Rezension zu "Morgen, morgen und wieder morgen" von Gabrielle Zevin
Ich habe mich sowohl wegen der überragend guten Reviews, als auch wegen der charmanten Beschreibung im Klappentext für „Morgen, morgen und wieder morgen“ entschieden. Eine Geschichte über Freundschaft, Liebe und Videospiele, ein „character-driven" Wohlfühlroman mit popkulturell angehauchtem Sentimentalitätsfaktor und Elementen des Coming-of-Age Genres. Sehr vielversprechend.
Und ich muss zugeben, dass mir die Geschichte über Sadie und Sam zu Beginn auch gut gefallen hat. Bis mir nach ungefähr einem Drittel der Seitenzahl aufgefallen ist, dass ich sie doch irgendwie nicht mag – auch wenn das jetzt vielleicht etwas schräg klingt.
Gabrielle Zevin hat einen an sich sehr hübschen Erzählstil, den sie wie rosa Bonbonpapier um die eigentliche Handlung des Romans wickelt: Authentische Dialoge, ein sehr angenehmes und flüssiges Wechseln zwischen den Zeitebenen, eine charmante, atmosphärische (und wirklich gut übersetzte) Sprache.
Diese voluminöse Verpackung kann leider nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich hinter ihr nur eine überzuckerte, mit chemischen Geschmacksstoffen versetzte Süßigkeit versteckt, die im besten Fall Sodbrennen, wenn nicht sogar Übelkeit verursacht (um hier mal bei der Bonbon-Metapher zu bleiben).
Wenn ich mich nochmal auf die oben genannten Gründe zurückbeziehe, aus denen ich das Buch gelesen habe, und sie mit denen vergleiche, warum es mir dann doch nicht gefallen hat, so gibt es bei beinahe jedem Kernaspekt von „Morgen, morgen und wieder morgen“ etwas, das mich stört.
Allem voran sind da die Charaktere. Ich habe grundsätzlich nichts gegen unsympathische Protagonist*innen, solange sie gut geschrieben sind. Meiner Meinung nach macht sich eine gute Figur nicht dadurch aus, dass man sich mit ihr identifizieren kann. Das Problem mit den Charakteren in „Morgen, morgen und wieder morgen“ ist, dass eigentlich alles an der Geschichte auf ebenjene Identifizierung mit den Protagonist*innen abzielt, obwohl sie so unausstehlich sind.
Sowohl Sam Masur als auch Sadie Green, die Hauptprtagonist*innen von „Morgen, morgen und wieder morgen,“ zeichnen sich vor allem durch eine massive Selbstzentriertheit, eine „besser als du“ Attitüde und die Begeisterung, in ihrem eigenen Selbstmitleid zu baden aus.
Sam ist ein Narzisst mit Minderwertigkeitskomplexen und einem Hang zu manipulativen Spielchen und emotionaler Erpressung. Sobald er, der sich selbst stets als Außenseiterfigur sieht, von Erfolg und Beliebtheit kostet, betrinkt er sich daran und wird zur selbstgefällig inszenierten Parodie eines peinlichen Gamerbros.
Sadie ist eine streitsüchtige, dauerbeleidigte Zicke (obwohl sie wahrscheinlich als „komplizierter Charakter“ angelegt ist), zu deren Lieblingshobbies es gehört sich in eine Opferrolle hineinzusteigern und anderen Leuten die Schuld für ihre Launen in die Schuhe zu schieben. Warum so viele Figuren in der Geschichte wild darauf sind, ihre Freund*innen und/oder Lover zu werden, war mir nicht ganz verständlich.
Marx, der dritte Protagonist des Buches, ist eine überzeichnete Variante des „Good Guy“ Archetyps. Gutaussehend, sexuell offen und mit der Mentalität eines menschgewordenen Labradors versprüht Marx auf die penetrante Art und Weise eines Duftbäumchens Harmonie und gute Laune. Er tut sich mit so lächerlich hoher Regelmäßigkeit als „the bigger person“ hervor, dass „Was würde Marx tun“ in der zweiten Hälfte des Buches zum geflügelten Wort wird.
Wirklich viel von „Freundschaft“ bekommt man in dem Buch nicht zu lesen, die Beziehung der Hauptfiguren (sämtliche anderen handelnden Personen bleiben blass und sind bestenfalls Klischees) bewegt sich durchgehend auf einem Level, das man heutzutage als „toxisch“ bezeichnen würde.
Den oft willkürlich wirkend Giftereien zu folgen wird schnell fade, vor allem weil die Handlung ohne große Spannungskurve dahinplätschert, obwohl Levin eigentlich nicht mit dem Drama geizt. Nichtsdestotrotz war irgendwie war keine der Höhen und Tiefen der Geschichte besonders berührend, es bleibt auf dem Level einer oberflächlichen Soap.
Die behandelten gesellschaftspolitischen Aspekte wirken eher prätentiös und oft auch irgendwie nicht authentisch mit Blick auf die zeitliche Verortung der Handlung in den späten 90ern. Gleiches gilt für den Aspekt der Geschichte, die an die Entwicklung der Videospielkultur anknüpfen soll. Auch wenn hier und da eine zeithistorische oder popkulturelle Referenz eingestreut wird, passt das Geschilderte oft nicht zum damaligen „State of the Art,“ sondern wirkt recht modern.
Obwohl „Morgen, morgen und wieder morgen“ alles dafür tut, ein Wohlfühlroman zu sein, fand ich die Geschichte von Sadie und Sam durchgehend unangenehm und anstrengend. Schade, ich hätte dieses Buch wirklich gerne gemocht.