Nachdem er seinen Inspector John Rebus in den Ruhestand geschickt hatte, widmete sich Ian Rankin zunächst anderen Protagonisten. Einer davon ist Malcolm Fox, der im Original 2009 das Licht Edinburghs erblickte. Der Originaltitel „The Complaints“ verrät auch gleich, wo Fox tätig ist, nämlich in der Abteilung für interne Ermittlungen, die Verfehlungen von Polizeibeamten zu untersuchen und zu prüfen hat. Die Handlung erstreckt sich, ähnlich wie oft bei Rebus über einen sehr überschaubaren Zeitraum von einigen Tagen, in diesem Fall einige Tage im Februar 2009. Malcolm Fox soll einen jungen Sergeant im Auge behalten, der verdächtigt wird, einem Kinderpornoring anzugehören. Ausgerechnet dieser Sergeant ist an den Ermittlungen des Todes des Lebensgefährten von Malcolms Schwester beteiligt. Weil Malcolm das Mordopfer verabscheut hat, weil der seine Schwester schlug, gerät er selbst in Verdacht. Dennoch freunden sich die beiden Protagonisten Jamie Breck und Malcolm Fox an.
Bevor man angefangen hat zu lesen, sich nur mit dem Klappentext beschäftigt hat, könnte man auf die Idee kommen, Rankin hätte mit dem neuen Mann einen kreiert, der John Rebus‘ Gegenteil verkörpert, denn Rebus ist durchaus ein Charakter, der ein Fall für interne Ermittlungen hätte sein können. Doch bereits auf den ersten Seiten wird klar, dass Fox und Rebus durchaus Gemeinsamkeiten aufweisen. So ist Fox trockener Alkoholiker und wie Rebus geschieden. Bei beiden sind die Familienverhältnisse nicht ganz einfach und beide fahren ursprünglich schwedische Automarken, Rebus einen Saab und Fox einen Volvo.
Obwohl Rankin als Handlungsort wieder Edinburgh gewählt hat und auch wieder die real existierenden Polizeireviere eingebaut hat, tauscht er das Personal komplett aus, d.h. es ist niemand mehr dabei, den der Leser aus den Rebus-Krimis kennt.
Als ein wenig nervig empfand ich den wohl als „Running Gag“ vorgesehenen Teil mit dem Kaffee im Büro.
Etwas unlogisch mutet es schon an, dass Breck und Fox trotz Suspendierung einfach unbehelligt weiter ermitteln, obwohl beide vorher überwacht wurden. Das ist die menschliche Logik schon sehr weit gedehnt, auch wenn dann der Part eingestreut wird, wo sie dem Chief Inspector Rede und Antwort stehen müssen. Endgültig ins Reich der Fantastik und abseits des gesunden Menschenverstandes begibt sich die Story aber, als es den beiden Protagonisten möglich ist, ein Gespräch mit einem Gangsterboss auf verschiedene Weise aufzuzeichnen und live zu übertragen, ohne dass der Mann etwas bemerkt.
Zwischendurch ist es sehr schwierig, den Überblick zu behalten, wer da von wem verdächtigt, benutzt, betrogen wird. Da hat Rankin für meinen Geschmack eine Umdrehung zu viel eingebaut. Ohne Notizen hätte ich den Verwicklungen nicht folgen können und nebenher Notizen zu machen ist vermutlich nicht jeden Lesers Sache. Auch der Autor selbst scheint bisweilen nicht mehr den richtigen Überblick bewahrt haben zu können, denn so manche Aufklärung am Ende wirkt doch sehr bemüht, an den Haaren herbeigezogen oder entfällt ganz, wie z.B. bei dem Faden mit der internen Ermittlerin, die Breck und Fox einweihen. Die Dame verschwindet nach dem Gespräch einfach aus der Geschichte.
Ich weiß natürlich nicht, was Rankin geritten, hat, nach der Pensionierung von John Rebus und der Positionierung eines neuen Protagonisten den Bogen derart kompliziert zu überspannen. Vielleicht wollte er, gerade weil John Rebus sehr beliebt war, gleich im ersten Nachfolgeroman zeigen, dass er dennoch entbehrlich ist. Das ist aber nicht so recht gelungen, zumal die Ähnlichkeiten zwischen Rebus und Fox einfach zu groß sind. Zwei Sterne.