Wenn (zu vieles) in gleicher Weise wieder von Neuem beginnt
Es macht schon durchaus Sinn in diesem Roman, liest man sich langsam durch die Ereignisse, dass es gerade die Insassen und Pfleger einer psychiatrischen Anstalt, dem „Haus der Künstler“ das „Massensterben der Menschheit“ überleben. Denn so steht Gerhard Roth in diesem, letzten Roman eine vielfache Breite erkennbar ausgeprägter „Persönlichkeitsausprägungen“ zum einen zur Verfügung und, indem auch behandelnde Ärzte und Personal „vom Neben verschont bleibt“, auch eine eigentlich mitzudenke „Hackordnung“ impliziert wird. Denn die „Gesunden“ (Fachleute) müssen ja wohl die Federführung bei der Organisation des „neuen Lebens“ übernehmen. Oder nicht?
Und doch kommt alles anders, aber auch wiederum vertraut, wenn Gerhard Roth in seiner bildreichen und Sprache diesen besonderen Neuaufbau als „Volk der Imker“ als Rahmen setzt für seine reflektierten und lebenserfahrenen Betrachtungen der menschlichen Kultur und Antriebskräfte.
„Wir waren die ersten Menschen, die die Gegenwart als Vergangenheit erlebten, denn die Zeit war durch einen Dammbruch aus ihrem Stausee in die Tiefe gestürzt, und wir begannen sie erst jetzt wieder zusammenzusammeln. Es war keine Weiderholung eines bekannten Zustandes, sondern ein Neubeginn. Die Zeit musste einen neuen Weg finden und neue Stauräume erschaffen“.
Mit der Besonderheit, dass ein roter Faden, eine klar erkennbare Geschichte von „A-Z“ erzählt, nicht im Mittelpunkt des Romans steht. Sondern ein Mann. Franz Lindner, Künstler seines Zeichens nach, vor allem aber an Schizophrenie leidend. Und damit der „neuen Welt“ im „gelben Nebel“ und den Bienen und den anderen überaus „zwiespältig“ gegenübersteht.
Somit verbleibt auch von Beginn des Romans an die Frage im Raum, was denn nun „echt“ und was „eingebildet“, was sorgsam erzählt und was fabuliert von Franz Lindner durch dessen Augen und (teils verzerrter) Wahrnehmung vor die Augen des Lesers geführt wird.
Mehr und mehr nun organisiert sich ein neues Leben, entstehen vertraut erscheinende Hierarchie wieder neu, sammeln sich andere Überlebende tröpfelnd zur neuen „Dorfgemeinschaft“ hinzu, Liebesgeschichten deuten sich an und werden dann handfester, wie man sich das so vorstellt nach dem ersten Schock eines von Menschen und vielen Tieren entleerten Planeten (der hier natürlich nur in einem Mikrokosmos aufersteht).
Das all dies auch, und nicht leise, deutliche Kritik und einen fast verzweifelten Blick auf die Menschheit an sich der Gegenwart beinhaltet, benötigt bei der Lektüre keiner besonderen Betonung. Wenn von den „ausradierten“ Menschen ausschließlich die „ausgeschmückte Hülle“ zurückbleibt (ein Kleiderhaufen samt „Dingen“, die bei sich geführt oder am Körper getragen wuden), dann ist bereits klar, woran Roth beim Blick auf das menschliche Leben leidet und seit langem schon gelitten hat. Die „Kurzfristbefriedigung“ inneren Lust-Impulse steht über allem und zerstört das mögliche an Miteinander und friedlicher Koexistenz.
Das alles poetischer Sprache verfasst, voller Bilder, kraftvoller Sätze, sacht beschreibender Assoziationen ist sprachlich auf jeden Fall ein Genuss, wenn auch der Überblick über das „große Ganze“ nicht selten verloren geht und eher die vielfachen Episoden im Roman für sich alleine stehen. Und ebenso kann man sich auf offenere oder verdeckte Spurensuche in der Kunstgeschichte begeben, denn vieles im Buch findet seinen symbolischen Ausdruck in bekannten Kunstwerken.
Am Ende verbleibt eine Vielfalt von Eindrücken und Assoziationen, ein wenig verstehen, worum es denn nun ganz genau ging und ein Aufruf, das alles zu verbrennen. Was den Leser zwischen angeregter Lektüre und vielen Fragezeichen zum Teil leicht ratlos, aber literarisch gefüllt zurücklässt.