Als "Gott" von Ferdinand von Schirach angekündigt wurde war mir sofort klar, dass ich dieses Buch lesen muss. Nicht nur weil ich grundsätzlich alle Bücher von ihm lese, sondern vor allem weil gewisse Parallelen zu "Terror" natürlich nicht von der Hand zu weisen sind. Und "Terror" ist bis heute eines meiner liebsten Bücher von ihm.
Ja, man muss sich etwas an den Aufbau gewöhnen. "Gott" ist schließlich kein Roman, sondern ein Theaterstück. Wir haben hier also hauptsächlich nur Dialog und dieser hat es dank der Thematik in sich.
In "Gott" geht es um Richard Gärtner, 78 Jahre alt, der nach dem Tod seiner Frau nicht mehr leben und Sterbehilfe in Anspruch nehmen möchte, obwohl er selbst keinerlei medizinische Probleme hat. Sein Fall wird vor einer Ethikkommission diskutiert, viele Experten und Betroffene kommen daher zu Wort. Und wie immer hat der Leser bzw der Besucher im Theater auch ein Wörtchen mitzureden. Wie schon bei "Terror" wird man gebeten sich zum Schluss zu entscheiden. Sterbehilfe ja oder nein?
Insgesamt kann "Gott" für mich leider nicht im Vergleich zu "Terror" mithalten. Natürlich liegt das nicht am Thema an sich, aber bei gewissen Experten war bei mir irgendwann die Luft raus. Religion nimmt hier zb einen sehr großen Platz ein und das wurde mir dann etwas zu viel.
Trotzdem ein lesenswertes Buch, besonders wenn man sich für die Thematik interessiert.
Ferdinand von Schirach
Lebenslauf von Ferdinand von Schirach
Insiderwissen: Der Strafverteidiger und Schriftsteller Ferdinand von Schirach wurde 1964 in München geboren. Seit 1994 arbeitet er in Berlin als Anwalt und Strafverteidiger. Zu seinen Mandanten gehörten das frühere Politbüro-Mitglied Günter Schabowski, der ehemalige BND-Spion Norbert Juretzko, Industrielle, Prominente und Angehörige der Unterwelt. 2009 publizierte er seinen Debütband "Verbrechen", in dem er seine skurrilsten und unglaublichsten Fälle niederschrieb und welcher bereits verfilmt wurde. Seine Bücher wurden zu Millionenfach verkauften internationalen Bestsellern. Sie erschienen bisher in 40 Ländern
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Neue Rezensionen zu Ferdinand von Schirach
Rezension zu "GOTT" von Ferdinand von Schirach
In diesem Theaterstück befindet man sich in einem Gerichtssaal, in dem darüber diskutiert wird, ob ein Mensch das Recht haben sollte, selbstbestimmt das Leben beenden zu dürfen und inwiefern ein Arzt dabei mitwirken darf. Somit stellt sich die Frage, bis zu welchem Masse die Beihilfe zum Suizid vertretbar ist – wenn überhaupt.
Auf der einen Seite haben wir Richard Gärtner, der nach einem Medikament verlangt, das ihn töten solle. Auf der anderen Seite gibt es Argumente von Medizinern, Pfarrern, Politikern und Ethikern. Zum Schluss wählt man als Leser:in wieder selbst, wie das Urteil lautet. Und im Anhang sind noch verschiedene und spannende Essays zum Thema zu lesen.
Ich kann nicht anders, als einen direkten Vergleich mit »Terror« zu machen, weil das Theaterstück praktisch gleich aufgebaut ist und auch einer essenziellen Fragestellung folgt. Leider konnte mich das Buch nicht ganz überzeugen. Es sind stichhaltige Argumente vertreten – von beiden Seiten, aber man merkt, dass der Autor auf eine Seite tendiert. Und das ist die wichtigste Unterscheidung zu »Terror«. Dort wirkte jedes Argument unbelastet und neu und man konnte individuell abwägen. Ausserdem sind die Belege in diesem Stück nicht neu, man hat sie auch schon in anderen Diskussionen zum Thema Sterbehilfe gehört.
Ich denke, das liegt daran, dass dieses Thema präsenter ist als die Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit. Man ist sich über ethische Fragestellungen zu Sterbehilfe bewusster, weil man sie eher antrifft – würde ich behaupten. Auch die öffentliche Meinung tendiert hier mehr in die eine Richtung als in die andere, deshalb wirft es nicht so viel Gesprächsstoff auf, da man eben vieles davon schon kennt.
