Gerd Fesser

 4,2 Sterne bei 5 Bewertungen
Autor*in von Preußische Mythen, 1806 und weiteren Büchern.

Lebenslauf von Gerd Fesser

Jg. 1941, Dr. phil. , nach dem Studium der Geschichte und Archivwissenschaft an der Leipziger Universität arbeitete er 1964-1999 am Historischen Institut (bzw. der Sektion Geschichte) der Jenaer Universität sowie am Zentralinstitut für Geschichte in Berlin. Er veröffentlichte viele Bücher, darunter Biographien des Reichskanzlers Bernhard von Bülow und des Schriftstellers August Becker, eine Darstellung der „Weltpolitik“ der Kaiserzeit und einen Band über den Preußisch-Französischen Krieg von 1806/07. 2005 gab er die Memoiren des Grafen Robert von Zedlitz-Trützschler, Hofmarschall Kaiser Wilhelms II., neu heraus. 2009 erschien sein Buch „’Herrlichen Tagen führe Ich euch noch entgegen!’ – Das wilhelmische Kaiserreich 18901918“, 2012 der Titel „Preußische Mythen – Ereignisse und Gestalten aus der Zeit der Stein/Hardenbergschen Reformen und der Befreiungskriege“ und 2017 „‘… ein Haufen verwilderter Professoren und verführter Studenten‘ – Das Wartburgfest der deutschen Studentenschaft 1817. Hinzu kommen zahlreiche Beiträge in Zeitschriften und Sammelbänden. Gerd Fesser lebt in Apolda bei Weimar.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Gerd Fesser

Cover des Buches Preußische Mythen (ISBN: 9783943425017)

Preußische Mythen

 (2)
Erschienen am 10.11.2011
Cover des Buches 1806 (ISBN: 9783932906701)

1806

 (1)
Erschienen am 13.03.2006
Cover des Buches Reichskanzler von Bülow (ISBN: 9783861892953)

Reichskanzler von Bülow

 (1)
Erschienen am 19.09.2003

Neue Rezensionen zu Gerd Fesser

Cover des Buches Reichskanzler von Bülow (ISBN: 9783861892953)
A

Rezension zu "Reichskanzler von Bülow" von Gerd Fesser

Bernhard von Bülow und die "Weltpolitik" des Deutschen Kaiserreiches
Andreas_Oberendervor 2 Jahren

Zwischen Bismarcks Rücktritt 1890 und dem Ende des Ersten Weltkrieges standen sieben Reichskanzler an der Spitze der Regierung des Deutschen Kaiserreiches. Nur die wenigsten von ihnen sind historisch so bedeutsam, dass ihre Namen im allgemeinen historischen Bewusstsein verankert sind. Keiner von Bismarcks Nachfolgern besaß das Format des "Eisernen Kanzlers". Caprivi und Hohenlohe vermochten sich nicht gegen Kaiser Wilhelm II. zu behaupten; Michaelis und Hertling waren Nullitäten; Prinz Max von Baden amtierte nur für ein paar Wochen. Allein Bernhard von Bülow und Theobald von Bethmann Hollweg sind im historischen Gedächtnis der Deutschen noch präsent, wenn auch nicht unbedingt aufgrund positiver Leistungen. Bülow brachte das deutsche Streben nach Weltgeltung mit der griffigen Formel auf den Punkt, das deutsche Volk beanspruche einen "Platz an der Sonne". Bethmann Hollweg wiederum spielte während der Juli-Krise 1914 eine verhängnisvolle Rolle.

Wissenschaftlich fundierte Biographien der sieben Reichskanzler sind Mangelware. Max von Baden hat erst jüngst durch Lothar Machtan eine biographische Würdigung erfahren. Neue Biographien gibt es auch über Hohenlohe (Volker Stalmann, 2009) und Michaelis (Bert Becker, 2007). Die einzige nennenswerte Bethmann-Hollweg-Biographie - aus der Feder von Konrad Jarausch - ist mittlerweile über 40 Jahre alt. Nur Bernhard von Bülow (1849-1929) hat einigermaßen kontinuierlich das Interesse der Geschichtswissenschaft auf sich gezogen. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen verdichteten und verschärften sich während seiner zwölfjährigen Amtszeit als Außenstaatssekretär (1897-1900) und Reichskanzler (1900-1909) die innen- und außenpolitischen Probleme des Deutschen Reiches. Zum anderen wird Bülow seit den 1920er Jahren vorgeworfen, er habe Deutschland mit seiner auftrumpfenden und konfliktträchtigen "Weltpolitik" diplomatisch isoliert und damit der Katastrophe von 1914 den Weg bereitet.

