Peach wankt unter Schmerzen nach Hause. Ihr ist gerade etwas Schreckliches widerfahren und sie bekommt den wurstigen Geruch nicht aus der Nase und das fettige Gefühl nicht von der Haut. Niemand darf etwas merken, doch das ist gar nicht so einfach, wenn sie das Monster mit offenen und mit geschlossenen Augen immer wieder sieht und ihr Bauch unübersehbar anschwillt. Doch der Albtraum ist noch nicht zu Ende und Peach überschreitet Grenzen, um sich von ihm zu befreien.
Immer wieder sehe ich in Rezensionen den Begriff "verstörend" in Zusammenhang mit diesem Buch und das beschreibt es meiner Meinung nach sehr passend. Emma Glass findet erschütternde Worte und einen ebenso erschütternden Stil für die Umschreibung dessen, was Peach passiert ist. Das Buch beginnt mit einer Szene, in der Peach sich nach dem Erlebten selbst wieder zusammenflickt. Verstörend ist daran, in welcher Ausführlichkeit und Eindringlichkeit das beschrieben ist. Als Leser kann man sich der Situation nicht entziehen. Jegliche Eindrücke sind (leider) sehr plastisch.
Obwohl das Buch nur knapp 130 Seiten wurde mir der Stil irgendwann zu viel. Teilweise hatte es etwas Phantastisches. Manchmal wurde nicht klar, was Albtraum und was Realität ist. Die Grenzen der Wahrnehmungen verschwimmen und machen es manchmal schwierig, der Handlung zu folgen.
Besonders schlimm fand ich jedoch das Ende. Es gibt - zum Glück - wenig Bücher, die mich abstoßen, aber ab einem gewissen Punkt tat es dieses Buch. Wegen der Handlung selbst, aber auch wegen des Detailreichtums. Ich verstehe die Metaphern und die Katharsis von Peach und auch, dass der Stil sicherlich anspruchsvoll und poetisch ist. Aber ich habe das Lesen in keinster Weise genossen und war froh, als ich die 120 Seiten hinter mir hatte. Auch wenn sie mir einiges zu denken gaben. Mindestens auf diese Auflösung hätte ich jedoch verzichten können.
Emma Glass
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Peach
Peach
Rest and Be Thankful
Neue Rezensionen zu Emma Glass
Radikal. Abstrus. Surreal. Verfremdet. Direkt. Brutal. Schmerzhaft. Eindringlich. Artifiziell. Lyrisch. Verstörend. Beeindruckend. Nachhallend. Irritierend. Anders. – So lässt sich der Debütroman Peach von Emma Glass vielleicht noch am besten zusammenfassen. Ein Roman, der in seiner Gesamtheit unglaublich schwer zu fassen ist und dabei doch eine einfache Geschichte erzählt. Peach handelt – obwohl das Wort im Text kein einziges Mal explizit verwendet wird – von einer Vergewaltigung: Die gleichnamige Protagonistin des Romans wird Opfer eines sexuellen Überfalls; wie so viele anderen schweigt sie darüber, igelt sich ein, flickt sich selber zusammen – wortwörtlich und im übertragenen Sinne – und versucht, in den Alltag zurückzufinden. Doch die Erinnerungen, der Ekel, die Angst sind zu mächtig, als dass man sie einfach verdrängen kann…
Ich möchte reden, Ihm Sachen sagen. Alles sagen. Mit ihm reden. Erzählen, was passiert ist, gestern Abend auf dem Heimweg. Ich möchte diese Sachen sagen, aber ich finde nicht die richtige Reihenfolge. Für die Wörter. Sätze hetzen ziellos im Hirn. Streuen sinnlos Wörter. Zerstreut. Semantische Wildsaat. (S.44)
Emma Glass Roman wurde Anfang des Jahres veröffentlicht und scheint damit die passende Geschichte zur der seit Herbst 2017 schwelenden #MeToo-Kampagne zu sein. Doch Peach einfach nur als aktuellen literarischen Kommentar zu verstehen, würde zu kurz greifen: Zum einen würde dabei außer Acht gelassen werden, dass die Autorin schon viele Jahre vorher an der Story geschrieben hat; zum anderen würde die reine Kontextualisierung in der derzeitigen gesellschaftlichen Debatte verkennen, dass es sich bei Peach um eine zeitlose Erzählung über sexuelle Gewalt (die schon vor #MeToo da war und es auch nach #MeToo sein wird) handelt und – fast noch wichtiger – um unglaublich gute, eindrucksvolle und radikale Literatur.
Ich denke, dass dies der Anfang vom Ende dieser schrecklichen Zeit sein muss. Ich schlucke. Ich sage mir, Lass uns einfach so tun, als sei das alles nie geschehen. Ich will kein Opfer sein. Eines dieser Opfer. Oh, mir ist diese schlimme Sache passiert, als ich jung war. Er hat einen Teil von mir geraubt (Worte vorgetragen in so einer heiseren, gebrochenen Stimme)… ein Stück meiner Seele. Mir schaudert und ich krümme mich unter dem Klischee. (S. 68)
Denn Glass erzählt anders, als man vor der Lektüre oder beim Lesen der ersten Rezension denken würde: Peach ist eine Geschichte, die stark im Metaphorischen und Surrealen verhaftet ist. Die Protagonistin heißt nicht nur Peach, sie ist auch ein Pfirsich und die Welt, in der sie sich bewegt, ist die unsere – nur eben gepaart mit anthropomorphisierten Elementen. Sie raubt damit dem Lesen jeden sicheren Boden, nie weiß man, was einen auf den nächsten Seiten erwartet, weil man sich noch nicht einmal bewusst ist, was man auf der aktuellen Seite genau liest. Und doch funktioniert das Buch! Peach klingt im Leser nach, spricht etwas in einem an, vermittelt etwas, das man vielleicht nicht unbedingt mit Worten beschreiben, das man aber dennoch nachvollziehen und verstehen kann – auch wenn vieles unverständlich bleibt. Dies ist auch sehr der Sprache zu verdanken, die Emma Glass verwendet und die von Sabine Kray beeindruckend übersetz wurde: Alliterationen und Wortspiele, eine kurze, beinahe stakkatohafte Syntax, ein nahezu lyrisches Anordnen von Wörtern erzeugen einen Sound des Schmerzes, hämmern dem Leser die Geschichte ein, machen das Erzählte, so unfassbar es an einigen Stellen ist, tatsächlich unvergesslich.
Peach ist mutige, einzig- und andersartige Literatur. Etwas, das nicht jedermanns Fall ist und das auch bei der Lektüre nicht immer hundertprozentig bei mir ankam. Aber Peach ist eben auch ein Buch, bei dem die Frage nach Gefallen oder Nicht-Gefallen nicht passend, ja fast schon nebensächlich wird. Es zeigt auf nur knapp 120 Seiten, was Literatur kann: Unsagbares ausdrücken, Unverständliches greifbar machen, Unaushaltbares kanalisieren. Deswegen gibt es von mir, obwohl ich noch nicht einmal wirklich sagen kann, dass mir der Roman gefallen hat, volle 5 Sterne, eine eindeutige Leseempfehlung und den Ratschlag, sich diesem Buch mutig und offen zu stellen.
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