Rezension zu "Am roten Strand" von Jan Costin Wagner
Bei ihrem letzten Einsatz haben Ben Neven, Christian Sander und ihr Team eine Kindesentführung aufgeklärt. Der Fall zieht nun noch weitere Kreise. Mehrere Männer sind in einen schrecklichen Skandal um Kinderpornografie verwickelt. Doch nicht nur die Polizei ist ihnen auf den Fersen. Einer der Beschuldigten wird ermordet. Bald stellt sich heraus, dass auch die anderen Verdächtigen in Gefahr schweben. Die Beamten ermitteln gegen die Kriminellen ermitteln und müssen sie gleichzeitig beschützen. Nicht nur das. Ben, der ein dunkles Geheimnis verbirgt, bringt der Fall zusätzlich in einen schweren, persönlichen Gewissenskonflikt.
Jan Costin Wagner hat einen unverwechselbaren, individuellen, intensiven Sprachstil. Er erzählt im Präsens und multiperspektivisch, nimmt nicht nur Christians oder Bens Sicht ein, sondern auch die des Täters oder anderer vom Fall direkt oder indirekt Betroffener. Costin Wagner macht es möglich, dass man beim Lesen fast das Gefühl hat, das Geschehen selbst zu beobachten, die Stimmung selbst zu fühlen. Er schildert messerscharf und glasklar, bringt die Dinge mit wenigen Worten auf den Punkt, wenn er beispielsweise schreibt: „Ben nickt. Er möchte weitersprechen, aber da sind keine Worte mehr.“
Ben Neven, dessen persönliches Dilemma durch den Fall besonders offensichtlich wird, ist ein extremer Charakter, der bei der Leserschaft sicher mindestens genauso extreme Emotionen auslösen wird. Nicht die Figuren selbst sind tiefgründig und komplex, sondern ihre teils ausweglosen persönlichen Situationen und Umstände, die sich wiederum auf die Persönlichkeitsentwicklung der Charaktere auswirkt.
Für den Kriminalfall gilt: „Täter werden zu Opfern. Sie sollen das Wichtigste verlieren.“ Dass die „Bösen“ nun beschützt werden müssen, wirft zwangsläufig moralische Fragen auf. Auch der Anwalt, der einen Verdächtigen verteidigt, macht sich seine Gedanken zum Thema. Einige Handlungsstränge, so der Selbstmord der Tochter von Bens väterlichem Freund Landmann, haben nicht direkt mit dem eigentlichen Plot zu tun, dennoch fügen sie sich in die Geschichte ein, verdichten sie.
Erneut ist Jan Costin Wagner ein knallharter, schonungsloser Krimi gelungen: bedrückend, düster, atmosphärisch, psychologisch. Ein Krimi, der traurig und sprachlos macht, zwiespältige Gefühle, ja Ekel auslöst, aber dennoch beeindruckt. Das vermag nur Jan Costin Wagner. Zwar nicht ganz so unerwartet wie der Vorgänger, aber dennoch ein bemerkenswertes, starkes Buch.