In allen Studien zur deutschen Geschichte am Vorabend des Ersten Weltkrieges, aber auch in Biographien Kaiser Wilhelms II. nimmt Bülow gleichsam automatisch einen wichtigen Platz ein. Ein Historiker muß daher nicht unbedingt Grundlagenforschung leisten, um eine Bülow-Biographie schreiben zu können. Um es bildlich auszudrücken: Der Acker ist bereits gut vorbereitet. Bedenkt man dies, so ist es nicht verwunderlich, dass Gerd Fesser nur 200 Textseiten braucht, um Bülows Leben und Laufbahn zu behandeln. Fessers quellennahes Porträt ist mit knappen Strichen gezeichnet, ohne dass sich behaupten ließe, die Biographie sei oberflächlich. Fesser beherrscht die Kunst, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und stets schnell auf den Punkt zu kommen. Die erste Fassung des Buches erschien 1991. Die zweite, 2003 erschienene Fassung wurde leicht überarbeitet. An manchen Stellen verrät der Sprachduktus aber noch immer, dass das Buch in den späten 1980er Jahren in der DDR entstanden ist.

Jeder Historiker, der sich mit Bülow beschäftigt, muß sich mit einigen kontrovers diskutierten Fragen auseinandersetzen. Die Fachwelt ist sich keineswegs einig in der Beurteilung von Bülows Persönlichkeit und Kanzlerschaft. War Bülow ein eigenständiger, ernst zu nehmender Politiker mit konkreten innen- und außenpolitischen Konzeptionen? So argumentieren beispielsweise Wolfgang Mommsen, Christopher Clark und Peter Winzen, wobei letzterer seit den 1970er Jahren die umstrittene These vertritt, Bülow habe "planmäßig" darauf hingearbeitet, dem Deutschen Reich eine Stellung als Weltmacht zu verschaffen. Einen ganz anderen Standpunkt nehmen der Kaiser-Biograph John Röhl und die amerikanische Historikerin Katherine Lerman ein. Sie sehen in Bülow kaum mehr als einen rückgratlosen "Höfling", der Wilhelm II. die endgültige Durchsetzung des sogenannten "Persönlichen Regiments" ermöglicht und keinerlei eigene politische Ziele verfolgt habe. Um es vorwegzunehmen: Fesser gehört zu denen, die in Bülow einen eigenständigen Politiker sehen, der sich nicht damit begnügte, nur den Launen und Befehlen seines kaiserlichen Herrn zu folgen. Zugleich wendet sich Fesser aber gegen Winzens These vom "Bülow-Plan" zur Erlangung der Weltmachtstellung.

In den ersten Kapiteln skizziert Fesser Bülows Herkunft, Jugend, Bildungsweg und diplomatische Karriere bis 1897. Der Aufstieg ins Zentrum der Macht gelang Bülow nicht zuletzt dank der Förderung des Kaiser-Freundes Philipp zu Eulenburg. Fesser bemüht sich um ein sachliches, nüchternes und ausgewogenes Porträt seines Protagonisten. Von Dämonisierung - oder dem Gegenteil, einer ungerechtfertigten Rehabilitierung - kann keine Rede sein. Bülow hielt die Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrages mit Russland (1890) für einen schweren Fehler. Ein gutes Verhältnis zu Russland hielt er für genauso wichtig wie Bismarck. Als Bülow 1897 nach Berlin berufen wurde, hatte sich Russland aber längst mit Frankreich verbündet. Fortan betrieb Bülow eine "Politik der freien Hand". Er setzte darauf, außen- und kolonialpolitische Spannungen zwischen Großbritannien und Russland zugunsten Deutschlands auszunutzen. Britische Bündnisofferten lehnte er rundweg ab. Dass sich Großbritannien und Russland eines Tages verständigen könnten, schien ihm unmöglich - bis es 1907 doch geschah. Um die Entente-Mächte auseinanderzudividieren, führte Bülow die erste Marokkokrise herbei, die aber anders endete, als es sich der Kanzler ausgerechnet hatte, nämlich mit einer Schlappe für das Deutsche Reich.