Trotzdem spannend fand ich, dass es mehrere Expert:innen in diesem Stück gab, die aus verschiedenen Blickwinkeln ihre Stellung zum Thema Sterbehilfe und Suizid schildern.
Im Gegensatz zu »Terror« sprang für mich persönlich einfach nichts wirklich Neues aus dem Theaterstück heraus. Ausserdem finde ich, dass bei »Terror« wirklich die Auseinandersetzung mit der Frage im Mittelpunkt stand, während hier fast schon zwischen einem Richtig und Falsch unterschieden wird – was auch völlig in Ordnung ist, wenn es das ist, was der Autor vermitteln möchte. Aber dann wurde meiner Meinung nach die falsche Methode gewählt, wie man Sterbehilfe repräsentieren möchte.
Rezension zu "Schuld" von Ferdinand von Schirach
Ein typischer Schirach mit dem ihm eigenen Sprachstil. Nüchtern und sachlich werden Fakten aufgeführt und ohne Emotionen berichtet. Aber die Schicksale, die er schildert, haben eine unglaubliche Wucht. Als Strafverteidiger muß er natürlich Straftäter verteidigen, was nicht immer einfach ist. Auch wenn er dies nicht schreibt, merkt man ihm die Last, die manches Mal auf seinem Gewissen liegt, an. Vor allem in der ersten Geschichte. Aber manche andere Menschen zu verteidigen ( arme Teufel, vom Schicksal gebeutelte oder Frauen, die sich nicht anders zu helfen wußten), erscheint gut und richtig. Manche Geschichten gehen echt unter die Haut und es gibt nicht immer Gerechtigkeit, bei anderen Geschichten stockt einem der Atem und bei wieder anderen muß man schmunzeln (ich denke da an die Hilflosigkeit angesichts des durchfallkackenden Hundes im teuren Auto). Gelacht habe ich bei der letzten Geschichte. Solche Stories kenne ich gut, da ich mit solchen Menschen arbeite. Aber das mal so nüchtern geschildert zu bekommen, das hat was.
Insgesamt ein typischer Schirach, fesselnd, spannend und mit schlimmen Schicksalen. Aber nicht ganz so stark wie der Vorgänger. Vielleicht, weil er da schon die besten Geschichten / Fälle genommen hat, vielleicht auch, weil man sich an den Stil etwas gewöhnt hat und es nicht mehr so etwas völlig Neues ist. Auf jeden Fall lesenswert. Ich bin immer wieder erschüttert, was für Leben andere Menschen führen und wie das Schicksal ihnen immer wieder in die Suppe spuckt. Besonders schlimm finde ich, wenn die Opfer so völlig hilflos und ohnmächtig sind und in ausweglosen Situationen feststecken (häusliche Gewalt, Kindesmißbrauch, Mobbing) und jeder Versuch, sich zu befreien und der Qual ein Ende zu machen, alles nur noch schlimmer macht. Das ist so entsetzlich, dass es kaum zu ertragen ist. Daher hallen manche der Geschichten auch lange nach.
Gespräche aus der Community
Wer zusätzlich die Verfilmung mit Josef Bierbichler gesehen hat, kennt die Lösung. Sie ist hier aber auch schon genannt worden. Unser Anwalt nutzt die Tatsache, dass die Uhr von Boheim eine Stunde nach geht, schamlos aus und konstruiert die Sache mit der verdrehten Zeitumstellung – in der Hoffnung, dass der unerfahrene Polizist (im Film ein älterer, aber einfältiger Typ) und der kurz vor der Pensionierung stehende Staatsanwalt die Sache nicht sofort blicken. Im Film wird am Ende alles aufgelöst. Staatsanwalt Schmied (nun im Ruhestand) trifft die geschiedene Gattin von Boheim zufällig im Park und sie erwähnt, dass ihr die Sache mit der Uhrzeit auch erst ein paar Tage später gekommen sei, worauf Schmied ungläubig drein schaut; sie muss es ihm (und dem Zuschauer) noch extra erklären. Dann fragt Schmied, was mit der Armbanduhr sei. Und die Ex-Gattin entgegnet, Boheim habe nach Auslandsreisen oft vergessen seine Uhr umzustellen, sie glaube aber trotzdem nicht, dass er die Tat begangen habe. Schmied fällt natürlich die Kinnlade runter, denn er realisiert, dass er den Täter hat entkommen lassen.
Natürlich ist das Szenario vollkommen unrealistisch, wie so einige Stories von Schirach. Klar, ein Fünkchen Wahrheit wird er meistens mit verwoben haben, aber das allermeiste dürfte dann wohl doch Fiktion sein, aber warum auch nicht?
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