Rezension zu "Adressat unbekannt" von Kathrine Kressmann Taylor
Ein starkes, dünnes Büchlein, das mich teilweise wütend und traurig gemacht hat.
Die Message hinter dem Buch "Worte sind stärker als Taten" fand ich genial.
Quelle: Verlag / vlb
Ein starkes, dünnes Büchlein, das mich teilweise wütend und traurig gemacht hat.
Die Message hinter dem Buch "Worte sind stärker als Taten" fand ich genial.
Der Jude Max Eisenstein und sein Freund Martin Schulse führen gemeinsam in New York eine Kunstgalerie. 1932 kehrt Martin nach Deutschland zurück. Die beiden tauschen fortan regelmäßig im Abstand von vierzehn Tagen freundschaftliche Briefe aus.
Als Hitler 1933 an die Macht kommt, bedeutet das auch das schleichende Ende der Freundschaft zwischen Max und Martin. Denn Martin, der anfangs Hitler und seine Ideologie noch scheel betrachtet hat, findet immer mehr Gefallen an dessen Regierung. In den Briefen an Max kommt allerdings nicht heraus, ob aus Überzeugung oder „nur“ als Anpassung, um seine eigene Familie und die Geschäfte nicht zu gefährden.
In einem Brief ersucht Martin, der nun Mitglied der NSDAP ist, von weiteren Briefen Abstand zu nehmen, da er sein Leben und das seine Familie durch den Briefwechsel mit einem Ausländer und Juden gefährdet sieht.
Trotzdem bittet Max Martin seiner Schwester Griselle zu helfen. Martin verweigert Griselle, die als Jüdin ausgerechnet im Nazi-Deutschland als Schauspielerin Karriere machen will und mit der er einst ein Verhältnis hatte, die Hilfe. Ja, im Gegenteil, er liefert sie förmlich der SA aus. Griselle wird auf Martins Anwesen erschlagen.
Als Martin seinen ehemaligen Freund in dürren Worten vom Tod Griselles in Kenntnis setzt, und sich abermals jeglichen Kontakt verbittet, nimmt Max Eisenstein auf perfide Art Rache. Zweimal im Monat schreibt er freundschaftlich Briefe an Martin, der daraufhin in den Fokus der NS-Schergen gerät.
Maxens letzter Brief an Martin kommt mit dem Vermerk „Adressat unbekannt“ zurück ...
Meine Meinung:
Dieser, kurz nach der Reichsprogromnacht 1938, in der New York Times veröffentlichte Roman, zeigt, dass man in den USA schon früh über die Ermordung der Juden in Deutschlands Bescheid gewusst und wenig zur deren Rettung unternommen hat.
Dieser Roman zeigt auf wenigen Seiten wie aus Freunden erbitterte Feinde werden, wie sich Menschen innerhalb weniger Wochen oder Monate einer menschenverachtenden Ideologie verschreiben (können).
Die subtile Rache von Max Eisenstein, zeigt, dass die NS-Schergen auch eigene Parteimitglieder erbarmungslos verfolgen, wenn sie ihren Idealen zuwiderhandeln. Denn durch Vorspiegelung falscher Tatsachen erreicht Eisenstein, dass Schulse, Opfer des Systems und damit seiner eigenen Überzeugung wird.
Kurzgeschichten sind eigentlich nicht so mein Lieblingsgenre. Aber dieser Briefroman, der kein einziges Wort zu viel oder zu wenig hat - wie auch Elke Heidenreich im Nachwort erklärt, hat mich eines Besseren belehrt.
Der Roman ist 1944 - also mitten im Zweiten Weltkrieg - verfilmt worden.
Fazit:
Ein trotz der Kürze beeindruckende Roman, dem ich gerne 5 Sterne und eine Leseempfehlung gebe.
Meine Meinung ist recht simpel. Lest das Buch. Es ist lesenswert. Es ist empfehlenswert. Es hat nicht viele Seiten, dafür um so mehr Inhalt, die mit voller Wucht und sehr präzise in einem Briefwechsel ihre Entfaltung bringen. Definitiv ein Kandidat für mein Lesehighlight 2021.
P.S. Meine Ausgabe unten verlinkt hat das ehemalige Vorwort von Elke Heidenreich, als Nachwort, doch ich hatte auch so noch eines Users Warnung im Ohr, es nicht als Vorwort zu lesen.
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