Charakteristisch für den Außenpolitiker Bülow war ein gewisses Maß an Risikobereitschaft. Ein Kriegstreiber war der Kanzler allerdings nicht. In der Bosnischen Annexionskrise zwang er Russland durch eine verschleierte Kriegsdrohung zum Einlenken. Einen Masterplan für den Griff nach der Weltmacht hatte Bülow nicht, so Fesser, doch trachtete er danach, günstige Gelegenheiten zu nutzen, um Deutschlands Stellung in der Welt zu verbessern. Wirtschaftliche Interessen, aber auch Prestigedenken waren dabei seine Motive. Von spektakulären außenpolitischen Erfolgen und auch vom Flottenbau versprach er sich eine integrierende Wirkung auf die zerklüftete Gesellschaft des Kaiserreiches. Bülow überdachte nach dem Marokko-Debakel seinen Kurs und reduzierte das weltpolitische Engagement des Reiches. Er wollte nun doch einer Verständigung mit Großbritannien den Weg ebnen und plädierte daher für eine Verlangsamung des kostspieligen Flottenbaus, ein Ansinnen, das am Widerstand des Kaisers und des Admirals Tirpitz scheiterte.

Ebenso kompetent wie Bülows Außenpolitik behandelt Fesser die Innenpolitik des Kanzlers. Auch auf dem Feld der Innenpolitik fiel Bülows Bilanz bescheiden aus. Bei Bülows Abgang 1909 war die innenpolitische Lage genauso verfahren wie bei seinem Amtsantritt. Der Kanzler trat ein schweres Erbe an. Beharrlich arbeitete er daran, das in den 1890er Jahren geschwächte Reichskanzleramt wieder zum Zentrum der Exekutive zu machen. Es gelang ihm bis zu einem gewissen Grad, dem allseits beklagten Betätigungs- und Einmischungsdrang des Kaisers Zügel anzulegen. Bülow vermied in der Innenpolitik extreme Positionen. Er setzte auf eine Verständigung mit der katholischen Zentrumspartei, lehnte Repressionen gegen die Sozialdemokratie ab und bemühte sich, seine Stellung durch parlamentarische Mehrheiten in wechselnder Zusammensetzung abzusichern ("Bülow-Block"). Wenn dem Kanzler bedeutende innenpolitische Erfolge versagt blieben, dann lag das weniger an persönlicher Unfähigkeit als an den gravierenden Strukturproblemen des Kaiserreiches. Unter den gegebenen Umständen waren dem, was der Kanzler bewirken und erreichen konnte, von vornherein enge Grenzen gesetzt. Das muß jeder Biograph in Rechnung stellen. Wer im "verworrenen Machtgefüge des Kaiserreichs" (Röhl) ein Spitzenamt bekleidete, der hatte kein leichtes Los. Nach Bülows Rücktritt im Sommer 1909 lehnten bezeichnenderweise mehrere Kandidaten das Kanzleramt dankend ab.

Fesser zeigt Bülow als Politprofi, der nicht als Leichtgewicht und Blender abgetan werden kann. Freilich lässt auch Fesser keinen Zweifel daran, dass Bülow mit seiner risikofreudigen und konfrontativen Außenpolitik zur Vertiefung der Großmachtrivalitäten in Europa beitrug. Manches hätte Fesser ausführlicher behandeln können, etwa Bülows Privat- und Gesellschaftsleben. Als "Salonlöwe" und geistreicher Plauderer tritt Bülow in Fessers Biographie kaum in Erscheinung. Trotzdem ist das Buch der ideale Einstieg für alle, die sich erstmals näher mit Bülow beschäftigen wollen. Solide Vorkenntnisse zur politischen Geschichte des Kaiserreiches können bei der Lektüre nur hilfreich sein. 

(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im Mai 2014 bei Amazon gepostet)

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