Dieses Buch zu bewerten fällt mir schwer: Thematisch fand ich es interessant, die Art, wie es geschrieben ist, fand ich… schwierig. Auch, weil sich das Buch an Jugendliche richtet und es unkritischen Leser*innen schwerfallen könnte, Inhalt und Darstellung voneinander zu unterscheiden.
Die Erzählung Der Flug der Nachtfalter besteht aus Anekdoten des Protagonisten aus seiner Zeit im kolumbianischen Drogenmilieu. Das ist schon ganz interessant. Die Motivation des Erzählers ist, deutlichzumachen, wie verführerisch, gefährlich und destruktiv die Drogenkartelle sind. Da der Klappentext die Erzählung als warnendes Beispiel gegen Drogenkonsum beschreibt, hätte mich abschließend noch eine Schilderung interessiert, wie dem Protagonisten der Ausstieg gelang. Nach den Schilderungen der Gewaltbereitschaft und Skrupellosigkeit der Narcos stelle ich mir das nicht leicht vor.
Die Art, wie dieses Thema dargestellt wird, hat mich aber sehr gestört. Insgesamt fand ich die Erzählung eher unemotional, teilweise abschätzig. Eine Schilderung am Ende hat mich wirklich wütend gemacht – sowohl was die Geschehnisse angeht als auch die Art, wie sie beschrieben sind! Wegen potentieller Trigger (und Spoiler?) steht dieser Absatz am Ende meiner Rezension.
Sprachlich konnte mich die Erzählung leider nicht überzeugen. Vielleicht liegt es am Versuch der Autorin, möglichst nah an den Originalformulierungen des realen Protagonisten zu bleiben, normalerweise hat sie wohl auch einen anderen Schreibstil. Einige der sehr langen und verschachtelten Sätze sind durch Grammatik- oder Wortfehler holprig.
Da die Erzählung auf Aussagen des Protagonisten beruht, möchte ich seine verächtliche Haltung ganz deutlich nicht Gabrielle Couillez als Autorin anlasten, aber gestört haben mich einige Formulierungen beim Lesen trotzdem:
Übel aufgestoßen ist mir der Vergleich der Bevölkerung Bogotas in den 1980ern mit Tieren, da sie nicht progressiv denkend, sondern nach Instinkt handelnd seien. Es ist eine menschenverachtende Perspektive, Menschen vorzuwerfen, in unhygienischen Zuständen zu leben, weil die Stadt, in der sie leben, nicht über Infrastruktur wie z.B. Kanalisationen verfügt!
Die abschätzige Haltung des Protagonisten könnte daran liegen, dass er sich überlegen fühlt. Vielleicht meint er, weil er geschafft hat, sein Leben positiv zu verändern, seien alle anderen selbst schuld, wenn es ihnen nicht gut gehe. Dabei haben äußere, v.B. gesellschaftliche Faktoren einen großen Einfluss auf Lebenswege. Weiteres Manko für mich ist der durchkommende eurozentrische Blick, der überraschend ist, da der Ich-Erzähler Kolumbianer ist und von seiner Jugend in Kolumbien erzählt.
Insgesamt hab ich mich beim Lesen oft geärgert, mal über die beschriebenen Umstände, mal über die Beschreibungen selbst. Für knapp 60 Seiten ist das mal auszuhalten, um etwas über die Perspektive eines Ex-Drogenabhängigen und -Dealers in Kolumbien, aber ein Lesegenuss ist es nicht. Wichtig ist es aber, dieses Buch mit einem kritischen Blick auf den Ich-Erzähler und seine Darstellungen zu lesen.
Triggerwarnung: (+ Spoiler) Zur Veranschaulichung der gefährlichen Zeiten damals wird erklärt, dass es für einen Mann schon gefährlich sein konnte, mit einer Frau auszugehen, denn wenn Männergruppen auf Drogen die Frau attraktiv fanden, wurde der Mann bei Gegenwehr einfach getötet. Ach ja, und für die Frau war das, was dann passierte, auch blöd… Was für ein Hohn für Frauen, das so zu schreiben!