Rezension zu "Über Carl reden wir morgen" von Judith W. Taschler
„Über Carl reden wir morgen“ ist ein großer Familienroman über die Mühlviertler Familie Brugger, die Müller und Sagmeister sein und die Familie Eder, die die größten Bauern in der Gegend sind. 3 Generationen lang erzählt Judith W. Taschler von deren Leid und Freud, Verstrickungen und Schicksalsschlägen.
Seine Tante Josefine hatte ihm, als er ein Kind gewesen war, die Geschichte von den Schutzengeln erzählt, die unsichtbar über jedem Menschen schwebten und auf ihn achtgaben. Er fand die Vorstellung tröstlich, sein Vater tat sie mit einer ärgerlichen Handbewegung ab.
Nach dem ersten Weltkrieg, der von allen ein hohes Opfer abverlangte und viel Leid über die Bevölkerung brachte, schaffen es beide Familien endlich in Frieden zu leben.
Meine persönlichen Leseeindrücke
„Über Carl reden wir morgen“ ist ein Familienepos über 3 Generationen, das mich sehr schnell in seinen Bann zieht. Zügig geht die Geschichte voran, denn es gilt einen Zeitrahmen von ca. 100 Jahren bis nach dem ersten Weltkrieg zu erzählen. Die sehr vielen Romanfiguren bindet die Autorin geschickt in eine bildhafte Darstellung der verschiedensten Lebensumstände im Kaiserreich und in Übersee ein. Trotz eines komplexen Handlungsgeflechts wird es niemals unübersichtlich oder chaotisch. Klar zeichnet sie Verbindungen auf, schwenkt geschickt die Aufmerksamkeit mal auf diese, mal auf die andere Romanfigur, die sie ausgesprochen gut charakterisiert. Dabei verschwendet sie keine Zeit mit belanglosen Beschreibungen von Äußerlichkeiten, sodass ich mir das Aussehen der einzelnen Protagonisten nach meinem Geschmack vorstellen darf.
Die Müller und die Eder stehen für Familien, wie sie im Alpenkaiserreich durchaus vorgekommen sind. So finde ich einige Parallelen auch zu meiner Familie. Da ist zu einem die Beschreibung des grauenvollen 1. Weltkrieges. Hier finde ich Parallelen zu Roths großem Werk „Radetzkymarsch“ oder auch Lemaitres „Wir sehen uns dort oben“ und denke an die Erzählungen in meiner Familie über meinen Großvater mütterlicherseits, der als Kaiserjäger gegen die Italiener kämpfte.
Jetzt verstehe ich Tante Finis Spruch von den unergründlichen Wegen Gottes, dieser hat hier seine absolute Gültigkeit und ist an Zynismus und Hohn nicht zu übertreffen.
Auch das Thema Auswanderung gab es in meiner Familie. Mein Großvater väterlicherseits wollte nach Amerika, aber er war Müller und trug die Verantwortung für die Mühle, als jüngster der 14 groß gewordenen Kinder meiner Urgroßeltern.
Das Ende dieses elegant geschriebenen Familienromans hat mich überrascht und der Geschichte einen schönen Abschluss gegeben. Das offene Ende, das durch ein glückliches Ereignis besiegelt wird, lässt viel Raum für eine Weiterführung der Familiensaga.
Fazit
„Über Carl reden wir morgen“ ist ein großartiger Familienroman über zwei Mühlviertler Familien, die Judith W. Taschler über 3 Generationen erzählt. Es erwartet ein umfangreicher Plot mit vielen Höhen und Tiefen, der bis zum Schluss spannend bleibt. Vor allem aber bietet er schönsten Lesegenuss.
Was das Glücklichsein betrifft, besteht die Kunst darin, es zu bleiben.