Rezension zu "Mahomet und Karl der Grosse" von Henri Pirenne
Henri Pirenne, Historiker-Schwergewicht der französischen Geschichte, hat mit seinem bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorgelegten Studie "Mohammed und Karl der Große" seine Kernthese für das Verständnis des Mittelalters vorgelegt. Für ihn hat nicht die Völkerwanderung das Ende der Antike und den Beginn des Mittelalters bewirkt, sondern die Expansion des Islam nach Kerneuropa. Erst mit diesem Kulturbruch begann eine Diskontinuität, ein Abbrechen der antiken Traditionen und ein Abfall ins "Dunkle Mittelalter". - Die These wurde bis in die 1980er Jahre kontrovers diskutiert. In der mir vorliegenden Ausgabe hat Jacques LeGoff Ende der 1960er Jahre die These Pirennes noch recht milde kommentiert. Aber er verweist bereits zu diesem Zeitpunkt auf eine sehr breite Forschungsdiskussion, die in vielen Facetten eben gerade Pirennes Position nicht folgt. Die aktuelle Forschung jedenfalls sieht Pirennes These mittlerweile kritisch. Unabhängig hiervon bleibt dieses Buch lesenswert, weil es Pirenne gelingt, eine gute Gesamtdarstellung der im Frühmittelalter relevanten Entwicklungen aufzuzeigen und Vernetzungen herzustellen.