Rezension zu: Drewerman, Eugen. Von der Macht des Geldes. Herder 6509, Freiburg im Breisgau: 2009. Lizenzausgabe Patmos Verlag und Co. Kg: Düsseldorf: 2007.
Drewermann interpretiert die Märchen „Rumpelstilzchen“, „Der gestielte Kater“ und „Die Bremer Straßenmusikanten“ im Bezug auf ökonomische Systeme.
Der Grundgedanke bei „Rumpelstilzchen“ ist das Versprechen, das der Vater gegeben hat, zu erfüllen. Dafür ist die Gier des Prinzen ausschlaggebend. Schließlich kommt es zu einem Handel mit dem Rumpelstilzchen, mit dem die Müllerstochter ihr Überleben sichert. Schließlich verhindert sie die Herausgabe Ihres Kindes durch das Nennen des richtigen Namens.
Auf einer inneren Ebene ist das Erbe der Eltern für das Weiterkommen der Kinder im Leben bestimmend. Das Erfüllen der Aufgabe als Pflicht gegenüber den Eltern erfordert einen Bund mit dem Teufel, der erst gelöst werden kann, wenn man sich diesem Bund entgegenstellt und den „Bösen“ beim Namen nennt. Eine Art zweiter Ausweg. Würde man sich den Folgen des Verkaufs durch die Eltern nicht stellen oder den Bund erst gar nicht eingehen, so würde das entweder den physischen, in jedwedem Fall aber den psychischen Tod bedeuten. Einmal wäre man gezwungen, als Versager wahrgenommen zu werden, weil man das „Leben“ des Vaters nicht gerettet oder die Erfüllung gebracht hat, die dem Vater verwehrt geblieben ist und so zu einer Sehnsucht wurde.
Oder das Rumpelstilzchen hätte sich das Kind geholt, was die Mutter in Depressionen stürzen würde, das Kind verkauft zu haben, eben so wie sie an den Prinzen verkauft wurde. So entstehen Familientraditionen. Und so gibt es eine Generation an die nächste weiter im Sinne der Familienlinie.
Der Grundgedanke beim „Gestiefelten Kater“ ist mit List und Täuschung das eigene Überleben zu sichern und doch ständig in der Angst zu leben, durch einen neuen gestiefelten Kater ersetzt zu werden, denn irgendwer hat immer die Skrupellosigkeit, auf Kosten anderer Überleben zu müssen, ohne dabei Rücksicht auf das Gemeinwohl zu legen. Was wäre die Alternative? Der Kater müsste
ersäuft werden. Stattdessen bedient er sich der „sozialen Medien“ in Form von Schuhen, die ihn anderes - besser/wertvoller erscheinen lassen, als er sich selbst ursprünglich bewerten würde. Jedenfalls wird die Maske oder in diesem Fall der Kothurn zu einem notwendigen Werkzeug, das den Weg vorgibt und gegen Ende auch befiehlt, denn wer so weit gekommen ist, geht nun
zum Äußersten der Machtsicherung. Tyrion Lannister aus Game of Thrones ist hier ein Vertreter aus der Fantasyliteratur. So etwas kann doch in der Realpolitik nicht passieren! Mitnichten! Sehen sie nach Österreich 2017-2021. Hier gibt es mehrere politische Personalunionen mit diversen gestiefelten Katern. Drewermann bezeichnet die Geschichte mehrfach als Schwank oder Schabernackgeschichte, die aufrütteln und zum Nachdenken anregen soll. Zum Glück hat die Demokratie und die Verfassung bisher einen Weg gefunden, eben keinen Kater an die Macht zu lassen.
Bei den „Bremer Stadtmusikanten“ geht es schließlich um den Wert des Menschen, selbst wenn er nicht mehr in einen Arbeitsprozess eingegliedert werden kann. Was ist ein Mensch dann noch wert? Wie hoch ist der Wert eines Sklaven zu berechnen, wenn sein einziger Zweck in der Erfüllung seiner Konsumpflicht besteht. Wie sozial verhalten wir uns da noch? Da schließt sich sofort die Frage an, ist ein Sozialsystem nur Legitimation für noch effizeintere Ausbeutung und ein Verschleiern dessen? Aus Sicht der Musikanten bleibt nur der Weg in die Anarchie der Besetzung eines Hauses und dem Tingel-Tangel Leben eines Vagabunden und Musikers. Natürlich sind damit die wesentlichen Lebensprobleme nach Unterkunft und Nahrung nicht gelöst, aber gemeinsam macht es sicher mehr Spaß als alleine! So wird Solidarität zu einem notwendigen Akt des Überlebens und führt zur Sinnfindung alten Menschen. Solidarität ist der einzige Schlüssel zu einem würdevollen Altern. Solidarität bis hin zur Abschaffung aller Klassen, die als Rechtfertigung der Industrialisierung geschaffen wurde und die heute niemand braucht. Wir haben uns also unsere Könige durch die Demokratie neu geschaffen und durch das Geld, das sie verdienen, legitimiert.
Fazit:
Eine höchst erfrischende tiefenpsychologische Interpretation der o. g. Märchen, die hinterfragt, inwieweit "Mensch" nur als Arbeitstier zu gebrauchen ist und wie verwirklichbar wirtschaftliche Alternativmodelle sind, die sich nicht nur an der "Maximalausbeute" orientieren. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um konsequente Selbstausbeutung (Rumpelstilzchen), betrügerisches Machtstreben (Der gestiefelte Kater) oder dem Entsorgen von Alten (Die Bremer Stadtmusikanten) handelt. Angesichts des Erscheinungsdatums 2007 enthält das Buch viele Überlegungen, die mittlerweile von der Wirklichkeit, konkret der Klimakatastrophe u. a. eingeholt wurden. Wer an einer Philosophie des "Wirtschaft-neu-Denkens" interessiert ist, dem darf das Lesen und Weiterverschenken dieses Buches an Herz gelegt sein. Vielleicht heißt es dann ja doch: Am Ende ist es gut ausgegangen, so wie im Märchen.