstudie zulässt.
Sowohl Hidaka als auch Nonoguchi sind passionierte Autoren. Im Gegensatz zu Hidaka, schafft Nonoguchi nie wirklich den Durchbruch und hält sich mit dem Schreiben von Kinderbüchern über Wasser. Es scheint ein Über-Unterordnungs-Verhältnis zwischen den beiden Freunden zu geben. Kunihiko Hidaka wirkt zunächst selbstbewusst, mit einer Spur Überheblichkeit. Er scheint es zu genießen, in der Freundschaft die Oberhand zu haben. In Nonoguchis Aufzeichnungen wirkt er regelrecht bösartig. Erst später, als die Ermittlungen weiter voranschreiten, erkennt man seinen wahren Charakter.
Nonoguchi hingegen wirkt still, zurückgezogen und pflichtbewusst. Sein größter Wunsch ist es, ein gefeierter Autor zu werden. Für diesen Traum hängt er sogar seinen sicheren Job als Lehrer an den Nagel. Für den Lesenden ist er schwer durchschaubar, da er einerseits betont, wie sehr er in Hidakas Schuld steht, aber andererseits einen tiefen Groll gegen ihn hegen muss. Wirkt er eingangs intelligent, wandelt sich dies schnell zu manipulativ und am Ende sogar intrigant.
Kommissar Kaga bleibt überwiegend unauffällig in dem Buch. Man merkt ihm einen gewissen Respekt gegenüber Nonoguchi an, da dieser ein alter Lehrerkollege von ihm ist. Er steigert sich immer mehr in den Fall hinein, wobei er vor Allem hinter das Motiv des Mordes kommen möchte. Kaga geht in seiner Ermittlungsarbeit strukturiert und gründlich vor. Erst gegen Ende, bekommt der Mord für ihn eine persönliche Komponente und er gibt etwas über sein eigenes Leben preis.
An dem Kriminalroman hat mir der Aufbau und der Schreibstil sehr gut gefallen. Die unterschiedlichen Kapitel, Perspektiven und Zeitebenen lockern die Handlung auf und der Lesende kann die Arbeit und neusten Erkenntnisse der Polizei an dem Fall eins-zu-eins mitverfolgen. Die Vermutungen, Schuldbekenntnisse und Zeugenaussagen sorgen zudem für Abwechslung.
Ein Kritikpunkt ist für mich allerdings die Länge der Geschichte. Oder eher ihre Kürze. Um den Figuren näher zu kommen, hätte ich mir an einigen Stellen gewünscht, dass sich der Autor mehr Zeit genommen und ihre Sichtweise ausführlicher dargestellt hätte. Die Auflösung am Ende wirkt eher wie eine schnelle Abhandlung als ein rundes Ende.
Nichtsdestoweniger mochte ich die überraschenden Wendungen, die die Geschichte immer wieder nimmt. Die Version der Mordnacht ändert sich so oft, dass man als Leser*in zwischenzeitlich völlig verwirrt ist, wem man noch trauen kann. So bleibt der Kriminalroman trotz des sachlichen und ruhigen Schreibstils dauerhaft spannend. Allerdings leidet die Glaubwürdigkeit des Falls nach jeder weiteren Abzweigung etwas. Ein großer Wendepunkt und Schockmoment hätte mir persönlich ausgereicht.
Ich würde das Buch denjenigen Lesenden empfehlen, die das Genre der Krimis und Thriller bereits kennen und mögen. Es kommt ohne viel Blut und Gewalt aus. Für meinen Geschmack war die Geschichte an einigen Stellen leider etwas zu kurz gefasst und unglaubwürdig. Allerdings gibt es einige spannende Wendungen und einen abwechslungsreichen Schreibstil. Ich gebe 3,5/5 Sterne und runde auf dieser Website auf 4/5 Sterne auf.