Rezension zu "Dr. Arnulf Schmitz-Zceisczyk" von Gerhard Polt
Wenn die Moderne zuschlägt
Natürlich kann den Mann kein Wässerchen trüben. Ist doch alles völlig normal. Dass man „in Finanzen macht“, um die Welt jettet, sein Vermögen hegt und pflegt und überhaupt ja doch wohl erwarten kann, dass auch die anderen Leutchen von vorneherein verstehen: Da stellt man sich so einem doch nicht in den Weg!
Da lässt man doch nicht sein altvertrautes Leben einfach weiterlaufen, wenn sich ein Dr. Arnulf-Schmitz Zceiscyk, als lauter gutem Charakter heraus, erbarmt, den „Bauerleutchen“ aus der Patsche zu helfen. Mit natürlich deutlichen Abschlägen für das alte Haus am Tegernsee, versteht sich, aber doch nur zu deren Besten!
„Ich hab also diese Schaluppe gekauft“.
Aber: „Bis wir da so heimisch geworden sind, das hat sich hingezogen“.
Und das nicht unbedingt mit den anderen „Neubürgern“ am Tegernsee, die mal kurz das Portfolio nur lüften für ein Anwesen, sondern mit den (weniger werdenden, aber hartnäckigen!) „Ureinwohnern“. Die doch, unter anderem, nicht den Kotau täglich machen und zudem, wer konnte das ahnen, gar ihrer altvertrauten Arbeit auf dem Hof weiter nachgehen wollen. Ohne Rücksichtnahme, was den neuen Gönner und Gutmenschen angeht.
Gülle, Schweine, Vieh, Gerüche, gar noch Almauftriebe und Abtriebe, wer kann denn da in ruhe seine verdienten Auszeiten genießen? So nicht! Nicht mit einem Dr. Arnulf Schmitz-Zceiscyk. Wer hat der hat, vor allem Anwälte. Und wer nicht hat, der wird diese und damit die „neue Welt“ einfach mal gründlich kennenlernen müssen. Vielleicht kann man ja später noch mit einer Kleinigkeit unterstützten, den Burgfrieden wieder herstellen in der Nachbarschaft, wenn man denen ihre Höfe und Häuser vielleicht zu einem guten (natürlich für ihn, nicht für die) Kurs noch aus Gnade abkaufen würde?
Alleine schon das „sich einfühlen“ in teils todernster Form des Gerhard Polt (unverdächtig eines Neo-Liberalismus) in eine solche Figur, diese Ernsthaftigkeit, mit der abstruse Dinge, Gedanken und Werte als gesetzt, der Natur entsprechend, normal und einfach intern bestens begründet in den Raum treten , lohnt bereits die Lektüre. Denn gerade weil Polt auf offensichtliche Verballhornungen zunächst verzichtet und den Leser mit hinein nimmt „in den Kopf“ seines Protagonisten, gerade dies lässt den Leser hier und da an sich selbst und seinem „natürlichen Empfinden“ stark zweifeln, bis es gar in Teilen einem klamm ums Herz wird und die Pole der Gesellschaft sinnbildlich hier am schönen (und teuren) Tegernsee weitgehend unversöhnlich einander gegenüber stehen. Nicht aus strategischer Böswilligkeit, sondern schlicht und einfach, weil, so scheint es am Ende, auf verschiedenen Planeten gelebt wird.
„Ja, bei uns am Tegernsee, das ist natürlich landschaftlich schön. Da könnt ihr nicht mithalten da oben – in Gießen“. Als wenn es auf der Welt nur um einen anregenden Ausblick geht und nicht um Lebenswirklichkeiten, die am Geld tatsächlich zerbrechen, „vertrieben“ werden.
„Da hatten wir bei den Rotariern einen Bordeaux-Abend. Das ist immer sehr zünftig“.
Das Zitat reicht schon, um die Paradoxie dieser Welt auf den punkt zu bringen. Dass man teure Weine als „zünftigen Abend“ setzt, mag der Ur-Bayer am Tegernsee wohl nicht ganz nachvollziehen. Aber am Ende, stört der nicht einfach nur, der Ur-Einwohner?
Wobei auf den letzten drei Seiten dann auch wieder, was den Leser fast zum Mitleid treibt, diese Gentrifizierung der Herr Dr. am eigenen Leib erleben wird.
Der kurze Blick auf Kitzbühel reicht eigentlich dann auch aus, um am Ende des bestens geschriebenen, an sich aber übersichtlichen Werkes, deutlich zu machen: All das mit dem Tegernsee ist nur der erste Schritt. Wenn Pakistan, Indien, Afghanistan und „Roasted Potatoe with Black Pudding“ ins Spiel kommen, dann weiß man: da ist noch Luft nach oben. In den schönen Orten mit tollen Aussichten……..